:: 12/2011

Fehlt der Nachwuchs in der Landwirtschaft?

Etwa alle 10 Jahre werden im Rahmen der Landwirtschaftszählung die älteren Inhaber und Inhaberinnen landwirtschaftlicher Betriebe zur Hofnachfolgesituation in ihren Betrieben befragt. Die Frage ist insofern eine Besonderheit, als sie keinen objektiven Sachverhalt feststellt, sondern eine Einschätzung über eine zukünftige Entwicklung erfordert. Dieses prognostische Element gibt dieser Fragestellung aber auch ihren besonderen Wert, weil die Hofnachfolge und der Generationswechsel in den Betrieben in direkter Verbindung mit dem Strukturwandel in der Landwirtschaft stehen. Im Vergleich zur Landwirtschaftszählung von 1999 zeichnet sich hinsichtlich der Hofnachfolge im Jahr 2010 ein kritischeres Bild der in den kommenden Jahren zu erwartenden Entwicklung ab.

Mit dem Älterwerden rückt für die Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe die Hofnachfolgefrage immer näher. Wenn ein Generationswechsel bevorsteht, ohne dass ein geeigneter Hofnachfolger oder eine Hofnachfolgerin zur Verfügung steht, führt dies zur Auf- oder Abgabe des landwirtschaftlichen Betriebs. Insofern liefert die Verfügbarkeit bzw. die Nichtverfügbarkeit eines Hofnachfolgers ein Indiz über den zu erwartenden Strukturwandel. Doch bereits im Vorfeld sind von der Frage der Hofnachfolge wichtige Entscheidungen berührt, so zum Beispiel größere Investitionen oder Weichenstellungen für die Berufsbildung.

Viele landwirtschaftliche Betriebe im Land ohne Hofnachfolge

Von den insgesamt 44 512 landwirtschaftlichen Betrieben im Land haben 27 225 oder 61 % einen Betriebsinhaber (oder Betriebsinhaberin) im Alter von 45 Jahren oder mehr, für die in den kommenden Jahren die Hofnachfolgefrage an Relevanz gewinnen wird und die deshalb im Rahmen der Landwirtschaftszählung 2010 zur Hofnachfolge befragt wurden. In der Mehrzahl dieser landwirtschaftlichen Betriebe ist die Hofnachfolgefrage danach ungewiss oder bereits negativ entschieden. Eine geregelte Hofnachfolge gibt es demnach in nicht einmal jedem vierten befragten Betrieb. Nur in knapp 6 200 Betrieben ist die Weiterführung des Betriebes durch einen Hofnachfolger gesichert. In der Mehrzahl der befragten Betriebe gibt es keinen Hofnachfolger (35 %) oder ist der Ausgang noch ungewiss (43 %). Die positive oder negative Einschätzung der Hofnachfolge ist dabei von einer Reihe von Parametern abhängig.

Zunehmendes Alter klärt die Verhältnisse

So gibt es bei der Einschätzung der Hofnachfolgesituation eine deutliche Abhängigkeit vom Alter des Betriebsinhabers. Je älter der Betriebsinhaber, desto höher ist der Anteil der Betriebe mit geregelter Hofnachfolgefrage. Bei den vergleichweise jungen Betriebsinhabern in der Altersgruppe zwischen 45 und 49 Jahren gibt es nur in 14 % der Betriebe einen Hofnachfolger. Bei der Gruppe der 60- bis 64-Jährigen beziffert sich diese Quote dagegen auf 31 %. Betriebe, die sich zuvor in der Hofnachfolgefrage noch unbestimmt äußerten, finden – je näher der Zeitpunkt der Betriebsübergabe rückt – dann doch noch eine positive Lösung in der Hofnachfolgefrage. Weitgehend unbeeindruckt vom Alter der Betriebsinhaber zeigt sich allerdings die Fraktion der »Nein«-Sager, also der Anteil der Betriebe, in denen es keinen Hofnachfolger gibt. In allen Altersgruppen (bis 65 Jahre) liegt der Anteil ziemlich einheitlich zwischen 32 und 36 %. Dies deutet darauf hin, dass sich eine negative Einschätzung zur Hofnachfolge bereits zu einem relativ frühen Zeitpunkt abzeichnet und diese dann im weiteren Verlauf eher selten revidiert wird. Bei den noch älteren Betriebsinhabern über 65 Jahren steigt die »Nein«-Quote nochmals sichtlich an (auf 37 %). Allerdings hat in dieser Altersgruppe in der Regel schon eine Betriebsübergabe stattgefunden. Sie ist daher nicht nur zahlenmäßig kleiner als die anderen Gruppen, sie unterscheidet sich auch systematisch von den anderen Altersgruppen, da sich in ihr die »Übriggebliebenen« sammeln.

