:: 6/2015

Tourismus 2014: Auslastung dank neuem Übernachtungsrekord verbessert

Die heimische Tourismusbranche kann 2014 zum fünften Mal in Folge auf ein erfolgreiches Jahr zurückblicken. Mit 19,5 Mill. Gästen und 49,1 Mill. Übernachtungen wurden jeweils historische Spitzenergebnisse erzielt. Während die Zuwachsrate bei den Gästeankünften mit 4,4 % das Bundesergebnis von 3,6 % übertraf, entsprach der Übernachtungszuwachs von 2,9 % nahezu exakt der Bundesentwicklung von 3 %. Da die angebotenen Übernachtungsmöglichkeiten 2014 sogar leicht reduziert wurden, schlug sich die stärkere Nachfrage voll in einer verbesserten Auslastung der Betriebe nieder. Allerdings bestehen hier nach wie vor teilweise extreme Unterschiede zwischen den verschiedenen Marktsegmenten. Ein Blick zurück zeigt, dass die Auslastung in den vergangenen 10 Jahren zwar flächendeckend verbessert werden konnte. In den höher prädikatisierten Gemeinden und in einzelnen Ferienregionen war dies aber nur um den Preis von Marktbereinigungen möglich.

Seit 2008 weitgehend stabile Kapazitäten

Wie in anderen Wirtschaftsbereichen hängt auch im Tourismus eine erfolgreiche Existenz der Anbieter wesentlich davon ab, ob das Angebot auch »marktgerecht« ist, also auf ausreichend Nachfrage von Kunden stößt. Als Maßstab hierfür kann die Auslastung der Kapazitäten dienen. 2014 standen den gut 49 Mill. Übernachtungen im Land 131 Mill. Übernachtungsmöglichkeiten gegenüber.1 Auf den ersten Blick scheint die sich daraus ergebende Auslastung von gut 37 % kein allzu gutes Licht auf die Branche zu werfen. Allerdings muss dabei auch berücksichtigt werden, dass die touristische Nachfrage in weiten Teilen starken Schwankungen unterliegt und sich die Kapazitäten daher eher am Spitzenbedarf als am durchschnittlichen Bedarf orientieren. Zudem lässt ein Blick in die Vergangenheit das aktuelle Ergebnis als eher positiv erscheinen. Von 2004 bis 2007 waren die Kapazitäten in etwa parallel zur Übernachtungsentwicklung leicht ausgebaut worden. Die Auslastung hatte dadurch auf einem Niveau von etwa 33 % verharrt. Die leichte Verbesserung 2008 war durch den Übernachtungsrückgang im Krisenjahr 2009 wieder aufgezehrt worden. Seither kam die tendenziell positive Übernachtungsentwicklung bei nahezu stabilen Kapazitäten in vollem Umfang der Auslastung zugute. Der aktuelle Wert von gut 37 % in Baden‑Württemberg liegt knapp über dem Bundesergebnis von 36 %.

Starke Auslastungsunterschiede vor allem zwischen den Betriebsarten

Hinter dem Landesdurchschnitt bei der Auslastung verbergen sich allerdings sehr deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Marktsegmenten, insbesondere zwischen den Betriebsarten. Die Pole bilden dabei die Vorsorge- und Reha-Kliniken mit einer Bettenauslastung von 83 % im Jahr 2014 und die Campingplätze mit lediglich 15 %. Dies sind zugleich die Betriebsarten, bei denen sich die saisonalen Schwankungen der Nachfrage am stärksten unterscheiden. So lag 2014 bei den stationären Kureinrichtungen der maximale Übernachtungswert im Juli um 30 % über dem niedrigsten Wert im Januar. Dank einer relativ stetigen Nachfrage kann diese Betriebsart im Jahresverlauf also auch eine vergleichsweise gleichmäßige Auslastung auf hohem Niveau erzielen. Auf Campingplätzen betrugen dagegen die Übernachtungen im Spitzenmonat August das 41-fache vom schwächsten Monat, dem Februar. Rund 60 % der Übernachtungen konzentrierten sich hier auf die 3 Monate von Juni bis August. Bei dieser Betriebsart wird die berechnete Auslastung zudem dadurch gedrückt, dass auf einen belegten Stellplatz oftmals weniger als vier übernachtende Personen entfallen dürften. Auch bei den Jugendherbergen und Hütten, den Erholungs- und Ferienheimen sowie insbesondere den Ferienhäusern, -wohnungen und -zentren mit Auslastungen noch unter bzw. knapp über 30 % handelt es sich um Betriebsarten mit deutlich überdurchschnittlichen saisonalen Schwankungen der Nachfrage. Bei den Gasthöfen mit einer Auslastung ebenfalls in dieser Größenordnung dürfte der relativ niedrige Wert eher darauf beruhen, dass diese Betriebe häufiger von kürzer verbleibenden Gelegenheitsgästen genutzt werden. Bei den relativ stetig frequentierten Schulungsheimen und den für etwas längere Aufenthalte gewählten Pensionen entsprach die Auslastung 2014 nahezu exakt dem Landesdurchschnitt aller Betriebsarten. Die Hotels und Hotels garnis, auf die 2014 mit 54 % deutlich über die Hälfte aller touristischen Übernachtungen im Land entfielen, kamen aufgrund einer relativ kontinuierlichen Nachfrage im Jahresverlauf auf eine deutlich überdurchschnittliche Bettenauslastung von 44 %.

