:: 7/2020

Jahresbilanz 2019: Landestourismus erreicht vor Corona erneut Rekordwerte

Der Blick zurück auf das vergangene Jahr zeigt: Die Tourismusbranche Baden-Württembergs war 2019 erneut überaus erfolgreich: Seit 2010 stiegen die Gäste- und Übernachtungszahlen in den Beherbergungsbetrieben im Südwesten kontinuierlich an und erreichten im Jahr 2019 neue Höchstwerte. 2015 verzeichnete die amtliche Tourismusstatistik erstmals mehr als 20 Millionen (Mill.) Gästeankünfte, 2019 wurde mit 23,3 Mill. Gästen eine weitere Marke geknackt. Bei den Übernachtungen wurde 2015 mit 50,8 Mill. die »50-Millionen-Grenze« überschritten, 2019 lag die Zahl der gebuchten Übernachtungen bereits bei 57,2 Mill. Damit hat sich im Zeitraum 2010 bis 2019 die Zahl der Übernachtungen im Land um 31,4 % erhöht, die der Gäste um 39,3 %. Dass sich die Attraktivität der Destination Baden-Württemberg mittlerweile auch im Ausland herumgesprochen hat, zeigt die steigende Tendenz bei Buchungen von Reisenden aus dem Ausland: Während der Anteil der von Auslandsgästen gebuchten Übernachtungen 2010 noch bei 18,4 % lag, entfielen 2019 bereits 21,4 % der Übernachtungen auf dieses Kundensegment. Für den Landestourismus schließt das Jahr 2019 also mit einer erfreulichen Bilanz. Die Erfolgsserie wurde allerdings im 1. Quartal 2020 jäh unterbrochen.1 Angesichts des Corona-Paukenschlags stehen der Tourismuswirtschaft Baden-Württembergs gewaltige Herausforderungen ins Haus, die der Nachfrage 2020 schwer zusetzen dürften.

Für die baden-württembergische Tourismusbranche waren die Jahre 2010 bis 2019 sehr erfolgreiche 10 Jahre. Im zuletzt abgeschlossenen Berichtsjahr 2019 stieg die Zahl der Gästeankünfte2 auf 23,3 Mill. Das waren 0,8 Mill. oder 3,8 % mehr Gäste als 2018. Die Zahl der Übernachtungen von Touristen und Geschäftsreisenden erreichte 2019 die Marke von 57,2 Mill., was gegenüber dem Vorjahr einer Zunahme um 2,3 Mill. oder 4,2 % entspricht. Auch 2019 lag die Zahl der Übernachtungen wieder in allen Monaten über den Vorjahreswerten. Spitzenwerte erreichte der Zuwachs bei den Übernachtungen im April (+ 6,4 %) und im Juni 2019 (+ 7,0 %) (Schaubild 1).

Baden-Württemberg wichtiger innerdeutscher Tourismusmarkt

Im Bundesvergleich zeigt die Tourismusbranche Baden-Württembergs damit eine überdurchschnittliche Entwicklung: Für Deutschland insgesamt stieg im selben Zeitraum die Zahl der Gästeankünfte nur um 3,2 %, die der Übernachtungen lediglich um 3,7 %.

Der Blick über die Landesgrenzen zeigt außerdem, dass im vergangenen Jahr neben Baden-Württemberg auch andere Bundesländer stark vom Tourismusboom profitiert haben: Alle Bundesländer konnten 2019 ihre Gästeankünfte und Übernachtungszahlen steigern, wobei Mecklenburg-Vorpommern mit einem Plus von 10,4 % bei den Übernachtungen am stärksten zulegte – gefolgt von Bremen mit + 8,7 %. Bei den Gästeankünften gingen Bremen und Mecklenburg-Vorpommern mit einem Plus von 7,1 % und 6,2 % in Führung. Mit Blick auf die Übernachtungszahlen konnten die Bundesländer/Stadtstaaten Berlin (+ 3,8 %), Schleswig-Holstein (+ 4,4 %), Sachsen-Anhalt (+ 5,0 %), Thüringen (+ 5,0 %) und Hamburg (+ 6,2 %) ihre Ergebnisse überdurchschnittlich steigern. Im benachbarten Bayern fiel die Steigerung 2019 zwar etwas schwächer aus als im Vorjahr, man lag aber sowohl bei den Gäste- als auch bei den Übernachtungszahlen mit 2,3 % bzw. 2,2 % immer noch deutlich im Plus.

Gemessen an der absoluten Zahl der Gäste und der Übernachtungen war Bayern auch 2019 mit 40,0 Mill. Gästen und 100,9 Mill. Übernachtungen unter den Bundesländern der mit Abstand wichtigste Tourismusmarkt. Auf den Plätzen 2 und 3 folgten Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen mit 57,2 Mill. bzw. 53,3 Mill. Übernachtungen. Mit Blick auf die Gästezahlen hingegen lag Nordrhein-Westfalen leicht vorn (BW: 23,3 Mill. vs. NRW: 24,3 Mill.).

