:: 12/2018

Industrieinvestitionen in Baden-Württemberg 2017 erneut auf Rekordniveau

Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen sorgt für deutliches Investitionsplus

Die Industriebetriebe in Baden-Württemberg investierten 2017 erneut deutlich mehr als im Vorjahr. Parallel zur konjunkturellen Lage entwickelten sich die Investitionen spürbar aufwärtsgerichtet und erreichten mit nominal 13,6 Mrd. Euro (real 12,7 Mrd. Euro) das dritte Jahr in Folge einen neuen Rekordwert. Auf Branchenebene konzentrierte sich das Investitionsgeschehen dabei nach wie vor stark auf die Schlüsselbranche »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen«. In der regionalen Betrachtung verbuchte die Region Heilbronn-Franken einen starken Zuwachs, Investitionsschwerpunkt blieb jedoch mit deutlichem Abstand die Region Stuttgart.

Konjunktur dynamisch

Der konjunkturelle Aufschwung der Südwestindustrie setzte sich 2017 weiter fort und gewann insbesondere in der zweiten Jahreshälfte deutlich an Fahrt. Impulsgebend hierfür war in erster Linie der Außenhandel, aber auch die Binnennachfrage entwickelte sich spürbar aufwärtsgerichtet. Insgesamt lag der preis- und arbeitstäglich bereinigte Auftragseingang baden-württembergischer Industriebetriebe 2017 um 4,4 % über dem Niveau des Vorjahres. Bei Produktion und Umsatz betrug das preis- und arbeitstäglich bereinigte Plus gegenüber dem Vorjahr 4,2 % bzw. 3,3 %.1 Alle drei Indizes erreichten 2017 zudem ihren bis dahin höchsten Stand seit Umstellung des letzten Basisjahres bzw. seit 2010.

Investitionen weiterhin aufwärtsgerichtet

Parallel zur konjunkturellen Lage entwickelten sich auch die Investitionen der Südwestindustrie 2017 auf hohem Niveau weiter aufwärtsgerichtet. Nach den Ergebnissen der Investitionserhebung stiegen die »bilanziell zu aktivierenden neu erworbenen bzw. selbsterstellten neuen Sachanlagen« (siehe i-Punkt) um 5,9 % (+ 0,8 Mrd. Euro) auf 13,6 Mrd. Euro an. Das Volumen der baden-württembergischen Industrieinvestitionen verzeichnete mit dieser Ausweitung bereits das 3. Jahr in Folge einen neuen Investitionshöchststand. Auch preisbereinigt2 wurde mit 12,7 Mrd. Euro (+ 4,6 %) ein neues Rekordniveau erreicht.

Nach dem krisenbedingten Investitionseinbruch im Jahr 2009 setzte zunächst 2011 und 2012 ein dynamischer Aufholprozess mit Investitionszuwächsen von 1,3 Mrd. Euro und 1 Mrd. Euro ein (+ 14,8 % bzw. + 10,1 %). Dieser flachte jedoch 2013 bereits ab und endete 2014 mit einem leichten Investitionsrückgang. Die darauffolgenden Investitionszuwächse der Jahre 2015 und 2016 (+ 7,9 % bzw. + 8,3 %) sowie 2017 (+ 5,9 %) dürften zunehmend weniger von einem generellen Nachholbedarf geprägt gewesen sein.

Zwar kann aufgrund des konjunkturellen Aufschwungs davon ausgegangen werden, dass 2016 und 2017 auch Kapazitätserweiterungen wieder stärker im Fokus gestanden haben. Hauptursächlich dürfte die positive Investitionsentwicklung jedoch auf technologische Umbrüche und Herausforderungen einzelner Branchen zurückzuführen sein. Neben einem steigenden Digitalisierungsgrad im Rahmen der Industrie 4.0 sei an dieser Stelle insbesondere auf den stärker forcierten Wandel hin zur E-Mobilität in der »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« hingewiesen.

»Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen«: hohes Investitionsniveau, starker Zuwachs

Auf Branchenebene war die Investitionsentwicklung 2017 erneut von einem deutlichen Zuwachs in der Branche »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« geprägt. Mit einem starken Plus von 0,7 Mrd. Euro (mehr als dem Doppelten des durchschnittlichen Zuwachses der vorhergehenden 5 Jahre) stiegen die baden-württembergischen Investitionen dieser Branche auf ein neues Rekordniveau von 5,6 Mrd. Euro (+ 14 %). Damit setzte sich in dieser Branche die sehr dynamische Investitionsentwicklung der letzten beiden Jahre auch 2017 weiter fort, wenngleich aktuell sowohl das Wachstumstempo als auch das Investitionsplus schwächer als 2016 (+ 21,8 % bzw. + 0,9 Mrd. Euro) ausfielen. Der Investitionsanteil, der innerhalb der Südwestindustrie auf die stark großbetrieblich geprägte Branche »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« entfällt, erreichte 2017 mit 41,1 % einen neuen Höchstwert. Der weit überwiegende Teil der Investitionen in der »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« wurde dabei von Großbetrieben mit 1 000 und mehr Beschäftigten getätigt. Allein ihr Anteil an den baden-württembergischen Industrieinvestitionen betrug 37,8 %.

Im »Maschinenbau«, der an den Investitionen gemessen zweitgrößten Branche in der Südwestindustrie, wurde 2017 etwas weniger als im Vorjahr investiert. Mit Investitionen in Höhe von 2,3 Mrd. Euro (– 1,0 %) setzte sich der zuletzt bereits abgeschwächte Aufwärtstrend 2017 nicht weiter fort. Das Investitionsvolumen im Maschinenbau lag damit – als einziges der vier großen Industriebranchen im Südwesten – noch immer leicht unter dem branchenspezifischen Höchststand aus dem Jahr 2008.

Die nächstgrößeren Branchen »Herstellung von Metallerzeugnissen« sowie »Herstellung von elektrischen Ausrüstungen« weiteten ihre Investitionen 2017 nach einem eher verhaltenen Vorjahr wieder aus. Dabei betrug der Investitionszuwachs in der »Herstellung von Metallerzeugnissen« 3,4 %, die Betriebe der »Herstellung von elektrischen Ausrüstungen« weiteten ihre Investitionen um starke 18,7 % aus.

Insgesamt verlor das Investitionsgeschehen auf Branchenebene trotz der sehr guten konjunkturellen Lage erneut leicht an Breitenwirkung. Der Zahl der Branchen, die gegenüber dem Vorjahr ein Investitionsplus verzeichneten, ging gegenüber dem Vorjahr auf 13 der insgesamt3 23 Branchen zurück.

Investitionsquote erneut aufwärtsgerichtet, Investitionsintensität auf Rekordniveau

Die Investitionsquote, die den Anteil der Investitionen am Umsatz angibt und unter anderem als Indikator für den Stellenwert von Investitionen in der Unternehmenspolitik betrachtet werden kann, entwickelte sich 2017 erneut leicht aufwärtsgerichtet und legte um 0,1 Prozentpunkte auf 3,8 % zu. Die Quote verzeichnete seit Anfang der 1990er-Jahre einen rückläufigen Trend und sank ausgehend von 5,6 % (1991) auf ihren bisher tiefsten Stand von 3,1 % im Jahr 2005. Der Investitionsanteil entwickelte sich von dort an zunächst bis 2008 leicht aufwärtsgerichtet und erreichte dabei einen Wert von 3,8 %, im Rahmen der Wirtschafts- und Finanzkrise nahm die Investitionsquote jedoch ebenso deutlich wieder ab. Zuletzt verzeichnete die Quote 2016 einen größeren Zuwachs. 2017 stieg die Investitionsquote – trotz eines hohen Umsatzzuwachses – das 2. Jahr in Folge an und lag mit 3,8 % wieder auf dem Niveau von 2008 sowie über dem Durchschnitt der vorhergehenden 5 Jahre (3,5 %).

Inwieweit sich mit diesem erneuten Anstieg eine Abkehr vom bisherigen Abwärtstrend abzeichnet, bleibt nach wie vor abzuwarten.

Entgegen der Investitionsquote verzeichneten die Investitionen je Beschäftigten (Investitionsintensität) im Trend der letzten Jahre einen deutlichen Anstieg. Zwar kam es auch hier zwischen 2001 und 2005 sowie 2009 zu merklichen Rückgängen der Kennzahl, ab 2010 stieg die Investitionsintensität jedoch stark an. 2017 erreichte die Investitionsintensität mit einem Plus von 3,7 % (+ 382 Euro je Beschäftigten) einen neuen Höchststand von 10 613 Euro je Beschäftigten.

