:: 5/2023

Welche Schule soll es für mein Kind sein?

Übergänge von Grundschulen auf weiterführende Schulen in Baden-Württemberg

Am Ende eines jeden Schuljahres stehen die Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern nach erfolgreichem Beenden der vierten Klassenstufe an Grundschulen vor einer wichtigen Frage: Auf welche Schule soll das Kind wechseln? Der folgende Monatsheftbeitrag zeigt, dass die Wahl in den letzten Jahrzehnten immer häufiger auf das Gymnasium fällt. Bereits seit dem Schuljahr 2001/02 wechseln jährlich die meisten Schülerinnen und Schüler von der Grundschule auf ein Gymnasium. Der Abstand zwischen dem Gymnasium als beliebteste Schulart zu Werkreal-/Hauptschulen, Realschulen und seit 2012/13 auch zu Gemeinschaftsschulen steigt dabei sogar stetig. Der Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung zum Schuljahr 2012/13 hat diese Tendenz zusätzlich verstärkt, da fortan ohne Teilnahme an einem Aufnahmeverfahren auf eine formal höhere Schulart gewechselt werden kann.

Unterschiede im Übergangsverhalten gibt es zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund, wobei diejenigen mit Migrationshintergrund seltener auf ein Gymnasium wechseln. Weitere Unterschiede gibt es zwischen den verschiedenen Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs.

Stetig steigender Anteil der Übergänge auf Gymnasien

Der Anteil der Schülerinnen und Schüler, der von einer Grundschule1 auf ein Gymnasium wechselt, steigt seit nunmehr über 30 Jahren. Zum Schuljahr 2022/23 wechselten mit 45 % beinahe die Hälfte der Viertklässlerinnen und Viertklässler auf diese Schulart. Mit lediglich 5,3 % fiel die Wahl für jedes zwanzigste Kind auf eine Werkreal-/Hauptschule. Dies ist der niedrigste Wert seit Erhebung durch das Statistische Landesamt. Bis zum Schuljahr 2000/01 wechselten jährlich noch die meisten Schülerinnen und Schüler von der Grundschule auf eine Werkreal-/Hauptschule. Mit einem Anteil von 34,2 % auf Werkreal-/Hauptschulen, 30,6 % auf Realschulen und 33,7 % auf Gymnasien waren die Übergänge in diesem Jahr annähernd gleichmäßig verteilt. In den Folgejahren sank der Anteil der Übergänge auf die Werkreal-/Hauptschule, während die Anteile von Übergängen auf Realschulen und Gymnasien stiegen.

Auffällig ist die relativ große Veränderung der verschiedenen Übergangsquoten seit dem Schuljahr 2012/13. Zu diesem Schuljahr wurde die Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung von Lehrkräften (i-Punkt) aufgehoben, woraufhin der Anteil von Schülerinnen und Schülern, die auf eine Werkreal-/Hauptschule wechselten, um 7,9 Prozentpunkte auf 15,8 % sank. Die Anteile der Übergänge auf Realschulen (+ 2,9 Prozentpunkte) und Gymnasien (+ 3 Prozentpunkte) stiegen dagegen. Das Schuljahr 2012/13 war zudem das erste Jahr, in dem Schülerinnen und Schüler auf eine Gemeinschaftsschule wechseln konnten. 1,7 % der Viertklässlerinnen und Viertklässler nahmen damals diese neue Möglichkeit wahr und wechselten auf eine der ersten 42 Gemeinschaftsschulen im Land. Bis zum Schuljahr 2020/21 stieg der Anteil der Übergänge auf Gemeinschaftsschulen stetig auf 13,6 % an. Innerhalb der letzten beiden Schuljahre stabilisierte sich der Anteil auf einem Niveau von 13,4 % (Schaubild 1).