Destination Baden-Württemberg zieht zunehmend auch im Ausland

Baden-Württemberg ist nach wie vor überwiegend Reiseziel für Gäste aus Deutschland. 2019 kamen 76,7 % der insgesamt 23,3 Mill. Reisenden aus dem Inland und buchten 78,6 % der Übernachtungen. Demgegenüber stammten 5,4 Mill. oder 23,3 % der Gäste aus dem Ausland. Ihnen sind 12,2 Mill. oder 21,4 % der Übernachtungen zuzurechnen. Die positive Gesamtentwicklung des Landestourismus in den letzten Jahren ist allerdings nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen, dass Baden-Württemberg für ausländische Reisende offenbar deutlich an Anziehungskraft gewonnen hat: Während die Zahl der Gäste aus Deutschland gegenüber 2010 um 35,4 % stieg, wuchs die der Gäste aus dem Ausland um 54,0 %. Die Zahl der Übernachtungen von Touristen aus Deutschland stieg gegenüber 2010 um 26,6 %, die der internationalen Gäste um 52,6 % (Schaubild 2 und Tabelle 1).

TOP 3 der ausländischen Herkunftsländer 2019: Schweiz, Niederlande und Frankreich

Die Ergebnisse der amtlichen Tourismusstatistik zeigen, dass Baden-Württemberg vor allem von Reisenden aus der Schweiz, aus Frankreich und den Niederlanden frequentiert wird. Das mit großem Abstand wichtigste ausländische Herkunftsland war 2019 die Schweiz mit 1,4 Mill. Gästen (+ 5,2 %) und 2,8 Mill. Übernachtungen (+ 6,9 %). An zweiter Stelle standen die Niederlande mit rund 0,6 Mill. Gästen (+ 4,7 %) und 1,3 Mill. Übernachtungen (+ 8,5 %). Auf Rang 3 folgte 2019 Frankreich mit 0,5 Mill. Gästen (+ 7,8 %) und 1,0 Mill. Übernachtungen (+ 7,3 %). Aus Asien kamen im Jahr 2019 0,5 Mill. Touristen (– 1,2 %) mit rund 1,3 Mill. Übernachtungen (– 3,8 %) und aus den USA knapp 0,3 Mill. Gäste (+ 1,7 %) mit 0,8 Mill. Übernachtungen (+ 2,2 %) (Tabelle 2).

Kurztrips bleiben angesagt

Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer eines Baden-Württemberg-Besuchs hat sich im Verlauf der letzten 10 Jahre auf Kurzreise-Niveau stabilisiert, wobei wir es hier nicht mit einer landesspezifische Entwicklung zu tun haben. Touristik-Experten sprechen vielmehr bereits seit Jahren von einem allgemeinen Trend zum Kurzurlaub, der offensichtlich auch im Land weiterhin intakt ist: Während die Gäste 1998 im Durchschnitt noch 2,9 Tage blieben, waren es 2010 2,6 Tage und 2019 dauerte ein Aufenthalt nur noch 2,5 Tage. Im Jahresverlauf 2019 leicht überdurchschnittlich war die Verweildauer im Januar (2,6 Tage) und im August (2,7 Tage). In diesen Monaten gönnen sich die Reisenden vermutlich im Zug der Winter- und der Sommerferien einen etwas längeren Aufenthalt im Land.

Camping: hohes Vorjahresniveau gehalten und leicht übertroffen

2019 wurden knapp zwei Drittel (64,2 %) der Übernachtungen in der Hotellerie (Hotels, Hotels garnis, Gasthöfe und Pensionen) gebucht. 24,0 % entfielen auf die sogenannte Parahotellerie, zu der Einrichtungen wie Ferien- und Erholungsheime, Schulungsheime, Ferienwohnungen, Jugendherbergen oder Campingplätze zählen. Die Vorsorge- und Rehakliniken schließlich kamen auf einen Marktanteil von 11,8 %. Nach einem starken Vorjahr (Übernachtungen + 15 %) konnten die Campingplätze das neue Niveau 2019 mit einem Plus von 0,8 % und einem Marktanteil von 8,1 % halten. Auch die Ferienhäuser und Ferienwohnungen schnitten mit einem Übernachtungsplus von 5,0 % bei einem Marktanteil von 4,3 % gut ab. Dem gegenüber konnten die baden-württembergischen Hotels, die mit 23,1 Mill. Übernachtungen einen Marktanteil von 40,4 % aufweisen, ihre Übernachtungszahlen gegenüber 2018 lediglich um 1,7 % steigern und liegen damit unter der landesdurchschnittlichen Zunahme von 4,2 % (Schaubild 3).

