:: 4/2013

Belegschaften in Betrieben und Büros werden immer älter

Es wird viel vom demografischen Wandel gesprochen, und dass unsere Gesellschaft immer älter wird. Diese Entwicklung kann man auch unter den Beschäftigten in Baden-Württemberg beobachten. Die in 4-jährigem Turnus durchgeführte Verdienststrukturerhebung liefert Vergleichsdaten für die Jahre 2006 und 2010. Nicht alle Branchen sind in gleichem Maße von den demografischen Veränderungen ­betroffen, doch letztlich wird dieser Strukturwandel über kurz oder lang in jeder Branche spürbar werden.

Durchschnittsalter der Beschäftigten in Werkshallen und Büros angestiegen1

Die Zahl der Arbeitnehmer im Land, die in Betrieben mit zehn und mehr Beschäftigten arbeiteten, ist von 2006 bis 2010 leicht angestiegen. Der Zuwachs an geringfügig und teilzeit Beschäftigten lag dabei höher als bei Vollzeitbeschäftigten. Auch wurden mehr Auszubildende und Personen, die sich in Altersteilzeit befanden, gemeldet. Aber nicht nur die Gesamtzahl der Beschäftigten hat sich erhöht, sondern auch ihre Altersstruktur hat sich verändert.

Der demografische Wandel wird in der Öffentlichkeit häufig im Zusammenhang mit möglichen Auswirkungen auf die sozialen Sicherungssysteme diskutiert. Der Alterungsprozess der Gesellschaft macht aber auch nicht vor den Werkstoren und Büros des Landes halt. Dies lässt sich zahlenmäßig durch die Gegenüberstellung der Ergebnisse der Verdienststrukturerhebungen von 2006 und 2010 belegen. In diesem Zeitraum nahm das Durchschnittsalter der Arbeitnehmer im Land um rund 1 Jahr zu und lag 2010 bei 42 Jahren. Vollzeitbeschäftigte waren im Durchschnitt um etwa 2 Jahre jünger als ihre teilzeitbeschäftigten Kolleginnen und Kollegen.

Sowohl 2006 als auch 2010 war knapp jeder dritte Arbeitnehmer (31 %) in Baden-Württemberg jünger als 35 Jahre. In der Altersgruppe der 35 bis unter 45-Jährigen ließen sich dagegen deutliche Unterschiede beobachten. Während 2006 noch rund 30 % der Beschäftigten zu dieser Altersgruppe gehörten, betrug dieser Anteil 2010 nur noch 26 %. Entsprechend stieg der Anteil der 45 Jahre und älteren Arbeitnehmer im Berichtsjahr 2010 auf 44 % an, während dieser Anteil 2006 noch bei 39 % lag. Binnen eines Zeitraums von 4 Jahren werden bereits deutliche Veränderungen in der betrieblichen Altersstruktur sichtbar. Schaubild 1 zeigt die gesamte Altersverteilung von 2006 und 2010. Während im Jahr 2006 die größte Arbeitnehmergruppe im Land 42 Jahre alt war, lag der entsprechende Wert der Beschäftigten 2010 immerhin schon bei 47 Jahren.

Künftig mehr ältere Arbeitnehmer

Die meisten Arbeitnehmer waren im Jahre 2010 zwischen 45 und 50 Jahre alt. Das sind Personen, die in der ersten Hälfte der 1960er-Jahre geboren wurden und damit zu den geburtenstarken Jahrgängen zählen. In rund 2 Jahrzehnten wird der Großteil dieser Arbeitnehmer in den Ruhestand gehen. Das bedeutet, dass etwa um das Jahr 2030 die voraussichtlich höchsten Zahlen von Arbeitnehmern erreicht sein werden, die aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Allerdings wird bereits in der nahen Zukunft eine jährlich wachsende Zahl von Beschäftigten das Ruhestandsalter erreichen. Gleichzeitig gelangen die geburtenschwachen Jahrgänge auf den Arbeitsmarkt. Viele befürchteten deshalb einen zunehmenden Mangel an Fachkräften in Deutschland. Für die jüngere Generation könnte diese Entwicklung durchaus positiv sein, da die Chancen auf eine dauerhafte Beschäftigung durch eine wachsende Zahl frei werdender Stellen zunehmen könnten.

