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Baden-Württemberg vor der Europawahl 2019

Die neunte Direktwahl zum Europäischen Parlament findet in Deutschland am 26. Mai 2019 statt, in Baden-Württemberg zeitgleich mit den Kommunalwahlen. Die Bürgerinnen und Bürger aller Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind im Zeitraum vom 23. bis 26. Mai 2019 dazu aufgerufen, ihre nationalen Abgeordneten ins Europaparlament zu wählen. Europawahlen sind immer zugleich ein Stimmungstest für die Parteien auf bundes- und landespolitischer Ebene, auch wenn seit einigen Jahren – vor allem durch die Finanzkrise, die Migrationsdebatten und den Brexit – europapolitische Themen in der Öffentlichkeit präsenter sind als früher.

Der Beitrag gibt einen Rückblick auf die Ergebnisse der Europawahl 2014 und früherer Europawahlen in Baden-Württemberg, informiert über wahlrechtliche Hintergründe und über die geänderte Zahl der Sitze für die einzelnen Staaten im künftigen EU-Parlament.

Bei der letzten Europawahl 2014 machten in Baden-Württemberg 52,1 % der 7,7 Mill. Wahlberechtigten von ihrem Wahlrecht Gebrauch. Damit lag die Wahlbeteiligung im Land höher als im bundesweiten Vergleich (48,1 %) und deutlich über dem EU-weiten Durchschnitt von 42,6 %. In einem europäischen Vergleich zeigen sich große Unterschiede. Hohe Beteiligungsquoten erreichten vor allem Staaten mit Wahlpflicht (zum Beispiel Belgien und Luxemburg), während insbesondere in einigen osteuropäischen Staaten eine äußerst niedrige Wahlbeteiligung zu verzeichnen war.

Die Wahlbeteiligung war bei Europawahlen bereits seit den ersten Direktwahlen zum Europäischen Parlament 1979 deutlich geringer als bei Bundestags- und Landtagswahlen, das gilt für Baden-Württemberg ebenso wie für andere Bundesländer. So lag die Wahlbeteiligung in Baden-Württemberg seit 1979 im Durchschnitt bei rund 54 %, während im vergleichbaren Zeitraum bei Bundestagswahlen im Land durchschnittlich 80 % erreicht wurden, bei Landtagswahlen 67 %. Einen positiven Effekt auf die Wahlbeteiligung hatte jedoch offenbar die terminliche Zusammenlegung mit den Kommunalwahlen: In Jahren mit zeitgleichen Wahlen in Baden-Württemberg (1994 und seit 2004) war die Wahlbeteiligung höher als bei den jeweils vorangegangenen Europawahlen ohne gemeinsamen Termin. So ist die Wahlbeteiligung 1994 gegenüber 1989 um 6 Prozentpunkte angestiegen, 2004 gegenüber 1999 sogar um 12,5 Prozentpunkte.

Deutliche Unterschiede bei der Wahlbeteiligung zeigen sich je nach Alter der Wählerinnen und Wähler. Die Ergebnisse der Repräsentativen Wahlstatistik1 in Baden-Württemberg weisen für die Jüngeren die geringsten Teilnahmequoten aus: Von den 18- bis unter 35-Jährigen nahmen nur rund 34 % an der Europawahl 2014 teil. Die Wahlbeteiligung steigt mit den Altersjahren kontinuierlich an und erreichte bei den 60-jährigen und älteren Menschen im Land knapp 53 %. Aktivitäten zur Steigerung der Wahlbeteiligung wären demnach in allen Altersgruppen, vor allem aber mit Blick auf die jungen Wahlberechtigten sinnvoll.

