:: 3/2015

Neuberechnung der Einkommensteuerschlüssel

Ab 2015 gelten wieder neue Schlüsselzahlen für die Aufteilung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer. Diese Neufeststellung gibt Anlass, etwas ausführlicher auf den Verteilungsmechanismus für die Gemeinden einzugehen. Insbesondere werden auch Ursachen beschrieben, welche die Höhe und die Veränderungen der Schlüsselzahlen beeinflussen können. Dabei zeigt sich, dass die Schlüsselzahlen das Resultat eines komplexen Systems sind und daher eine isolierte Betrachtung einzelner Faktoren zu falschen Schlussfolgerungen führen kann. Die neuen Schlüsselzahlen für die Jahre 2015 bis 2017 wurden vom Statistischen Landesamt auf der Basis der Lohn- und Einkommensteuerstatistik 2010 errechnet und mit Verordnung des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft Baden‑Württemberg in Kraft gesetzt.

Der Einkommensteueranteil ist für die Gemeinden eine ergiebige Einnahmequelle

Das Gemeindefinanzreformgesetz von 1969 hatte das Ziel, die regional hohen Aufkommensunterschiede der Gewerbesteuer auszugleichen und die Gemeindehaushalte etwas unabhängiger von der stark konjunkturabhängigen Gewerbesteuer zu machen. Erreicht wurde dies durch eine Beteiligung der Kommunen an der Einkommensteuer sowie der Einführung der Gewerbesteuerumlage, die aus dem kommunalen Gewerbesteueraufkommen an Bund und Land abzuführen ist. Zunächst erhielten die Gemeinden einen Anteil von 14 % an der Lohn- und Einkommensteuer. Im Zusammenhang mit der Abschaffung der Lohnsummensteuer wurde 1980 dieser Anteil auf 15 % erhöht. Das Aufkommen der Lohn- und Einkommensteuer ist regional weitaus gleichmäßiger verteilt als das Gewerbesteueraufkommen. Für die Verteilung des Einkommensteueranteils auf die Kommunen wird ein in Grenzen nivellierender Schlüssel zugrunde gelegt, die interkommunale Streuung des Einkommensteueranteils ist deshalb vergleichsweise gering.

Neben den Einnahmen aus der Gewerbesteuer ist für die Gemeinden der Anteil aus dem Einkommensteueraufkommen die ergiebigste Steuerquelle. Die Kommunen bekommen von jedem Euro Lohn- und Einkommensteuer 15 Cent. Den Rest dieser Gemeinschaftssteuer teilen sich Bund und Länder je zur Hälfte. 2013 wurden aus dem Aufkommen der Lohn- und Einkommensteuer rund 5 Mrd. Euro auf die 1 101 Gemeinden des Landes verteilt. Dies entsprach 40 % der gesamten kommunalen Steuereinnahmen (Schaubild 1).

Die Berechnung der Einkommensteuerschlüssel

Maßgeblich für die Berechnung des Einkommensteueranteils der Gemeinden ist zunächst das Gesamtaufkommen der Lohn- und Einkommensteuer des jeweiligen Bundeslandes. Dabei ist zu beachten, dass auf der Länderebene dazu eine Lohnsteuerzerlegung erfolgt. Die Einkommensteuer wird nicht nach dem Vereinnahmungsprinzip den Ländern zugerechnet. Da viele Betriebe zum Beispiel die Lohnsteuer für alle Betriebsstätten zentral abführen, würde dies zu erheblichen Verzerrungen führen. Daher erfolgt eine Zerlegung nach dem Wohnort der Beschäftigten. Von diesem durch die Zerlegung bereinigten Aufkommen erhalten die Gemeinden ihren Anteil. Maßgeblich dafür ist – wiederum nach dem Wohnsitzprinzip – die Steuerleistung der Gemeindeeinwohner. Allerdings wird nur das auf Einkommen in einem Sockelbereich bis zu 35 000 bzw. 70 000 Euro (Zusammenveranlagung) entfallende Steueraufkommen berücksichtigt. Die Steuerleistung bei Einkommen, die unterhalb der Sockelgrenze liegen, wird in vollem Umfang berücksichtigt. Bei höheren Einkommen wird nur die auf die ersten 35 000 bzw. 70 000 Euro des Einkommens entfallende Steuerleistung zugrunde gelegt. Dies entspricht einem Steuerbetrag von 7 259 Euro bei Fällen nach der Grundtabelle für Alleinstehende und 14 518 Euro bei Splittingfällen (Verheiratete).