In der Vergangenheit haben viele Unternehmen auf eine Verjüngung ihrer Belegschaft gesetzt. Jüngere Mitarbeiter gelten als leistungsfähiger und sind in der Regel auch weniger häufig krank. Darüber hinaus verursachen sie geringere Lohnkosten als Beschäftigte, die durch ihre jahrelange Betriebszugehörigkeit auf eine Bestandsicherung vertrauen können. Durch Vorruhestandsregelungen und großzügige Abfindungen sollen häufig ältere Arbeitnehmer dazu bewegt werden, die Unternehmen bereits vor der Altersgrenze zu verlassen. Auch im öffentlichen Dienst gab es für Arbeitnehmer bis vor kurzem die Möglichkeit, Altersteilzeit in Anspruch zu nehmen. Inzwischen hat sich die Stimmung gewandelt. Nunmehr wird das Fehlen von Fachkräften immer häufiger als Hemmnis für die ökonomische Entwicklung angesehen. Dadurch dürfte zukünftig das Interesse an älteren Arbeitnehmern größer werden und deren Zahl ansteigen.

Von 2006 bis 2010 gab es zwei unterschiedliche Entwicklungen bei der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer. Einerseits ist zu beobachten, dass die Zahl der in Altersteilzeit befindlichen Arbeit­nehmer um mehr als 17 % angestiegen ist, gleichzeitig hat sich aber auch die Zahl2 derjenigen Beschäftigten, die 60 Jahre und älter waren, deutlich erhöht. Im Jahr 2010 arbeiteten knapp 40 % mehr vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer dieser Altersklasse in den baden-württembergischen Betrieben als noch 2006. Bei den Teilzeitbeschäftigten betrug der Zuwachs dieser Gruppe sogar 59 %. Durch die Verlängerung der Lebensarbeitszeit und der schrittweisen Einführung der Rente mit 67 dürfte die Zahl älterer Beschäftigter in den nächsten Jahren zusätzlich ansteigen.

Beamte sind am ältesten

Das Durchschnittsalter eines vollzeitbeschäftigten Beamten lag 2010 bei gut 44 Jahren. Teilzeit arbeitende Beamte waren durchschnittlich sogar noch 2 Jahre älter. Das hohe Durchschnittsalter der Beamten resultiert auch aus den im Vergleich zur Wirtschaft kaum vorhanden Möglichkeiten als Beamter in Baden-Württemberg vorzeitig in den Ruhestand zu gehen. Weder existiert eine Altersteilzeitregelung noch besteht die Möglichkeit wie in der Wirtschaft, attraktive Abfindungsangebote in Anspruch zu nehmen.

Jünger als die Beamten im Land sind vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer und geringfügig Beschäftigte mit einem Durchschnittsalter von knapp 42 Jahren. Von allen Beschäftigten im Land waren 29 % 50 Jahre und älter, während 21 % jünger als 30 Jahre waren. Abgesehen von den Auszubildenden weisen alle Beschäftigungsgruppen anteilig deutlich mehr ältere als jüngere Arbeitnehmer auf. Unter den Teilzeitbeschäftigten sind jüngere Arbeitnehmer stark unterproportional vertreten. Nur etwa jeder zehnte Teilzeitbeschäftigte ist unter 30 Jahre alt.

Von den Vollzeitbeschäftigten ohne Beamtenstatus waren gut 18 % jünger als 30 und knapp 27 % waren 50 Jahre und älter. Bei den vollzeitbeschäftigten Beamten ist die Verteilung sogar noch deutlich extremer. Hier standen nur rund 12 % jüngere Beschäftigte annähernd 38 % älteren Beschäftigten gegenüber. Da ältere Arbeitnehmer in der Regel mehr und längere krankheitsbedingte Fehlzeiten aufweisen, nimmt die Bedeutung des innerbetrieblichen Gesundheitsmanagements in vielen Branchen und dem öffentlichen Dienst zu. Durch Aufklärungsarbeit wird versucht, das Gesundheitsbewusstsein der Beschäftigten zu schärfen. Hinzu kommen Angebote für Aktivitäten, die als Präventionsmaßnahmen zur Vermeidung oder Linderung von chronischen Krankheiten dienen sollen.