Fast alle Größenklassen mit Investitionsplus

Nach Beschäftigtengrößenklasse gegliedert ergibt sich ein überwiegend positives Bild der Investitionsentwicklung 2017. So verzeichneten fünf der sechs Größenklassen ein Plus an Investitionen zum Vorjahr, lediglich in einer Größenklasse (Betriebe mit 250 bis 499 Beschäftigten) sanken die Investitionen etwas ab. Das mit Abstand höchste absolute wie auch prozentuale Wachstum verzeichneten dabei die Betriebe mit 1 000 und mehr Beschäftigten. Hier stiegen die Investitionen gegenüber dem Vorjahr um 8,8 % bzw. um 0,6 Mrd. Euro auf 7,6 Mrd. Euro an. Damit verzeichnete diese Größenklasse den dritten Anstieg in Folge und tätigte mit 55,9 % der Industrieinvestitionen im Südwesten einen höheren Investitionsanteil als je zuvor.

In Folge der guten konjunkturellen Lage sowie des anhaltenden Beschäftigtenaufbaus ist ein Teil der Investitionszunahmen jedoch eher auf eine gestiegene Anzahl an Betrieben zurückzuführen als auf eine gesteigerte Investitionsneigung innerhalb der Größenklasse. Besonders deutlich war diese Entwicklung in der Größenklasse mit 500 bis 999 Beschäftigten zu sehen. Hier legten nicht nur die Investitionen um 6,5 % zu (der nächstgrößere Zuwachs nach der Größenklasse mit und mehr 1 000 Beschäftigten), sondern auch die Zahl der Betriebe. Folglich blieb die pro Betrieb investierte Summe mit knapp 6 Mill. Euro gegenüber dem Vorjahr konstant.

Region Heilbronn-Franken: Investitionsplus von 0,5 Mrd. Euro

Auf regionaler Ebene wurden die höchsten Investitionen in der Region Stuttgart verzeichnet. Nach 2 starken Vorjahren legten die Investitionen dort gegenüber dem Vorjahr um weitere 0,2 Mrd. Euro (+ 4,8 %) zu und erreichten somit eine neue Höchstmarke von 4,9 Mrd. Euro. Aufgrund der unterdurchschnittlichen Zuwachsrate nahm der Strukturanteil der Region Stuttgart an den Investitionen jedoch leicht ab und lag 2017 bei 35,7 %. Regelmäßig entfällt rund ein Drittel der Investitionen auf diese Region, 2016 betrug ihr Anteil 36,1 %.

Auf die Region Stuttgart folgt mit deutlichem Abstand die Region Heilbronn-Franken mit Investitionen in Höhe von 1,9 Mrd. Euro. Gegenüber dem Vorjahr entwickelten sich die Investitionen dieser Region besonders dynamisch. Mit einem Zuwachs von 0,5 Mrd. Euro (+ 33,5 %) stiegen die dortigen Investitionen absolut wie prozentual merklich stärker an als in den anderen Regionen des Südwestens. Auf Platz 3 der investitionsstärksten Industrieregionen im Südwesten folgt die Region Mittlerer Oberrhein mit 1,2 Mrd. Euro (+ 0,3 Mrd. Euro bzw. + 27,9 %).

Auf Kreisebene nahm die Zahl derer, die gegenüber dem Vorjahr ein Plus an Investitionen verzeichneten, geringfügig zu. Von den 44 Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs verzeichneten 2017 insgesamt 26 Kreise (Vorjahr: 25 Kreise) ein Investitionsplus. Die stärksten absoluten Zuwächse verzeichneten dabei der Landkreis Heilbronn (+ 0,4 Mrd. Euro) sowie der Stadtkreis Stuttgart (+ 0,3 Mrd. Euro). Die höchsten prozentualen Zuwächse verzeichneten der Stadtkreis Pforzheim (+ 54,0 %) sowie ebenfalls der Landkreis Heilbronn (+ 51,9 %).

Mietinvestitionen auf Vorjahres- und Vorkrisenniveau

Neben den in den vorherigen Absätzen betrachteten Kaufinvestitionen stellen Mietinvestitionen, zum Beispiel Leasing, für viele Betriebe eine attraktive Alternative zur Erweiterung und Erhaltung ihres Sachanlagenbestandes dar (i-Punkt). Nachdem die Mietinvestitionen von 2014 bis 2016 kontinuierlich zugenommen hatten, stagnierte ihr Volumen 2017 knapp unter dem Vorjahresniveau bei 1,8 Mrd. Euro (– 0,5 %).