Bei der Gemeindegliederung nach touristischen Prädikaten und insbesondere bei den Reisegebieten sind die Unterschiede bei der Auslastung deutlich schwächer ausgeprägt als bei den Betriebsarten. Gleichwohl kommt in der Abstufung mittelbar der jeweilige Betriebsarten-Mix zum Ausdruck. So verfügen die zu den höher prädikatisierten Heilbädern zählenden Kneippkurorte, Mineral- und Moorbäder und Heilklimatischen Kurorte nicht zuletzt deshalb über eine überdurchschnittliche Auslastung, weil die meist relativ gut ausgelasteten Vorsorge- und Reha-Kliniken bevorzugt in diesen Gemeinden angesiedelt sind. Auf der anderen Seite liegt die Auslastung in den niedriger prädikatisierten Erholungsorten und Luftkurorten unter dem Durchschnitt, weil hier Campingplätze und Ferienwohnungen eine relativ große Rolle spielen. Bemerkenswerterweise entsprach 2014 die Auslastung sowohl für die Gesamtheit der prädikatisierten Gemeinden als auch in den sonstigen Gemeinden (ohne touristisches Prädikat) nahezu dem Gesamtergebnis für das Land.

Unter den Reisegebieten sind die drei Destinationen mit einer Auslastung jenseits der 40 %-Marke hinsichtlich ihrer Betriebsartenstruktur sehr heterogen. Während das Reisegebiet Bodensee relativ breit über alle Betriebsarten aufgestellt ist, verdankt das benachbarte Württembergische Allgäu-Oberschwaben nahezu die Hälfte seiner Übernachtungen den stationären Kureinrichtungen. Demgegenüber wird der Tourismus in der stark städtisch geprägten Region Stuttgart zu nahezu vier Fünfteln von den Hotels und Hotels garnis dominiert. Hingegen verfügt die Schwäbische Alb als das Reisegebiet mit der niedrigsten Auslastung von 31 % über kein ausgeprägtes Betriebsarten-Profil, und in dem bei 32 % angesiedelten Hegau überkompensiert ein relativ hoher Campinganteil den ebenfalls hohen Anteil der Vorsorge- und Reha-Kliniken.

Sonstige Gemeinden und Erholungsorte gewinnen an Bedeutung

Zwar sind im Tourismus bestimmte Strukturen wie die Abstufung der Auslastung oder die Betriebsartenstrukturen der Gemeindekategorien oder Reiseziele relativ stabil. Gleichwohl finden in diesem »lebenden« Markt laufend Verschiebungen statt, die sich insbesondere über einen längeren Zeitraum zu deutlichen Veränderungen kumulieren können. So konnten die verschiedenen Gemeindegruppen am landesweiten Übernachtungsanstieg von knapp 23 % von 2004 bis 2014 in sehr unterschiedlichem Umfang partizipieren. Die Heilklimatischen Kurorte mussten sogar einen leichten Übernachtungsrückgang hinnehmen, und auch die Mineral- und Moorbäder sowie die Luftkurorte konnten nur leicht zulegen. Unter den höher prädikatisierten Gemeinden erreichten allein die Kneippkurorte ein zweistelliges Übernachtungsplus. Allerdings zeigt die Entwicklung der Übernachtungsmöglichkeiten, dass die Anbieter in diesen Gemeinden auf die relativ schwache Nachfrageentwicklung durchaus reagiert haben. Die Kapazitäten wurden nämlich in allen vier bisher genannten Kategorien reduziert, und zwar in den am stärksten betroffenen Heilklimatischen Kurorten um immerhin 12 %. Eine Reduzierung der Übernachtungsmöglichkeiten kann einerseits über eine Betriebsverkleinerung oder eine Verkürzung der Öffnungsdauer bei weiter bestehenden Betrieben erfolgen. Überwiegend ist sie jedoch mit der kompletten Schließung von Betrieben verbunden. Dies kann zwar alle Betriebsarten betreffen. Als übergreifender Trend, der alle Arten von höher prädikatisierten Gemeinden tangiert, ist insbesondere bei den Vorsorge- und Reha-Kliniken ein durchgehender Rückgang zu beobachten.2 Obwohl damit Betriebe mit relativ hoher Auslastung ausgeschieden sind, konnten die Bäder- und Kurorte durch diese Marktbereinigung die Auslastung deutlich erhöhen.

