:: 5/2016

Formal, faktisch oder absolut nachgefragt?

Die Entwicklung der Nachfrage in den Forschungsdatenzentren der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder

Zum 1. Januar 2011 trat das neue Entgeltmodell der Forschungsdatenzentren der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder in Kraft. Die Wirkungen auf die Nachfrageseite waren insbesondere das Vorziehen von Nutzungsanträgen in das Jahr 2010, ein Rückgang der Kombination verschiedener Zugangswege sowie die Zunahme der Inanspruchnahme von Rabattmöglichkeiten durch Studierende und Doktoranden.

1 Einleitung

Die nachfolgenden Ausführungen sind ein Auszug aus dem für die Amtsleiterkonferenz der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder im November 2014 in Wiesbaden erstellten Evaluierungsbericht zur Beurteilung der Abrechnungsperioden 2011 bis 2013 im Vergleich zu den Jahren 2009 bis 2010. Sie stellen die Wirkungen des seit dem 1. Januar 2011 geltenden Entgeltmodells der Forschungsdatenzentren (FDZ) der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder bezogen auf die Nachfrageentwicklung dar. Grundlage hierfür sind interne Auswertungen der FDZ.

In einem ersten Kapitel werden die Rahmenbedingungen und Zugangswege beider FDZ sowie die für eine Datennutzung anfallenden Entgelte beschrieben. Anschließend wird die Entwicklung der Nachfrageseite nach verschiedenen Kriterien, zum Beispiel welche und wie viele Zugangswege werden genutzt oder wie viele Produkte werden pro Nutzungsantrag beantragt, untersucht. Zuletzt werden die Entwicklung der Nachfrageseite und deren Auswirkungen diskutiert.

2 Rahmenbedingungen und Zugangswege in den FDZ

2.1 Fachliche Zuständigkeiten und Zugangswege

Das FDZ des Statistischen Bundesamtes und das FDZ der Statistischen Ämter der Länder ermöglichen den Zugang zu amtlichen Mikrodaten unter denselben rechtlichen und technischen Rahmenbedingungen (Zühlke et al. 2004, Zühlke et al. 2007). Während das FDZ des Statistischen Bundesamtes für die Aufbereitung und Bereitstellung zentral erhobener Statistiken zuständig ist, liegt die Verantwortlichkeit für die dezentralen Statistiken bei dem FDZ der Länder. Die Bearbeitung der dezentralen Statistiken erfolgt im Rahmen von fachlichen Zuständigkeiten bei den einzelnen Standorten. Der überwiegende Teil – rund 90 % – der über die FDZ zur Verfügung stehenden Statistiken ist dezentral.

Das FDZ der Länder ist eine Arbeitsgemeinschaft der 14 Statistischen Ämter der Länder mit insgesamt 17 regionalen Standorten im gesamten Bundesgebiet. Das FDZ des Statistischen Bundesamtes verfügt über vier regionale Standorte. In den Städten Wiesbaden, Frankfurt und Berlin sind sowohl das FDZ des Bundes als auch das FDZ der Länder vertreten, wobei der Standort in Frankfurt von beiden FDZ gemeinsam betrieben wird.

Die Forschungsdatenzentren der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder bieten vier verschiedene Formen des Zugangs zu ausgesuchten Datenbeständen der amtlichen Statistik an:

  • ON-Site-Nutzung:
    • Arbeitsplätze für Gastwissenschaftler,
    • Kontrollierte Datenfernverarbeitung;
  • OFF-Site-Nutzung:
    • Scientific-Use-Files,
    • Public-Use-Files.