Das Abschneiden der Parteien in Baden-Württemberg

Bei der Europawahl 2014 erreichte die CDU in Baden-Württemberg gut 39 % und legte damit gegenüber 2009 mit einem Plus um 0,6 Prozentpunkte leicht zu. Die SPD konnte 2014 deutliche Zugewinne von 4,9 Prozentpunkten verbuchen und erreichte 23 % im Land. Die GRÜNEN erzielten 13,2 % und verloren damit 1,8 Prozentpunkte gegenüber 2009, als sie ihren bisherigen landesweiten Höchstwert bei Europawahlen erreichten. Auch die FDP hatte 2009 ihren bisherigen Rekordwert erreicht und kam 2014 mit einem Minus von 10 Prozentpunkten nur noch auf 4,1 %. Neu angetreten ist 2014 die AfD. Sie erreichte mit 7,9 % den vierten Rang in Baden-Württemberg. Leicht zulegen konnte die LINKE, die sich um 0,6 Prozentpunkte auf 3,6 % steigerte.

Der Stimmenanteil der sonstigen Parteien ist bei Europawahlen seit 1989 stets auffallend hoch, bei der Europawahl 2014 waren es 8,9 % der Stimmen. Den kleinen Parteien kommt dabei möglicherweise die geringe Wahlbeteiligung – die den Volksparteien meist in stärkerem Maß Stimmen kostet – zugute, sowie die Tatsache, dass nach der Wahl zum Europäischen Parlament keine Regierungsbildung erfolgt und es den Wählerinnen und Wählern damit wohl leichter fällt, die Europawahl für eine »Protestwahl« zu nutzen. Auch eine »strategische« Wahlentscheidung wie bei Bundestagswahlen dürfte bei Europawahlen weniger eine Rolle spielen.

Nach der Europawahl 2014 zogen 96 deutsche Abgeordnete ins Europäische Parlament ein, aufgrund der weggefallenen 5 %-Sperrklausel erhielten auch zahlreiche kleinere Parteien Sitze. Die Sitzverteilung im Überblick: CDU/CSU 34, SPD 27, GRÜNE 11, DIE LINKE 7, AfD 7, FDP 3 und je ein Mandat für die FREIEN WÄHLER, PIRATEN, Tierschutzpartei, NPD, FAMILIE, ÖDP und Die PARTEI. Von den 96 Abgeordneten hatten insgesamt elf ihren Wohnsitz in Baden-Württemberg, fünf davon von der CDU, je zwei von der SPD und der AfD sowie je eine Abgeordnete bzw. ein Abgeordneter von den GRÜNEN und der FDP.

CDU war 2014 in allen Altersgruppen weiterhin auf Platz 1

Mit den Ergebnissen der Repräsentativen Wahlstatistik für Baden-Württemberg zeigt sich, dass die CDU ebenso wie bei früheren Wahlen insbesondere bei den Senioren erfolgreich war: 46,5 % der 60-Jährigen und Älteren machten ihr Kreuz bei den Christdemokraten. Bei den unter 60-jährigen Wählerinnen und Wählern hingegen blieb die CDU durchgängig unter ihrem Landesdurchschnitt. Schaubild 2 zeigt allerdings auch, dass die CDU bei der Europawahl 2014 in allen Altersgruppen den ersten Platz einnahm. Bei den Frauen konnten die Christdemokraten mit knapp 41 % ein besseres Ergebnis erzielen als bei den Männern (37,7 %).

SPD gewann deutlich bei den über 45-Jährigen hinzu

Die baden-württembergischen Sozialdemokraten hatten 2014 in allen Altersgruppen – mit Ausnahme der Jungwähler – Stimmenanteile hinzugewonnen. Den größten Zuspruch erzielten sie, ähnlich wie die Christdemokraten, bei den 60-Jährigen und Älteren mit 27,8 %. In dieser Altersgruppe konnte die SPD auch die stärksten Zuwächse gegenüber 2009 (+ 7,4 Prozentpunkte) verzeichnen, gefolgt von den 45- bis 59-Jährigen (+ 5,3 Prozentpunkte). Die SPD wurde bei der Europawahl 2014 in etwas stärkerem Maß von Männern (23,6 %) als von Frauen (22,4 %) gewählt.

