:: 5/2023

Rückkehr zur Normalität? Wie hat sich der Tourismus in Baden-Württemberg während der Pandemie entwickelt?

Die Corona-Pandemie hatte gravierende Auswirkungen auf den Tourismus. Besonders die Jahre 2020 und 2021 waren von Maßnahmen zur Kontaktreduzierung geprägt, die teilweise stark in den Alltag eingriffen. Zeitweise mussten private Reiseaktivitäten eingestellt werden, da Beherbergungsbetriebe keine touristischen Gäste aufnehmen durften. Darüber hinaus blieben die Gastronomie und Teile des Einzelhandels geschlossen, und auch das Freizeitangebot war stark eingeschränkt. Dies alles belastete den Tourismus – weltweit wie auch in Baden-Württemberg. Im Dezember 2022 wurde die Pandemie dann zu einer Endemie erklärt. Seit dem Ende der Maskenpflicht im öffentlichen Fern- und Nahverkehr im Februar 2023 sind die allermeisten Pandemie-Maßnahmen aus unserem Alltag verschwunden. Doch haben die knapp 3 Jahre Pandemie den Tourismus in Baden-Württemberg nachhaltig verändert? Wie stark sind die Gäste- und Übernachtungszahlen eingebrochen und wie verläuft die Entwicklung seither?

Die stark eingebrochenen Übernachtungszahlen erholen sich deutlich im Jahr 2022

Nachdem sich die Zahl der Übernachtungen bis 2019 kontinuierlich vergrößert hatte, brach sie im 1. Pandemiejahr 2020 im Vergleich zu 2019 insgesamt um 40,2 % stark ein (Tabelle 1). Zu Beginn der Pandemie ab März 2020 und im ersten Pandemiewinter galten starke Kontaktbeschränkungen. Unter anderem durften die Beherbergungsbetriebe in dieser Zeit keine Gäste, die zu touristischen Zwecken kamen, aufnehmen.

Im 2. Pandemiejahr 2021 stieg die Zahl der Übernachtungen im Vergleich zu 2020 leicht um 4,1 %. Auch 2021 war von Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie betroffen. 2022 holte die Zahl der Übernachtungen im Südwesten dann stark auf: sie stieg um 46,7 % im Vergleich zu 2021. Damit verfehlten die Übernachtungen 2022 (52,3 Millionen (Mill.)) das Vor-Pandemie Niveau von 2019 (57,2 Mill.) »nur« noch um 8,6 %.

Zahl der Übernachtungen in den Sommermonaten auch während der Pandemie hoch

Während der Pandemie verkürzte sich die Tourismus-Saison deutlich. Vor allem in den Wintermonaten übernachteten spürbar weniger Gäste in Baden-Württemberg als vor der Pandemie. Es zeigt sich jedoch außerdem, dass in den beiden am stärksten von der Pandemie betroffenen Sommern 2020 und 2021 sehr wohl gereist wurde: die Zahl der Übernachtungen von inländischen Gästen erreichte in den allgemein starken Sommermonaten ein vergleichbares Niveau wie vor der Pandemie. Im Sommer des Jahres 2020 blieb der stärkste Monat August mit 4,5 Mill. inländischen Übernachtungen nicht weit hinter dem stärksten Monat Juli 2019 mit 4,8 Mill. inländischen Übernachtungen zurück. Der August 2021 übertraf mit 5,2 Mill. Übernachtungen von inländischen Gästen sogar das Vor-Pandemie-Niveau (Schaubild 1).

Merklich litt allerdings die Zahl der Übernachtungen von ausländischen Gästen während der Pandemie: während die Zahl der Über­nachtungen von inländischen Touristinnen und Touristen 2020 um 34,8 % im Vergleich zu 2019 sank, brach die Zahl der Übernachtungen von Gästen aus dem Ausland um 60 % ein. Im 1. Pandemiejahr entfielen nur noch 14,3 % der Übernachtungen auf Gäste aus dem Ausland, im 2. Pandemiejahr nur 13,4 %. 2019 waren es noch 21,4 % gewesen (Tabelle 1).