Die kontrollierte Datenfernverarbeitung (KDFV) wird in der Regel an dem fachlich zuständigen Standort durchgeführt. Bei Nutzung der Gastwissenschaftlerarbeitsplätze (GWAP) kann der Wissenschaftler unabhängig von zentralen oder dezentralen Statistiken frei wählen, welchen Standort und welches FDZ er nutzen möchte. Das entscheidende Kriterium hierbei ist üblicherweise die räumliche Nähe zwischen antragstellender Institution und regionalem Standort. Die Daten, die an einem GWAP genutzt werden sollen, werden jedoch in der Regel von dem fachlich zuständigen Standort für den Wissenschaftler speziell aufbereitet und an den betreuenden Standort übermittelt.1

Die Bereitstellung der Scientific- und Public-Use-Files (SUF und PUF) kann durch jedes der beiden FDZ erfolgen, wobei die meisten im Statistischen Bundesamt konzipiert und erstellt werden, unabhängig davon, ob es sich dabei um eine dezentrale oder zentrale Statistik handelt.

2.2 Aufwand und Verteilung der beantragten Zugangswege 2009 bis 2013

Aus den fachlichen Zuständigkeiten und der unterschiedlichen regionalen Präsenz der beiden FDZ ergeben sich deutliche Unterschiede bei der Datenbereitstellung über die verschiedenen Zugangswege.

OFF-Site

Der OFF-Site-Zugang zu amtlichen Mikrodaten besteht größtenteils aus der Bereitstellung von SUF. Da es sich bei SUF um faktisch anonymisierte amtliche Mikrodaten handelt, deren Bereitstellung bereits im Vorfeld fachlich abgestimmt wurde, ist eine projektspezifische Aufbereitung nicht mehr notwendig. Der größte Aufwand besteht in der Erstellung, insbesondere bei der Erstkonzeption: Hier muss nicht nur die faktische Anonymität der Daten sichergestellt, sondern auch ein hohes Analysepotenzial beibehalten werden, damit der SUF die Bearbeitung einer Vielzahl von Fragestellungen ermöglicht. Die Bereitstellung eines SUF ist deutlich weniger aufwendig als eine projektspezifische Aufbereitung bei den ON-Site-Zugängen. Die Erstellung der SUF ist jedoch in einem höheren Maße inhaltlich aufwendig und personell zeitintensiver.

Neben den SUF bieten die FDZ des Bundes und der Länder eine geringe Menge von PUF für die OFF-Site-Nutzung an. Hierbei ist grundsätzlich zu gewährleisten, dass die bereitgestellten Mikrodaten absolut anonym sind.

Im Vergleich zum FDZ der Länder (27 %) ist der Anteil der OFF-Site-Nutzungen (SUF und PUF) beim FDZ des Bundes mehr als doppelt so hoch (62 %). Dies ist unter anderem dadurch zu erklären, dass die ersten SUF (Mikrozensus, Einkommens- und Verbrauchsstichprobe sowie Zeitbudgeterhebung) bereits vor der Einrichtung der beiden FDZ in den Fachbereichen des Statistischen Bundesamtes konzipiert und erstellt worden sind und die Verantwortlichkeiten hierfür nach Einrichtung des FDZ des Bundes von diesem übernommen wurden. Durch diese historische Entwicklung war und ist aus Sicht der Wissenschaft das Statistische Bundesamt für viele SUF der Hauptansprechpartner. Darüber hinaus wurde das FDZ des Bundes in der ersten Förderphase für die Erstellung verschiedener SUF (zum Beispiel faktisch anonymisierte Daten aus der Lohn- und Einkommensteuerstatistik, Gehalts- und Lohnstrukturerhebung, Continuing Vocational Training Survey) gefördert.

ON-Site

Der ON-Site-Zugang besteht aus den Datenzugängen am GWAP und über die KDFV. Der größte Aufwand bei der Bereitstellung der Daten am GWAP liegt in der Erstellung und Abstimmung projektspezifischer Anonymisierungskonzepte und deren Umsetzung sowie in der Betreuung des Datennutzers während der gesamten Projektlaufzeit.

