:: 12/2013

Mutige Unternehmer braucht die Region

Gründerstudie der IHK Ostwürttemberg

Die Gründungsflaute in Deutschland hat auch vor Ostwürttemberg nicht Halt gemacht. Erstmals seit 10 Jahren sank im Jahr 2012 die Zahl der neugegründeten Unternehmen in der Region. Dennoch gibt es in Ostwürttemberg mutige Unternehmerinnen und Unternehmer, die auch für künftige Generationen den Wohlstand sichern. Im Betrachtungszeitrum der IHK‑Gründerstudie 2009 bis 2012 gab es in Ostwürttemberg jedoch noch mehr Anmeldungen als Abmeldungen, sodass der Unternehmensbestand noch weiter zulegte.

Die nunmehr sechste Gründerstudie der IHK Ostwürttemberg untersucht die Gründungsdynamik der Region mit ihren Teilräumen Aalen, Ellwangen, Heidenheim und Schwäbisch Gmünd. Im Zeitraum 2009 bis 2012 wurden in Ostwürttemberg rund 14 000 Unternehmen angemeldet. Erstmals greift die Studie auf Daten des Statistischen Landesamtes zurück. Dadurch werden nicht nur die IHK‑Branchen Dienstleistung, Handel, Industrie und Tourismus betrachtet, sondern auch das Handwerk. Die Ergebnisse sind daher bedingt mit den Vorgängerstudien vergleichbar.

Während im Jahr 2009 mit über 3 900 Gewerbeanmeldungen noch relativ hohe Zahlen bestanden, sank in den Folgejahren die Zahl der Gründungen kontinuierlich. Diese rückläufige Tendenz ist nicht auf die Region Ostwürttemberg beschränkt, sondern Teil eines deutschlandweiten Trends. Das Jahr 2012 markiert bundesweit das Jahr mit den wenigsten Neugründungen seit der Wiedervereinigung. Noch nie war der Gründungsgeist in Deutschland so gering wie derzeit. Nur noch 29 % aller Erwerbstätigen können sich vorstellen, als Selbstständige Verantwortung zu übernehmen. Damit liegt Deutschland im internationalen Vergleich sogar hinter dem kommunistischen China. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag, die Spitzenorganisation aller deutschen IHKs, warnt daher: »Wenn wir hier nicht besser werden, geraten wir ins Hintertreffen und verlieren Wohlstand!« Ursachen für die schwache Gründungsdynamik sind nicht zuletzt das hohe Beschäftigungsniveau und die geringe Arbeitslosenquote. Bestimmend ist auch die nirgendwo so stark ausgeprägte Angst der Deutschen vor dem Scheitern. Blickt man in das Jahr 2013 so scheint sich die rückläufige Entwicklung fortzusetzen.

Nachfolge wichtiger Faktor

Erstmals wird in der IHK‑Gründerstudie zwischen Neuerrichtungen und Unternehmensnachfolgen unterschieden. Unter Neuerrichtungen versteht man echte Neugründungen. Reine Betriebsverlagerungen werden dabei nicht mitberücksichtigt. Die 11 482 Neuerrichtungen im Zeitraum 2009 bis 2012 bilden den Schwerpunkt des regionalen Gründungsgeschehens. Die Unternehmensnachfolgen stellen mit 1 288 zwar einen relativ geringen Anteil von 9,2 %, doch ihre volkswirtschaftliche Bedeutung ist aufgrund ihres Beitrags zur Wertschöpfung und dem hohen Beschäftigungsgrad immens. Daher wird im Gründernetzwerk der Region dem Thema Nachfolge eine große Priorität eingeräumt.

