:: 5/2022

Situation der Tourismusbranche in Baden-Württemberg im Coronajahr 2021 – Vergleich mit dem Vorkrisenjahr 2019

Baden-Württemberg erfreute sich in den Jahren vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie als Reiseziel stetig wachsender Beliebtheit. Seit 2010 waren die Gäste- und Übernachtungszahlen in den Beherbergungsbetrieben im Südwesten kontinuierlich angestiegen. 2019 erreichte die Tourismusbranche im Land mit rund 23,3 Millionen (Mill.) Gästen und über 57 Mill. Übernachtungen ein Rekordergebnis. Im 1. Coronajahr 2020 hat sich die Zahl der Gästeankünfte allerdings nahezu halbiert und lag nur noch bei rund 11,9 Mill. Dementsprechend reduzierte sich die Zahl der Übernachtungen auf 34,2 Mill. Im 2. Coronajahr 2021 waren lediglich leichte Erholungstendenzen erkennbar. Die Zahl der Gästeankünfte lag 2021 in den rund 6 200 geöffneten Beherbergungsbetrieben1 mit knapp 12 Mill. nur geringfügig über dem Vorjahresergebnis: Gegenüber 2020 kamen rund 92 200 oder 0,8 % mehr Gäste in den Betrieben an. Die Zahl der Übernachtungen stieg leicht auf 35,6 Mill., das waren 1,4 Mill. oder 4,1 % mehr als im Vorjahr.

Um Aussagen zur aktuellen Lage der Tourismusbranche in Baden-Württemberg treffen zu können, wird im folgenden Beitrag die Situation des Jahres 2021 mit dem Vorkrisenniveau von 2019 verglichen. Hier zeigt sich, dass auch im 2. Coronajahr das Vorkrisenniveau weit außerhalb der Reichweite geblieben ist: Die Zahl der Gäste lag 2021 um 48,5 % unterhalb der Werte für 2019, die der Übernachtung um 37,7 %. Der Vergleich der Gäste- und Übernachtungszahlen in den Monaten Januar bis Dezember 2021 mit denen des Jahres 2019 zeigt, dass die Werte in allen Monaten unter denen des Vorkrisenjahres 2019 liegen (Schaubild 1, Tabelle 1).

Vergleich Baden-Württemberg mit anderen Ländern

Im Jahr 2019 wurden bundesweit über 190 Mill. Gäste mit rund 496 Mill. Übernachtungen gezählt. Baden-Württemberg war mit über 57 Mill. Übernachtungen nach Bayern (rund 101 Mill. Übernachtungen) das zweitwichtigste Reiseziel in Deutschland. Das Jahr 2021 zeigte für den Tourismus in Deutschland gegenüber dem Vorkrisenniveau von 2019 ein Minus von 49,3 % Gästen und 37,4 % Übernachtungen. Die Entwicklung in Baden-Württemberg (Gäste: – 48,5 %, Übernachtungen: – 37,7 %) lag damit in etwa im Bundesdurchschnitt. Auch im wichtigsten innerdeutschen Reiseziel Bayern (Gäste: – 51,1 %, Übernachtungen: – 39,6 %) entsprach die Entwicklung gegenüber dem Vorkrisenjahr 2019 in etwas dem Deutschlandtrend. Anders in Berlin (Gäste: – 63,3 %, Übernachtungen: – 59,1 %) und Hamburg (Gäste: – 56,4 %, Übernachtungen: – 51,0): In den Stadtstaaten waren die Auswirkungen der Coronakrise auf die Tourismusbranche sehr viel ausgeprägter. Demgegenüber zeigten sich die Nord- bzw. Ostseeanrainer Schleswig-Holstein (Gäste: – 26,1 %, Übernachtungen: – 10,0 %) und Mecklenburg-Vorpommern (Gäste: – 34,7 %, Übernachtungen: – 22,2 %) relativ krisenresistent: Im bundesweiten Vergleich waren in diesen Ländern die Einbußen bei den Gäste- und Übernachtungszahlen mit Abstand am geringsten.