Der ressourcenintensivste Zugangsweg ist allerdings die KDFV. Dieser Datenzugang erlaubt als einziger Zugangsweg die Analyse formal anonymisierter Originaldaten. Für den Datennutzer besteht hier jedoch kein direkter Zugang zu den Daten. Die Datennutzer erhalten Strukturdatensätze (Dummy-Dateien), die in Aufbau und Merkmalsausprägungen dem Originalmaterial gleichen. Mittels dieser Dummy-Dateien können Auswertungsprogramme (Syntax-Skripte) in den Analyseprogrammen SPSS, SAS, STATA oder R erstellt werden, mit denen die Statistischen Ämter anschließend die Originaldaten auswerten. Bei der KDFV fallen aufwendige Syntaxkontrollen an, da dieser Zugangsweg dem Nutzer keinen direkten Blick auf die Mikrodaten ermöglicht und somit die Erstellung von korrekten Analysesyntaxen deutlich schwieriger ist als beim GWAP.

Bei der ON-Site-Nutzung erhalten die Datennutzer nach einer notwendigen Geheimhaltungsprüfung die absolut anonymen Ergebnisse ihrer Auswertungen. Hier ist der Aufwand für die Geheimhaltungsprüfungen bei der KDFV höher einzustufen, da durch das Erstellen der Analysesyntax ohne einen direkten Blick auf die Daten der Output in der Regel deutlich größer und komplexer ist als beim GWAP.

Die Nutzung an den GWAP ist beim FDZ der Länder etwa zweieinhalbmal so hoch wie beim FDZ des Bundes. Hier kommt vielen Wissenschaftlern die räumliche Nähe zu einem regionalen Standort des FDZ der Länder entgegen.

Wie bereits erwähnt, findet die KDFV in der Regel an dem Standort statt, der für die beantragten Statistiken fachlich zuständig ist. Betrachtet man darüber hinaus das Verhältnis 1:9 von zentralen Statistiken und dezentralen Statistiken, ist die Nutzung der KDFV sowohl beim FDZ des Bundes mit 25 % als auch beim FDZ der Länder mit 38 % ein stark frequentierter Zugangsweg.

2.3 Entgelte in den FDZ

Ausgangspunkt für die Erhebung von Entgelten waren die Empfehlungen zum Datenzugang hinsichtlich der wirtschaftlichen Gesichtspunkte der »Kommission zur Verbesserung der informationellen Infrastruktur zwischen Wissenschaft und Statistik« (KVI). In ihrem Gutachten »Wege zu einer besseren informationellen Infrastruktur« aus dem Jahr 2001 empfiehlt die Kommission, dass die Leistungen der amtlichen Statistik, die über die informationelle Grundversorgung hinausgehen, von den Nutzern zu vergüten sind. Die Nutzungsentgelte sollten so angelegt sein, dass möglichst optimale Anreize für die effiziente Generierung guter Daten und deren breite und kompetente Nutzung gesetzt werden. Der Wissenschaft sollte aber in jedem Fall nur der tatsächliche Zusatzaufwand, der bei den Datenanbietern etwa durch Bereitstellung von Scientific-Use-Files oder durch Sonderauswertungen entsteht, in Rechnung gestellt werden. Für die Kommission heißt dies, dass aggregierte Daten zumindest für die Wissenschaft weitgehend kostenfrei erhältlich sein müssen. Bei der Bereitstellung von Mikrodaten dagegen sind grundsätzlich die zusätzlichen Kosten für Auswertung, Anonymisierung und Dokumentation von den Nutzern zu tragen (vgl. KVI, 2001, S. 263 f.).

Für die Datennutzung in den FDZ der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder werden seit ihrer Einrichtung in den Jahren 2001/2002 Entgelte erhoben. Ursprünglich wurden 65 Euro je Statistik, Erhebung und Zugangsweg in Rechnung gestellt (1. Förderphase), von August 2007 bis 2010 (2. Förderphase) galt ein Betrag von 95 Euro.

Nach Ablauf der Förderphasen der FDZ durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) wurden im Rahmen der Diskussion um die dauerhafte Etablierung der FDZ auch die Entgelte für den Zugang zu Mikrodaten erhöht.