Verlässliche Aussagen zur Gründungsdynamik sind aber nur dann möglich, wenn die Gewerbeanmeldungen in Bezug zu den Einwohnern gesetzt werden. Die sogenannte Gründungsintensität misst die Zahl der Gründungen pro 1 000 Einwohner. Bei dieser Kennzahl lag die Region Ostwürttemberg im Zeitraum 2009 bis 2012 bei 6,2 Gründungen pro 1 000 Einwohner. Vergleicht man dies mit den Zahlen für Baden‑Württemberg, so bleibt die Dynamik erneut hinter dem Landestrend zurück. Während in Baden‑Württemberg im Betrachtungszeitraum 7,6 Gründungen pro 1 000 Einwohner registriert wurden, liegt die Region Ostwürttemberg deutlich dahinter und dies bereits seit dem Jahr 2003. Diese Entwicklung muss die Akteure des Gründungsnetzwerkes Ostwürttemberg alarmieren. Denn es sind die Unternehmer, die den Wohlstand der künftigen Generationen und die Zahl der Arbeitsplätze sichern. Es kommt zwar nicht auf die Quantität an, doch die Zahl der qualitativen Gründungen, die ebenfalls auf geringem Niveau liegt, muss deutlich erhöht werden.

Alle Mittelbereiche legen zu

Im Mittelbereich Aalen gab es im Zeitraum 2009 bis 2012 exakt 3 799 Gewerbeanmeldungen. Mit 6,3 Gründungen je 1 000 Einwohner konnte der Raum Aalen damit bei der Gründungsintensität im Vergleich zur Vorgängerstudie zulegen. In den Jahren 2006 bis 2008 lag sie noch bei 5,5 Gründungen je 1 000 Einwohner. Allerdings liegt der Anteil Aalens an den absoluten Gewerbeanmeldungen nur noch bei 27 % gegenüber 31 % im Zeitraum 2006 bis 2008. Auch im Mittelbereich Ellwangen konnte ein beträchtlicher Anstieg der Gründungsdynamik verzeichnet werden. Dort gab es von 2009 bis 2012 insgesamt 1 551 Gewerbeanmeldungen, dies entspricht einer Gründungsdynamik von 6,75 Gründungen je 1 000 Einwohner. Allerdings muss bei Ellwangen darauf hingewiesen werden, dass, bedingt durch einen statistischen Effekt, die tatsächliche Gründungsintensität lediglich bei 6,3 Gründungen je 1 000 Einwohner (2006 bis 2008: 4,3 je 1 000 Einwohner) liegt. Ellwangen stellt mit nur 11 % den geringsten Anteil am Gründungsgeschehen der Region. Der Mittelbereich Heidenheim, der mit dem Kreisgebiet gleichzusetzen ist, hatte 4 440 Gewerbeanmeldungen von 2009 bis 2012. Dies entspricht einer Gründungsdynamik von 6,0 Gründungen je 1 000 Einwohner (2006 bis 2008: 4,6 Gründungen je 1 000 Einwohner). Auf Heidenheim entfallen 29 % der Gewerbeanmeldungen im Betrachtungszeitraum. Den höchsten Anteil an den Anmeldungen vereint jedoch der Mittelbereich Schwäbisch Gmünd auf sich. Dort wurden im Betrachtungszeitraum 4 599 Gewerbeanmeldungen registriert. Dies entspricht einer Gründungsintensität von 6,1 Gründungen je 1 000 Einwohner (2006 bis 2008: 5,5 Gründungen je 1 000 Einwohner).

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Zahl der Selbstständigen in allen vier Teilräumen von 2009 bis 2011 zunahm. Ostwürttemberg zeigte sich im Vergleich zum Zeitraum 2006 bis 2008 sehr lebhaft und ist damit weiterhin ein attraktives Umfeld für Gründerinnen und Gründer. Dennoch muss daran erinnert werden, dass die Gründungsintensität der Region trotz starker Zuwächse in den letzten 10 Jahren unverändert hinter dem Land Baden‑Württemberg zurückliegt.

Insgesamt betrachtet ist trotz der stark rückläufigen Gründungsdynamik im Jahr 2012 der Saldo, also die Differenz zwischen Gewerbean- und -abmeldungen in Ostwürttemberg weiter positiv. Der Unternehmensbestand nahm weiter zu und die Zahl der IHK‑Unternehmen betrug knapp 28 000 Mitgliedsbetriebe.

