:: 11/2014

Erwerbstätige in den Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs – eine Bilanz der letzten 20 Jahre

In der Erwerbstätigenrechnung stehen nunmehr nach dem Abschluss der Arbeiten im Rahmen der Revision 2011 wieder lange Zeitreihen auf Landes-, Regionen- und Kreisebene zur Verfügung. Erste Auswertungen zeigen, dass im Jahr 2012 von den insgesamt 44 Stadt- und Landkreisen 32 Kreise neue Rekordniveaus an Erwerbstätigen erreichten. Im Zeitraum 1992 bis 2012 gab es in 38 Stadt- und Landkreisen und allen zwölf Regionen des Landes einen Zuwachs an Arbeitsplätzen. Während die Zahl der Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor in den letzten 20 Jahren in allen Kreisen und Regionen zunahm, überwog im Produzierenden Gewerbe der Stellenabbau. Dennoch ist festzustellen, dass für eine gute Arbeitsplatzbilanz nicht nur starke Zuwächse an Arbeitsplätzen in den Dienstleistungsbranchen ausschlaggebend sind, sondern auch positive Arbeitsplatzentwicklungen in der Industrie.

Erwerbstätigenrekorde in 32 Stadt- und Landkreisen

Im Jahr 2012 gab es in Baden-Württemberg mit insgesamt 5,8 Mill. Erwerbstätigen den zweiten Beschäftigungshöchststand in Folge. Neuesten Kreisberechnungen des Arbeitskreises »Erwerbstätigenrechnung des Bundes und der Länder« zufolge war dies auch in 23 der insgesamt 44 Stadt- und Landkreise zu beobachten. In weiteren neun Stadt- und Landkreisen wurde 2012 ebenfalls ein Rekordniveau an Arbeitsplätzen erreicht, wobei der letzte Höchststand schon länger zurücklag. Dank der konjunkturellen Erholung gab es damit in insgesamt 32 Kreisen neue Höchststände bei der Erwerbstätigenzahl (siehe i-Punkt »Erwerbstätige«).

Im Vergleich zum Vorjahr nahm die Erwerbstätigenzahl in fast allen Kreisen zu. Lediglich im Landkreis Rottweil und im Stadtkreis Ulm war ein allerdings kaum nennenswerter Rückgang um jeweils 0,1 % zu beobachten. Den stärksten Zuwachs an Arbeitsplätzen verbuchte der Hohenlohekreis mit einem Plus von 3,3 %, was auf sehr positive Entwicklungen im Dienstleistungssektor und im Produzierenden Gewerbe zurückzuführen war. Landesweit nahm die Zahl der Arbeitsplätze um 1,3 % zu. Unter den zwölf Regionen des Landes reichte der Erwerbstätigenzuwachs von 1,7 % in der Region Hochrhein-Bodensee bis jeweils 0,6 % in den Regionen Mittlerer Oberrhein, Schwarzwald-Baar-Heuberg und Donau-Iller1.

Region Heilbronn-Franken und Landkreis Heilbronn: Arbeitsplatzgewinner der letzten 20 Jahre

Nachdem mit Abschluss der Revision 2011 nun wieder durchgehende und vergleichbare Zeitreihen für die Erwerbstätigen von 1991 bis 2012 nach der Wirtschaftszweigklassifikation WZ 2008 vorliegen, sind interessante langfristige Vergleiche möglich, die auch den Strukturwandel der Wirtschaft widerspiegeln (siehe i-Punkt »Revision 2011«).

