:: 5/2019

Im Blickpunkt: Die Stadt Weingarten

In der Serie »Im Blickpunkt« steht dieses Mal die Stadt Weingarten im Landkreis Ravensburg. Aus dem Landesinformationssystem Baden-Württemberg (LIS) lassen sich für Weingarten wie für jede andere Gemeinde des Landes interessante Erkenntnisse zur Struktur und Entwicklung gewinnen. Besonders herausgehoben werden an dieser Stelle die Bevölkerungsentwicklung, die Wohn- und die Beschäftigtensituation.

Weingarten liegt unmittelbar nördlich von Ravensburg und nur wenige Kilometer (km) westlich des Altdorfer Walds am Ostrand des Schussenbeckens im mittleren Tal der Schussen, die in den Bodensee fließt und so ein rechter Rhein-Zufluss ist. Die Altstadt, das ehemalige Dorf Altdorf, liegt im Tal der Scherzach, einem kleinen Bach, der in die Schussen mündet. Das der Stadt den Namen gebende Kloster Weingarten liegt auf einer nordöstlichen Höhe, dem sogenannten Martinsberg, über der Altstadt. Weingarten bildet zusammen mit Ravensburg und Friedrichshafen das Oberzentrum der Region Bodensee-Oberschwaben. Dieses übernimmt für den Einzugsbereich Ravensburg/Weingarten auch die Funktion eines Mittelbereichs. Dieser umfasst auch den südlichen Teil des Landkreises Ravensburg, im Einzelnen sind dies neben Ravensburg und Weingarten die Gemeinden Baienfurt, Baindt, Berg, Bodnegg, Fronreute, Grünkraut, Horgenzell, Schlier, Vogt, Waldburg, Wilhelmsdorf, Wolfegg und Wolpertswende.

Weingarten liegt an den Bundesstraßen B 30 und B 32. Die nächsten Autobahnzufahrten liegen bei Ulm zur A 8 und bei Wangen im Allgäu zur A 96, sowie bei Stockach zur A 98. Weingarten liegt an der Strecke der Württembergischen Südbahn. Fernzüge sowie Interregio-Express und Regional-Express-Züge halten hier nicht, sondern im ca. 3 km entfernten Ravensburg. Der Haltepunkt Weingarten wird seit dem 24. Mai 1998 unter der Bezeichnung Weingarten/Berg im Stundentakt von der Bodensee-Oberschwaben-Bahn bedient. In Weingarten ver­kehren Stadtbusse und Regionalbusse, die Stadt gehört dem Bodensee-Oberschwaben Verkehrsverbund an.

Bis 1865 wurde der Name Weingarten nur für das Kloster Weingarten verwendet, die umgebende Ortschaft hieß Altdorf. Altdorf war schon im frühen 5. Jahrhundert von Alamannen besiedelt. Aus der Merowingerzeit stammt das bei Weingarten gefundene Gräberfeld. Um die Mitte des 9. Jahrhunderts kam das mittlere Schussental als Grafschaft Schussengau in Besitz des schwäbischen Zweiges der Welfen, die in Altdorf gegenüber dem Martinsberg eine Pfalz errichteten, ihre neue Stammburg. Um 935 gründeten die Welfen in Altdorf ein Frauenkloster, das als Grablege ihres Geschlechts bestimmt war, aber bereits 1053 durch einen Brand zerstört wurde. Die Nonnen wurden zunächst auf den Martinsberg umgesiedelt. 1056 gründete Welf IV. nach der Verlegung der Burg ins benachbarte Ravensburg auf dem Martinsberg ein neues Benediktinerkloster, das mit Mönchen aus Altomünster besiedelt wurde; die Altdorfer Nonnen besiedelten im Gegenzug das Kloster Altomünster. Der Name des Klosters Weingarten ist um 1123 urkundlich belegt. Die Mönche beschäftigten sich unter anderem mit der Buchmalerei, ihr berühmtestes Werk ist das Berthold-Sakramentar. In einer kaiserlichen Urkunde von 1377 wurde Altdorf zwar das Recht auf einen regelmäßigen Wochenmarkt gewährt, der allerdings bestehende Märkte innerhalb einer Meile nicht gefährden durfte. Das Kloster Weingarten wurde dagegen 1274 zur Reichsabtei erhoben und erwarb im Laufe der Zeit großen Landbesitz vom Allgäu bis zum westlichen Bodensee. Dieser Besitz umfasste zuletzt 306 Quadratkilometer (km2), damit war Weingarten eines der reichsten Klöster Süddeutschlands. Am 10. September 1724 konnte der Fürstbischof von Konstanz die neue Barockbasilika des Klosters feierlich einweihen. Altdorf selbst war ab 1452 Teil der habsburgischen Verwaltungseinheit Vorderösterreich und blieb bis 1805 Sitz der Landvogtei Schwaben, als es dann zum Königreich Württemberg kam und zunächst Sitz eines Oberamtes wurde. Auch das Kloster Weingarten wurde 1806 durch Napoleon seinem Verbündeten Württemberg zugeschlagen. 1810 kamen Altdorf und Weingarten zum Oberamt Ravensburg. Auch die Stellung als Landvogtei verlor Altdorf-Weingarten 1817 im Zuge einer neuen Verwaltungseinteilung. 1865 erhielt Altdorf durch König Karl von Württemberg die Stadtrechte und wurde nach dem Namen der Abtei in Weingarten umbenannt. Zur Zeit des Nationalsozialismus wurde Weingarten zum 1. April 1939 nach Ravensburg eingemeindet. Die rivalisierenden Nachbarstädte wurden allerdings nach Kriegsende wieder getrennt, ab dem 1. April 1946 war Weingarten wieder selbstständig.