Die Erholungsorte und die Gemeinden ohne touristisches Prädikat verzeichneten demgegenüber seit 2004 deutlich überdurchschnittliche Übernachtungszuwächse. Obwohl diese Nachfragesteigerung von einem – allerdings schwächeren – Kapazitätsausbau begleitet war, verbesserte sich auch hier die Auslastung. Unter den sonstigen Gemeinden (ohne touristisches Prädikat) ragten dabei die Großstädte mit mehr als 100 000 Einwohnern besonders heraus. Hier wurde das Übernachtungsangebot binnen 10 Jahren um nahezu ein Viertel ausgeweitet. Da sich die Übernachtungen um 48 % erhöhten, konnte die durchschnittliche Auslastung um ein Fünftel von 40 % auf beachtliche 48 % gesteigert werden.

Region Stuttgart profitiert vom Trend zum Städtetourismus

Dieser auch bundesweit erkennbare Trend zum Städtetourismus kommt insbesondere den stärker städtisch geprägten Reisezielen zugute. Im Land trifft dies in besonderem Maß auf die Region Stuttgart zu. In der Gesamtspanne ab 2004 spiegelt sich in diesem Reiseziel nahezu exakt die Entwicklung der Gesamtheit der baden-württembergischen Großstädte wider. In abgeschwächter Form findet sich ein ähnliches Muster im Nördlichen Baden‑Württemberg mit den Großstädten Heilbronn, Mannheim und Heidelberg. Für die drei anderen Reisegebiete mit überdurchschnittlichen Übernachtungszuwächsen, den Hegau, die Schwäbische Alb und den Bodensee, spielt der Trend zum Städtetourismus dagegen zumindest keine prägende Rolle. Gemeinsam ist diesen drei Reisezielen jedoch, dass überdurchschnittlich in einen Kapazitätsausbau investiert wurde. Offensichtlich ist es in diesen Bereichen auch gelungen, dadurch vermehrt Kunden anzuziehen.

Auf der anderen Seite schlagen sich die Kapazitätsrückgänge regional im Nördlichen sowie auch im Südlichen Schwarzwald nieder. Beide Reiseziele konnten dadurch aber ihre Auslastungssituation merklich verbessern. Bemerkenswert bleibt, dass alle Reiseziele des Landes sowohl ihr Übernachtungsergebnis als auch die Auslastung gegenüber 2004 steigern konnten. Etwas aus dem Rahmen fällt dabei das Württembergische Allgäu-Oberschwaben. Zwar nahmen auch hier die Übernachtungen um ein Zehntel zu. Ein nahezu paralleler Kapazitätsausbau führte jedoch dazu, dass die Auslastung nahezu unverändert bei (überdurchschnittlichen) 42 % verharrte. Auch hier verbesserte sich die Auslastung bei einigen Betriebsarten. Dies wurde aber im Gesamtergebnis dadurch kompensiert, dass Kapazitäten im Kurbereich abgebaut und vor allem beim Camping ausgebaut wurden. Damit haben sich also die Gewichte von einer überdurchschnittlich ausgelasteten Betriebsart zu einer unterdurchschnittlich ausgelasteten verschoben. Dieses Beispiel belegt, dass sich übergreifende Trends – wie in diesem Fall ein Kapazitätsabbau im Kurbereich – im Regelfall einerseits auch auf der regionalen Ebene niederschlagen. Auf der anderen Seite werden die konkreten Ergebnisse durch regionale Besonderheiten wesentlich mit beeinflusst.