:: 11/2015

Der meteorologische Dienst

Ein ehemaliges Aufgabengebiet der amtlichen Statistik in Württemberg

Im Königreich Württemberg wurde schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf Anweisung der Regierung ein meteorologisches Beobachtungsnetz begründet. Diese Maßnahme stand in engem Zusammenhang mit der Aufgabe des »Statistisch-Topographischen Bureaus«, die Landeskunde voranzubringen. Diese Gemeinsamkeit fand ihren Ausdruck auch darin, dass regelmäßig in Statistischen Jahrbüchern und Mitteilungen Witterungsberichte und Beschreibung über Naturphänomene veröffentlicht wurden. 1854 wurde das bis dahin eigenständige »Meteorologische Institut« in das Statistisch-Topographische Bureau eingegliedert.

Die Anfänge

Die Meteorologie entwickelte sich im südwestdeutschen Raum ähnlich wie in anderen deutschen Gebieten in sehr unterschiedlichen Zeitabschnitten. Sehr frühe meteorologische Beobachtungen und Aufzeichnungen begannen bereits Ende des 18. Jahrhunderts und wurden damals hauptsächlich durch die Initiative von Einzelpersonen und von Vereinen getragen. So wurde auf Veranlassung des Karlsruher Prof. Johann Lorenz Böckmann bereits 1778 ein Messnetz badischer meteorologischer Stationen eingerichtet und die »Badische Witterungsanstalt«‘‘ gegründet. In Württemberg installierte der Tübinger Prof. Gustav Schübler im »Landwirtschaftlichen Verein« ab 1820 ein meteorologisches Beobachtungsnetz. Hier wurde ab 1823 monatlich tabellarisch ein Witterungsschema mit folgenden Rubriken erfasst: Barometer, Thermometer, Hygrometer, Regenwassermenge, Menge des verdunsteten Wassers und herrschende Winde. Dazu kamen noch Beobachtungen über Gewitter, Bemerkungen über den Fortgang und Stand der Vegetation sowie über besondere Erscheinungen wie Überschwemmungen oder der Abzug und die Ankunft der Zugvögel.1

Gegen Ende der 1840er-Jahre erwachte auch in Württemberg das staatliche Interesse für Witterungsbeobachtungen. Es bestand zwar schon längere Zeit ein loser Zusammenhang, da die Witterungsbeobachtungen als ein Teil der Landeskunde ein Ziel der württembergischen Regierung waren. Die Gemeinsamkeit zwischen den meteorologischen Aufzeichnungen und den statistischen Landesbeschreibungen fand ihren Ausdruck darin, dass regelmäßig in den Württembergischen Jahrbüchern für Statistik und Landeskunde Witterungsberichte veröffentlicht wurden. So war es daher nur konsequent, 1854 das meteorologische Institut des ehemaligen »Landwirtschaftlichen Vereins« in das Statistisch-Topographische Bureau einzugliedern. Leiter des Instituts blieb der Stuttgarter Prof. Theodor Plieninger, ein früher Mitarbeiter von Gustav Schübler. Ab 1858 wurde Plieninger sogar ordentliches Bureau-Mitglied mit der Amtsbezeichnung Oberstudienrat. Formal wurde in §3 der neu gefassten Statuten des Statistisch-Topographischen Bureaus vermerkt: »Es gehöre zu den Aufgaben des Bureaus … die Zusammenstellung … der von einzelnen Naturkundigen verzeichneten meteorologischen Beobachtungen«. Plieningers größter Verdienst um die württembergische Meteorologie war seine homogene Beobachtungsreihe der von ihm von 1825 bis 1857 betreuten Stuttgarter Wetterbeobachtungsstation. Eine solche Fülle von meteorologischem Beobachtungsmaterial liegt für diese Zeit aus keinem anderen deutschen Land vor. Seine bedeutendste Publikation ist der von ihm herausgegebene »Beitrag zur meteorologisch-klimatischen Statistik und Topographie Württembergs«. Durch seinen frühen Tod ist Plieninger über die reine Materialsammlung der Wetterdaten nicht weit hinausgekommen. Die meteorologische Analyse und regionale Zusammenfassung der von ihm gesammelten Daten gelang ihm nicht mehr.