Grundschulempfehlung wird bei mehr als 20 % der Kinder nicht gefolgt

Seit dem Schuljahr 2012/13 sind Eltern bei der Entscheidung über die weiterführende Schule ihrer Kinder nicht mehr an die Empfehlung der jeweiligen Grundschule des Kindes gebunden. Bis zu diesem Schuljahr war es Kindern nur dann möglich, auf eine höhere als der empfohlenen Schulart zu wechseln, wenn das Kind eine zusätzliche Prüfung bestand. Folglich wechselten bis einschließlich des Schuljahres 2011/12 nie mehr als 2 % der Kinder auf eine formal höhere Schulart als empfohlen (Schaubild 2). Der Wechsel auf eine formal niedrigere Schulart war dagegen seit jeher unproblematisch möglich. Von dieser Möglichkeit machte zwischen 2005/06 (7,7 %) und 2011/12 (10,6 %) ein zunehmender Anteil Gebrauch.

Mit Aufhebung der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung zum Schuljahr 2012/13 stieg der Anteil derjenigen, die ohne entsprechende Empfehlung auf die nächsthöhere2 Schulart wechselten auf 13,3 %. Dazu wechselten 0,4 % trotz Empfehlung für die Werkreal-/Hauptschule auf ein Gymnasium. Zum aktuellen Schuljahr 2022/23 lag der Anteil der Übergänge ohne entsprechende Empfehlung auf die nächsthöhere Schulart bei 12,1 %, der Anteil der Wechsel auf ein Gymnasium mit Empfehlung für die Werkreal-/Hauptschule bei 0,5 %. Auf eine formal niedrigere3 Schulart als in der Empfehlung enthalten, wechselten insgesamt 8,8 % – darunter 0,1 %, die trotz Empfehlung für das Gymnasium auf eine Werkreal-/Hauptschule wechselten. Auf die formal höchste Schulart der Grundschulempfehlung4 wechselten zum aktuellen Schuljahr mit 78,6 % knapp vier Fünftel aller Kinder.

Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund wechseln seltener auf das Gymnasium

Bei der Betrachtung des Übergangsverhaltens von Kindern ohne bzw. mit unterschiedlichem Migrationsstatus zeigen sich deutliche Unterschiede (Schaubild 3). Von den Viertklässlerinnen und Viertklässlern, die zum Schuljahr 2022/23 auf eine weiterführende Schule wechselten, hatten 71,1 % keinen Migrationshintergrund5, 16,5 % waren Deutsche mit Migrationshintergrund und 12,4 % hatten keine deutsche Staatsangehörigkeit. Bei identischem Wechselverhalten müssten die Anteile der drei Gruppen dem Anteil aller Übergänge entsprechen (siehe horizontale Linien in Schaubild 3). Kinder ohne Migrationshintergrund wechseln überproportional häufig auf das Gymnasium. Ihr Anteil von 77,3 % an den Übergängen auf das Gymnasium beträgt 6,2 Prozentpunkte mehr als ihr Anteil an allen Übergängen. Für Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund, die auf eine Werkreal-/Hauptschule oder Realschule gehen, liegt hier der Anteil über ihrem Gesamtanteil. Es zeigt sich zudem, dass überproportional viele Schülerinnen und Schüler, die die vierte Klassenstufe wiederholen, einen Migrationshintergrund haben. Unter den ausländischen Schülerinnen und Schülern lag die Quote der Wiederholenden 6,3 Prozentpunkte über ihrem Anteil an allen Viertklässlerinnen und Viertklässlern, bei Deutschen mit Migrationshintergrund lag der Anteil 2,9 Prozentpunkte darüber.

Regionale Heterogenität bei Übergängen

Der Kreisvergleich der Übergangsquoten zeigt deutliche regionale Unterschiede bei der Wahl der weiterführenden Schule (Tabelle). In allen Stadtkreisen bis auf Pforzheim sowie den Landkreisen Esslingen, Ludwigsburg, Rhein-Neckar, und Tübingen liegen die Werte für den Übergang auf ein Gymnasium jeweils über 48 %. Im Stadtkreis Heidelberg wechselten mit einem Anteil von 68,3 % sogar mehr als zwei Drittel der Kinder auf ein Gymnasium.