Auch in den starken Sommermonaten konnten die ausländischen Übernachtungen 2020 und 2021 das Vor-Pandemie-Niveau bei Weitem nicht erreichen. Doch seit 2022 scheinen sich die Übernachtungszahlen der ausländischen Touristinnen und Touristen zu erholen: mit 1,5 Mill. Übernachtungen im stärksten Sommermonat August 2022 blieb die Zahl nur leicht hinter dem stärksten Sommermonat Juli 2019 (1,7 Mill. Übernachtungen) zurück (Schaubild 1). Insgesamt lag der Anteil ausländischer Übernachtungen 2022 wieder bei 19 %. Zwar erreicht diese Zahl den Vor-Pandemie-Wert von 21,4 % nicht ganz, tendenziell scheinen sich die Anteile aber wieder zu erholen.

Einige Kreise übertrafen 2022 das Vorkrisenniveau

Während in Baden-Württemberg im Jahr 2021 im Hinblick auf die Übernachtungszahlen das Vor-Krisen-Niveau von 2019 noch um – 37,7 % verfehlt wurde, gab es 2022 nur noch einen Rückstand von – 8,6 %. Am stärksten war die Zahl der Übernachtungen 2021 im Stadtkreis Stuttgart eingebrochen (um – 60,1 %), gefolgt vom Landkreis Esslingen (– 57,6 %) und dem Rems-Murr-Kreis (– 52,8 %). Eine mögliche Erklärung, warum vor allem die Region rund um die Landeshauptstadt Stuttgart die höchsten Einbrüche zu verzeichnen hatte, könnte die stark verminderte Zahl der Geschäftsreisen in die Wirtschaftsregion Stuttgart sein, unter anderem da in dieser Zeit keine Messen und großen Veranstaltungen stattfanden. 2021, als sich viele Kreise im Vergleich zu 2020 schon etwas erholten, gab es in Stuttgart und Esslingen nochmals leichte Rückgänge (Stuttgart – 1,1 %, Esslingen – 1,2 %). Infolge des niedrigen Ausgangsniveaus verzeichneten diese Kreise 2022 die höchsten Zuwächse im Vergleich zum Vorjahr. Den stärksten Zuwachs gab es im Stadtkreis Stuttgart mit 102,9 %, gefolgt von Esslingen (+ 79,1 %) und Heilbronn (+ 77,3 %) (Schaubild 2). Das Vor-Pandemie-Niveau erreichte jedoch noch keiner der drei genannten Kreise. Es gibt sie aber – die Kreise, die 2022 sogar besser abschnitten als 2019: auf Platz 1 liegt hier der Stadtkreis Freiburg im Breisgau, der 2022 11,9 % mehr Übernachtungen verzeichnete als 2019. Auch im Alb-Donau-Kreis (+ 5,2 %), im Landkreis Konstanz (+ 4,1 %), im Ortenaukreis (+ 3,7 %) und in Pforzheim (+ 3,7 %) übernachteten im Jahr 2022 mehr Gäste als 2019.

Autarke Beherbergungsarten verzeichnen 2022 mehr Übernachtungen als 2019

Auch einige Beherbergungsarten verzeichneten 2022 mehr Übernachtungen als vor der Pandemie. Ferienhäuser, -wohnungen und Ferienzentren zählten 2022 im Vergleich zu 2019 15,5 % mehr Übernachtungen (Schaubild 3). Offensichtlich verschaffte die Pandemie dieser Art der Beherbergung Aufwind, galt es während der Pandemie, Kontakte zu reduzieren. Dies gelingt in einer Ferienwohnung besser als in einem Hotel oder in einer Jugendherberge, wo viele Menschen aufeinandertreffen. Auf Platz 2 der Betriebsarten, die 2022 besser abschnitten als vor der Pandemie stehen die Campingplätze, mit 8,4 % mehr Übernachtungen als 2019. In den Hotel garnis, das heißt in Hotels, die abgesehen von der Übernachtung höchstens ein Frühstück, aber keine weiteren Mahlzeiten anbieten, übernachteten ebenfalls etwas mehr Gäste als vor der Pandemie (2,4 %). Die übrigen Betriebsarten verzeichneten Rückgange zwischen – 11,5 % und – 21,7 % gegenüber dem Vor-Pandemie-Niveau von 2019.