Im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise gingen die Mietinvestitionen – ähnlich wie die Kaufinvestitionen – zunächst stark zurück. Mittlerweile konnten die Mietinvestitionen zwar zum Vorkrisenniveau aufschließen, allerdings hatten die Kaufinvestitionen bereits 2015 ihr Vorkrisenniveau deutlich übertroffen. Ursache für diese ungleiche Entwicklung ist unter anderem eine später einsetzende Erholung der Mietinvestitionen. Während die Kaufinvestitionen bereits 2011 deutliche Zuwächse verzeichneten, entwickelten sich die Mietinvestitionen erst 2015 wieder spürbar aufwärtsgerichtet.

Die Summe der Gesamtausgaben mit investivem Charakter (Summe aus Miet- und Kaufinvestitionen) belief sich in der baden-württembergischen Industrie 2017 auf 15,4 Mrd. Euro (2016: 14,7 Mrd. Euro), der Anteil der Mietinvestitionen an diesen Gesamtinvestitionen sank gegenüber dem Vorjahr leicht auf 11,7 % (– 0,7 Prozentpunkte) ab.

2018 nochmals mehr Investitionen?

Für das Jahr 2018, aber auch darüber hinaus erwarten die Forschungsinstitute eine weiterhin aufwärtsgerichtete Welt- und Binnenkonjunktur. Infolge dieser Aufwärtsentwicklung dürfte der Auslastungsgrad der Südwestindustrie weiter zunehmen, wodurch Erweiterungsinvestitionen stärker an Gewicht gewinnen würden. Vor dem Hintergrund eines weiterhin niedrigen Zinsniveaus spricht dies zunächst für eine erneut aufwärtsgerichtete Investitionsentwicklung, wie sie auch das ifo-Institut4 für 2018 ermittelt hat.

Allerdings sollten trotz positiver Entwicklungsprognosen die nach wie vor erheblichen weltwirtschaftlichen Risiken nicht unberücksichtigt bleiben. Auch wenn hier möglicherweise bereits ein gewisser Gewöhnungseffekt eingetreten ist, dürften die Unsicherheiten im Laufe des Jahres 2018 (beispielsweise die Brexit-Frage oder der Handelskonflikt zwischen den USA und China) insbesondere bei kleinen und mittelständischen Unternehmen zu Investitionsrückstellungen geführt haben.

Darüber hinaus wird das Investitionsaufkommen der Südwestindustrie stark von der Entwicklung der Branche »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« beeinflusst. Zwar ist in dieser Branche nicht mit einem baldigen Ende des aktuellen Investitionszyklus zu rechnen, sodass größere Investitionsrückgänge entsprechend unwahrscheinlich sind. Nichtsdestotrotz können sich hier bereits kleinere, nicht zyklusbedingte (und damit schwer prognostizierbare) Investitionsschwankungen spürbar auf das Gesamtergebnis der Südwestindustrie auswirken.

1 Die preis- und kalenderbereinigten Veränderungsraten beziehen sich auf die Konjunkturindizes des Verarbeitenden Gewerbes (Basisjahr 2010=100). Diese Indizes beruhen auf Daten der »Monatlichen Produktionserhebung im Verarbeitenden Gewerbe sowie im Bergbau und in der Gewinnung von Steinen und Erden« sowie des »Monatsberichts für Betriebe im Verarbeitenden Gewerbe sowie im Bergbau und in der Gewinnung von Steinen und Erden«, zu denen baden-württembergische Betriebe mit mindestens 50 Beschäftigten (Berichtskreis 50+) meldepflichtig sind. Dem restlichen Beitrag liegt der Berichtskreis 20+ zugrunde.

2 Der reale Wert wird geschätzt unter Heranziehung des Indexes der Erzeugerpreise gewerblicher Produkte (Inlandsabsatz) – Erzeugnisse der Investitionsgüterproduzenten – sowie unter Heranziehung des Preisindexes für gewerbliche Betriebsgebäude in Baden-Württemberg (Basisjahr jeweils 2010 = 100).

3 In der Branchenbetrachtung sind Wirtschaftszweige, deren Daten aus Gründen der Geheimhaltung nicht veröffentlicht werden, nicht berücksichtigt.

4 Weichselberger, Anette (2018): »Deutsche Industrie: Für 2018 spürbarer Investitionsanstieg geplant«, ifo Schnelldienst, 2018 (16), S. 46-50