:: 4/2015

Ausgaben der Kinder- und Jugendhilfe vor dem Hintergrund des Ausbaus der Kleinkindbetreuung in Baden‑Württemberg

Der Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder unter 3 Jahren, der insbesondere seit dem »Krippengipfel« von Bund, Ländern und Gemeinden im Jahr 2007 forciert wurde, findet in der Öffentlichkeit viel Beachtung. Wie haben sich die Ausgaben der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe dadurch in Baden‑Württemberg in den letzten Jahren verändert? Wie entwickeln sich die Ausgaben in den übrigen Leistungsbereichen, werden dort womöglich Abstriche zugunsten der Kita-Betreuung gemacht? Die Daten aus den Kinder- und Jugendhilfestatistiken geben Auskunft über die Entwicklung der Ausgaben bis zum 31. Dezember 2013.

Kinder- und Jugendhilfe: Unverzichtbarer Beitrag zum Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen

Die Leistungen und Angebote der Kinder- und Jugendhilfe erreichen nahezu alle Kinder und Jugendlichen in Baden‑Württemberg. Das zeigt sich besonders an ihren beiden größten Leistungsbereichen. Zum einen besucht fast jedes Kind in Baden‑Württemberg eine Kindertageseinrichtung oder wird von einer Tagesmutter bzw. einem Tagesvater betreut. Zum anderen werden rund 129 000 junge Menschen landesweit von erzieherischen Hilfen erreicht.

Dies ist jedoch nur ein Ausschnitt aus den umfangreichen Leistungen der Kinder- und Jugend­hilfe. Hier ein Überblick über die wesentlichen Angebote nach § 2 (2) Sozialgesetzbuch VIII:

  • Angebote der Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit und des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes,
  • Angebote zur Förderung der Erziehung in der Familie,
  • Angebote zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Tagespflege,
  • Hilfe zur Erziehung, Hilfe für seelisch behinderte Kinder und Hilfe für junge Volljährige.

Die Kinder- und Jugendhilfe leistet damit einen unverzichtbaren Beitrag zum Aufwachsen der Kinder und Jugendlichen. Sie hat den Auftrag, dazu beizutragen, dass jeder junge Mensch das Recht auf Erziehung und auf Förderung seiner Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit verwirklichen kann. Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe werden dabei sowohl von öffentlichen als auch freien Trägern der Jugendhilfe erbracht.

Gesamtausgaben der Kinder- und Jugend­hilfe erhöhten sich 2013 um 17 %

Die Bruttoausgaben der öffentlichen Träger für die Kinder- und Jugendhilfe beliefen sich in Baden‑Württemberg im Jahr 2013 auf insgesamt gut 4,4 Mrd. Euro und damit auf knapp 0,7 Mrd. Euro mehr als 2012 (+17 %).1 Diese Summe umfasst die Jugendhilfe-Ausgaben der Städte und Gemeinden, der Stadt- und Landkreise sowie des Landes2. Den Ausgaben standen Einnahmen, zum Beispiel aus Gebühren und Teilnahmebeiträgen, in Höhe von knapp 0,4 Mrd. Euro gegenüber, sodass die Ausgaben netto knapp 4,1 Mrd. Euro betrugen.

Seit 2008, dem ersten Jahr nach dem Krippengipfel und dem Beschluss, die Kindertagesbetreuung auszubauen, sind die Ausgaben für die öffentliche Kinder- und Jugendhilfe nominal um 59 % gestiegen. Es handelt sich hierbei größtenteils zugleich um einen realen Anstieg der Ausgaben in Baden‑Württemberg, der nicht durch die allgemeine Preissteigerung (+7 %) verursacht ist3.

Besonders stark sind die Ausgaben für die öffentliche Kinder- und Jugendhilfe in den Jahren 2009 (+ 11 % gegenüber Vorjahr) und 2013 (+ 17 % gegenüber Vorjahr) angestiegen.

Zunahme der Ausgaben höher als im Bundesgebiet

Seit 2008 sind die Ausgaben der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland von 24,1 Mrd. Euro auf 35,4 Mrd. Euro im Jahr 2013 gestiegen (+47 %).4 In Baden‑Württemberg haben sich die Ausgaben im selben Zeitraum um 59 % und damit um 12 Prozentpunkte stärker als im Bundesdurchschnitt erhöht. Im Vergleich mit den übrigen Bundesländern ohne Baden‑Württemberg beträgt der Unterschied in der Veränderung 14 Prozentpunkte.

Trotz dieses überdurchschnittlichen Anstiegs in den letzten Jahren liegen die Bruttoausgaben für die Kinder- und Jugendhilfe pro Einwohner unter 27 Jahren in Baden‑Württemberg mit 1 468 Euro noch immer 187 Euro unter dem Bundesdurchschnitt von 1 655 Euro.

