:: 5/2021

Die Baukonjunktur Baden-Württembergs im Coronajahr 2020

Die Baubranche im Land verzeichnete im Coronajahr 2020 heterogene Entwicklungen. Umsatz und Beschäftigtenzahlen wuchsen im Vergleich zum Vorjahr. Ein weiteres Jahr meldeten die größeren Bau- und Ausbaubetriebe im Südwesten steigende Umsatz- und Beschäftigtenzahlen.1 Neben konjunkturellen Gründen dürften dafür auch die Temperaturen Anfang 2020 gesorgt haben, die fast durchgängig Bauarbeiten zuließen. Auch die Auftragsbücher im Bauhauptgewerbe waren zum Jahresende voll. Die laufenden Auftragseingänge entwickelten sich jedoch rückläufig. So ist nicht zu übersehen, dass der Wert der Auftragseingänge 2020 nicht mehr den Wert des Jahres 2019 erreichen konnte, sondern deutlich darunterblieb.

Umsätze und Auftragseingänge im Bauhauptgewerbe

Tabelle 1 listet die monatlichen Umsätze der größeren bauhauptgewerblichen Betriebe mit 20 oder mehr tätigen Personen und die jeweiligen Auftragseingänge dieser Betriebe von Dezember 2019 bis Dezember 2020 auf. Die Tendenz in der monatlichen Betrachtung war nicht eindeutig auszumachen. Monate mit Umsatzzuwächsen wechselten sich mit Monaten mit Umsatzrückgängen ab. So ist der Dezember immer ein umsatzstarker Monat, da häufig Schlussabrechnungen noch im »alten Jahr« getätigt werden. Dies galt Ende 2020 umso mehr, als der Umsatzsteuersatz von 16 % im neuen Jahr wieder auf 19 % angehoben wurde. Der Januar hingegen fällt dann umsatzmäßig im Vergleich zu anderen Monaten ab. Hinzu kommen im Winter und Frühjahr gegebenenfalls Arbeitsausfälle durch Schlechtwetter, weswegen dann Abschlagszahlungen erst in den Folgemonaten gestellt werden können. Im Winter 2019 und dem darauffolgenden Frühjahr 2020 waren aufgrund des relativ milden Verlaufs allerdings kaum Arbeitsausfälle durch Schlechtwetter zu verzeichnen.

Auch die Tendenz bei den Auftragseingängen zeigte 2020 sowohl negative als auch positive Vorzeichen im Vergleich zu den entsprechenden Vorjahresmonaten. Hier sind im Monatsvergleich keine saisonalen Komponenten ausschlaggebend. Was sich in den Veränderungszahlen niederschlagen kann, sind eingehende Großaufträge bei einzelnen Großbetrieben Baden-Württembergs. Umsätze und Auftragseingänge werden am Sitz des jeweiligen bauhauptgewerblichen Betriebes registriert. Erwirtschaftet bzw. abgearbeitet werden Umsätze und Aufträge aber auf Baustellen in ganz Deutschland.

Die addierten Monatszahlen auf das Jahr 2020 bezogen zeigt Tabelle 2. Die größeren bauhauptgewerblichen Betriebe Baden-Württembergs mit 20 oder mehr tätigen Personen (siehe i-Punkt »Monatsbericht im Bauhauptgewerbe«) erwirtschafteten im abgelaufenen Jahr 2020 14,6 Milliarden (Mrd.) Euro. Das war verglichen mit 2019 ein Plus von 3,3 %. Demzufolge entfielen auf den Hochbau zusammengerechnet rund 8,66 Mrd. Euro, auf den Tiefbau rund 5,75 Mrd. Euro. Die Zahl der baugewerblich tätigen Personen in den befragten Betrieben lag im Jahresdurchschnitt 2020 bei 66 760. Das waren 3,2 % mehr als 2019. Die Zahl der geleisteten baugewerblichen Arbeitsstunden lag 2020 bei rund 84,7 Millionen (Mill.) Stunden (+ 4,1 %). Gemessen an der Entwicklung des Umsatzes, der tätigen Personen und der geleisteten Arbeitsstunden zeigt das Jahr 2020 für das Baugewerbe einen sehr zufriedenstellenden Konjunkturverlauf.

Die Auftragseingänge lagen jedoch mit lediglich rund 11,01 Mrd. Euro und einem Minus von 8,2 % deutlich unter dem Niveau des Vorjahres. Der Einbruch bei den Auftragseingängen im Jahr 2020 zeigten sich ausweislich in Tabelle 2 sowohl im Hochbau als auch im Tiefbau (– 7,1 % bzw. – 9,7 %).

Auftragsbestände des Bauhauptgewerbes

Die Auftragsbestände im Bauhauptgewerbe werden vierteljährlich erhoben. Tabelle 3 zeigt in absoluten Werten und im Vergleich zu 2019 die Bestandsentwicklung im Jahre 2020 nach Bauarten. Je Vierteljahr führten die bauhauptgewerblichen Betriebe zwischen 7,8 Mrd. (4/2019) und 8,6 Mrd. Euro (2/2020) Aufträge in ihren Büchern. Es handelt sich um nominale, nicht inflationsbereinigte Beträge. Diese waren wieder etwas höher als in den vergleichbaren Vorquartalen, jedoch mit abnehmender Tendenz (+ 12,3 % im Quartal 4/2019 und + 2,6 % im Quartal 4/2020). Eine Aufteilung der Auftragsbestände nach Bauarten zeigt, dass sich die Geschäfte im Bau etwas auseinanderentwickeln. Die Bereiche Wohnungsbau und der Wirtschaftstiefbau werden weiterhin gut ausgelastet bleiben.

