:: 9/2015

Raumbezug in der amtlichen Statistik und Anwendungsbeispiele

Der Raumbezug von Daten ist generell wie auch in der amtlichen Statistik von grundlegender Bedeutung für das Verständnis der statistisch erhobenen Sachverhalte. In aller Regel weisen diese Sachverhalte sichtbare, wenn nicht sogar deutliche regionale Differenzierungen auf. Die Kenntnisse darüber wiederum stellen notwendige Grundlagen für regionalplanerische Überlegungen und Vorgehensweisen dar. Das bisherige Informationsangebot an Regionaldaten in der amtlichen Statistik wird künftig erweitert durch die Möglichkeiten von georeferenzierten Auswertungen.

Im Folgenden wird ein leicht gekürzter Vortrag wiedergegeben, den Dr. Carmina Brenner auf der Großen Fachtagung »Georeferenzierung und Landentwicklung Baden‑Württemberg« des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden‑Württemberg am 25. Juni 2015 in Heilbronn gehalten hat.

Sehr geehrte Damen und Herren,

die amtliche Statistik bietet Daten zu fast allen Themen der Gesellschaft und alle diese Daten bilden raumbezogene Beobachtungen ab. Ob und wie kleinräumig die Veröffentlichung erfolgen kann, ist beispielsweise abhängig vom Stichprobenumfang der Erhebung und der gewünschten fachlichen Tiefe der Ergebnisse. Als Regionaldaten werden in der amtlichen Statistik übrigens kleinere regionale Einheiten unterhalb der Länderebene verstanden.

Raumbezug in der amtlichen Statistik

In der Regel ist der Raumbezug der amtlichen Statistikdaten indirekt gegeben – durch Angabe einer Verwaltungseinheit. Somit folgt die Darstellung der Ergebnisse vorrangig der administrativen Gliederung des Landes, bezogen auf die rechtlichen Grenzen der jeweiligen Gebiete. Von besonderer Bedeutung für Analysen aus der amtlichen Statistik sind nach wie vor die rechtlich selbstständigen Gemeinden als zumeist kleinste verfügbare Einheit. Durch den administrativen Regionalbezug zählen die Daten zu den Geodaten. Das entspricht der üblichen Definition für Geodateninfrastrukturen.

Unterhalb der Gemeindeebene gab es jahrzehntelang kaum Datenmaterial, zum Beispiel die von den Gemeinden für ihre eigenen Zwecke bereitgestellten Informationen zu Blockseiten im Zuge einer Volkszählung. Insbesondere wenn Gemeindeergebnisse vorliegen, lassen sich die amtlichen Daten für analytische Zwecke als nichtadministrative Aggregate bündeln. Das kann – je nach Erkenntnisinteresse – mittels funktionaler Kriterien oder gemeinsamer Eigenschaften geschehen.

Seit einigen Jahren beschäftigt nun das Thema Georeferenzierung auch die amtliche Statistik. Es gibt aber derzeit nur wenige Datenbestände, die geokodiert sind. Grundvoraussetzung dafür ist nämlich eine rechtliche Grundlage.

Rechtliche Rahmenbedingungen

Nur für wenige Statistiken ist schon länger eine Geokodierung möglich. Das gilt für ausgewählte Umweltstatistiken und die Straßenverkehrsunfallstatistik. Außerdem wurde im Rahmen des Agrarzensus 2010 die Georeferenzierung landwirtschaftlicher Betriebe möglich. Dafür gab es jeweils einzelgesetzliche Grundlagen.

Mit der Änderung des Bundesstatistikgesetzes im Jahr 2013 wurde ein enormer Fortschritt erzielt. Jetzt ist die Georeferenzierung in der amtlichen Statistik generell zulässig. Daten mit Personen- und Haushaltsbezug dürfen in geografischen Gitterzellen (mindestens 100 x 100 Meter) gespeichert werden. Für Wirtschafts- und Umweltstatistiken ist es zuläs­sig, die exakten Geokoordinaten zu verwenden.

Auch gibt es im E-Government-Gesetz eine Regelung zur Georeferenzierung von Registern – sofern die Datenbestände auf einer Rechtsvorschrift des Bundes beruhen. Davon ist beispielsweise das Unternehmensregister der amtlichen Statistik betroffen.

Anwendungsbeispiele aus der amtlichen Statistik

Über verschiedene Datenbanken und Internetangebote steht viel Material aus der amtlichen Statistik regional gegliedert und kostenfrei zur Verfügung. Andere, speziellere Datenwünsche können häufig durch Sonderauswertung aus den Datenbanken bedient werden.