Wenn auch mit zunehmendem Alter der Betriebsinhaber die Quote der positiven Hofnachfolge steigt, so bleibt doch selbst bei den älteren Betriebsinhabern eine erhebliche Lücke. In der Gruppe der 60- bis 64-jährigen Betriebsinhaber haben nur 31 % eine positiv geregelte Hofnachfolge. In der klaren Mehrheit der Betriebe (69 %) ist die Hofnachfolge auch in dieser Altersgruppe ungewiss oder negativ entschieden.

Auch im Hinblick auf die Erwerbsform der Betriebe sind deutliche Unterschiede festzustellen. So sind bei den Haupterwerbsbetrieben die Verhältnisse generell günstiger als in den Nebenerwerbsbetrieben. Von allen Haupterwerbsbetrieben mit einem Inhaber von 45 Jahren und mehr haben immerhin 30 % einen Hofnachfolger, bei den älteren Haupterwerbslandwirten (60 bis 64 Jahre) beziffert sich die Quote mit Hofnachfolge immerhin auf 38 %. Die vergleichbaren Werte für Nebenerwerbslandwirte liegen mit 18 und 25 % deutlich darunter.

Hofnachfolger überwiegend männlich

Über die Personen der potenziellen Hofnachfolger sind einige Details bekannt. Sie sind in der großen Mehrheit (89 %) männlich, weibliche Hofnachfolger sind nach wie vor eine Minderheit. Das Gros der Hofnachfolger findet sich in der Altersgruppe der 15- bis 24-Jährigen sowie der 25- bis 34-Jährigen. Nahezu jeder Hofnachfolger hat eine Berufsausbildung. Bei den Hofnachfolgern der Haupterwerbsbetriebe überwiegt die landwirtschaftliche Ausbildung mit knapp zwei Dritteln, während in Nebenerwerbsbetrieben die Hofnachfolger mit großer Mehrheit eine nichtlandwirtschaftliche Ausbildung absolvieren. Die ständige oder gelegentliche Mitarbeit der Hofnachfolger im Betrieb ist dagegen in beiden Erwerbsformen annähernd gleichermaßen die Regel.

Weniger Hofnachfolger im Vergleich zu 1999

Nimmt man die Einschätzung der Betriebsinhaber zur Hofnachfolgesituation als Maßstab für die Bewertung der künftigen Perspektiven, dann werden diese im Jahr 2010 negativer beurteilt als ein Jahrzehnt zuvor. Schon 1999 wurde eine vergleichbar abgrenzte Gruppe von Betriebsinhabern (Inhaber von landwirtschaftlichen Einzelunternehmen mit einem Alter von 45 Jahren und mehr) zur Einschätzung der Hofnachfolgesituation befragt. In den zwischenzeitlich vergangenen 11 Jahren zeigt sich eine deutliche Verschiebung. Zwar antwortete in beiden Jahren die größte Gruppe mit »ungewiss«, die stärkste Veränderung ist jedoch bei den Betrieben ohne Hofnachfolge zu verzeichnen. 1999 war nur etwa jeder fünfte ältere Betriebsinhaber ohne Hofnachfolger, im Jahr 2010 trifft dies schon auf mehr als jeden dritten Betrieb zu.