Weiterhin zeigten alle Betriebsarten 2022 starke Erholungs-Effekte gegenüber dem von der Pandemie geprägten Vorjahr 2021. Durchschnittlich zählten die Betriebe insgesamt um 46,7 % mehr Übernachtungen als 2021. Noch stärker als der Durchschnitt wuchs die Zahl der Übernachtungen in Jugendherbergen und -hütten (+ 124,8 % gegenüber 2021), welche 2020 besonders stark eingebrochen waren. Unterdurchschnittlich erholten sich Vorsorge- und Rehakliniken (+ 5 %).

Wer macht Urlaub im Südwesten?

Den größten Anteil der Übernachtungen (81 %) machten 2022 Touristinnen und Touristen aus Deutschland aus (Schaubild 4). Knapp jede fünfte Übernachtung wurde von Gästen aus dem Ausland gebucht. Die meisten ausländischen Gäste stammten aus den direkten Nachbarländern: der Schweiz (23,7 % der ausländischen Übernachtungen und 4,5 % aller Übernachtungen), gefolgt von Übernachtungen von Gästen aus den Niederlanden (13 % der ausländischen Übernachtungen und 2,5 % aller Übernachtungen) und aus Frankreich (9,1 % der ausländischen Übernachtungen und 1,7 % aller Übernachtungen).

Wie lange bleiben die Gäste?

Am kürzesten war die Aufenthaltsdauer 2022 und auch die Jahre zuvor in Hotels, Gasthöfen und Pensionen. 2022 übernachteten inländische Gäste durchschnittlich 2 Nächte in Betrieben der Hotellerie, ausländische Gäste 2,1 Nächte (Schaubild 5). Etwas länger verbrachten Gäste in Jugendherbergen und -hütten. Deutsche Gäste übernachteten dort 2022 im Mittel 2,5 Nächte, ausländische Gäste 2,7 Nächte. Am längsten war die Aufenthaltsdauer in Ferienhäusern, -wohnungen und Ferienzentren. Deutsche Gäste schliefen dort 2022 durchschnittlich 4,7 Nächte, Gäste aus dem Ausland 6 Nächte. In fast allen Beherbergungsarten blieben ausländische Gäste länger als deutsche, was nahe liegt, betrachtet man den in der Regel längeren Anfahrtsweg. Nur in einer Beherbergungsart verweilten inländische Gäste länger als ausländische Gäste: auf Campingplätzen. Dort übernachteten inländische Gäste 2022 durchschnittlich 3,2 Nächte, ausländische 2,6 Nächte.

Auffällig ist außerdem, dass sich die Dauer des Aufenthaltes in den beiden am stärksten von der Pandemie betroffenen Jahren 2020 und 2021 in allen Betriebsarten verlängerte. Blieben die Gäste (in- und ausländische) in den Jahren 2016 bis 2019 durchschnittlich 2,2 Nächte, waren es 2020 und 2021 2,5 Nächte. Im Jahr 2022, wo bereits annähernd wieder Normalität herrschte, sank diese Dauer wieder auf 2,3 Nächte.1

Immer weniger kleine und mittlere Betriebe, Zahl der großen Betriebe steigt

Eine Entwicklung, die nicht erst seit der Pandemie sichtbar wird, sondern schon davor begann, betrifft die Größe der Betriebe.2 Es ist zu beobachten, dass es immer weniger kleine und mittlere Betriebe gibt während die Zahl der großen Betriebe steigt. Gab es 2019 noch 1 612 Betriebe ab zehn bis einschließlich 19 Zimmern, waren es 2022 noch 1 474, was einem Rückgang von 8,6 % entspricht (Schaubild 6). Auch in der nächst kleineren Kategorie, bei den Betrieben, die zwischen einem und neun Zimmern haben, verringerte sich die Zahl der Betriebe spürbar. Waren es dort 2019 noch 920 Betriebe, sank die Zahl bis 2022 auf 781, was einem Rückgang von 15,1 % entspricht.