Der Ausbau

1864 übernahm Prof. Hugo Schoder die Leitung der württembergischen Meteorologie. Sein Amtsantritt fiel in eine entscheidende Phase der deutschen Meteorologie. Im Mittelpunkt der Anforderungen, die an ihn gestellt wurden, stand eine Angleichung der in den einzelnen deutschen Ländern verschiedenartigen Entwicklungen der Meteorologie, um dadurch den Aufbau eines neuen Arbeitsgebietes – der Wettervorhersage – zu ermöglichen. So nahm Schoder auch 1873 als Vertreter Württembergs an dem ersten internationalen Meteorologenkongress in Wien teil. Eine Auswirkung dieses Kongresses war, dass in Württemberg rückwirkend ab dem 1. Januar 1872 mit der Temperaturskala von Celsius gemessen wurde, um einem schnell vergleichbaren europäischen Standard Genüge zu tun. Weiterhin wurden auf diesem Kongress die Voraussetzungen für einen internationalen Austausch täglicher Wettermeldungen geregelt. Von Seiten der Landwirtschaft wurde der Ruf nach Wettervorhersagen immer lauter. Wettervorhersagen konnten aber nicht aufgrund von Messungen und Beobachtungen an einem Ort erstellt werden. Die Basis hierfür waren vielmehr zahlreiche, synoptisch angestellte und auf einer Wetterkarte eingetragene Beobachtungen, aus denen dann die entsprechenden Ableitungen gebildet werden konnten. So wurde am 16. Februar 1876 die erste deutsche Wetterkarte durch die Hamburger Seewarte ausgegeben. Auch die Stuttgarter Meteorologen wurden im gleichen Jahr von der königlichen Regierung mit der Einrichtung eines Vorhersagedienstes beauftragt. Wann genau die erste »Witterungsvorhersage« für Stuttgart veröffentlicht wurde, kann heute nicht mehr genau ermittelt werden. Jedoch wurde bereits ab 1881 täglich das Wetterbeobachtungsmaterial für Württemberg in Form einer Isobarenkarte dargestellt, der etwas später auch eine kurz begründete Wettervorhersage beigefügt wurde.

Schoder arbeitete bis zu seinem frühzeitigen Tod 1883 hauptsächlich an regional vergleichenden Darstellungen der klimatischen Verhältnisse in Württemberg. Auch seine kritische Auswertung der seitherigen meteorologischen Beobachtungen fand in der Fachwelt großen Anklang. Zugleich hat er durch eine ständig verbesserte instrumentelle Ausstattung zu wesentlich zuverlässigeren meteorologischen Beobachtungsergebnissen in Württemberg beigetragen.

Der etwas andere badische Weg

Erst 1868 folgte das Großherzogtum Baden dem Beispiel anderer Länder und richtete eine »Meteorologische Centralstation« beim physikalischen Kabinett des Karlsruher Polytechnikums ein. Die Leitung lag in den Händen des jeweiligen Physikprofessors. Bis Ende 1868 konnte in Baden ein Netz mit 14 Wetterbeobachtungsstationen aufgebaut werden. Die staatliche Meteorologie Badens war nie mit dem statistischen Amt organisatorisch verbunden wie in Württemberg. Gleichwohl wurden bereits im Statistischen Jahrbuch für das Großherzogtum Baden des Jahres 1869 Beobachtungsergebnisse für ausgewählte meteorologische Stationen unter der Überschrift »Das meteorologische Jahr 1869« publiziert.