Auslandsgeschäft stärker eingebrochen als Inlandstourismus

Baden-Württemberg ist traditionell ein stark vom Inlandstourismus geprägtes Reiseziel (Schaubild 2, Tabelle 2). Dies hat wohl mit dazu beigetragen, dass der Tourismus in Baden-Württemberg infolge der Corona-Pandemie nicht noch stärker rückgängig war. Im Vorcoronajahr 2019 wurden 78,6 % der Übernachtungen von Gästen mit Wohnsitz in Deutschland gebucht und 21,4 % von Reisenden aus dem Ausland. Allerdings war die positive Gesamtentwicklung des Landestourismus in den Jahren vor der Coronakrise nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen, dass Baden-Württemberg für ausländische Reisende stark an Anziehung gewonnen hatte: In den Jahren 2010 bis 2019 stieg die Zahl der Gäste aus dem Ausland mit 54 % deutlich stärker an als die der Reisenden aus Deutschland (+ 35,4 %). Die Zahl der Übernachtungen von internationalen Gästen stieg im selben Zeitraum um 52,6 %; die von Touristen aus Deutschland nur um 26,6 %. Mit Beginn der Corona-Pandemie ist das Geschäft mit den Gästen aus dem Ausland viel stärker eingebrochen als das mit den inländischen Gästen. Im 1. Coronajahr 2020 ging die Zahl der Übernachtungen ausländischer Gäste um 60 % zurück, die der Gäste mit Wohnsitz in Deutschland um »nur« 34,8 %. Im Jahr 2021 sank die Zahl der Übernachtungen ausländischer Gäste um weitere 2,3 %, während bei den Reisenden aus Deutschland eine Zunahme der gebuchten Übernachtungen um immerhin plus 5,1 % zu verzeichnen war. Der Anteil der Übernachtungen ausländischer Gäste lag somit 2021 nur noch bei 13,4 %.

Zwei Drittel des Rückgangs an Übernachtungen entfällt auf Hotels und Hotels garnis

Betrachtet man die Auswirkungen der Coronakrise auf die verschiedenen Betriebsarten, so wird deutlich, dass im Vergleich 2021 zu 2019 die höchsten prozentualen Rückgänge bei den Jugendherbergen und Hütten (– 65,2 %), den Erholungs- und Ferienheimen (– 56,9 %) und den Schulungsheimen (– 53,6 %) zu beobachten waren. Die Hotels (– 45,8 %) und die Hotels garnis (– 39,3 %) nehmen in diesem Ranking zwar »nur« die Plätze 4 und 5 ein. Gemessen an den absoluten Veränderungsraten wurden diese Unternehmen jedoch mit Abstand am härtesten von den Folgen der Coronasituation getroffen. So verzeichneten die Hotels im Jahr 2021 gegenüber 2019 insgesamt rund 10,6 Mill. Übernachtungen weniger als 2019. Die Hotels garni lagen um ca. 3,3 Mill. Übernachtungen unter dem Level von 2019. Auf den in Baden-Württemberg verzeichneten Rückgang von insgesamt rund 21,6 Mill. Übernachtungen gegenüber 2019 entfielen nahezu zwei Drittel (64,5 %) allein auf Hotels und Hotels garnis.

Regionale Auswirkungen der Coronakrise auf Übernachtungszahlen

Die von allen Reisegebieten im Land mit Abstand stärksten Einbußen durch die Coronakrise hatte die Region Stuttgart zu verzeichnen. Gegenüber 2019 gingen die Übernachtungszahlen in der Landeshauptstadt und ihrem Umland um 53,9 % zurück. An zweiter Stelle steht das Reisegebiet Nördliches Baden-Württemberg mit einem Minus bei den Übernachtungszahlen von 44 %. Während die Entwicklungen im Schwarzwald (– 33,9 %) und auf der Schwäbischen Alb (– 37,5 %) mehr oder weniger im Landesdurchschnitt von – 37,7 % lagen, konnten sich die Reisegebiete im Süden Baden-Württembergs mit Hegau (– 20,8 %), Bodensee (– 23,6 %) und Württembergisches Allgäu-Oberschwaben (– 29,1 %) vergleichsweise am besten behaupten. Diese sehr unterschiedlich stark ausgeprägten Rückgänge der Übernachtungszahlen in den Reisegebieten des Landes zeigen einmal mehr, dass der Sektor Geschäfts- und Städtereisen durch die Coronasituation weitaus stärker zurückgeworfen wurde als der Bereich Erholungs- und Urlaubsreisen. So werden geschäftliche bzw. dienstliche Veranstaltungen oder Meetings, die früher häufig eine Städtereise notwendig machten, seit Beginn der Corona-Pandemie im hohen Maße durch technische Lösungen (Webkonferenzen etc.) ersetzt. Auf private Reisen in die beliebten Urlaubsregionen des Landes hingegen wurde – vor allem in den Sommermonaten – weniger verzichtet, zwei Trends, die sich in den Gäste- und Übernachtungszahlen deutlich abzeichnen.