Weingarten hat eine Gemarkungsfläche von 1 216 Hektar (ha). Davon werden fast 26 % landwirtschaftlich genutzt. Damit liegt diese Flächennutzungsart unter dem Landesdurchschnitt. Die Waldfläche beträgt knapp 18 % und liegt auch unter dem Niveau des Landes (38 %). Annähernd 54 % der Fläche sind besiedelt oder dienen als Verkehrsfläche, hier wird das Landesmittel deutlich überschritten.

Am 31. Dezember 2017 lebten 25 011 Personen in Weingarten. Mit 2 057 Personen je km2 liegt die Besiedelungsdichte zwischen den großstädtisch und den ländlich geprägten Teilen Baden-Württembergs und übersteigt den Landesdurchschnitt (309). Die Bevölkerungsentwicklung war in den Jahren zwischen 2007 und 2017 sehr positiv. In diesem Zeitraum hat die Bevölkerung um 6 % zugenommen. Sie lag damit über der landesweiten Entwicklung. Das Durchschnittsalter der Bürgerinnen und Bürger von Weingarten betrug 42,7 Jahre und lag damit unter dem Landesdurchschnitt von 43,4 Jahren. Etwas mehr als 14 % der Einwohnerinnen und Einwohner von Weingarten hatten 2016 einen ausländischen Pass. Der Ausländeranteil in Weingarten lag damit leicht unter dem Landesdurchschnitt von gut 15 %.

Die Entwicklung des Wohnungsbestandes in Weingarten ist positiv. Im Zeitraum zwischen 2007 und 2017 nahm der Wohnungsbestand um 5,5 % zu und liegt damit leicht über dem positiven Landesniveau. Fast 54 % der Wohngebäude sind Einfamilienhäuser. Mit einer durchschnittlichen Wohnfläche von 42 Quadratmeter (m2) je Einwohner liegt der Wert in Weingarten deutlich unter dem Landesdurchschnitt. Architektonisch fallen im Stadtbild von Weingarten zahlreiche historische Gebäude auf: Die Basilika St. Martin ist das Wahrzeichen der Stadt. Sie wurde als Klosterkirche der Abtei Weingarten erbaut und gilt als größte Barockkirche nördlich der Alpen. Die umgebenden barocken Klostergebäude der Benediktinerabtei Weingarten geben einen Einblick in die damalige Bauweise. Das Schlössle, der ehemalige Verwaltungssitz der Landvogtei Schwaben, wurde im Stil der Renaissance erbaut, auch Überreste der Burg Wildeneck sowie einen Gedenkstein der Haslachburg, auf der angeblich Kaiser Friedrich Barbarossa geboren ist, können Besucherinnen und Besucher besichtigen.

Die Chance auf eine Beschäftigung in Weingarten hat in den vergangenen 10 Jahren zugenommen. So hatten hier 2018 rund 11 850 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte einen Arbeitsplatz. Dies sind fast 12 % mehr als 2008. Langfristig betrachtet lag die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten 2018 um fast 2 320 höher als 1999. Rund 24 % aller Arbeitsplätze in Weingarten liegen heute noch in dem Wirtschaftsbereich des Produzierenden Gewerbes und nehmen damit aber keine dominierende Position wie in vielen anderen Kommunen des Landes ein. Der Schwerpunkt der Beschäftigung in Weingarten liegt im Bereich der sonstigen Dienstleistungen mit annähernd 48 %.

Der Schuldenstand je Einwohner in Weingarten belief sich auf 1 459 Euro im Jahr 2017 und lag damit über dem Landesdurchschnitt von 1 021 Euro je Einwohner. Sowohl die Steuerkraftmesszahl je Einwohner als auch die Steuerkraftsumme je Einwohner lagen im Jahr 2017 unter dem Landesniveau.

Kulturell hat Weingarten seinen Einwohnerinnen und Einwohnern sowie Besucherinnen und Besuchern einiges zu bieten. Am Freitag nach Christi Himmelfahrt findet der Blutritt statt, die größte Reiterprozession der Welt zu Ehren einer Reliquie, die der Legende nach mit Blutstropfen Jesu Christi getränkte Erde enthält. Seit dem Jahr 2000 werden in Weingarten regelmäßig die Klosterfestspiele veranstaltet, die weltberühmte Dramen zeigen. Auch einige Museen wie das Stadtmuseum im Schlössle, das Alamannenmuseum, das Fasnetsmuseum der Plätzlerzunft und das Museum für Klosterkultur bieten den Besuchern ein abwechslungsreiches Programm. Durch das Kloster Weingarten führt auch der historische Jakobspilgerweg. Das mögen die Hauptgründe dafür sein, dass es in Weingarten 2017 zu 2 566 Übernachtungen von Gästen insgesamt je 1 000 Einwohner kam.