Die badische Meteorologie nahm in den nächsten Jahrzehnten einen raschen Aufschwung. Bereits 1885 gab es im Großherzogtum 16 Hauptbeobachtungsstationen, 32 Regenstationen, 22 Schneepegelstationen und 70 Beobachter für Gewitter und Hagel. Neben regelmäßigen Publikationen in den Statistischen Jahrbüchern erschienen auch wissenschaftliche Beiträge zur Meteorologie Badens im Deutschen Meteorologischen Jahrbuch. Besonders hervorzuheben ist Prof. Schultheiß, der den badischen Wetterdienst von 1885 bis 1918 leitete. Unter seiner Federführung wurde der Wettervorhersagedienst aufgebaut. Zu der Ausgabe einer ersten öffentlichen Wetterkarte kam es jedoch erst im Jahre 1907. 1919 wurde die »Centralstation« in Badische Landeswetterwarte umbenannt. An der Organisationsform änderte sich nichts. Die aus militärischen Gründen während des Ersten Weltkrieges auf dem Feldberg geschaffene Militärwetterwarte wurde als Bergwetterwarte ab 1921 in den badischen Landeswetterdienst übernommen und diente ab 1926 auch als Beobachtungsstelle zur Flugsicherung.

Die nächsten Jahrzehnte

Nach Schoders Tod leitete Prof. Dr. Paul Heinrich von Zech bis 1890 die meteorologische Zentralstation Württembergs. Unter seiner Leitung begann das Statistische Landesamt mit einer neuen Veröffentlichungsreihe, den »Mitteilungen«, die regelmäßig für jeden Monat und für das Jahr kurze Witterungsübersichten mit einer Auswahl von Beobachtungsergebnissen enthielten. Zech setzte sich während seiner Amtszeit vor allem für den Ausbau und die Verbesserung der Regenstationen ein, um bessere Erkenntnisse für die Niederschlagsverteilung zu gewinnen. Nach Zech übernahm 1891 Prof. Karl Mack die Leitung. 1897 wurde er auch Leiter der Erd­bebenwarte in Hohenheim. In dieser Ära wurde das Wetterstationsnetz in Württemberg beträchtlich ausgebaut.

Als 1891 Dr. Karl August von Schmidt die Leitung übernahm, war es seiner Initiative zu verdanken, dass auch spezielle Wetterbeobachtungsstationen in den Lungenheilstätten Schömberg, Wilhelmsheim und Überruh eingerichtet wurden. Es war dies ein erster Schritt in Richtung Nutzbarmachung der Klimabeobachtungsergebnisse für Zwecke der Heilbehandlung kranker Menschen.

Schmidt ließ auch von 1899 bis 1907 am Ulmer Münster Temperaturmessungen in verschiedenen Höhen vornehmen, um damit Ergänzungswerte zu den Ergebnissen der Bodenmessstation zu gewinnen. Unter Schmidts Leitung wurde der Wettervorhersagedienst wesentlich erweitert sowohl hinsichtlich des Ausgangsmaterials wie auch in Bezug auf die Verbreitung von Wettervorhersagen und Wetterkarten. In den Pionierjahren der Luftfahrt setzte sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass durch regelmäßige Feststellungen der klimatischen Verhältnisse in höheren Luftschichten Fortschritte für die Meteorologie und deren Anwendungen erzielt werden könnten. So wurden 1902/1903 in Württemberg mit Unterstützung des Grafen Zeppelin auf dem Bodensee mit Drachen und Fesselballon als Träger meteorologischer Messinstrumente erste Versuchsaufstiege gemacht, um nachzuweisen, dass der Bodensee ein geeignetes Gebiet für die die Einrichtung eines sogenannten aeronautischen Observatoriums sei. Da die Versuchsergebnisse gut ausfielen, kam es 1908 zur Einrichtung einer permanenten Drachenstation in Friedrichshafen.