Alterstruktur der Betriebsinhaber ist ungünstig

Diese vergleichsweise ungünstige Einschätzung der Hofnachfolgesituation im Jahr 2010 trifft zusammen mit einem erhöhten Bedarf an Hofnachfolgern. In Folge der demografischen Veränderungen, die auch an der Landwirtschaft nicht vorbei geht, ist der Anteil der älteren Betriebsinhaber, die in absehbarer Zeit mit der Hofnachfolgefrage konfrontiert werden, im Jahr 2010 deutlich höher als 1999. Seinerzeit war etwas mehr als jeder zweite Betriebsinhaber (53 %) 45 Jahre und älter, 2010 sind zwei von drei Betriebsinhabern (67 %) in dieser Altersgruppe.

Besonderheiten der Fragestellung: Wunsch und Wirklichkeit

Die Frage nach Hofnachfolge ist in mehrfacher Hinsicht eine Besonderheit im agrarstatistischen Erhebungsprogramm. Es handelt sich um eine Frage an den gegenwärtigen Betriebsinhaber, in dem dieser in der Regel um eine Einschätzung über eine zukünftige Entscheidung einer anderen Person gebeten wird. Weder wird die Person, um die es geht (der potentielle Hofnachfolger oder Hofnachfolgerin), direkt befragt, noch handelt es sich um eine klare und eindeutige Sachverhaltsfeststellung. Die eigentliche Hofübergabe liegt – von Ausnahmen abgesehen – in der näheren oder ferneren Zukunft und muss den Realitätstest noch absolvieren. Am Ende müssen sich die Erwartung des Betriebsinhabers und die Entscheidung des Hofnachfolgers nicht decken.

Die Landwirtschaftszählung 2010 bietet nun die Möglichkeit, die Einschätzungen der Betriebsinhaber zur Hofnachfolge zu evaluieren. Bereits in der vorangegangenen Landwirtschaftszählung von 1999 wurde die Fragestellung in vergleichbarer Form den damaligen Betriebsinhabern vorgelegt. Ein Vergleich der Angaben von 1999 mit den tatsächlichen Verhältnissen von 2010 ermöglicht eine Einschätzung der Verlässlichkeit in den Hofnachfolgeentscheidungen.

1999 gab es in Baden-Württemberg rund 61 000 landwirtschaftliche Betriebe1, von denen 96 % in der Rechtsform Einzelunternehmen bewirtschaftet wurden. Von den Einzelunternehmen hatte knapp die Hälfte einen Betriebsinhaber, der höchstens 44 Jahre alt war. Etwas mehr als die Hälfte hatte einen Betriebsinhaber mit 45 Jahren und mehr und musste daher die Frage zur Hofnachfolge beantworten. Damit liegen für insgesamt 31 100 Betriebe Angaben zur Hofnachfolgeperspektive im Jahr 1999 vor.

Aus den Analysen des Jahres 2010 ist erkennbar, dass sich die Einschätzungen zur Hofnachfolge mit zunehmendem Alter des Betriebsinhabers und damit dem Näherrücken der Hofübergabe verändern. In die Analyse der 1999er-Entscheidungen werden daher nur diejenigen Betriebe einbezogen, bei denen davon ausgegangen werden kann, dass sie im Zeitraum bis 2010 tatsächlich mit einer existenziellen Entscheidung zur Weiterführung des Betriebs konfrontiert wurden: Das ist die Gruppe der Betriebsinhaber, die 1999 bereits 55 Jahre und älter war, aber noch keine 65 Jahre alt waren.

1999 standen 14 000 Betriebe vor einem Generationswechsel

Die Gruppe der 55- bis 64-Jährigen umfasst 1999 insgesamt knapp 14 000 Betriebe. Von diesen Betrieben existierten 2010 noch 7 000 als landwirtschaftliches Einzelunternehmen, das ist in etwa die Hälfte des Bestands von 1999. Knapp 6 300 Betriebe wurden damit in den zurückliegenden 11 Jahren aufgegeben oder so weit verkleinert, dass sie unter die agrarstatistischen Erfassungsgrenzen fallen. Rund 700 Betriebe existieren 2010 noch, haben sich aber durch die Wahl einer anderen Rechtsform oder durch Übergang in die Forstwirtschaft substanziell verändert.