Reisegebiete: Württembergisches Allgäu-Oberschwaben boomt

Die regionale Analyse der Übernachtungszahlen zeigt, dass sich der Landestourismus vor allem auf die Reisegebiete Schwarzwald (Marktanteil Übernachtungen 2019: 39,8 %), das nördliche Baden-Württemberg (17,6 %), die Region Stuttgart (16,2 %) und den Bodensee (9,2 %) konzentriert. Im Vergleich zum Vorjahr haben sich die Übernachtungszahlen 2019 in nahezu allen Reisegebieten Baden-Württembergs erhöht. Besonders hohe Zuwächse verbuchten das Württembergische Allgäu-Oberschwaben (+ 37,2 %), der Hegau (+ 7,2 %) sowie der Mittlere Schwarzwald und das Nördliche Baden-Württemberg (beide + 4,0 %). In den »Klassikern« Nördlicher Schwarzwald (– 0,4 %) und Bodensee (– 1,1 %) hingegen schlug die Entwicklung bei traditionell hohen Übernachtungszahlen im Vergleich zum Vorjahr leicht ins Minus aus. Insgesamt betrachtet bilanziert das mit Blick auf den Marktanteil dominierende Reisegebiet Schwarzwald für 2019 gegenüber dem Vorjahr einen Zuwachs von 2,5 % bei den Übernachtungen. Die Beherbergungsbetriebe im Reisegebiet Bodensee-Oberschwaben verzeichneten trotz leicht rückläufiger Übernachtungszahlen am Bodensee bei einem Marktanteil von 18,1 % ein sattes Plus von 12,8 % (Tabelle 3).

30 der 44 Stadt- und Landkreise mit mehr Übernachtungen als im Vorjahr

Mit 30 von 44 wies eine deutliche Mehrheit der Stadt- und Landkreise Baden-Württembergs eine positive Übernachtungsentwicklung auf. 13 Stadt- und Landkreise verbuchten Übernachtungszuwächse von 4 % und mehr. Darunter befanden sich mit Heilbronn, Mannheim, Ulm, Freiburg im Breisgau, Heidelberg und Stuttgart sechs der insgesamt neun Stadtkreise des Landes.

Bei der Analyse der regionalen Entwicklung der Übernachtungszahlen im Vergleich zu 2018 zeigt sich aber auch eine relativ breite Streuung: Das Feld reichte von einem Rückgang von 5,8 % im Alb-Donau-Kreis und im Stadtkreis Pforzheim bis zu einem Zuwachs von 59,2 % im Landkreis Ravensburg. Insgesamt 13 Stadt- und Landkreisen gelang es 2019 nicht, ihr Übernachtungsergebnis aus dem Vorjahr zu halten oder es zu verbessern. Darunter befanden sich mit dem Hohenlohekreis und dem Landkreis Heidenheim allerdings zwei Kreise, die ihr Vorjahresergebnis nur knapp, nämlich um 0,2 % bzw. um 0,9 % verfehlten (Schaubild 4 und Tabelle 4).

Wirtschaftsfaktor Tourismus

Der Tourismus ist für das Land Baden-Württemberg ein relevanter Wirtschaftsfaktor. Neben Hotels und anderen Beherbergungsbetrieben profitieren unter anderem auch die Gastronomie und der Einzelhandel, darüber hinaus bietet der Tourismus Arbeitsplätze. Die wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus wird mess- und vergleichbar, wenn man die Übernachtungszahlen zu den Bevölkerungszahlen der betrachteten Einheit ins Verhältnis setzt. Für Baden-Württemberg insgesamt wurden 2019 je 1 000 Einwohner 5 166 Übernachtungen gezählt. Die höchsten »Übernachtungsdichten« im Land wiesen dabei der Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald (18 954 Übernachtungen je 1 000 Einwohner), der Stadtkreis Baden-Baden (18 396), der Bodenseekreis (14 870) und der Landkreis Freudenstadt (14 185) auf. In diesen Kreisen war die wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus am höchsten. Eine deutlich geringere, jedoch immer noch weit überdurchschnittliche Übernachtungsdichte ergab sich unter anderem für den Landkreis Ravensburg (10 907), den Stadtkreis Heidelberg (10 306) und den Landkreis Konstanz (9 582).

Fazit und Ausblick

Zum Jahresende 2019 präsentierte sich der Landestourismus als insgesamt betrachtet überaus erfolgreiche Branche. Waren im Verlauf des Jahres 2019 vor allem noch Eintrübungen der Tourismuskonjunktur aufgrund internationaler Entwicklungen wie des Brexit befürchtet worden, so stehen der Tourismuswirtschaft nun angesichts des Corona-Paukenschlags Herausforderungen ganz anderer Dimension ins Haus, die der Nachfrage 2020 schwer zusetzen dürften. Die Betriebe sind gefordert, sich angesichts dieser unerwarteten Wendung globalen Ausmaßes schnell an »das neue Normal« anzupassen, von dem jetzt so oft die Rede ist. Es bleibt zu hoffen, dass sich die starke Prägung Baden-Württembergs als Inlandstourismusdestination dabei als Resilienzfaktor erweisen wird.

1 Siehe auch der Kurzbeitrag zur Tourismusbilanz im 1. Quartal 2020 in dieser Ausgabe.

2 In geöffneten Beherbergungsbetrieben/Campingplätzen mit mindes­tens zehn Schlafgelegenheiten bzw. Stellplätzen.