Dienstleistungswirtschaft dominiert

Auch im Zeitraum 2009 bis 2012 hat die Dienstleistungswirtschaft wie in den Vorgängerstudien mit rund 51 % der Gewerbeanmeldungen den größten Anteil. Darunter fallen Verkehr und Logistik, unternehmensnahe Dienstleistungen, Information und Kommunikation, Finanzdienstleistungen, Gesundheitsdienstleistungen sowie persönliche Dienstleister. Dies unterstreicht den in Ostwürttemberg immer weiter voranschreitenden Strukturwandel. Doch der hohe Dienstleistungsanteil soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch das Dienstleistungsgründergeschehen enorm von der Industrie beeinflusst wird. Denn das Gros der Dienstleistungsgründungen sind sogenannte industrienahe Dienstleistungen. Den zweitgrößten Anteil hat die Handelsbranche mit 24 %, dazu zählen Einzelhandel, Großhandel sowie die Handelsvermittlung. Beim drittgrößten Bereich, der Industrie, muss beachtet werden, dass bei dieser Studie darunter auch Handwerksbetriebe fallen und damit auch das sogenannte Baunebengewerbe erfasst wird. Damit wird dieser Bereich im Vergleich zu den Vorgängerstudien statistisch überzeichnet. Weiterhin fällt wirtschaftssystematisch der Bereich Energieerzeugung ebenso in den Industriebereich. Auch hier gab es bedingt durch Windkraft, Biomasse und vor allem Photovoltaikanlagen starke Zuwächse. Der Anteil von Gründungen aus dem industriellen Kern, die dem Verarbeitenden Gewerbe zugeordnet werden, ist kaum gestiegen. Der Bereich Industrie inkl. Handwerk und Energieerzeugung hat jedoch einen Anteil von 17,5 % am Gründungsgeschehen. Der gründungsschwächste Bereich ist der Tourismus. Sein Anteil am Gründungsgeschehen liegt bei 7,6 % und ist gegenüber den Vorgängerstudien weiter gesunken.

Für die Einschätzung des Gründungsgeschehens spielt auch eine Untersuchung nach den Rechtsformen eine große Rolle. Insbesondere die Handelsregister‑Unternehmen gelten in der Gründungsforschung als wichtig, da sie in der Regel eine größere Substanz aufweisen. Die Mehrheit der Gründungen findet jedoch im Bereich der sogenannten Einzelunternehmen statt. Die Handelsregister‑Unternehmen haben lediglich einen Anteil von knapp 8 %. Damit liegt die Region im Landes- und Bundestrend.

Erstmals wurden die Gewerbeanmeldungen nach Staatsangehörigkeit und Geschlecht analysiert. In diesen Bereichen liegen allerdings nur Informationen zu den Einzelunternehmen vor. Wie bereits ausgeführt, ist damit allerdings die Mehrzahl der Existenzgründungen erfasst. Von den 11 470 Einzelunternehmen, die von 2009 bis 2012 gegründet wurden, besitzen knapp 81 % der Unternehmerinnen und Unternehmer die deutsche Staatsangehörigkeit. Mitbürger mit ausländischer Staatsangehörigkeit haben damit einen Anteil von etwas über 19 %. Diese Relation ist mit leichten Abweichungen in allen Teilräumen zu finden. Am deutlichsten treten Unternehmer/-innen mit türkischer Staatsangehörigkeit, die 5 % ausmachen, in Erscheinung. Unternehmer/-innen mit griechischer bzw. italienischer Staatsangehörigkeit sind mit 2 und knapp 1 % ebenfalls gut vertreten. Mit weniger als 1 % sind es Unternehmer/-innen mit serbischer und spanischer Herkunft.

Betrachtet man die Gründungen nach Geschlecht, so zeigt sich auch in der sechsten IHK‑Gründerstudie, dass etwa jedes dritte Unternehmen von einer Frau geführt wird. Gemessen an den 11 470 Gewerbeanmeldungen werden 33,5 % bzw. 3 622 Betriebe von Frauen gegründet.