Das gegenwärtige Entgeltmodell der FDZ wurde mit dem Ziel konzipiert, eine einfache und transparente Berechnung der Nutzungsentgelte zu ermöglichen. Die Zusammensetzung der Entgelte soll sowohl für die Datennutzer als auch für die Statistischen Ämter transparent, praktikabel und nachvollziehbar sein. Seit 2011 werden pro genutzter Statistik, Jahr und Zugangsweg (= Produkt) 250 Euro für eine 3-jährige Nutzung berechnet. Für zusätzliche Aufbereitungen werden projektspezifische Zuschläge kalkuliert. Nutzungsberechtigt sind Hochschulen oder sonstige Einrichtungen mit der Aufgabe unabhängiger wissenschaftlicher Forschung mit Sitz im In- und Ausland.2 Studierende und Promovierende können die Leistungen der FDZ zu ermäßigten Entgelten nutzen.3

3 Entwicklung des Nutzungsverhaltens vor und nach Einführung des Entgeltmodells

Im Folgenden wird untersucht, ob und in wie weit die Einführung des neuen Entgeltmodells zum 1. Januar 2011 Auswirkungen auf das Verhalten der Datennutzer hatte. Für eine klare Zuordnung werden bei allen nachfolgenden Betrachtungen die Datennutzungen stets für das FDZ berücksichtigt, bei dem die Nutzung bearbeitet bzw. betreut wurde. Ob der Nutzungsantrag ursprünglich bei einem anderen FDZ eingegangen und von diesem weitergeleitet wurde, ist dabei nicht relevant.

3.1 Entwicklung des Nutzungsverhaltens

3.1.1 Nutzungszahlen

Die Nutzungszahlen entwickelten sich in beiden FDZ nahezu parallel und verteilten sich zu jeweils gleichen Teilen auf die FDZ. Nachdem die Zahl der in den FDZ eingegangenen Nutzungsanträge bis zum Jahr 2010 nahezu ungebrochen angestiegen ist (Ausnahme: ein leichter Abfall im Jahr 2009), sank diese im Jahr der Einführung des neuen Entgeltmodells deutlich von 285 Anträgen im Vorjahr auf 181 im Jahr 2011. In den darauffolgenden Jahren 2012 und 2013 stieg die Zahl der Datennutzungen jedoch wieder spürbar an.

Vom relativ starken Rückgang der Nachfrage im Jahr 2011 waren beide FDZ gleichermaßen betroffen. Hierzu muss angemerkt werden, dass die Entgelterhöhung zum 1. Januar 2011 vorab von den FDZ angekündigt wurde. Aus diesem Grund wurden viele Anträge, die erst für das Jahr 2011 geplant waren, noch Ende des Jahres 2010 gestellt. Dadurch konnten von den Nutzern die geringeren Entgelte von 95 Euro pro Produkt in Anspruch genommen werden. Aus diesen vorgezogenen Antragstellungen ergab sich die sehr hohe Zahl von 95 Nutzungsanträgen allein im vierten Quartal 2010. Im Vergleich dazu fiel im gesamten Jahr 2011 die Anzahl der gestellten Nutzungsanträge deutlich geringer aus.

3.1.2 Zugangswege

Entwicklung bei den beantragten Zugangswegen 2009 bis 2013

Die Betrachtung der Entwicklungen der beantragten Zugangswege von 2009 bis 2013 zeigt, dass seit der Einführung des neuen Entgeltmodells zum 1. Januar 2011 die Anteile der einzelnen Zugangswege bei beiden FDZ relativ stabil geblieben sind. Im Zeitverlauf sind beim FDZ des Bundes eine Abnahme der Bedeutung der KDFV und eine Zunahme der SUF zu erkennen. Beim FDZ der Länder wird im Zeitverlauf eine Zunahme der Bedeutung des GWAP deutlich.

