:: 12/2012

Innovationsindex 2012: Baden-Württemberg im europäischen Vergleich

Wo steht Baden-Württemberg im europäischen Innovationswettbewerb? Diese Frage wird mit Hilfe des Innovationsindex beantwortet, der vom Statistischen Landesamt in Baden-Württemberg entwickelt und nun bereits zum fünften Mal berechnet wurde. Der Index bündelt eine Vielzahl von Innovationsindikatoren in einer Kennzahl, die eine vergleichende Bewertung der Innovationsfähigkeit von Regionen in den 27 Mitgliedsländern der Europäischen Union ermöglicht. Das Resultat zeigt: Baden-Württemberg verfügt weiterhin innerhalb der Europäischen Union mit großem Abstand über das höchste Innovationspotenzial. Ausschlaggebend für die Spitzenposition Baden-Württembergs sind beträchtliche Investitionen in Forschung und Entwicklung, die hohe Bedeutung forschungsintensiver Industriezweige und der große Erfinderreichtum. In der Spitzengruppe, ebenfalls mit einer außerordentlich hohen Innovationsfähigkeit vertreten, sind die französische Hauptstadtregion Île de France, Bayern, Berlin und Finnland.

Innovationen können dazu beitragen, globale und soziale Herausforderungen, wie Klimaschutz und demographischer Wandel, zu bewältigen. Besonders für hoch entwickelte, aber rohstoffarme Volkswirtschaften sind Innovationen im globalen Wettbewerb eine der grundlegenden Voraussetzungen für Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand. Wirtschaftswachstum schafft neue Arbeitsplätze, entlastet damit die Sozialkassen und erhöht die Steuereinnahmen. Fundierte Kenntnisse über die Innovationsfähigkeit eines Landes/einer Region sind für die Politik zur Gestaltung von förderlichen Rahmenbedingungen und für die Wirtschaft zur Auswahl von geeigneten Forschungs- und Entwicklungsstandorten unerlässlich.

Der Innovationsindex 2012 des Statistischen Landesamtes in Baden-Württemberg (siehe i-Punkt) vergleicht das Innovationspotenzial von 86 Regionen in den 27 europäischen Mitgliedsländern. Für jede Region werden die Daten von sechs Innovationsindikatoren zu einer Kennzahl aggregiert und für den europaweiten Vergleich herangezogen. Für die Untersuchung wurden die bevölkerungsreichen und wirtschaftsstarken Länder Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Polen, Spanien und das Vereinigte Königreich in Regionen aufgegliedert. Die so entstandenen Regionen entsprechen in Deutschland den Bundesländern1.

Baden-Württemberg: Spitzenplatz im Innovationswettbewerb

Wie in den Jahren zuvor ist Baden-Württemberg in der Europäischen Union die Region mit dem eindeutig höchsten Innovationspotenzial. Im Spitzenfeld des EU-Rankings, ebenfalls mit einer außerordentlich hohen Innovationsfähigkeit vertreten, sind die französische Hauptstadtregion Île de France, Bayern, Berlin und Finnland, das Schweden seit der letzten Berechnung im Jahr 2010 aus der Spitzengruppe (Rang 1 – 5) auf einen höheren Rangplatz verdrängt hat. In drei polnischen Regionen, der italienischen Region Isole (Sizilien und Sardinien) und den Ländern Bulgarien, Rumänien, Griechenland und der Slowakischen Republik ist die Innovationskraft am geringsten. Im Vergleich zum Jahr 2010 ergaben sich in der Schlussgruppe jedoch Rangverschiebungen2.

Der größte Teil der deutschen Bundesländer befindet sich im Vorderfeld der Rangfolge (Hessen, Hamburg, Bremen, Sachsen, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Thüringen). Im Mittelfeld sind die Länder Saarland, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Schleswig-Holstein vertreten. Sachsen-Anhalt auf Rangplatz 57 rangiert als einziges Bundesland im unteren Drittel. Bei einem Vergleich der deutschen Bundesländer wird das enorme Innovationspotenzial von Süddeutschland gegenüber weiten Teilen Ostdeutschlands deutlich. Hinter Baden-Württemberg liegen im Spitzenfeld das Bundesland Bayern und der Stadtstaat Berlin auf dem zweiten und dritten Rangplatz. Während die Innovationsfähigkeit im viertplazierten Bundesland Hessen noch über dem durchschnittlichen Niveau aller Bundesländer liegt, schneiden die verbleibenden zwölf Bundesländer im deutschlandweiten Vergleich unterdurchschnittlich ab.