Der Verteilungsschlüssel soll den Zielen der Gemeindefinanzreform möglichst weitgehend entsprechen und eine Verteilung der Leistungen auf der Grundlage der Einkommensteuerzahlungen der Einwohner ermöglichen, die Steuerkraftunterschiede zwischen Gemeinden gleicher Funktion und Größe verringern und das Steuerkraftgefälle zwischen großen und kleinen Gemeinden wahren. Nach der Berechnung der Steuerleistungen der einzelnen Länder wird ermittelt, welchen Anteil die einzelne Gemeinde innerhalb ihres Landes an diesem (Teil-)Steueraufkommen hat. Der so berechnete Wert ist die Schlüsselzahl. Sie bezeichnet den Anteil, der der einzelnen Gemeinde aus dem für die Gemeinden des Landes insgesamt zur Verfügung stehenden Aufkommen zufließt. Dem neuen Verteilungsschlüssel liegen die Ergebnisse der Lohn- und Einkommensteuerstatistik für das Jahr 2010 zugrunde. Die entsprechenden Berechnungen werden jeweils von der Finanzverwaltung zusammen mit dem Statistischen Landesamt vorgenommen.

Für die Höhe der Schlüsselzahlen ist vor allem die relative Entwicklung des örtlichen Steueraufkommens nach der Einkommensteuerstatistik maßgeblich, die regelmäßig im Abstand von 3 Jahren erstellt wird. Die Schlüsselzahlen werden deshalb auch nur in diesem Turnus geändert. Dabei ist zu berücksichtigen, dass zwischen dem für die Statistik maßgeblichen Erhebungsjahr und ihrer Fertigstellung zwangsläufig ein Zeitraum von mehreren Jahren liegt, da die Steuererklärungen und -veranlagungen teilweise mit erheblicher zeitlicher Verzögerung abgegeben bzw. durchgeführt werden.

Berechnungsbeispiel für eine Mustergemeinde

Im Rahmen der Lohn- und Einkommensteuerstatistik übermittelte die Finanzverwaltung dem Statistischen Landesamt für jeden Steuerpflichtigen (Alleinstehende und zusammen veranlagte Ehegatten) für das Jahr 2010 die Steuermerkmale und den Wohnort in Form des amtlichen Gemeindeschlüssels. Nach Durchführung der Lohnsteuerzerlegung berechnet das Statistische Landesamt anhand dieses Materials – hier dargestellt anhand einer Beispielgemeinde – die im Rahmen der Sockelbegrenzung (35 000 / 70 000 Euro) anzurechnende Steuerleistung in Höhe von 6 154 940 Euro (Übersicht 1). Der entsprechende Betrag für die Steuerpflichtigen aller baden‑württembergischen Gemeinden betrug 17 477 107 692 Euro. Aus dem Verhältnis der Steuerleistung der Gemeinde geteilt durch die Steuerleistung insgesamt errechnet sich die Schlüsselzahl der Beispielgemeinde in Höhe von 0,0003522.

Ergebnis der Neuberechnung

Die Auswirkungen der für 2015 bis 2017 neu berechneten Schlüsselzahlen für die einzelnen Gemeinden im Land sind sehr unterschiedlich. Während bei 194 Gemeinden die Schlüsselzahl mit einer Zu- oder Abnahme von unter 1 % fast konstant blieb, gab es 504 Gemeinden mit Einbußen bei den Schlüsselzahlen von −1 % und mehr, darunter zehn Kommunen mit einem Rückgang von −11 % und mehr, und 403 Gemeinden, die sich über eine Erhöhung von +1 % und mehr freuen konnten. Extreme Zuwächse von +11 % und mehr wurden bei 33 Gemeinden festgestellt (Schaubild 2).

Einflüsse auf den Verteilungsschlüssel

Die Höhe des Verteilungsschlüssels für eine Gemeinde ist von der Zahl der steuerpflichtigen Einwohner der Gemeinde abhängig.

Wird die Einwohnerzahl insgesamt betrachtet, veränderte sie sich in Baden‑Württemberg von 2007 bis 2010 in der Summe kaum. Die Entwicklung der Einwohnerzahl in den einzelnen Gemeinden war aber recht unterschiedlich und reichte von einem Rückgang von 9,3 % bis zu einem Zuwachs von 11,4 %.