Bei geringfügig Beschäftigten ist der anteilsmäßige Unterschied zwischen jüngeren (29 %) und älteren Arbeitnehmern (32 %) verhältnismäßig gering. Eine Erklärung für den hohen Anteil jüngerer Arbeitnehmer unter den geringfügig Beschäftigten dürfte sein, dass viele Schüler und Studenten einen Minijob ausüben, um das Taschengeld aufzubessern oder das Studium zu finanzieren. Außerdem dürften zu dieser Beschäftigtengruppe auch junge Menschen gehören, die über keinen Berufsabschluss verfügen oder aus sonstigen Gründen schwer auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen. Zur letzt genannten Gruppe zählt auch die sogenannte »Generation Praktikum«, also Personen, die häufig eine akademische Ausbildung abgeschlossen haben, aber bisher noch keine zu Ihrer Ausbildung adäquate Vollzeitbeschäftigung finden konnten. Dieser Personenkreis befindet sich auch in anderen atypischen Beschäftigungsformen wie etwa in zeitlich befristeten Arbeitsverhältnissen. Außerdem dürfte manche Teilzeitbeschäftigung vor allem von jüngeren Beschäftigten nur deswegen angenommen werden, weil eine adäquate Vollzeitbeschäftigung nicht zur Verfügung steht.

Branchen unterschiedlich vom demografischen Wandel betroffen

Der Anteil jüngerer Beschäftigter unter 30 Jahren ist bei marktbestimmten Dienstleistungen mit knapp 24 % deutlich höher als bei nicht marktbestimmten Dienstleistungen (20 %) und in der gewerblichen Wirtschaft (19 %). Die beschäftigungsintensivsten Wirtschaftszweige bei den marktbestimmten Dienstleistungen sind der Einzel- und der Großhandel. In der gewerblichen Wirtschaft verfügt der Maschinenbau über die meisten Mitarbeiter, während unter den nicht marktbestimmten Dienstleistungen der öffentliche Dienst und der Wirtschaftszweig »Erziehung und Unterricht« an der Spitze liegen.

Die geringste Quote an älteren Beschäftigten hatten ebenfalls Unternehmen, die marktbestimmte Dienstleistungen erbringen. Nicht ganz jeder vierte Beschäftigte (26 %) war in diesen Branchen älter als 50 Jahre. In der gewerblichen Wirtschaft betrug der Anteil rund 29 %, während bei nichtmarktbestimmten Dienstleistungen gut jeder dritte Arbeitnehmer die 50 bereits überschritten hatte.

Gemessen am Durchschnittsalter hatten die Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe mit 37 Jahren unter allen Wirtschaftszweigen3 in Baden-Württemberg die jüngste Belegschaft. Während in der Gastronomie vor allem die zahlreichen Aushilfen, die auf 400-Euro-Basis arbeiten, den Altersdurchschnitt nach unten drücken, war in Hotels, Gasthöfen und Pensionen die Gruppe der Vollzeitbeschäftigten am jüngsten. Ebenfalls eine durchschnittlich sehr junge Belegschaft wiesen Zeitarbeitsfirmen auf. Hier spielt sicher eine Rolle, dass jüngere Beschäftigte, die nicht unmittelbar nach Ausbildungsabschluss in eine reguläre Dauerbeschäftigung übernommen werden, über Zeitarbeitsfirmen versuchen auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Zu den drei Branchen mit den im Durchschnitt ältesten Beschäftigten zählten »Post-, Kurier- und Expressdienste« (46 Jahre), »Interessenvertretungen sowie kirchliche und sonstige religiöse Vereinigungen (45 Jahre)« und der Wirtschaftszweig »Landverkehr und Transport in Rohrfernleitungen« (45 Jahre). Davon arbeiten die meisten Beschäftigten, rund 46 000, in Unternehmen, die dem Wirtschaftszweig »Landverkehr und Transport in Rohrfernleitungen« zugeordnet sind. Unternehmen dieser Branche bieten vor allem Beförderungsdienstleistungen für Personen und Güter auf Schienen und Straßen an.

In den Branchen mit landesweit mehr als 20 000 Beschäftigten sind große Unterschiede im Durchschnittsalter der Belegschaften feststellbar. Der maximale Unterschied zwischen den ausgewiesenen Branchen beträgt rund 9 Jahre. Eine Ursache für die beobachteten Altersunterschiede sind relativ viele atypisch Beschäftigte in einigen Wirtschaftszweigen wie etwa in der Gastronomie. Da atypisch Beschäftigte durchschnittlich jünger sind als Beschäftigte in einem regulären Arbeitsverhältnis, wirkt sich dies entsprechend auf den branchenspezifischen Altersdurchschnitt aus. Aber auch eine Beschränkung auf Vollzeitbeschäftigte – also überwiegend Personen in »regulären« Arbeitsverhältnissen – zeigt, dass Unterschiede zwischen den Branchen von bis zu 7 Jahren existieren.

Altersstruktur in den zehn Wirtschaftszweigen mit den meisten Beschäftigten

In den zehn beschäftigungsintensivsten Branchen Baden-Württembergs arbeiteten rund 1,9 Mill. Menschen. Die meisten davon sind im öffentlichen Dienst tätig. Auf den nächsten Plätzen folgen der Maschinenbau sowie der Wirtschaftszweig »Erziehung und Unterricht«.