In den letzten 20 Jahren, das heißt im Zeitraum 1992 bis 2012, hat sich die Zahl der Arbeitsplätze in Baden-Württemberg insgesamt um 580 000 bzw. 11 % auf 5,8 Mill. erhöht. Insgesamt gab es in 38 der 44 Stadt- und Landkreise im Südwesten mehr Arbeitsplätze als 20 Jahre zuvor. Den landesweit stärksten prozentualen Stellenzuwachs in Höhe von 36 % erzielte der Landkreis Heilbronn (+41 600 Erwerbstätige), gefolgt vom Hohenlohekreis (+33 % bzw. +16 500 Erwerbstätige) und dem Stadtkreis Freiburg im Breisgau (+28 % bzw. +34 200 Erwerbstätige). Sechs Kreise hatten dagegen im gleichen Zeitraum per saldo einen Arbeitsplatzabbau zu verkraften, allen voran der Stadtkreis Pforzheim (−7 % bzw. −5 700 Erwerbstätige) sowie die Landkreise Zollernalbkreis (−6 % bzw. −6 100 Erwerbstätige) und Sigmaringen (−5 % bzw. −3 700 Erwerbstätige). Ebenfalls mit einer negativen Arbeitsplatzbilanz schlossen der Landkreis Göppingen, der Stadtkreis Stuttgart und der Landkreis Heidenheim. In den Landkreisen fiel dabei der Stellenzuwachs mit durchschnittlich 13 % mehr als doppelt so stark aus wie in den Stadtkreisen (+6 %). Den zahlenmäßig größten Erwerbstätigenzuwachs verbuchte der Rhein-Neckar-Kreis mit 46 800 Erwerbstätigen, gefolgt von den Landkreisen Heilbronn und Karlsruhe (+41 600 bzw. +37 800 Erwerbstätige).

Der Vergleich der Regionen zeigt, dass alle zwölf Regionen im Land im Zeitraum 1992 bis 2012 eine positive Arbeitsmarktentwicklung vorweisen können. An der Spitze stehen die Region Heilbronn-Franken mit einem Erwerbstätigenzuwachs um 22 %, dicht gefolgt von der Region Südlicher Oberrhein (+21 %). Die am wenigsten positive Arbeitsplatzbilanz der letzten 20 Jahre hatten die Regionen Stuttgart und Nordschwarzwald mit jeweils 5 % Erwerbstätigen mehr. Zahlenmäßig entstanden im Zeitraum 1992 bis 2012 die meisten Arbeitsplätze in der Region Südlicher Oberrhein (+98 400 Erwerbstätige), gefolgt von der Region Heilbronn-Franken mit +90 900, der Region Stuttgart und der Region Rhein-Neckar mit jeweils +70 400 Erwerbstätigen.

Alle Kreise mit Stellenzuwachs im Dienstleistungssektor

Betrachtet man die Erwerbstätigenentwicklung nach Wirtschaftssektoren, so stand landesweit den 950 500 zusätzlichen Arbeitsplätzen im Dienstleistungssektor (+32 %) ein Stellenabbau in der Industrie von 316 100 (−15 %) und in der Land- und Forstwirtschaft von 54 400 Erwerbstätigen (−42 %) gegenüber.

Die Zahl der Erwerbstätigen im Dienstleistungssektor nahm in den Landkreisen mit einem Plus von 38 % (+730 000 Erwerbstätige) stärker zu als in den Stadtkreisen des Landes (+21 % bzw. +220 500). Von dem Beschäftigungsaufbau bei den Dienstleistern profitierten alle 44 Stadt- und Landkreise. Die Spannweite der positiven Erwerbstätigenentwicklung reichte dabei von +70 % im Landkreis Heilbronn bis +8 % im Landkreis Sigmaringen.

Bei den Regionen reichte diese von +40 % in der Region Heilbronn-Franken bis +21 % in der Region Nordschwarzwald. Zahlenmäßig stand in der Kreisbetrachtung der Rhein-Neckar-Kreis mit einem Plus von 62 100 Dienstleistungsarbeitsplätzen an erster Stelle, bei den Regionen die Region Stuttgart mit +220 700 Arbeitsplätzen.