1908 kam es auch zu einer weitreichenden Änderung der Organisationsform beim Statistischen Landesamt Württemberg, denn die meteorologische Zentralstation, die Erdbebenwarte und die Drachenstation wurden in die neu geschaffene »Meteorologische Abteilung« integriert, deren Leiter Schmidt blieb. Als Schmidt 1912 seine Ämter niederlegte folgte ihm Prof. Dr. Ludwig Pilgrim als neuer Leiter der »Meteorologischen Abteilung«. Sein wohl bedeutendstes Werk, an dem er mehr als ein Jahrzehnt arbeitete, war die Berechnung eines Dämmerungsjahrbuches mit Eintrittszeiten, Flächenhelligkeiten in Abhängigkeit von der negativen Sonnenhöhe und anderem mehr. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde 1921 die meteorologische Zentralstation in Württembergische Landeswetterwarte umbenannt. An der Organisationsform änderte sich wie auch in Baden nichts. Da seit Ende des Ersten Weltkrieges die drahtlose Telegrafie enorme Fortschritte gemacht hatte, ging man in Württemberg sehr bald zu einer funktelegrafischen Verbreitung der Wettermeldungen über.

Als Pilgrim 1924 in den Ruhestand trat folgte ihm als neuer Leiter Prof. Dr. Ernst Kleinschmidt. Etwa zur gleichen Zeit hatte der Süddeutsche Rundfunk seinen Dienst aufgenommen. Kleinschmidt nutzte dies, um ab dem 1. Juni 1924 täglich Wettervorhersagen durch den Rundfunk verbreiten zu lassen. Diese Wettervorhersagen hatten innerhalb der Bevölkerung einen enormen Multiplikationseffekt. Eine weitere neue Aufgabe, die sich Kleinschmidt stellte, war die meteorologische Hilfestellung die der zunehmende Flugverkehr forderte. So wurde auf dem Flughafen Böblingen 1925 die erste Flugwetterwarte eröffnet. Aufgaben des Flugwetterdienstes waren die Sicherung der Flugzeuge gegen die Gefahren durch tiefe Wolken, Nebel, Gewitter, Windböen und Vereisungsgefahr bei Blindflügen. Besonders verdient machte sich Kleinschmidt auch durch seine Bemühungen, das gesamte württembergische Stationsnetz zu modernisieren. So war der Stand der Dinge in der staatlichen Meteorologie, als auf Grund einer Vereinbarung zwischen Württemberg und Baden am 1. Oktober 1933 der Wettervorhersagedienst an der Badischen Landeswetterwarte eingestellt und von der Württembergischen Landeswetterwarte übernommen wurde. Eine wesentliche Neuerung des Wetterberichtes für Baden und Württemberg war die Veröffentlichung einer Atlantikwetterkarte, durch die für das Wettergeschehen in Europa maßgebliche Vorgänge vermittelt wurden.2

Das Ende des Zuständigkeitsbereiches der amtlichen Statistik

Das Ende der Zugehörigkeit der württembergischen Meteorologie zum Statistischen Landesamt kündete sich im Laufe des Jahres 1934 an. Durch die Interessen der Reichsregierung und vor allem durch Hermann Göring an der Entwicklung der Luftfahrt wurden die Aufgaben des Wetterdienstes in den Geschäftsbereich des Reichministers der Luftfahrt eingegliedert. Formal geschah dies durch eine Verordnung vom 6. April 1934. In der zuvor ab 1854 bestehenden institutionellen Verbindung der Meteorologie zum Statistischen Landesamt Württemberg konnte die württembergische Meteorologie in dieser Ära beträchtliche Erfolge bei der Erforschung der meteorologischen und klimatischen Verhältnisse erzielen. Neben der allgemeinen Grundlagenforschung hatte sie stets das Ziel der Nutzbarmachung der damals noch jungen Wissenschaft für das Wohl der Öffentlichkeit vor Augen, sei es in der Wettervorhersage, im Flugwetterdienst oder in der Medizinmeteorologie.

1 Vgl. 150 Jahre Amtliche Statistik in Baden‑Württemberg, Stuttgart 1970, S. 303 ff.

2 Vgl. 150 Jahre Amtliche Statistik in Baden‑Württemberg, Stuttgart 1970, S. 306 ff.