Den größten Anteil Vollzeitbeschäftigter mit mehr als 88 % weist die Kraftfahrzeugindustrie auf gefolgt vom Maschinenbau (82 %). Über den geringsten Anteil an Vollzeitbeschäftigten unter den großen Branchen verfügen Alten-, Pflege- und sonstige Heime (34 %) und der Einzelhandel (36 %).

Auch in der Altersstruktur der Beschäftigten gibt es deutliche Unterschiede zwischen diesen Branchen. Landesweit sind 21 % der beschäftigten Arbeitnehmer jünger als 30 Jahre. In der Gewerblichen Wirtschaft ist der Anteil an jüngeren Beschäftigten häufig niedriger als in Dienstleistungsunternehmen. So waren nur gut 15 % der Beschäftigten in der Kraftfahrzeugindustrie und knapp 18 % im Maschinenbau jünger als 30 Jahre, während im Einzelhandel mit rund 30 % der höchste Anteil an unter 30-Jährigen angestellt sind. Ein wichtiger Grund für die jüngere Belegschaft im Einzelhandel ist der sehr hohe Anteil geringfügig Beschäftigter, da dieser Personenkreis überproportional viele jüngere Beschäftigte aufweist. Ganz im Gegensatz dazu spielt die geringfügige Beschäftigung im Maschinen- und Fahrzeugbau nahezu keine Rolle. Das gleiche gilt auch für die Öffentliche Verwaltung. Während in der Öffentlichen Verwaltung ähnlich wie in vielen industriellen Branchen relativ wenig jüngere Beschäftigte angestellt sind, gibt es anders als in der Industrie überproportional viel ältere Mitarbeiter. Nur im Wirtschaftszweig »Erziehung und Unterricht« lag der Anteil älterer Beschäftigter mit gut 36 % noch etwas höher als in der Öffentlichen Verwaltung. In beiden Wirtschaftszweigen liegt der Anteil der Beschäftigten im Beamtenstatus bei über 40 %. Das sind vor allem Polizisten, Lehrer und sonstige beamtete Mitarbeiter im Landesdienst oder bei den Kommunen.

Fazit und Ausblick

Die Gesellschaft muss sich nach und nach auf älter werdende Belegschaften in den Unternehmen einstellen. Ob diese wachsende Arbeitnehmergruppe ähnlich belastbar ist wie jüngere Arbeitnehmer wird man in Zukunft sehen. Da auch keine Diskussionen mit dem Ziel von Lebensarbeitszeitverkürzungen oder gar gleitende Übergange in die Rente geführt werden, wird die Zahl der älteren Beschäftigten in den Werkshallen und Büros, sieht man von Beschäftigungseffekten durch konjunkturelle Einflüsse oder Rationalisierungseffekte einmal ab, deutlich zunehmen. Die Verlängerung der Lebensarbeitszeit wird diese Tendenz weiter verstärken. Bereits ein einfaches Fortschreibungsmodell zeigt, wie sich die Zahlen entwickeln könnten. Im Jahr 2006 waren in Betrieben mit zehn und mehr Beschäftigten4 rund 112 000 Arbeitnehmer 60 bis 64 Jahre alt. In 2010 ist diese Zahl auf rund 159 000 angestiegen. Schon 2014 könnte die Zahl der Beschäftigten unter der Annahme, dass die maßgeblichen Altersjahrgänge, die 2010 beschäftigt waren, auch 4 Jahre später noch tätig sind, auf über 260 000 ansteigen. Auch wenn diese Zahl zu hoch angesetzt ist, da doch einige Arbeitnehmer der betroffenen Alterskohorte früher aus dem Erwerbsleben ausscheiden werden, muss verglichen mit 2010 erneut mit einer kräftigen Zunahme an älteren Arbeitnehmern gerechnet werden. Diese Entwicklung wird sich weiter fortsetzen und voraussichtlich erst um das Jahr 2030 ihren Höhepunkt erreichen.

1 Wirtschaftszweig O »Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung« (Öffentlicher Dienst) wurde 2006 nicht erhoben und bleibt deshalb beim Vergleich unberücksichtigt.

2 Ohne Öffentlicher Dienst.

3 Aussagen beziehen sich nur auf Branchen mit mindestens 20 000 Beschäftigten.

4 Der Öffentliche Dienst wurde nicht berücksichtigt, da dieser Wirtschaftszweig 2006 nicht erhoben wurde.