Stellenabbau in der Industrie überwiegt

In der Industrie war die Erwerbstätigenentwicklung uneinheitlicher. So ging in den letzten 20 Jahren in den Landkreisen lediglich jeder zehnte Industriearbeitsplatz verloren (−178 800 Erwerbstätige). In den neun Stadtkreisen des Landes war der Stellenabbau weit gravierender. Seit 1992 wurde dort fast jeder dritte Industriearbeitsplatz (−32 % bzw. −137 400 Erwerbstätige) abgebaut. Dies dürfte auch darauf zurückzuführen sein, dass Industriestandorte in den letzten Jahrzehnten vermehrt aus Ballungszentren an deren Ränder verlagert wurden, wobei hierbei auch Kosten- und Infrastrukturaspekte eine Rolle gespielt haben dürften. Insgesamt standen 34 Stadt- und Landkreisen mit einem Stellenverlust zehn Kreise mit einem Zuwachs an Industriearbeitsplätzen gegenüber. Bei den Arbeitsplatzgewinnern im Produzierenden Gewerbe handelt es sich ausnahmslos um Landkreise. Die prozentual stärksten Stellenzuwächse verbuchten mit einem Plus von jeweils 19 % die Landkreise Biberach und Schwäbisch Hall, gefolgt von den Landkreisen Hohenlohekreis und Heilbronn mit jeweils 15 %. Umgekehrt hatte der Stadtkreis Heidelberg landesweit mit 41 % den stärksten Abbau an Industriearbeitsplätzen zu verkraften.

In den Regionen ging die Zahl der Industriearbeitsplätze in elf der insgesamt zwölf Regionen zurück, am stärksten in der Region Stuttgart um fast ein Viertel. Lediglich die Region Heilbronn-Franken konnte 2012 mehr Industriearbeitsplätze vorweisen als 20 Jahre zuvor. Zahlenmäßig betrachtet gingen mit 51 600 Stellen im Stadtkreis Stuttgart die mit Abstand meisten Industriearbeitsplätze verloren. Allein 46 % des landesweiten Stellenabbaus in der Industrie entfiel auf die Region Stuttgart.

Gute Arbeitsplatzbilanz = starke Dienstleistungen + starke Industrie

In der Gesamtbeschäftigungsbilanz der Stadt- und Landkreise Baden-Württembergs ist festzustellen, dass diejenigen Kreise in der Rangfolge der Erwerbstätigenentwicklung ganz oben stehen, bei denen ein vergleichsweise starker Zuwachs an Arbeitsplätzen in der Dienstleistungsbranche mit einer positiven Arbeitsplatzentwicklung in der Industrie einherging. Dies war beispielsweise in den Landkreisen Heilbronn und Hohenlohekreis der Fall, die landesweit die prozentual höchsten Erwerbstätigenzuwächse aufwiesen.

Dies gilt ebenso für die Regionen des Landes. Die Region Heilbronn-Franken mit der landesweit besten Arbeitsplatzbilanz der letzten 20 Jahre ist die einzige Region mit einem Stellenzuwachs im Produzierenden Gewerbe und gleichzeitig einer vergleichsweise stark expandierenden Beschäftigung im Dienstleistungssektor.

Landkreis Tuttlingen: Produzierendes Gewerbe immer noch Hauptarbeitgeber

Bereits seit Jahrzehnten ist ein Strukturwandel in Form einer wachsenden Zahl von Arbeitsplätzen im Dienstleistungssektor und einer sinkenden Zahl an Arbeitsplätzen in der Industrie und der Land- und Forstwirtschaft zu beobachten. Bereits im Jahr 1992 gab es landesweit nur noch neun Landkreise, in denen die Industrie mit Anteilen an den Erwerbstätigen von jeweils über 50 % der Hauptarbeitgeber war. 20 Jahre später verblieb mit dem Landkreis Tuttlingen nur noch ein einziger Kreis mit überwiegender Industriebeschäftigung (Anteil an allen Erwerbstätigen: 55 %). Landesweit arbeiteten 2012 rund 67 % aller Erwerbstätigen im Dienstleistungssektor, während es 20 Jahre zuvor noch 10 Prozentpunkte weniger waren. Dennoch: Das Zusammenspiel zwischen der Erwerbstätigenentwicklung im Produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungssektor zeigt auch, dass eine starke Industrie im Zuge von Rationalisierungen und der Verbesserung technischer Abläufe zwar mit immer weniger Personal auskommt, andererseits aber immer mehr technisches und elektronisches Know-how benötigt, sodass auch die Anbieter hochwertiger Dienstleistungen profitieren und neue Arbeitsplätze schaffen.

1 Soweit Land Baden-Württemberg.