Niveauindex: technologische Basis in Baden-Württemberg exzellent

Ausschlaggebend für die Spitzenposition Baden-Württembergs ist vor allem die exzellente technologische Basis, die über beträchtliche Investitionen in Forschung und Entwicklung, die hohe Bedeutung forschungsintensiver Industriezweige und den großen Erfinderreichtum gesichert wird. Baden-Württemberg investiert mit knapp 16,4 Mrd. Euro beachtliche 4,8 % seines Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Entwicklung. Es liegt damit deutlich über der Marke von 3 %, die sich die Europäische Union im Rahmen der EU-2020-Strategie zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung zum Ziel gesetzt hat3. Mit einer FuE-Intensität4 von 4,3 % folgt mit deutlichem Abstand die nordöstlich von London im Umfeld der University of Cambridge gelegene Region East of England. Zum Vergleich: Innerhalb der auf 27 Mitgliedstaaten5 erweiterten Europäischen Union belegen Finnland und Schweden die Plätze eins und zwei im Forschungsranking mit einer FuE-Intensität von 3,9 bzw.  3,6 %. Die FuE-Intensität von Deutschland beträgt 2,8 %6.

Auch beim Innovationsindikator FuE-Personalintensität7 befindet sich Baden-Württemberg mit gut 2,1 % nach der französischen Hauptstadtregion Île de France (2,5 %) und knapp vor Finnland (fast 2,1 %) auf einem europäischen Spitzenplatz. In keiner der untersuchten Regionen ist der Anteil der Erwerbstätigen in forschungsintensiven Industriezweigen höher als in Baden-Württemberg. Im Jahr 2009 arbeiteten rund 17 % aller Erwerbstätigen des Landes in industriellen Hochtechnologiebranchen8, beispielsweise im Maschinenbau, in der Herstellung von Kraftwagen und -motoren oder im Bereich Herstellung von DV-Geräten, elektronischen und optischen Erzeugnissen. Hinter Baden-Württemberg rangieren die Regionen Bayern und Rheinland Pfalz, hier liegt der Anteil der Erwerbstätigen in forschungsintensiven Industriezweigen bei knapp 13 % bzw. gut 10 %. Im europäischen Durchschnitt (EU-27) beträgt dieser Anteil nur knapp 6 %.

Außerdem werden – bezogen auf 1 Mill. Einwohner – von baden-württembergischen Erfindern etwa fünf Mal so viele Patente beim Europä­ischen Patentamt angemeldet wie im Durchschnitt aller 27 EU-Länder9. Eine ebenfalls hohe Anzahl an Patentanmeldungen sind in Bayern, der Region im Süden der Niederlande (Zuid-Nederlande) und in Schweden zu verzeichnen. Patente sollen Erfindungen schützen und sind ein Anreiz in neue bzw. verbesserte Produkte zu investieren. Der Innovationsindikator Patentanmeldungen lässt somit Rückschlüsse auf den Umfang der Erfindertätigkeit in einer Region zu.

Besonders vorteilhaft wirkt sich aus, dass innovationsstarke Unternehmen wie beispielsweise Bosch, Daimler, ZF Friedrichhafen, Porsche, Voith, Heidelberger Druckmaschinen, IBM und Hewlett-Packard mit ihrem Hauptsitz oder bedeutenden Tochterunternehmen in Baden-Württemberg angesiedelt sind. Diese Unternehmen verfügen hierzulande nicht nur über enorme FuE-Kapazitäten, sondern zählen auch zu den größten Patentanmeldern Deutschlands und Europas. Ergänzt werden die Innovationskapazitäten der Großunternehmen durch eine enge Zusammenarbeit mit innovativen Zulieferfirmen und Dienstleistungsbetrieben sowie ein dichtes Netz von Hochschulen und öffentlichen Forschungseinrichtungen.

Analog zu früheren Berechnungen schneidet der Südwesten beim Innovationsindikator »Anteil der Erwerbstätigen in wissensintensiven Dienstleistungsbranchen« im EU-Vergleich schwächer ab. Baden-Württemberg liegt hier knapp unter dem Durchschnitt aller 27 Länder der Europäischen Union. Zu den wissensintensiven Dienstleistungsbranchen zählen neben Ingenieur-, Finanz- sowie Informations- und Kommunikationsdienstleistungen beispielsweise auch Dienstleistungen aus dem Bereich der Logistik, Gesundheit und Medien. Der niedrigere Erwerbstätigenanteil in diesen Branchen wird aber auch verursacht durch die hohe Bedeutung der industriellen Hochtechnologiebranchen im Land, in denen viele hochwertige Dienstleistungsfunktionen, auch wissensintensive Tätigkeiten, von den Unternehmen selbst wahrgenommen werden. Der Anteil der Erwerbstätigen in wissensintensiven Dienstleistungsbranchen liegt mit 58 % in London am höchsten. Es folgen Luxemburg, Berlin und die Region Île de France mit einem Anteil von ebenfalls deutlich über 50 %.

