:: 3/2014

Die Jagd: ein archaisches Vergnügen?

Schon in der Altsteinzeit wurde von Menschen gejagt – »Jäger und Sammler« ist die gängige Bezeichnung für die Menschen dieser Zeit. Die Jagd diente hauptsächlich zur Nahrungsversorgung. Sie lieferte neben Fleisch wertvolle tierische Nebenprodukte wie Knochen für Werkzeuge oder auch für Flöten und Kunstwerke. Darüber hinaus dienten Felle als Bekleidung, Decken, Behausungen (Zelte), zur Herstellung von Schuhen und Tragetaschen sowie Sehnen zum Nähen und für Bögen. Heute gilt ein gesunder und auf angemessener Höhe gehaltener Wildbestand als unverzichtbarer Bestandteil des Lebensraumes Wald. Entscheidend für einen standortgemäßen und naturnahen Waldbau ist die Regulierung des Schalenwildbestandes1 – vor allem des Rehwildes. Besonderes Augenmerk gilt den Wildschweinen vor dem Hintergrund ihrer Besuche in der Feldflur und in Vorgärten.

Im Koalitionsvertrag wurde 2011 zwischen den GRÜNEN und der SPD in Baden-Württemberg vereinbart, das Landesjagdgesetz zu überarbeiten. Das Unterfangen hat so seine Tücken, denn wie Horst Klett, der Fachjurist des Landesbauernverbandes, auf einer Tagung Anfang Dezember 2013 in Elpersheim unterstrich, »ist das Jagdrecht ein emotionales Thema, denn Jäger, Landwirte, Natur- und Tierschutz haben recht abweichende Vorstellungen darüber, wie künftig das Jagdrecht geregelt werden soll.«2»Im Kern geht es den Umwelt- und Tierschutzverbänden darum, ein Wildtiermanagement einzuführen und etwa die Liste der Tiere, die gejagt werden dürfen, auszudünnen. Die Jäger fürchten um ihre Rechte und sehen die Gefahr, zu reinen Dienstleistern degradiert zu werden.«3 Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg (MLR) strebt als oberste Jagd- und Naturschutzbehörde flexible Regelungen an und möchte regel­mäßig auf der Grundlage eines Wildtiergutachtens der Wildforschungsstelle Aulendorf entscheiden können, ob eine Tierart regional ins Schutz-, Entwicklungs- oder Nutzungsmanagement übernommen werde.

Wenig erfreut dürften die Jäger auch über eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte4 sein, auf die der Bundestag mit dem »Gesetz zur Änderung jagdrechtlicher Vorschriften vom 29. Mai 2013«5 reagierte. Damit eröffnete sich Grundstückseigentümern die Möglichkeit, die Jagd auf ihren Flächen aus ethischen Gründen zu untersagen. Für Gesprächsstoff ist so allenthalben gesorgt.

Die Jagd in Deutschland

Im Unterschied zum Patent- oder Lizenzsystem in anderen Ländern ist die Jagdausübung in Deutschland durch das Reviersystem gekennzeichnet. Man unterscheidet zwischen Eigen- und gemeinschaftlichen Jagdbezirken. In einem Eigenjagdbezirk ist der Eigentümer jagdausübungsberechtigt, sofern die zusammenhängende Grundfläche (land-, forst- oder fischereiwirtschaftlich nutzbar) mindestens 75 Hektar (ha) groß ist. Die Ausübung des Jagdrechts in gemeinschaftlichen Jagdbezirken steht den Jagdgenossenschaften zu. Dahinter verbergen sich die jeweiligen Eigentümer der Grundflächen einer Gemeinde oder abgesonderten Gemarkung, die nicht zu einem Eigenjagdbezirk gehören und zusammen mindestens 150 ha umfassen. Die Nutzung einer Jagd erfolgt zumeist durch Verpachtung.

85 % des Landes als Jagdfläche geeignet

Baden-Württemberg erstreckt sich über eine Fläche von 3,575 Mill. ha. Darunter sind nach den Ergebnissen der Flächenerhebung 20126 ca. 1,63 Mill. ha Landwirtschafts-, 1,37 Mill. ha Wald- sowie rund 39 000 ha Wasserfläche. Mithin ist eine Fläche von insgesamt 3,038 Mill. ha, das sind 85 % des Landes, theoretisch für die Jagd geeignet. Offensichtlich umfasst die Jagdfläche aber darüber hinaus Teile der Siedlungs- und Verkehrsfläche, denn im Handbuch Jagd 2014 des Deutschen Jagdschutzverbandes (DJV) wird die Jagdfläche (einschließlich der befriedeten Jagdbezirke) für Baden-Württemberg mit 3,362 Mill. ha angegeben. Trotz alledem entfallen neun Zehntel der Jagdfläche auf Privatjagden, ein Zehntel ist im Staatsbesitz.