Der geringste Anteil von Übergängen auf eine Werkreal-/Hauptschule war mit 1 % im Stadtkreis Ulm zu verzeichnen. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass es lediglich eine entsprechende Schule in diesem Stadtkreis gibt. Der kumulierte Anteil6 der Übergänge auf eine Werkreal-/Hauptschule und Gemeinschaftsschule beträgt 12,4 %, was den niedrigen Wert relativiert. Der niedrigste kumulierte Anteil von Übergängen auf eine Werkreal-/Hauptschule oder Gemeinschaftsschule liegt mit 9 % im Landkreis Heidelberg. Der höchste Anteil wechselte mit 16,5 % im Stadtkreis Pforzheim auf eine Werkreal-/Hauptschule. Der höchste kumulierte Anteil an Übergängen auf eine Werkreal-/Hauptschule oder Gemeinschaftsschule liegt mit 32,1 % im Hohenlohekreis. Hierbei ist zu beachten, dass 24,3 % der Schülerinnen und Schüler auf eine Gemeinschaftsschule wechselten. Außerdem liegt die Übergangsquote auf Gymnasien in diesem Landkreis am niedrigsten, was für einen hohen Anteil an leistungsstarken Schülerinnen und Schülern an Gemeinschaftsschulen spricht.

Da nicht in allen Landkreisen die meisten Schülerinnen und Schüler auf das Gymnasium wechseln, war in den Landkreisen Ravensburg, Biberach, dem Alb-Donau-Kreis, dem Zollernalbkreis, Waldshut, Tuttlingen, dem Schwarzwald-Baar-Kreis, Freudenstadt, Calw, Rastatt, dem Main-Tauber-Kreis, Schwäbisch Hall und dem Hohenlohekreis die Realschule die beliebteste Schulart.

Fazit

Seit dem Schuljahr 2000/01 wechselt jedes Jahr eine Mehrheit der Schülerinnen und Schüler von der Grundschule auf ein Gymnasium. Der Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung zum Schuljahr 2012/13 hat diesen Trend zusätzlich verstärkt, da fortan jährlich mehr als 11 % der Viertklässlerinnen und Viertklässler auf eine formal höhere Schulart wechseln als es ihnen von der Grundschule empfohlen wurde. Zum aktuellen Schuljahr 2022/23 wechselte so beinahe die Hälfte der Viertklässlerinnen und Viertklässler auf das Gymnasium und lediglich rund jedes zwanzigste Kind auf eine Werkreal-/Hauptschule.

Unterschiede im Übergangsverhalten sind weiterhin zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund erkennbar. Während Kinder mit Migrationshintergrund anteilig seltener auf das Gymnasium übergehen, wechseln Kinder ohne Migrationshintergrund überproportional häufig auf die formal höchste Schulart. Ebenso wiederholt ein größerer Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund die vierte Klassenstufe, ehe sie auf die weiterführende Schule wechseln.

Der Vergleich der baden-württembergischen Stadt- und Landkreise zeigt zudem unter Anderem, dass – mit Ausnahme des Stadtkreis Pforzheim – Kinder in Stadtkreisen sowie den Landkreisen Esslingen, Ludwigsburg, Rhein-Neckar, und Tübingen mit einem Anteil von über 50 % am häufigsten auf das Gymnasium wechseln.

1 Einschließlich Grundschule im Verbund.

2 Grundschulempfehlung für die Werkreal-/Hauptschule und Übergang auf eine Realschule oder Grundschulempfehlung für die Realschule und Übergang auf ein Gymnasium.

3 Grundschulempfehlung für die Realschule und Übergang auf eine Werkreal-/Hauptschule oder Grundschulempfehlung für das Gymnasium und Übergang auf eine Realschule.

4 Einschließlich Wechsel auf eine Gemeinschaftsschule.

5 Laut Definition der Kultusministerkonferenz hat eine Person einen Migrationshintergrund, wenn mindestens eines der folgenden drei Kriterien erfüllt ist: Keine deutsche Staatsbürgerschaft, ein nichtdeutsches Geburtsland oder eine nichtdeutsche Verkehrssprache in der Familie bzw. im häuslichen Umfeld. Als ausländisch gilt in der amtlichen Schulstatistik, wer keine deutsche Staatsangehörigkeit hat; Schülerinnen und Schüler mit deutscher und ausländischer Staatsangehörigkeit gelten schulstatistisch als deutsch.

6 Gemeinsamer Anteil von Übergängen auf Werkreal-/Hauptschulen und Gemeinschaftsschulen.