In den wissensintensiven Dienstleistungsbranchen ist der Anteil der Hochqualifizierten im Durchschnitt höher als in der High-Tech-Industrie. Aus diesem Grund liegen London, Luxemburg, die Region Île de France und Berlin im europäischen Ranking bei diesem Innovationsindikator, der das Qualifikationsniveau berücksichtigt, auf den vordersten Plätzen. Baden-Württemberg belegt bei diesem Innovationsindikator mit einem Erwerbstätigenanteil in wissenschaftlich-technischen Berufen von knapp 48 % einen Platz im Vorderfeld und liegt damit deutlich über dem europäischen (40 %) und dem deutschen Durchschnitt (45 %).

Das erreichte hohe Ausgangsniveau dämpft Dynamik

Das zuvor beschriebene »Niveau« gibt Aufschluss über den technologischen Ist-Zustand in einer Region. Der nachfolgend im Fokus stehende Teilindex »Dynamik« betrachtet hingegen die jahresdurchschnittlichen Veränderungsraten der Innovationsindikatoren und gibt damit Hinweise auf die Entwicklung des Innovationspotenzials einer Region und zeigt beim Vergleich der europäischen Regionen erwartungsgemäß ein anderes Bild. Hier befinden sich auf den ersten drei Rangplätzen zwei Regionen aus Spanien (Noroeste und Noreste) und das Land Portugal. Diese drei Regionen waren bereits bei der Berechnung 2010 in der Spitzengruppe anzutreffen. Die Entwicklung in der Tschechischen Republik und in Lettland ist inzwischen rückläufig. Sie rangieren nun auf dem 9. bzw. 10.  Platz (Berechnung 2010: Platz 6 bzw. 1). In beiden Regionen hat sich der Anteil der Erwerbstätigen in forschungsintensiven Industriezweigen reduziert. In Lettland ist zusätzlich die FuE-Ausgabenintensität und die FuE–Personalintensität zurückgegangen.

Baden-Württemberg bleibt – wie schon die Jahre zuvor – beim Dynamikindex deutlich hinter der europäischen Spitze zurück. Auch die übrigen Spitzenreiter im Niveauindex zeigen im europäischen Vergleich eine eher langsame Zunahme ihrer Innovationsfähigkeit. Dagegen ist die Platzierung der spanischen Region Noreste im Vorderfeld des Gesamtindex auf einen überdurchschnittlichen Dynamikindex zurückzuführen, gleiches gilt für Slowenien und Thüringen.

Das mäßige Abschneiden Baden-Württembergs beim Dynamikindex ist auf die im europäischen Vergleich nur verhaltene Entwicklung aller sechs Innovationsindikatoren zurückzuführen. Besonders bei der Entwicklung des Anteils der Erwerbstätigen in wissenschaftlich-technischen Berufen und bei den Patentanmeldungen schneidet Baden-Württemberg im europäischen Vergleich unterdurchschnittlich ab. Jedoch muss beim Dynamikindex berücksichtigt werden, dass, mit Ausnahme des Erwerbstätigenanteils in den wissensintensiven Dienstleistungsbranchen, Baden-Württemberg bei den restlichen Innovationsindikatoren bereits ein Spitzenniveau oder zumindest ein hohes Niveau erreicht hat. Um das hohe Ausgangsniveau im Dynamikindex in Baden-Württemberg nennenswert zu erhöhen, sind deutlich höhere Aktivitäten erforderlich als in Ländern und Regionen mit einer niedrigen Ausgangsbasis. Bei einem vergleichsweise geringen Ausgangsniveau profitieren die »Aufholregionen« vom statistischen Basiseffekt, bei dem kleine absolute Änderungen hohe Wachstumsraten ausweisen. Aus diesem Grund geht der Teilindex »Dynamik« nur mit einem Gewicht von 25 % in den Gesamtindex ein. Selbst bei einer gleichen Gewichtung der Teilindizes »Dynamik« und »Niveau« im Innovationsindex würde sich, durch den enormen Vorsprung beim Teilindex »Niveau«, an der Spitzenposition Baden-Württembergs nichts ändern.