Wer die Jagd ausüben will, muss die Jägerprüfung – das sogenannte »Jagdabitur« – erfolgreich abgelegt haben und einen gültigen Jagdschein besitzen.7 Dass dies nicht ganz einfach ist, davon zeugen regelmäßig Durchfallquoten in der Größenordnung von 20 %. Derzeit8 sind in Baden-Württemberg laut DJV-Handbuch 38 723 Jagdscheininhaber registriert. Damit kommt im Land auf rund 280 Einwohner ein Jäger. Die Gesamtfläche, auf der ein Jagdpächter die Jagd ausüben darf, muss kleiner als 1 000 ha sein. Das entspricht in etwa der Fläche von über 1 400 Fußballfeldern (70 m x 100 m).

Die Fragen, welche Tiere zu welchen Zeitpunkten (Jahres-, Tageszeit) mit welchen Methoden gejagt werden dürfen, sind im Bundes-9 und Landesjagdgesetz10 geregelt. Von besonderer Relevanz sind die Bestimmungen über Abschussregelungen, nach denen Schalenwild (mit Ausnahme von Schwarzwild) sowie Auer-, Birk- und Rackelwild11 nur aufgrund und im Rahmen eines Abschussplanes erlegt werden dürfen. Für letztere gilt allerdings seit Langem eine ganzjährige Schonzeit. Der Abschussplan für Schalenwild muss dagegen erfüllt werden. Die Zielsetzung hierbei ist, die berechtigten Ansprüche der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden voll zu wahren sowie die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege zu berücksichtigen. Innerhalb der hierdurch gebotenen Grenzen soll die Abschussregelung dazu beitragen, dass ein gesunder Wildbestand aller heimischen Tierarten in angemessener Zahl erhalten bleibt und insbesondere der Schutz von Tierarten gesichert ist, deren Bestand bedroht erscheint.12

Die Festlegung des Abschusses, getrennt nach Tierarten und bei Schalenwild nach Geschlecht, beim Rotwild auch nach der Altersstufe, erfolgt für jedes Jagdrevier und einen Zeitraum von 1 bis 3 Jahren auf der Grundlage eines forstlichen und, soweit erforderlich, eines landwirtschaftlichen Gutachtens über eingetretene Wildschäden und über Wildschadensverhütungsmaßnahmen. Bei ihrer Entscheidung hat die untere Jagdbehörde (Kreisjagdämter bei den Landratsämtern und Stadtkreisen) neben der körperlichen Verfassung des Wildes vorrangig den Zustand der Vegetation zu berücksichtigen.13

Vor dem Hintergrund der Überwachung der Abschusspläne einschließlich der Erzwingung ihrer Erfüllung hat der Jagdausübungsberechtigte über erlegtes und verendetes Wild eine sogenannte Streckenliste zu führen, die zugleich als Meldeformular zur Jagdstatistik dient. Die Jagdstatistik wird von der Wildforschungsstelle Aulendorf aufbereitet.

Im Fokus: Rehwild

Schon aufgrund der Größenordnung kommt der Rehwildstrecke besondere Bedeutung zu. Nachdem im Jagdjahr 2010/11 mit 164 354 erlegten Tieren die bis dato höchste Strecke in Baden-Württemberg erreicht wurde, ist die Strecke im darauffolgenden Jagdjahr 2011/12 um mehr als ein Zehntel auf 147 062 zurückgegangen. In diesen Zahlen sind 23 743 bzw. 22 032 Rehe mit eingerechnet, die von Autos angefahren, von wildernden Hunden gerissen wurden oder an Krankheiten verendet sind (Fallwild). Das Jagdjahr 2012/13 steht mit 171 529 Rehen für die höchste Strecke im Aufzeichnungszeitraum seit Mitte der 1960er-Jahre. Dabei lag der Fallwildanteil bei etwa 14 % (24 412 Tiere). Eine abnehmende Tendenz konnte hierbei in den vergangenen Jahren nicht festgestellt werden, obwohl inzwischen an vielen Straßenabschnitten Wildwarnreflektoren angebracht wurden.

Um eine Vorstellung über den Wildbretanfall bei Rehwild im Land zu erhalten, soll folgende Modellrechnung dienen:

Da Fallwild nicht für den menschlichen Verzehr zugelassen ist, reduziert sich die Berechnungsbasis 2012/13 auf rund 152 700 Tiere. Unterstellt man ein durchschnittliches Verkaufsgewicht (aufgebrochen und in der Decke; das heißt ohne Innereien, aber mit Fell) von 16 Kilogramm und ein Ausschlachtergebnis (ohne Knochen) von 49 %, so errechnet sich damit für 2012/13 ein Rehfleischaufkommen in Baden-Württemberg von rund 1 200 Tonnen. Zum Vergleich: Das entspricht ungefähr einem Drittel der Schlachtmenge bei Schafen.

Aufmerksamkeit verdient die Rehstrecke aber auch vor dem Hintergrund einer verantwortungsbewussten Wildbewirtschaftung, die eine Verjüngung der Hauptbaumarten möglichst ohne Zaunschutz erlaubt. Denn durch Verbiss und Fegen – Rehböcke scheuern ihre Gehörne an den Bäumen und beschädigen die Rinde – können beträchtliche Ertragseinbußen hervorgerufen werden. Verbiss ist insbesondere an den für die Waldverjüngung wichtigen Baumarten wie Fichte, Buche, Tanne und Edellaubhölzer ein Thema.