Für die Berechnung der Schlüssel zählen allerdings nur die steuerpflichtigen Einwohner, die mit dem von ihnen zu entrichtenden Einkommensteuerbetrag zu den Steuerleistungen in der Gemeinde beitragen. Wesentlich ist jeweils die Höhe des zu versteuernden Einkommens. So kommt der Bemessung der Steuerfreibeträge in den vielfältigen Ausprägungen besondere Bedeutung zu. Die letztendlich auf das zu versteuernde Einkommen entfallende Steuerlast ist abhängig von der Ausgestaltung des Steuertarifs hinsichtlich Steuerprogression und ähnlicher Faktoren (Übersicht 2).

Wegen der Erhöhung des Grundfreibetrags senkte sich der Steuerbetrag, der auf ein zu versteuerndes Einkommen von 35 000 Euro bei Alleinstehenden entfiel, von 7 458 Euro im Jahr 2007 auf 7 259 Euro im Jahr 2010. Dies führte letztlich maßgeblich dazu, dass der Steuerbetrag in Baden‑Württemberg im Sockelbereich (35 000 / 70 000 Euro) von 18 227 Mill. Euro im Jahr 2007 auf 17 477 Mill. Euro (das sind 1 625 Euro pro Einwohner) um 4,1 % zurückging. Maßgeblich für die Veränderung des individuellen Einkommensteuerschlüssels 2015 gegenüber 2012 ist also in erster Linie die relative Entwicklung des örtlichen Steueraufkommens im Sockelbereich gegenüber der Veränderung des entsprechenden Landesdurchschnitts. Verringerte sich das örtliche Steueraufkommen im Sockelbereich um mehr als 4,1 %, so weist auch der örtliche Einkommensteuerschlüssel gegenüber seinem Vorgänger eine negative Veränderungsrate auf. Verringerte sich das örtliche Steueraufkommen im Sockelbereich um weniger als 4,1 % oder war sogar eine Zunahme festzustellen, so weist auch die Schlüsselzahl eine positive Veränderungsrate auf.

Konsequenzen aus den neuen Schlüsselzahlen

Eine Veränderung der Schlüsselzahl ist nicht unbedingt gleichbedeutend mit Einbußen oder Gewinnen bei den Einnahmen aus der Lohn- und Einkommensteuer. Ein tendenziell steigendes Steueraufkommen, das insgesamt an die Gemeinden zu verteilen ist, federt die meisten Rückgänge weitgehend ab. Für die einzelne Gemeinde wird ein Ausgleich auch dadurch erzielt, dass bei den Berechnungen des kommunalen Finanzausgleichs der Einkommensteuerschlüssel bereits bei der Berechnung der Steuerkraftmesszahl beim Einkommensteueranteil und beim Familienleistungsausgleich ab dem Gültigkeitsjahr des Schlüssels einbezogen wird.

Wird innerhalb von 6 Monaten nach der Festsetzung des Schlüssels als Ursache für eine starke Veränderung der Schlüsselzahl eine fehlerhafte Berechnung ausgemacht, so ist für die Zeit bis zur Neufestsetzung des Schlüssels ein Ausgleich für diese Gemeinde vorzunehmen. Die hierzu erforderlichen Ausgleichsbeträge sind aus dem Gesamtbetrag des Gemeindeanteils des Landes vor der Aufteilung zu entnehmen, zurückzuzahlende Beträge diesem Gesamtbetrag zuzuführen. Die Landesregierungen können zur Verwaltungsvereinfachung durch Rechtsverordnung bestimmen, dass ein Ausgleich unterbleibt, wenn der Ausgleichsbetrag einen bestimmten Betrag nicht überschreitet.

Durch Rechtsverordnung der Landesregierung werden auch die Termine und das Verfahren für die Überweisung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer geregelt. Die Gemeinden erhalten jeweils zum 10. Februar, 10. Mai, 10. August und 10. November des Erhebungszeitraumes Abschlagszahlungen für das Kalendervierteljahr nach dem Ist‑Aufkommen in dem Vierteljahr. Die Schlussabrechnung erfolgt dann zum 10. Februar des auf das Erhebungsjahr folgenden Jahres.