EU-27-Länder: Finnland mit höchstem Innovationspotenzial

Im Innovationsindex 2012 weist Finnland auf Länderebene10 die höchste Innovationsfähigkeit auf und führt nun die Spitzengruppe an. Mit einer nur geringfügig niedrigeren Innovationsfähigkeit folgen Dänemark und Schweden auf Rang 2 und 3. Ausschlaggebend für die Spitzenposition Finnlands ist das hohe Engagement im Bereich Forschung und Entwicklung. Kein anderes Land der EU investiert in diesem Bereich mehr. Die FuE-Ausgabenintensität und FuE-Personalintensität liegt bei 3,9 %11 bzw. 2,1 %. Außerdem tragen der hohe Anteil der Beschäftigten in wissenschaftlich-technischen Berufen mit knapp 49 % zu diesem positiven Ergebnis bei. Deutschland belegt wie in der letzten Berechnung den vierten Platz und hat ausschließlich Länder im Ranking vor sich, deren Einwohnerzahl und Bruttoinlandsprodukt kleiner sind als in Baden-Württemberg. Deutschland mit einer FuE-Intensität von 2,8 % übertrifft Finnland nur beim Anteil der Erwerbstätigen in industriellen Hochtechnologiebranchen und bei den Patentanmeldungen. Schlusslicht beim Innovationsindex 2012 sind die Länder Bulgarien, Rumänien und Griechenland. Sie schneiden mit dem geringsten Innovationspotenzial am schlechtesten ab. Bei diesen in der Schlussgruppe liegenden Ländern weist der Landwirtschaftssektor im EU-Vergleich noch eine überdurchschnittliche Bedeutung auf.

Ausblick

Baden-Württemberg ist mit seiner exzellenten technologischen Basis gut gerüstet, um zukünftige Herausforderungen wie beispielsweise die Elektrifizierung des Antriebsstrangs von Fahrzeugen und die Speicherung von Energie in leistungsfähigen Batterien kraftvoll in Angriff nehmen zu können. Über die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit im Fahrzeugbau und in anderen wichtigen Branchen wie Maschinenbau und Elektrotechnik kann es gelingen Beschäftigung zu sichern und den Wohlstand in Baden-Württemberg zu bewahren.

1 EU-Länder (NUTS-0 Ebene), die über eine größere Einwohnerzahl bzw. ein größeres Bruttoinlandsprodukt als Baden-Württemberg verfügen, wurden in Regionen (NUTS-1 Ebene) aufgegliedert. Die Gebietssystematik »Nomenclature des Unités Territoriales Statistiques« – kurz NUTS – ist eine Klassifikation der Regionen innerhalb der Europäischen Union zur Erstellung regional vergleichbarer Statistiken, die auf Verwaltungseinheiten basiert. Die NUTS-0 Ebene entspricht den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und die NUTS-1 Ebene entspricht in Deutschland den Bundesländern.

2 Die Rangfolge der Spitzengruppe ist beim Gesamt- und Niveauindex identisch.

3 Das Ziel, die Forschungsaktivitäten in den Ländern der EU zu intensivieren, wurde bereits im Jahr 2000 im Rahmen der Lissabon-Strategie formuliert und in der EU-2020-Stategie nochmals bekräftigt.

4 FuE-Ausgabenintensität, das heißt Forschungs- und Entwicklungsausgaben bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt.

5 NUTS-0 Ebene.

6 Erhebungsjahr 2009. Weitere Daten zu FuE siehe Einwiller, Ruth: »Forschung und Entwicklung in Baden-Württemberg«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 1/2012«, S. 23-27.

7 FuE-Personal in Vollzeitäquivalenten insgesamt bezogen auf die Erwerbspersonen.

8 FuE-intensive Industriezweige.

9 Die regionalen Patentdaten auf NUTS-1 Ebene des Jahres 2009 wurden anhand der aktuellsten zur Verfügung stehenden regionalen Verteilung der Jahre 2002 bis 2009 aus den nationalen Werten 2009 geschätzt.

10 NUTS-0 Ebene.

11 Dieser Wert wurde im Jahr 2009 aufgrund der rezessionsbedingten Abnahme des nominalen Bruttoinlandsprodukts erreicht und im Jahr 2010 auch bei positiver Wirtschaftsentwicklung bestätigt.