Diese Tendenz zeigt sich nochmal im Detail bei der Betrachtung der Veränderung der Übernachtungszahlen 2021 gegenüber 2019 in den Stadt- und Landkreisen des Landes (Schaubild 3, Tabelle 3). Nicht zufällig weisen nahezu alle Stadtkreise deutlich überdurchschnittliche Einbußen bei den Übernachtungszahlen auf. So gingen die Übernachtungszahlen in Stuttgart um 60,1 % zurück, in Heidelberg um 51,1 % und in Mannheim um 48,2 %. Demgegenüber waren die Einbußen in den beliebten Urlaubsstandorten wie Konstanz (– 20,9 %) oder Bodenseekreis (– 25,2 %) deutlich geringer.

Wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus

Der Tourismus ist nicht zuletzt auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für das Land Baden-Württemberg. Neben Hotels und anderen Beherbergungsbetrieben profitieren auch weitere Branchen, wie zum Beispiel die Gastronomie, der Einzelhandel, Kultur- und Freizeiteinrichtungen. Darüber hinaus bieten diese Unternehmen auch Arbeitsplätze. Wie in den Coronajahren 2020 und 2021 schmerzhaft deutlich wurde, ziehen rückläufige Entwicklungen im Tourismus empfindliche Einbußen auch in vielen anderen Wirtschaftsbereichen nach sich.

Die wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus wird auch deutlich, wenn die Übernachtungszahlen den Bevölkerungszahlen gegenübergestellt werden. Für Baden-Württemberg insgesamt wurden für das Jahr 2019 noch 5 166 Übernachtungen je 1 000 Einwohner gezählt, für 2021 nur noch 3 208, ein Rückgang um 37,9 %. Vor der Coronakrise, im Jahr 2019, wurden im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald mit 18 954 Übernachtungen pro 1 000 Einwohnern, in Baden-Baden (18 396) und im Bodenseekreis (14 870) die höchsten Übernachtungsdichten erzielt. Im Jahr 2021 lagen die Übernachtungsdichten im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald nur noch bei 12 722 Übernachtungen je 1 000 Einwohner (ein Rückgang um 32,6 %), in Baden-Baden bei 9 647 (– 47,6 %) und im Bodenseekreis bei 11 034 (– 25,8 %). Damit wird auch durch die Analyse der Übernachtungsdichten deutlich, dass in der Coronakrise die Resilienz von Urlaubs- und Erholungsstandorten wesentlich höher war als die von städtischen Reisezielen. Nicht überraschen dürfte, dass der Stadtkreis Stuttgart im Vergleich der Jahre 2021 gegenüber 2019 mit – 59,8 % den höchsten prozentualen Rückgang der Übernachtungsdichte von allen baden-württembergischen Stadt- und Landkreisen aufwies.

Fazit und Ausblick

Die Zahlen aus der Tourismusstatistik für die Jahre 2019, 2020 und 2021 zeigen, dass der Landestourismus infolge von Corona schwere Einbußen zu tragen hat, und dass die Gäste- und Übernachtungszahlen auch 2021 deutlich hinter dem Vorkrisenniveau zurückblieben. Die Anfang des Jahres 2022 sich anbahnenden Entwicklungen lassen allerdings befürchten, dass es für den Tourismus auch weiterhin schwierig bleiben könnte. Die zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses dieses Beitrags sehr hohen Corona-Fallzahlen zeigen, dass die Pandemie noch immer nicht überwunden ist. Weitere Coronawellen bzw. das Aufkommen von neuen, ggfs. wieder gefährlicheren Virusvarianten können nicht ausgeschlossen werden. Hinzu kommen die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine unter anderem auf die Kosten von Energie, Treibstoff und Lebensmitteln, die die Bevölkerung zu einer größeren Zurückhaltung im Hinblick auf den Luxus Reisen zwingen könnte, zumal sich durch die oben genannten Entwicklungen auch die Betriebskosten in den Unternehmen der Tourismusbranche und damit die Kosten für Übernachtungen und Restaurants verteuern dürften.

1 In geöffneten Beherbergungsbetrieben/auf Campingplätzen mit mindestens zehn Schlafgelegenheiten/Stellplätzen zum Stichtag 31. Juli 2021.