Entwicklung bei der Kombination der beantragten Zugangswege 2009 bis 2013

Alle Zugangswege können miteinander kombiniert werden. So ist es beispielsweise möglich, Daten sowohl am GWAP als auch per KDFV auszuwerten. Bei der Entwicklung der Anzahl der beantragten Zugangswege zeigt sich, dass sowohl beim FDZ des Bundes als auch beim FDZ der Länder die Nutzung von Daten über mehr als einen Zugangsweg abgenommen hat. Nach dem 1. Januar 2011 wurde von dieser Möglichkeit im FDZ der Länder weniger oft Gebrauch gemacht als davor. Wurden 2009 im FDZ der Länder noch bei über einem Drittel aller Nutzungsanträge zwei oder drei Zugangswege ausgewählt, lag der Anteil der Datennutzungen, bei denen mehr als ein Zugangsweg beantragt wurde, ab 2010 nur noch bei rund 20 %. Beim FDZ des Statistischen Bundesamtes zeigt sich dieser Rückgang nur kurzfristig für das Jahr der Entgelterhöhung und geht danach wieder auf das Niveau der Jahre 2009/2010 zurück.

In der Regel wird beim FDZ des Bundes die Kombination von SUF und KDFV beantragt – der SUF, um sich mit der wissenschaftlichen Fragestellung in der beantragenden Einrichtung auseinanderzusetzen und die KDFV, um regional/fachlich tiefergehende Analysen durchzuführen.

Beim FDZ der Länder wird in vielen Fällen die Datennutzung am GWAP mit einer Auswertung über die KDFV kombiniert. Seit 2010 geht die Entwicklung jedoch dahin, dass Datennutzer zunehmend nur noch einen Zugangsweg beantragen. Es ist zu vermuten, dass der zweite Zugangsweg aus Kostengründen eingespart wird. Neben der Erhöhung der Entgelte kann die dargestellte Entwicklung jedoch auch andere Ursachen haben. So kann es beispielsweise möglich sein, dass für langjährige Datennutzer, die bereits gut mit den Daten vertraut sind, ein einziger Zugangsweg ausreichend ist.

3.1.3 Anzahl der Produkte je Datennutzung

Die Anzahl der für ein Projekt beantragten Datenmaterialien kann als ein wichtiger Indikator für den Betreuungs- und Kontrollaufwand, der durch die Nutzung entsteht, angesehen werden.

Die Betrachtung der Produkte, die in den Jahren von 2009 bis 2013 in den FDZ je Datennutzung beantragt wurden, zeigt, dass in beiden FDZ bei deutlich mehr als der Hälfte der Datennutzungen fünf Produkte und weniger beantragt werden. Im FDZ des Bundes ist der Anteil der Datennutzungen mit nur wenigen Produkten dabei höher als im FDZ der Länder, während im FDZ der Länder dementsprechend Datennutzungen mit vielen Produkten häufiger sind. Diese ungleiche Verteilung der beantragten Produkte je Nutzungsantrag kann auf die Unterschiedlichkeit der angebotenen Produkte zurückgeführt werden: So bietet das FDZ des Bundes im Vergleich zu dem FDZ der Länder nur sehr wenige Panel-Produkte an, die mehrere Jahre umfassen. Das FDZ der Länder hingegen verfügt mit den AFiD-Produkten (siehe Abschnitt 3.3) über eine Vielzahl von Paneldaten.

Für das FDZ der Länder ist anhand der Abbildung deutlich zu erkennen, dass es nach der Einführung des neuen Entgeltmodells Anfang 2011 eine erhebliche Verschiebung in Richtung der Nutzung von wenigen Produkten gegeben hat. In den Folgejahren 2012 und 2013 ist die Zahl der beantragten Produkte je Projekt wieder angestiegen. Für das FDZ des Bundes ist keine solche Entwicklung sichtbar.

Wie Schaubild 7 zeigt, wurden im Jahr 2009 in den FDZ durchschnittlich 6,3 Produkte für ein Forschungsprojekt beantragt, 2010 waren es 7,5. Nach der Entgelterhöhung zum 1. Januar 2011 verringerte sich die Zahl der durchschnittlich beantragten Produkte auf 5,2 im Jahr 2011. In den Folgejahren 2012 und 2013 blieb die Zahl auf diesem Niveau.