Frauen wählten häufiger die GRÜNEN als Männer

Die GRÜNEN hatten, im Gegensatz zu CDU und SPD, bei den 60-Jährigen und Älteren mit 6,3 % ihren geringsten Zuspruch. In allen anderen Altersgruppen lagen sie über ihrem Landeswert, am stärksten war ihr Rückhalt bei den 35- bis 44-jährigen Wählerinnen und Wählern, hier wählten 17,9 % die GRÜNEN. Allerdings bedeutete dies gegenüber 2009 auch einen Verlust von 3,1 Prozentpunkten. Wie bereits bei früheren Europawahlen schnitten die GRÜNEN auch 2014 bei den Frauen (gut 15 %) besser ab als bei den Männern (rund 11 %).

AfD punktete stärker bei den Männern

Die baden-württembergische AfD erreichte bei der Europawahl 2014 vor allem in der Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen einen überdurchschnittlichen Stimmenanteil (8,8 %). Die Abweichungen vom Landesdurchschnitt von 7,9 % waren aber insgesamt klein, den geringsten Erfolg verzeichnete die AfD bei den 60-Jährigen und Älteren (7,4 %). Betrachtet man die Stimmabgabe von Männern und Frauen getrennt, zeigt sich, dass die AfD bei den Männern (10,1 %) deutlich erfolgreicher war als bei den Frauen (5,8 %).

FDP verlor Wählerinnen und Wähler in allen Altersgruppen

Die FDP musste bei der Europawahl 2014 im Land in allen Altersgruppen erhebliche Stimmeneinbußen hinnehmen. Vor allem bei den jüngeren Altersgruppen war ein überdurchschnittlicher Stimmenrückgang der Liberalen auf nur rund 3 % zu beobachten. Etwas häufiger wurde die FDP von den 60-Jährigen und Älteren gewählt, von denen 5,1 % ihre Stimme den Liberalen gaben. Die FDP erhielt von den Männern (4,5 %) mehr Stimmen als von den Frauen (3,8 %), ähnlich wie bei früheren Europawahlen.

DIE LINKE stärker bei den 29- bis 34-Jährigen

In Baden-Württemberg verteilte sich der Rückhalt der LINKEN bei der Europawahl 2014 relativ gleichmäßig über alle Altersgruppen. Lediglich von den 60-Jährigen und Älteren machten nur 2,5 % ihr Kreuz bei der Partei DIE LINKE. In der Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen waren die Anteile (4,9 %) und die Stimmengewinne mit 2,1 Prozentpunkten am höchsten. DIE LINKE wurde 2014 häufiger von Männern (4,1 %) als von Frauen (3,1 %) gewählt.

Die Sitzverteilung der EU-Staaten im Europäischen Parlament

Seit der Europawahl 2014 sind im Europäischen Parlament 96 Abgeordnete aus Deutschland vertreten. Bei der Zahl der Sitze für die einzelnen Staaten im EU-Parlament ergeben sich zur Wahl 2019 bei einem Austritt des Vereinigten Königreichs einige Veränderungen. So soll die Gesamtzahl der Abgeordneten von 751 auf 705 reduziert werden (Tabelle 2). Von den frei gewordenen 73 britischen Parlamentssitzen werden dann 46 nicht mehr besetzt. Die anderen 27 ehemaligen britischen Sitze werden auf 14 EU-Länder verteilt, die derzeit im Parlament leicht unterrepräsentiert sind. Für Deutschland ändert sich die Zahl von 96 Abgeordneten jedoch nicht, als bevölkerungsreichster Mitgliedsland stellt es auch weiterhin die meisten Parlamentarier. Bei der Verteilung der Abgeordnetenkontingente sind im EU-Vertrag kleinere Staaten in Bezug auf die Bevölkerungszahlen bewusst etwas stärker repräsentiert als die großen; dies ermöglicht ihnen eine bessere parlamentarische Mitbestimmung.

Die beschriebene neue Sitzverteilung wird erst dann gelten, wenn das Vereinigte Königreich die EU verlässt, andernfalls würde die derzeitige Regelung bis auf weiteres bestehen bleiben.

1 Die Repräsentative Wahlstatistik ist eine Stichprobenerhebung der amtlichen Statistik, die Informationen über die Wahlbeteiligung und zur Stimmabgabe nach Alter und Geschlecht liefert. Bei der Wahlbeteiligung werden nur die Wahlberechtigten ohne Wahlschein betrachtet.