In der am Auftragsbestand gemessenen größten Bauartengruppe des Wirtschaftshochbaus, das sind überwiegend Hochbauten der Industrie, des Handels, des Gastgewerbes und der Landwirtschaft, scheinen die Investitionen verhaltener zu laufen. Jedenfalls schloss das 4. Quartal 2020 mit 2,4 Mrd. Euro Auftragsbestand im Vergleich zum 4. Quartal 2019 etwas schwächer ab (– 2 %). Der öffentliche Hochbau umfasst zwei umsatzmäßig kleine Bauartengruppen, bei denen einzelne größere Hochbauvorhaben oder deren Ausbleiben auf die jeweiligen Auftragsbestände besonders durchschlagen können, die aber den Hochbautrend insgesamt nicht wesentlich beeinflussen. Dies sind die »Organisationen ohne Erwerbszweck« (zum Beispiel die Kirchen) mit 57 Mill. Euro Auftragsbeständen im 4. Vierteljahr 2020 bzw. die »Gebietskörperschaften und Sozialversicherung« (das sind hauptsächlich Land, Kreise und Gemeinden) mit 341 Mill. Euro im selben Zeitraum.

Die Auftragsbestände im Wirtschaftstiefbau liegen 2020 deutlich über dem Wert von 2019 und führen dazu, dass auch der Tiefbau insgesamt seinen nominalen Auftragsbestand steigern konnte. Zum Wirtschaftstiefbau gehören insbesondere Bauten, die dem Schienenverkehr dienen, einschließlich Tunnelbauten. Im Straßenbau und im sonstigen Tiefbau dominieren aber die negativen Vorzeichen. Das Schaubild visualisiert die Wertindizes der Auftragsbestände im Hoch- und Tiefbau der vergangenen Vierteljahre. Die Wertindizes sind inflationsbereinigt. Die Aufwärtsdynamik der Jahre 2018 und 2019 setzte sich im Jahr 2020 nicht weiter fort. Die Entwicklungskurve hat sich abgeflacht, im Hochbau etwas mehr als im Tiefbau, das Wertniveau ist aber weiterhin hoch.

Die größeren Betriebe des Ausbaugewerbes

Für die größeren Betriebe des Ausbaugewerbes mit 23 oder mehr tätigen Personen (siehe i-Punkt »Ausbaugewerbe«) verlief das Jahr 2020 in konjunktureller Hinsicht erfreulich. Der Umsatz betrug rund 8,1 Mrd. Euro und stieg somit um 5,5 % (Tabelle 4). Rund 54 400 Beschäftigte erhielten Entgelte (überwiegend Löhne und Gehälter) in Höhe von rund 2,2 Mrd. Euro, 5,1 % mehr als noch 2019. Hier ist zu berücksichtigen, dass die Zahl der auskunftspflichtigen Betriebe im Durchschnitt von 1 102 (2019) auf 1 127 (2020) stieg, sodass neben der konjunkturellen Komponente die Veränderungsraten auch von dieser methodischen Komponente beeinflusst werden.

Zum Ausbaugewerbe zählen nach der gültigen Wirtschaftszweigsystematik auch Bauträger. Bauträger erschließen unbebaute Grundstücke zum späteren Verkauf und finanzieren und wickeln Bauvorhaben technisch ab. Diese Gruppe umfasste 2020 nur rund 31 Betriebe. Die ausgewiesenen Umsatz- und Beschäftigtenzahlen schlagen deshalb aus methodischen Gründen in größerem Umfang nach oben oder unten aus, was hier immer berücksichtigt werden sollte. Im Jahr 2020 rechneten die Bauträger Baden-Württembergs einen Umsatz in Höhe von 1,5 Mrd. Euro ab, 19,3 % mehr als 2019 (Tabelle 4).

Ausblick

Im Jahr 2021 steigen für das Baugewebe insgesamt die »Unwägbarkeiten«. Der Wohnungsbau wird weiterhin von einer hohen Nachfrage profitieren, zumal eine hohe Zahl an Wohnungsbauvorhaben 2020 genehmigt wurden. Weiterhin müssen Bauten die 2020 (oder früher) begonnen wurden, weitergeführt werden und generieren weitere Abschlagszahlungen. Dies wird sich in positiven Impulsen für die bauausführende Wirtschaft niederschlagen. Im Wirtschaftshochbau (Bau von Nichtwohngebäuden) dürfte die Entwicklungsdynamik nachlassen. Das Weitere wird von der Investitionsneigung der Unternehmen bzw. von der allgemeinen Konjunkturentwicklung abhängen. Im Tiefbau sind die Auftragsbücher noch gut gefüllt. Einiges hängt davon ab, ob Land, Kreise und Gemeinden im selben Umfang wie in den Vorjahren in den Erhalt von Straßen und Infrastrukturbauwerken (zum Beispiel Wasser- und Abwasserkanäle) investieren, letzteres ist dem »sonstigen Tiefbau« zuzurechnen. Für bekannte Großbaustellen im Land, die dem »Wirtschaftstiefbau« zuzurechnen sind und worunter wie gesagt auch Schienen- und Tunnelprojekte im Bundesauftrag fallen, wurden die Haupttranchen zum guten Teil schon vergeben.