Ein Vergleich zwischen dem FDZ des Bundes und dem FDZ der Länder zeigt deutliche Unterschiede bei der durchschnittlichen Zahl der beantragten Produkte. Beim FDZ des Bundes sind nach Einführung des neuen Entgeltmodells keine nennenswerten Änderungen zu erkennen, hier steigt die durchschnittliche Zahl der beantragten Produkte im Jahr 2012 sogar über die des Jahres 2010. Beim FDZ der Länder war der Rückgang bei der Zahl der durchschnittlich beantragten Produkte dagegen deutlich. Wurden hier im Jahr 2010 durchschnittlich 10,8 Produkte beantragt, waren es in den Folgejahren zwischen 6 und 7.

3.2 Komplexität der Datennutzungen

Die fortschreitende technische Entwicklung wirkt sich auch auf die Analyse von Mikrodaten und damit auf die Inanspruchnahme der Leistungen der FDZ aus. Durch leistungsfähigere Technik können größere Datenmengen leichter verarbeitet und somit komplexere Modelle berechnet werden, als dies noch in der Anfangszeit der FDZ möglich war. Durch den ständigen Ausbau des Datenangebots der FDZ können inzwischen auch Daten im Längsschnitt analysiert werden. Die FDZ bieten solche Mikrodatenpanel in standardisierter Form an oder erstellen sie für bestimmte Datennutzungen auf Anfrage. Zudem ist eine deutliche Steigerung der Komplexität einer Datennutzung, die sich durch Zusammenführung der beantragten Daten untereinander und/oder mit externen Datenbeständen auszeichnet, zu beobachten.

Die Komplexität einer Datennutzung und der mit ihr verbundene Arbeitsaufwand für die Betreuung werden nicht allein durch die Anzahl der Produkte beeinflusst, die für ein Forschungsprojekt beantragt werden. Generell gilt, dass der Betreuungs- und Geheimhaltungsaufwand steigt, wenn für ein Projekt mehrere Produkte bei der ON-Site-Nutzung beantragt werden. Die Komplexität einer Datennutzung zeigt sich in der Regel auch darin, dass eine Zusammenführung der beantragten Daten untereinander und/oder mit externen Datenbeständen beantragt wird.

Die Zusammenführungen von Daten bzw. das Zuspielen zusätzlicher Merkmale werden von den Nutzern immer häufiger beantragt. Schaubild 8 zeigt, dass der Anteil von Datennutzungen mit Zusammenführungen von Daten im Zeitverlauf ansteigt. Auch die Einführung des neuen Entgeltmodells kehrt diesen Trend nicht um. Dies betrifft nicht nur den ON-Site-Zugang, sondern auch die OFF-Site-Nutzung. Hier wird zunehmend die Zusammenführung mit SUF anderer Datenproduzenten beantragt.

Jede Datenzusammenführung erhöht den Aufwand in den FDZ deutlich. Da das Zusatzwissen für die Nutzer steigt, können Datenzusammenführungen das Deanonymisierungsrisiko erhöhen. Es muss ebenfalls genau geprüft werden (rechtlich und inhaltlich), unter welchen Rahmenbedingungen eine Zusammenführung möglich ist.