Anhand einiger Beispiele möchte ich Ihnen vorstellen, welche Möglichkeiten sich bieten. Hinsichtlich der Datenbereitstellung für INSPIRE und die Geodateninfrastrukturen von Bund und Land gibt es gemeinsame Lösungen im Statistikverbund. Auch mit Blick auf die Präsentation georeferenzierter Daten liegen die ersten Verbundlösungen vor.

Interaktive Bevölkerungspyramiden

Mit Bevölkerungspyramiden lässt sich die Altersstruktur einer Bevölkerung schnell erfassen. Die relative Darstellung des Altersaufbaus (Altersjahre als Anteil an der Gesamtbevölkerung) eröffnet zusätzlich zur zeitlichen Dimension den Vergleich unterschiedlicher Gebiete. Seit einigen Monaten bietet das Statistische Landesamt ein interaktives Angebot im Netz an. Nach Auswahl einer Verwaltungseinheit können andere Gebiete als Vergleichslinie eingeblendet werden. So lassen sich zum Beispiel die Altersstrukturen der Stadtkreise vergleichen.

Im Vergleich zum Stadtkreis Heilbronn zeigt der Stadtkreis Baden-Baden eine stärkere Besetzung in den höheren Altersgruppen und der Stadtkreis Heidelberg stärkere Jahrgänge bei der jungen Bevölkerung. Die Veränderung in der Zeit ist durch die Auswahl unterschiedlicher Bezugsjahre möglich. Im Beispiel fällt auf, dass Heilbronn und Baden-Baden sich hinsichtlich der Altersstruktur bis 2030 näher kommen.

Auf gemeindlicher Ebene sind wiederum nichtadministrative Vergleichsgebiete auswählbar. Angeboten werden dafür Gemeindegrößenklassen und die Raumkategorien des Landesentwicklungsplans.

Unabhängig davon, wie man kleinräumig definiert, stößt die Darstellung in Tabellen und Diagrammen bei zunehmender Anzahl der Gebiete an Grenzen. Daher bietet das Statistische Landesamt auch die Visualisierung von Daten mittels Karten zu unterschiedlichsten Themen an. Besonders zu erwähnen ist unser interaktives, kartografisch aufbereitetes Angebot von Vorausrechnungsdaten (Durchschnittsalter, Alten- und Jugendquotient, Anteile einzelner Altersgruppen) im Internet.

Sonderauswertungen zu nicht-administrativen Einheiten …

Die Struktur- und Regionaldatenbank des Statistischen Landesamtes (kurz SRDB) ist Teil unseres Landesinformationssystems. In ihr sind Regionaldaten aus allen Themenbereichen der amtlichen Statistik verfügbar. Insgesamt sind rund 800 000 Merkmale katalogisiert.

Die Regionaldaten lassen sich zu funktionalen Größen aggregieren oder bezüglich ihrer Merkmalsausprägungen bündeln und analysieren. Wahlkreise, Gemeindegrößenklassen nach Einwohnerzahl, Reisegebiete, siedlungsstrukturelle Räume oder die Zugehörigkeit zu Fördergebieten sind einige Beispiele dafür.

… auch mehrdimensional möglich!

Bei solchen Sonderauswertungen können teilweise mehrere Dimensionen berücksichtigt werden. Das erfolgt hier am Beispiel der räumlichen Verteilung der Bevölkerung im Land. Bei Darstellung nach Raumkategorien des Landesentwicklungsplans lässt sich festhalten, dass etwa die Hälfe der Bevölkerung in den Verdichtungsräumen lebt. Nur gut ein Viertel lebt im Ländlichen Raum im engeren Sinn. Wählt man die Gliederung in Mittelzentren und Umlandgemeinden als Untersuchungsgegenstand, so ist die Verteilung nahezu hälftig.

In der Kombination dieser Dimensionen zeigt sich: Gut ein Drittel der 10,6 Mill. Menschen in Baden‑Württemberg lebte 2012 in den Zentren der Verdichtungsräume. Und nur ein Fünftel lebte »so richtig ländlich«, nämlich in den Umlandgemeinden des Ländlichen Raums i.e.S.

Daten für INSPIRE und GDI

Die Bereitstellung von Daten für die europäische Geodateninfrastruktur (INSPIRE) und die nationalen Geodateninfrastrukturen (GDI) beschäftigt die amtliche Statistik bundesweit. Da die meisten Daten von den Ländern erhoben und zu Bundesergebnissen aggregiert werden können, bot sich eine gemeinsame Lösung der Datenbereitstellung an. Dies hat für die Nutzer den Vorteil, dass die Daten einheitlich zur Verfügung gestellt werden.