Abmeldungen nehmen zu

Bei der Betrachtung der Gewerbeabmeldungen gibt es ebenso wichtige Erkenntnisse. So stellt auch hier der Dienstleistungssektor mit 51 % bzw. 7 368 Betrieben den höchsten prozentualen Anteil. Betrachtet man die Details, so gibt es Branchengruppen, die durch besonders viele Abmeldungen hervorstechen. Dies ist vor allem im Bereich der Logistikbranche sowie der sonstigen persönlichen und wirtschaftlichen Dienstleistungen. Dazu zählen Kurierdienste, Hausmeisterdienste, Gebäudereinigung, Haushaltshilfen, aber auch Vermittler von Versicherungen, Immobilien und Grundstücken sowie die Vermietung von Wirtschaftsgütern. Die Zahl der Anmeldungen übersteigt die der Abmeldungen im Betrachtungszeitrum aber nach wie vor deutlich. Am zweithäufigsten wurden Unternehmen im Bereich Handel abgemeldet. Im Handel gab es allerdings mehr Abmeldungen als Anmeldungen. Vor allem der Einzelhandel ist hiervon betroffen, der rund zwei Drittel Anteil an den Abmeldungen der Handelsbranche hat. Stabiler sind dagegen der produktionsnahe Großhandel sowie die Handelsvermittler. Bereits mit deutlichem Abstand hat die Industrie inklusive dem Handwerk nur 1 231 Abmeldungen. Dies entspricht einem Anteil von fast 10 %. Der größte Teil der Abmeldungen fällt in den Bereich des Baunebengewerbes und der nicht industriellen Metallbearbeitung. Die Zahl der Anmeldungen liegt deutlich über den Abmeldungen. Dieser positive Saldo unterstreicht die Stabilität und Stärke des industriellen Kerns der Region. Im Tourismussektor gab es 1 122 Abmeldungen, die damit einen Anteil von knapp 9 % haben. Auch in dieser Branche gibt es in Teilsegmenten besondere Häufungen. Vor allem in der Gastronomie und dort im Bereich der Imbissstuben, Schankwirtschaften sowie Restaurants werden besonders häufig Betriebe abgemeldet. Das Beherbergungsgewerbe hat nur wenige Abmeldungen und erweist sich in der Region als stabil. Diese Teilbranche kann vor allem von Geschäftsreisen und zum Teil vom Trend zu Kurzurlauben profitieren.

Die Aussage, dass Handelsregister‑Unternehmen von größerer Substanz und Tragfähigkeit sind, unterstreicht auch der Blick auf die Abmeldungen nach Rechtsformen. So werden Handelsregister‑Unternehmen deutlich seltener abgemeldet und stellen lediglich einen Anteil von 7,9 % am Abmeldegeschehen. Der Löwenanteil der Abmeldungen entfällt auf die Einzelunternehmen. Auch bei der Betrachtung der Abmeldungen nach Geschlecht und Staatsangehörigkeit gibt es keinerlei Auffälligkeiten. Die Zahl der Abmeldungen liegt bei den Frauen bei 33,8 % und bei den ausländischen Staatsangehörigen bei rund 20 %. Dies entspricht ihren jeweiligen Anteilen am Gründungsgeschehen.

Unternehmer im Portrait

Auch in der sechsten Gründerstudie gibt die IHK dem Unternehmertum ein Gesicht. Es werden aus den Branchen Industrie und Kreativwirtschaft acht erfolgreiche Unternehmerinnen und Unternehmer portraitiert. Sie geben einen Einblick in ihre persönliche Gründungsstory. Abgerundet wird die Studie durch Interviews mit Gerhard Subek, Geschäftsführer des Innovationszentrums an der Hochschule Aalen sowie Bianka Poppke, Ansprechpartnerin des Kompetenzzentrums der Kultur- und Kreativwirtschaft in Baden‑Württemberg.

Das Gesamtresümee der IHK lautet: »Alle Akteure im Gründungsnetzwerk Ostwürttemberg dürfen in ihren Anstrengungen nicht nachlassen, um mutige Frauen und Männer bei ihrem Weg in die Selbstständigkeit zu unterstützen.« Deshalb stellt die Studie auch die »Helferlein« im Netzwerk vor, die sich zum Ziel gesetzt haben, das Unternehmertum in der Region voran zu bringen.