Der Wechsel in eine andere Rechtsform kann in einem Zusammenhang mit einer anstehenden Hofübergabe stehen. Dafür spricht die Tatsache, dass der Übergang der Einzelunternehmen in eine andere Rechtsform mehrheitlich in Personengesellschaften und -gemeinschaften erfolgte. Durch Änderung der Rechtsform kann die Existenz des Betriebs gesichert werden, ohne dass diese konkret mit einer einzelnen Person verbunden ist. Im Sinne der Hofnachfolge kann die Änderung der Rechtsform daher zumindest mehrheitlich als Weiterbestehen interpretiert werden. Der Wechsel in die Forstwirtschaft ist dagegen eher mit einer Betriebsaufgabe gleichzusetzen, da er vielfach als statistisches Artefakt entsteht, wenn die landwirtschaftliche Nutzung aufgegeben, aber Waldflächen zurückbehalten werden.

Irrtumswahrscheinlichkeit für positive Hofnachfolge bei 25 %

Bei den rund 7 700 Betrieben, deren Betriebsinhaber 1999 zwischen 55 und 64 Jahren alt waren, und die sich 2010 noch im statistischen Bestand befanden, kann die Güte der Einschätzung zur Hofnachfolge anhand der tatsächlichen Entwicklung verifiziert werden. Es zeigt sich – wie im wahren Leben nicht anders zu erwarten – dass die Dinge häufig doch anders kommen, als erwartet. Im Fall der positiven Einschätzung der Hofnachfolge – es ist eine Person vorhanden, die den Hof zu gegebener Zeit übernehmen wird – irrten sich die Betriebsinhaber immerhin in jedem vierten Fall, denn rund 25 % dieser Betriebe sind 2010 nicht mehr vorhanden. In der Mehrzahl der Fälle (etwa 70 %) behielten die Betriebsinhaber mit ihrer positiven Einschätzung grundsätzlich recht, da der Betrieb gut 1 Jahrzehnt später immer noch existiert. Häufig recht behielten die Betriebsinhaber auch, wenn die Einschätzung der Hofnachfolge negativ war. Gut 70 % der Betriebe, bei denen 1999 keine Person vorhanden war, die den Hof übernehmen würde, sind 2010 tatsächlich auch aufgelöst. Rund ein Viertel dieser Betriebe ist jedoch noch vorhanden. Der Betrieb kann dabei im Jahr 2010 noch unter der Führung des früheren, mittlerweile jedoch mindestens 65 Jahre alten Inhabers stehen und der Generationswechsel bzw. die Betriebsaufgabe nur aufgeschoben sein. Möglicherweise hat auch – und wider Erwarten – eine Übergabe auf einen jüngeren Hofnachfolger stattgefunden.

Die Betriebe, deren Betriebsinhaber sich unsicher über die weitere Entwicklung waren, nehmen eine Mittelstellung ein. Je etwa zur Hälfte waren Betriebe im Jahr 2010 noch als landwirtschaftliche Einzelunternehmen vorhanden oder aufgelöst. Der Wechsel in eine andere Rechtsform oder der Übergang in die Forstwirtschaft hat – unabhängig von der Einschätzung der Hofnachfolgesituation – keine große zahlenmäßige Bedeutung.

Erheblicher Strukturwandel zu erwarten

Nimmt man die objektiv ermittelten Tatbestände des Jahres 2010 – das höhere Durchschnittsalter der Betriebsinhaber und ihre in Summe negativeren Einschätzungen zur Hofnachfolge – und setzt diese in Bezug zu den Erfahrungswerten über die tatsächliche Umsetzung der Hofnachfolgeentscheidung (ein Nein bleibt – in der Regel – ein Nein, aus einem Ja wird in jedem vierten Fall doch noch ein Nein), dann deutet sich im Vergleich zum Jahr 1999 eine Beschleunigung des Strukturwandels an. Der Anteil der Betriebe, der im kommenden Jahrzehnt vor einem Generationswechsel steht, nimmt zu, genauso wie die Wahrscheinlichkeit einer Betriebsaufgabe im Zuge dieses Generationswechsels.

1 Um Probleme in der Vergleichbarkeit auszuschließen, werden für 1999 nur Betriebe berücksichtig, die die im Jahr 2010 gültigen Erfassungsgrenzen erfüllen.