3.3 Nachfrage nach integrierten Datensätzen

Bei der Integration von Daten werden Erhebungen unterschiedlicher Statistiken im Längs- oder im Querschnitt miteinander kombiniert. Durch die Zusammenführung von Einzeldaten verschiedener Erhebungswellen im Längsschnitt kann vor allem dem steigenden Bedarf nach Panel-Datensätzen nachgekommen werden. Mit einer Integration von Datensätzen lässt sich der Analysegehalt erhobener Mikrodaten deutlich erhöhen, ohne dass dabei zusätzliche Kosten für die Datenerhebung oder Belastungen für die Auskunftspflichtigen entstehen, wodurch auch sehr komplexe Forschungsfragen beantwortet werden können. Die Integration von Daten wurde nicht nur immer wieder von der Wissenschaft gefordert, sondern auch bei der Evaluation des FDZ der Länder im Jahr 2006 von der Gutachtergruppe ausdrücklich empfohlen. Im Rahmen des Projektes Amtliche Firmendaten für Deutschland (AFiD) des FDZ der Länder wurden daher Einzeldaten verschiedener Wirtschafts- und Umweltstatistiken im Längs- und Querschnitt über das Unternehmensregister integriert (vgl. Malchin / Voshage, 2009). Die hierbei entstandenen AFiD-Produkte werden von der Wissenschaft in großem Umfang nachgefragt. Allerdings ist ab dem Jahr 2010 ein deutlicher Rückgang bei der Nachfrage zu erkennen. Wurden im Jahr 2009 noch 26 Anträge zur Nutzung von integrierten Datenbeständen gestellt, waren es im Jahr 2010 lediglich 19 und im Jahr 2011 nur noch 12 Anträge. Seit dem Jahr 2012 stieg die Nachfrage wieder leicht an und lag im Jahr 2013 bei 17 Anträgen.

Seit der Einführung des Entgeltmodells zum 1. Januar 2011 zeigt sich ein deutlicher Rückgang bei der Anzahl der Produkte, die für ein Projekt beantragt wurden. Während in den Jahren 2009 und 2010 für jedes Projekt durchschnittlich etwa 15 bzw. 18 Produkte beantragt wurden, sank der Wert im Jahr 2011 auf 10 Produkte. Nach einem weiteren Rückgang im Jahr 2012 stieg die Zahl im Jahr 2013 wieder etwas an und erreichte einen Wert von 10,5.

3.4 Nutzung von Rabatten

Sofern Einzeldaten aus dem Standardangebot der FDZ ausschließlich für Seminar- und Abschlussarbeiten bzw. Promotionsvorhaben genutzt werden, können die FDZ seit der Anpassung des Entgeltmodells sowohl für Studenten als auch für Doktoranden Rabatte gewähren. Als Datennutzer sind in einem solchen Fall jedoch allein der Student bzw. Doktorand, für dessen Arbeit der Nutzungsantrag gestellt wurde, und ein Betreuer zugelassen.

Bei einer Betrachtung der Projekte, denen der Studenten- oder Doktorandenrabatt gewährt wurde, zeigt sich eine deutliche Zunahme. Wurden im Jahr 2011 noch in 27 Fällen Rabatte für Nachwuchswissenschaftler beantragt, waren es im Jahr 2012 bereits 49 Datennutzungen. Im Jahr 2013 stieg die Anzahl auf 54 Projekte. Der Anteil der rabattierten Projekte lag damit im Jahr 2011 bei 15 %, 2012 bei 21 % und 2013 bei 23 % an allen beantragten Datennutzungen. Der Anstieg bei der Anzahl von rabattierten Projekten kann als Hinweis darauf gedeutet werden, dass Promotionsvorhaben von den Lehrstühlen als kostengünstige Alternative zu Datennutzungen mit regulären Entgelten genutzt werden.

4 Auswirkungen der Nachfrageentwicklung

Die vorangegangen Ausführungen zeigen, dass die Einführung des neuen Entgeltmodells Auswirkungen auf das Verhalten der Datennutzer hatte und dass sich dabei drei wesentliche Effekte herausbilden:

Den kurzfristigsten aber einmaligen Effekt stellt das Vorziehen von Nutzungsanträgen dar. Um Kosten zu sparen, wurden viele Anträge, die eigentlich für das Jahr 2011 geplant waren, noch im Jahr 2010 gestellt. Dies hatte einen starken Einbruch bei der Zahl der im Jahr 2011 gestellten Nutzungsanträge zur Folge. Hierdurch zeigt sich, dass die Wissenschaft durchaus preissensibel reagiert. Seit dem Jahr 2012 sind die Nutzungszahlen wieder auf hohem Niveau. Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich auch bei der Anzahl der beantragten Produkte je Nutzungsantrag. Nachdem im Jahr 2010 – in Folge der Ankündigung der Entgeltumstellung – überdurchschnittlich viele Produkte beantragt wurden, ist die Anzahl 2011 deutlich zurückgegangen. In den Folgejahren wurden wieder mehr Produkte beantragt. Bei der Nutzung von AFiD-Produkten konnte das Niveau der Jahre vor der Entgelterhöhung jedoch nicht wieder erreicht werden. Viele Nutzungsvorhaben wurden von den Wissenschaftlern nicht im beabsichtigten Umfang realisiert.

Darüber hinaus wird auf eine Kombination verschiedener Zugangswege in der Regel verzichtet. Datennutzer entscheiden sich in beiden FDZ mehrheitlich für einen einzigen Zugangsweg. Die Entscheidung fällt dabei vor allem beim FDZ der Länder häufiger zu Gunsten des Gastwissenschaftlerarbeitsplatzes aus. Neben der Erhöhung der Entgelte kann die dargestellte Entwicklung jedoch auch andere Ursachen haben. So kann es beispielsweise möglich sein, dass für langjährige Datennutzer, die bereits gut mit den Daten vertraut sind, ein einziger Zugangsweg ausreichend ist.

Mit der Einführung des neuen Entgeltmodells wurden die bis dahin bestehenden Rabattmöglichkeiten für Studenten angepasst und auf Doktoranden ausgeweitet. Trotz gewisser Einschränkungen ermöglichen die Rabattmöglichkeiten einen kostengünstigeren Datenzugang für Nachwuchswissenschaftler. Dass diese Option von der Wissenschaft genutzt wird, zeigt die deutliche Zunahme von Projekten mit Studenten- und Doktorandenrabatt zwischen den Jahren 2011 und 2013.

Auf die negative Entwicklung der Nachfrage nach AFiD-Produkten haben die FDZ reagiert. Bislang waren Produkte, die sich aus mehreren Statistiken zusammensetzen überproportional teuer. Der Grund lag darin, dass auch für zusammengesetzte Statistikprodukte die Regelung galt, dass pro Produkt 250 EUR zu zahlen waren. Seit dem 1. Januar 2015 werden Datenbestände, die sich aus mehreren einzelnen Statistiken zusammensetzen, jeweils pauschal für 250 EUR pro Welle angeboten. Dies betrifft im aktuellen Datenangebot die AFiD-Produkte AFiD-Panel Industrieunternehmen, AFiD-Panel Industriebetriebe, AFiD-Panel Energieunternehmen, AFiD-Panel Energiebetriebe und die integrierte Datengrundlage aus Gewerbe-, Körperschaft- und Umsatzsteuerstatistik (GKU).

Der immer häufigere Verzicht auf eine Kombination verschiedener Zugangswege wird weiterhin beobachtet. Mögliche Gegenmaßnahmen wären eine vergünstigte Inanspruchnahme eines zweiten Zugangsweges. Die Umsetzung einer derartigen Maßnahme ist zurzeit allerdings nicht geplant.

Ausdrücklich begrüßt wird die deutliche Zunahme von Projekten mit Studenten- und Doktorandenrabatt. Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ist eine Kernaufgabe der FDZ. Die positive Entwicklung zeigt, dass sich die FDZ dieser Kernaufgabe sehr bewusst sind.

1 Vergleiche dazu: http://www.forschungsdatenzentrum.de/datenzugang.asp (Abruf: 19.04.2016).

2 Scientific-Use-Files dürfen nach momentaner Rechtslage nur Hochschulen und sonstigen Einrichtungen mit der Aufgabe unabhängiger wissenschaftlicher Forschung mit Sitz im Inland übermittelt werden.

3 Vergleiche dazu: http://www.forschungsdatenzentrum.de/nutzungsentgelte.asp (Abruf: 19.04.2016).