Für die Datenbereitstellung in den neuen Strukturen wurde auf zwei bereits vorher existente Datenbanken zurückgegriffen. Die erforderlichen funktionalen Erweiterungen wurden vorgenommen. Jetzt stehen die Netzdienste für das Auffinden der Daten, den Download und die Darstellung entsprechend den technischen Vorgaben bereit.

Regionaldaten werden im Verbund der statistischen Ämter des Bundes und der Länder über die »Regionaldatenbank Deutschland« verfügbar gemacht. Sie bietet bundesweit vergleichbare Daten ab der Gemeindeebene an. Während für INSPIRE relevante Daten markiert und selektiert werden, wird im Rahmen der Geodateninfrastrukturen in Deutschland das gesamte Material angeboten. Auch eine Schnittstelle zur Anbindung der Regionaldatenbank an die GDI-BW existiert bereits. Die Verknüpfung ist aber noch nicht vollständig funktionsfähig. Das soll in Kürze der Fall sein.

Der Regionalatlas

Der Regionalatlas Deutschland ist ebenfalls ein gemeinschaftliches Angebot der amtlichen Statistik in Deutschland. Darin werden regionale Indikatoren ab der Ebene von Stadt- und Landkreisen angeboten. Insgesamt 119 Indikatoren sind in diesem interaktiven Angebot kartografisch aufbereitet. Auch werden gebündelte Indikatorensysteme zu ausgewählten Fragestellungen angeboten. Gender- und Sozialindikatoren, Indikatoren aus dem Zensus und Nachhaltigkeitsindikatoren sind speziell verfügbar.

So sind unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit zum Beispiel Indikatoren zum Flächenverbrauch und der -bewirtschaftung, zur KFZ-Ausstattung und auch Indikatoren zur Bevölkerungsentwicklung oder der Bildung verfügbar. Das zugehörige Datenmaterial ist ebenfalls über die Regionaldatenbank Deutschland frei verfügbar.

Der Atlas Agrarstatistik

Mit dem Atlas Agrarstatistik wurden erstmals von der amtlichen Statistik bundesweite Karten mit einer räumlichen Auflösung angeboten, die nicht von Verwaltungsgrenzen gebildet wird und die unterhalb der Gemeindegrenzen liegt. Der größte Teil der Karten basiert auf Rasterzellen mit 5 Kilometer Gitterweite.

Mit diesen Karten lassen sich verschiedene Fragen beantworten. Zum Beispiel lässt sich anhand der Größe landwirtschaftlicher Betriebe erkennen, dass auch 25 Jahre nach der Wiedervereinigung die unterschiedlichen agrarpolitischen Ansätze des geteilten Deutschenlands sichtbar sind. Starke regionale Unterschiede zeigen sich auch bei der Anzahl der Schweine je 100 Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche. Diesen Parameter nennen wir kurz und knapp »Schweinedichte«. Es zeigt sich, dass es im Nordwesten Deutschlands eine besonders intensive Schweinehaltung gibt, und eine weitere, etwas kleinere »Hochburg« der deutschen Schweinehaltung liegt demnach im Nordosten von Baden‑Württemberg.

Der Zensusatlas

»Grenzenlose« Ergebnisse gibt es zwischenzeitlich auch aus dem Zensus. Wo leben die meisten Menschen je Quadratkilometer, wie hoch ist das Durchschnittsalter, wie die Wohnfläche pro Kopf? Am Beispiel des Wohnungsleerstands zeigt sich, wie detailliert die Darstellungsmöglichkeiten sind. Die hinter den Rasterdaten liegende Map ermöglicht die direkte Zuordnung im Gebiet, bis hin zum Stadtteil.

Schlussbemerkung

Räumliches Denken, Planen, Entscheiden und Handeln gehört zu unserem Alltag. Den regionalen Besonderheiten wird dabei immer mehr Beachtung geschenkt und der Datenbedarf wächst. Auch seitens der europäischen Ebene werden diesbezügliche Anforderungen an die amtliche Statistik immer intensiver. Auch der Bedarf zur Verknüpfung von Daten aus unterschiedlichen Erhebungen und mit statistikfremden Daten für beliebige Raumeinheiten wächst, sodass die Einbindung in diverse Daten-Portale an Bedeutung gewonnen hat. Der Ausbau des Angebots an georeferenzierten Daten aus der amtlichen Statistik geht voran. Weitere Angebote, zum Beispiel aus der Straßenverkehrsunfallstatistik, sind in Vorbereitung, andere werden geprüft.

Hinsichtlich der kleinräumigen und fachlichen Tiefe setzt der Datenschutz die Grenzen. In Verbindung mit der Auskunftspflicht, der viele Statistiken unterliegen, und zunehmenden technischen Möglichkeiten zur Rückidentifizierung steht die amtliche Statistik aber besonders in der Pflicht.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.