70 % der Ausgaben fließen in die Kindertagesbetreuung

Den größten Anteil an den Bruttoausgaben der Kinder- und Jugendhilfe in Baden‑Württemberg hat die Kindertagesbetreuung: Rund 3,1 Mrd. Euro (70 %) wurden im Jahr 2013 dafür aufgewendet. Diese Summe umfasst nicht nur die Kosten der Einrichtungen öffentlicher Träger, sondern auch die Zuschüsse an die Kindertagesstätten der freien Träger sowie die Ausgaben für Kindertagespflege. Kindertagespflege hat mit 3 % allerdings einen geringen Anteil an den Bruttoausgaben für Kindertagesbetreuung.

Gegenüber dem Berichtsjahr 2012 sind die Ausgaben um 555,7 Mill. Euro (+22 %) gestiegen. Seit 2008 verzeichnen diese Ausgaben einen Zuwachs von insgesamt 81 %, der deutlich über dem Zuwachs der Gesamtausgaben in diesem Zeitraum liegt. Daher hat sich der Anteil der Ausgaben für die Kindertagesbetreuung an den Gesamtausgaben im gleichen Zeitraum von 61 % auf 70 % erhöht.

Dieser Anstieg ist zum einen auf den Ausbau der Kleinkindbetreuung zurückzuführen, zum anderen auch darauf, dass der zeitliche Umfang der Betreuung angestiegen ist. Die Zahl der Kinder unter 3 Jahren in Kindertagesbetreuung hat sich von rund 38 000 im Jahr 2008 auf rund 76 000 im Jahr 2014 verdoppelt. Die Betreuungsquote der Kinder unter 3 Jahren stieg im selben Zeitraum von 13,6 % auf 27,8 % an. Auch der Ausbau der Ganztagsbetreuung wurde in dieser Zeit vorangetrieben. Der Anteil der Kinder unter 6 Jahren, die ganztags betreut wurden, betrug 2008 knapp 12 % und hat sich bis zum Jahr 2014 verdoppelt (24 %).

Heimerziehung nach wie vor der größte Ausgabeposten im Bereich der Hilfen zur Erziehung

Den zweiten bedeutenden Ausgabenposten bilden mit 943,5 Mill. Euro bzw. 21 % der Gesamtausgaben die Hilfen zur Erziehung. Darin enthalten sind auch die Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche, die Hilfe für junge Volljährige und die Inobhutnahme. Diese Ausgaben sind gegenüber 2008 um 41 % gestiegen. Damit liegt der Anstieg der Ausgaben für die Hilfen zur Erziehung deutlich unter dem der Gesamtausgaben, und ihr Anteil an den Gesamtausgaben hat seit 2008 von 24 % um 3 Prozentpunkte auf 21 % abgenommen.

Für Einrichtungen der Hilfe zur Erziehung wurden 2013 landesweit 166 Mill. Euro ausgegeben, für Einzel- und Gruppenhilfen in diesem Bereich (einschließlich Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche, Hilfe für junge Volljährige und Inobhutnahme) weitere gut 777 Mill. Euro. Den größten Anteil haben dabei die Ausgaben für Heimerziehung bzw. Erziehung in einer sonstigen betreuten Wohnform (262 Mill. Euro oder 34 %). In die Eingliederungshilfe für seelisch behinderte junge Menschen flossen im Rahmen der Einzel- und Gruppenhilfen 114 Mill. Euro (15 %), in die sozialpädagogische Familienhilfe 84 Mill. Euro (11 %) und in die Vollzeitpflege 79 Mill. Euro (10 %).

Jugendarbeit: Ein Aufgabenbereich ohne nennenswerten Zuwachs an Ausgaben der öffentlichen Träger

Mit großem Abstand folgen die Ausgaben für Jugendarbeit (173,4 Mill. Euro bzw. 4 % der Gesamtausgaben). Für diesen Aufgabenbereich der Kinder- und Jugendhilfe sind kaum Ausgabenzuwächse zu verbuchen. Die Ausgaben stiegen in den letzten 5 Jahren lediglich um 6 % und gleichen somit im Wesentlichen die allgemeinen Preissteigerungen aus.