Wildschweine: In Feldern und Vorgärten nicht gern gesehen

Wildschweine passen sich als ausgesprochene Allesfresser unterschiedlichsten Lebensräumen an. Hierzulande nimmt die Population infolge des vermehrten Maisanbaus und der tendenziell milderen Winter stark zu. Große landwirtschaftliche Schäden treten vor allem dann auf, wenn Eichen und Buchen nicht genug Frucht angesetzt haben und die Wildschweine daher bevorzugt auf heimischen Äckern auf Nahrungssuche gehen. Die Tiere wandern sogar in besiedelte Bereiche ein und richten in Gärten und Parks beträchtliche Wühlschäden an.

Beim Schwarzwild wurden 2011/12 mit 32 053 Tieren, darunter 2 550 Fallwildverluste, fast 20 000 Tiere weniger als ein Jahr zuvor erlegt. Als Ursache für diesen starken Rückgang wird das seinerzeit reichliche Nahrungsangebot in den baden-württembergischen Wäldern vermutet. In sogenannten Mastjahren, wenn Eichen und Buchen viele Früchte tragen, ist der Tisch für die Wildschweine üppig gedeckt. Kirrungen (Lockfütterungen zur effektiveren Bejagung) wurden unter diesen Umständen schlecht angenommen. Der Jagderfolg war entsprechend gering. Umgekehrt erklärt sich die hohe Jagdstrecke 2012/13 mit 70 171 Tieren (einschließlich der Fallwildverluste von etwa 6 %) durch den lang anhaltenden kalten Winter. Eine geschlossene Schneedecke über mehrere Wochen hinweg kam den Jägern bei der Zielansprache sehr zupass.

Rotfuchs zweithäufigste Jagdbeute im Land

Trotz des langfristig abnehmenden Trends bleibt der Rotfuchs die zweithäufigste Jagdbeute in Baden-Württemberg (2012/13: 77 384). Die ökonomische Bedeutung der Fuchsjagd ist größtenteils entfallen, da die Felle kaum mehr verkauft werden. Der Verzehr ist wegen der Übertragungsgefahr von Viren (zum Beispiel Tollwut) und Parasiten (zum Beispiel Fuchsbandwurm) verboten. Die Gründe für die Fuchsjagd liegen neben ihrem möglicherweise besonderen jagdlichen Reiz in den Wintermonaten vor allem in der Angst vor eben diesen übertragbaren Krankheiten und im Bestreben mangels natürlicher Feinde das ökologische Gleichgewicht aufrechtzuerhalten bzw. wiederherzustellen.

Erlegt wurden 2012/13 weiterhin 8 342 Hasen sowie 6 484 Kaninchen. Bei der Federwildstrecke dominiert die Wildente (rund 17 000), mit weitem Abstand gefolgt von den Wildtauben (ca. 3 500) und den Fasanen (ca. 2 700).

Zu guter Letzt!

Für einen Außenstehenden wie den Autor dieses Beitrages ist es schwer, die eingangs gestellte Frage zu beantworten. Mit wenigen Ansitzen bei angenehmen Temperaturen und trockener Witterung ist es schließlich nicht getan. Hinzu kommen die unchristlichen Zeiten, die den größten Jagderfolg versprechen. Die Jagd ist wohl eher eine Möglichkeit, der Zivilisation und ihren Segnungen wie der allgegenwärtigen Informationsflut, der Licht- und Geräuschkulisse den Rücken zu kehren, in eine fremde Welt einzutauchen und quasi Teil der Natur zu werden. Hinzu kommt das Bewusstsein, zur Arterhaltung und Nachhaltigkeit in Feld und Flur als gesellschaftlichem Auftrag beizutragen. Der Jagderfolg ist der Anreiz, die Belohnung. Geschenkt bekommt man ihn nicht.

1 Weidmännische Bezeich­nung für alle wiederkäuenden Wildarten (zum Beispiel Reh- und Rotwild, Gämse) und Wildschweine, deren Hufe bzw. Klauen als Schalen bezeichnet werden.

2 Die Tücken des neuen Jagdrechts, in: BWagrar 49/2013 S. 44.

3 Jagdgesetz: Einigung ist nicht in Sicht, in: Heidenheimer Neue Presse vom 15. November 2013.

4 Individualbeschwerde Nr. 14859/07.

5 BGBl I S. 1386.

6 Stand: 31. Dezember 2012.

7 Bei der Erteilung von Ausländerjagdscheinen gelten abweichende Regelungen.

8 Jagdjahr 2012/13: 1. April 2012 bis 31. März 2013.

9 Bundesjagdgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. September 1976 (BGBl. I S. 2849), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 6. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2557).

10 Landesjagdgesetz vom 1. Juni 1996 (GBl. S. 369).

11 Hybride zwischen dem Birkhuhn und dem Auerhuhn.

12 § 21 (1) Bundesjagdgesetz.

13 § 27 Landesjagdgesetz.