Auch in den nächst größeren Kategorien, bei den Betrieben mit 20 bis 24 und 25 bis 49 Zimmern, sieht man rückläufige Tendenzen, die allerdings weniger stark ausgeprägt sind als in den ersten beiden Größenklassen. So nahmen Betriebe mit 20 bis 24 Betten zwischen 2019 und 2022 um 3,8 % ab, Betriebe mit 25 bis 49 Betten nahmen um 6,5 % ab.

Bei den großen Betrieben dagegen ist eine entgegengesetzte Tendenz zu beobachten. Betriebe ab 100 Zimmern nahmen im Verlauf der letzten 4 Jahre deutlich zu. Gab es 2019 noch 224 Betriebe, die mehr als 100 Zimmer hatten, waren es 2022 schon 247, was einem Zuwachs von 10,3 % entspricht. Der Zuwachs bei den Betrieben zwischen 50 und 99 Zimmern beträgt 2,2 %. Die Zahl der kleineren und mittleren Betriebe nimmt also ab, die Zahl der größeren Betriebe wächst. Eine mögliche Erklärung hierfür könnte sein, dass große Betriebe Ressourcen effizienter nutzen können. Durch die gestiegene Inflation und den dadurch erhöhten Preisdruck könnte sich diese Entwicklung auch in den nächsten Jahren fortsetzen.

Fazit und Ausblick

Die Daten der Tourismusstatistik zeigen, dass die Zahl der Gäste und der Übernachtungen während der Pandemie zwar stark zurückging, sich aber seit 2022 spürbar erholt. Zwar blieb die Anzahl der Übernachtungen für die meisten Betriebsarten sowie für die meisten Stadt- und Landkreise im Jahr 2022 noch hinter dem Vor-Pandemie-Niveau zurück, doch gab es 2022 große Aufholeffekte gegenüber den am stärksten von der Pandemie betroffenen Jahren 2020 und 2021. 2022 näherten sich die Zahlen bereits wieder den Vor-Pandemie-Jahren an und die touristische Saison dauerte länger. Einige Stadt- und Landkreise und einige Betriebsarten übertrafen 2022 das Vor-Pandemie-Niveau von 2019 sogar.

2023 wird neue Herausforderungen für den Tourismus mit sich bringen. Die gestiegenen Kosten für Energie und Lebenshaltung dürften sich auch in höheren Preisen für Übernachtungen widerspiegeln, während sie gleichzeitig das Reise-Budget schmälern. Andererseits könnte auch ein wachsendes Umweltbewusstsein die Attraktivität des Urlaubs im eigenen Land steigern. Wie sich diese Entwicklungen auf die baden-württembergischen Beherbergungsbetriebe auswirken, lässt sich aus den monatlichen Zahlen der amtlichen Tourismusstatistik ablesen.

1 Bei der Berechnung der durchschnittlichen Aufenthaltsdauern wurden Vorsorge- und Rehabilitationskliniken sowie Schulungsheime nicht berücksichtigt.

2 Einmal im Jahr werden Hotels, Gasthöfe und Pensionen zusätzlich zu den Merkmalen, die monatlich erhoben werden, auch nach der Anzahl ihrer Gästezimmer befragt. Anhand dessen werden die Betriebe in verschiedene Größenklassen eingeteilt. Zu Analysezwecken wurden für diesen Artikel Größenklassen zusammengefasst: die Betriebe mit unter sechs Zimmern und Betriebe mit zwischen sechs und neun Gästezimmern. Die Zahlen zu den kleinsten Betrieben mit weniger als sechs Gästezimmern sind jedoch nur eingeschränkt interpretierbar, da die Monatserhebung im Tourismus eine Erhebung mit Abschneidegrenze von zehn Schlafgelegenheiten ist. Das heißt, dass nur Betriebe mit zehn oder mehr Betten bzw. Campingplätze mit zehn oder mehr Stellplätzen befragt werden. Die Zahlen in Schaubild 6 unterschätzen also die Anzahl der kleinen Betriebe mit weniger als zehn Betten.