Infolgedessen ist der Anteil der Ausgaben für Jugendarbeit an den Gesamtausgaben der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe von 6 % im Jahr 2008 auf 4 % im Jahr 2013 gesunken. Dabei ist zu beachten, dass die Jugendarbeit ein weites, buntes Feld an Aktivitäten und Akteuren darstellt. In der Statistik der Ausgaben und Einnahmen der öffentlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe werden allerdings nur die Ausgaben der öffentlichen Träger für die Jugendhilfe (einschließlich ihrer Zuschüsse an freie Träger) ausgewiesen. Die Ausgaben der freien Träger, wie zum Beispiel Kirchen und Jugendverbände, die die öffentlichen Zuschüsse durchaus übersteigen, finden hier keine Berücksichtigung.

Angesichts der Ausweitung der Kindertagesbetreuung und der Ganztagsschulen ist das Feld der Kinder- und Jugendarbeit im Wandel begriffen. Die Kooperation von Schule und Jugendarbeit wird sich vermutlich weiter intensivieren. Inwieweit sich dies auch auf die Ausgaben niederschlägt, wird in den nächsten Jahren zu beobachten sein.

Ein eigener Ausgabenbereich neben der Kinder- und Jugendarbeit ist die Jugendsozialarbeit nach § 13 SGB VIII, die dem gezielten Ausgleich sozialer Benachteiligungen oder der Überwindung individueller Beeinträchtigungen junger Menschen dienen soll. Für diese Aufgabe wurden im Jahr 2013 von den öffentlichen Trägern der Kinder- und Jugendhilfe rund 48 Mill. Euro und damit 74 % mehr als 2008 ausgegeben. Der Anteil der Jugendsozialarbeit an den Gesamtausgaben beträgt 1 %.

Bedeutung der Zuschüsse an freie Träger nahezu gleichbleibend

Im Jahr 2013 wurden knapp 1,6 Mrd. Euro für die Förderung freier Träger ausgegeben. Gegenüber 2008 ist das eine Steigerung um 63 %. Indessen ist der Anteil der Ausgaben für freie Träger an der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe nahezu gleich geblieben (2008: 35 %, 2013: 36 %). Rund 80 % der Mittel für freie Träger sind 2013 für die Kindertagesbetreuung verwendet worden. Freie Träger haben damit bei den Ausgaben für Kindertagesbetreuung einen Anteil an den Gesamtausgaben für diese Leistungsart von 41 % (2008: 42 %).

Auffallend ist, dass der Anteil der Ausgaben für Mitarbeiterfortbildung an den jeweiligen Gesamtausgaben bei freien Trägern deutlich höher ist als bei öffentlichen Trägern. Insgesamt spielen die Ausgaben für Mitarbeiterfortbildung mit einem Anteil von 0,14 % allerdings auch bei den freien Trägern eine vergleichsweise untergeordnete Rolle.

Ein Blick in die Stadt- und Landkreise

Die Nettoausgaben (Bruttoausgaben abzüglich Einnahmen) für die Kinder- und Jugendhilfe pro Einwohner unter 27 Jahren betrugen 2013 landesweit 1 354 Euro. Deutlich mehr als im Landesdurchschnitt wurde in den Stadtkreisen Stuttgart (1 924 Euro), Heilbronn (1 847 Euro) und Mannheim (1 813 Euro) je jungem Menschen unter 27 Jahren ausgegeben. Dagegen lagen in den eher ländlich geprägten Landkreisen Neckar-Odenwald-Kreis, Hohenlohe, Rottweil und Ravensburg die Nettoausgaben mit weniger als 1 000 Euro deutlich unter dem Landesdurchschnitt. Eine Ausnahme bildet hier der Stadtkreis Ulm mit 994 Euro je Einwohner unter 27 Jahren.

Allerdings ist auch zu vermerken, dass die größten Steigerungen der Ausgaben je Einwohner unter 27 Jahren gegenüber dem Vorjahr in Landkreisen zu verzeichnen sind, so in den Landkreisen Waldshut (+89 %), Lörrach (+49 %) sowie Schwarzwald-Baar-Kreis (+43 %).

Fazit

Die Entwicklung der Ausgaben der öffentlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe war in den letzten Jahren sehr stark vom Ausbau der Kleinkindbetreuung bestimmt. Da dieser Ausbau in Baden‑Württemberg noch nicht völlig abgeschlossen ist, muss auch in den kommenden Jahren mit investiven Ausgaben in diesem Bereich gerechnet werden. Darüber hinaus bleiben die durch den Ausbau gestiegenen laufenden Betriebsausgaben bestehen. Auch Anstrengungen zur Verbesserung der Qualität der Betreuung werden sich in den Ausgaben niederschlagen. Dennoch gilt es auch die anderen Felder der Kinder- und Jugendhilfe im Blick zu behalten. So wird sich vermutlich der Ausbau der Schulsozialarbeit künftig in Veränderungen der Ausgaben der Jugendsozialarbeit widerspiegeln.