:: 5/2023

Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) – die Sicht der Hochschulstatistik

Befristungen, Finanzierungen und die Dauer bis zur Berufung an Hochschulen in Baden-Württemberg

Derzeit werden die Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft kontrovers diskutiert. Vor allem die geplante Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) steht dabei im Fokus. Debattiert werden unter anderem Vertragslaufzeiten bei Promotionen und in der Post-Doc-Phase, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie die Erhöhung der Anzahl unbefristeter Beschäftigungen. Für den Bereich der Hochschulen kann die amtliche Statistik einen wichtigen Beitrag zur Versachlichung der Debatte liefern und verlässliche Daten über das Hochschulpersonal sowie über die Qualifikation des wissenschaftlichen Nachwuchses zur Verfügung stellen.

Eine Besonderheit des Hochschul- und Wissenschaftssystems ist, dass Arbeitsverträge des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals dem 2007 in Kraft getretenen Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) unterliegen. Das WissZeitVG ermöglicht die Befristung zum Zwecke der Qualifikation von bis zu 6 Jahren vor und weiteren 6 Jahren nach der Promotion sowie die Befristung drittmittelfinanzierter Stellen (i-Punkt »Wissenschaftszeitvertragsgesetz«). Insbesondere auf den Karrierestufen unterhalb der Professur sind befristete Beschäftigungsverhältnisse deshalb weit verbreitet. Kritisiert wird ferner die schlechte Vereinbarkeit von Beruf und Familie aufgrund der geringen Planbarkeit wissenschaftlicher Karrieren. In der aktuellen Diskussion besteht zumindest dahingehend Konsens, dass das WissZeitVG in seiner jetzigen Form reformiert werden muss. Darauf hatte sich auch die Ampel-Koalition geeinigt und sich im Koalitionsvertrag für eine bessere Planbarkeit und Verbindlichkeit wissenschaftlicher Karrieren, insbesondere in der Post-Doc-Phase ausgesprochen.1 Die öffentliche Diskussion um die Reform des WissZeitVG wird vielfach jedoch ohne hinreichende empirische Grundlage und oftmals auf Basis anekdotischen Wissens geführt. Für den Bereich der Hochschulen kann die amtliche Statistik einen wichtigen Beitrag zur Versachlichung der Debatte liefern. Im Folgenden werden dazu vorrangig Daten aus der Hochschulpersonalstatistik ausgewertet (i-Punkt »Hochschulpersonalstatistik«).

Im Jahr 2021 waren insgesamt 133 919 Personen an den Hochschulen in Baden-Württemberg beschäftigt, davon 78 710 oder knapp 59 % als wissenschaftliches und künstlerisches Personal und 55 209 oder gut 41 % als Verwaltungs-, technisches und sonstiges Personal (Schaubild 1). Während nahezu das gesamte Verwaltungs-, technische und sonstige Personal hauptberuflich an den Hochschulen tätig war, handelte es sich beim wissenschaftlichen und künstlerischen Personal zu gut 48 % um nebenberufliche Tätigkeiten. Zu diesen zählten 29 600 Lehrbeauftrage, Privatdozentinnen und -dozenten und Honorarprofessorinnen und -professoren sowie 7 858 wissenschaftliche Hilfskräfte und 442 nebenberufliche Gastprofessorinnen und -professoren. Das hauptberufliche wissenschaftliche und künstlerische Personal setzte sich aus 32 257 wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, 517 Lehrkräften für besondere Aufgaben, 441 Dozentinnen und Dozenten, Assistentinnen und Assistenten sowie 7 595 Professorinnen und Professoren zusammen (Tabelle 1).

42 295 Personen oder knapp 77 % des gesamten Verwaltungs-, technischen und sonstigen Personals war 2021 dauerhaft an den Hochschulen beschäftigt. Beim wissenschaftlichen und künstlerischen Personal verhielt es sich nahezu umgekehrt: 27 964 Personen oder mehr als zwei Drittel (69 %) des hauptberuflich tätigen wissenschaftlichen und künstlerischen Personals hatte einen befristeten Arbeitsvertrag. Zählt man das nebenberuflich tätige wissenschaftliche und künstlerische Personal hinzu, bei dem es sich in der Regel um semesterweise vergebene Lehraufträge und Hilfskrafttätigkeiten handelt, dann machten diese beiden Personalgruppen zusammen knapp 84 % des gesamten wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an den Hochschulen aus. Nur eine Minderheit von gut 16 % verfügte über einen unbefristeten Arbeitsvertrag.

Sowohl die Anzahl der befristet Beschäftigten als auch die Anzahl der nebenberuflich Tätigen im wissenschaftlichen und künstlerischen Bereich hatte sich in den vergangenen 20 Jahren stark erhöht. Zwar erhöhte sich auch die Anzahl des unbefristeten wissenschaftlichen und künstlerischen Personals von 2002 bis 2021 um gut 50 %. Die Anzahl des befristeten wissenschaftlichen und künstlerischen Personals stieg jedoch um gut 83 % und die des nebenberuflichen wissenschaftlichen und künstlerischen Personals um knapp 248 % (Schaubild 2).

82 % befristetes hauptberufliches wissenschaftliches und künstlerisches Personal unterhalb der Professur

Insbesondere auf den Karrierestufen unterhalb der Professur ist der Befristungsanteil beträchtlich (82 %). Während gut 91 % des hauptberuflichen wissenschaftlichen und künstlerischen Personals mit einem Master als höchstem Abschluss befristet angestellt war, betrug der Befristungsanteil bei denjenigen mit Promotion als höchstem Abschluss gut 71 %. Beim wissenschaftlichen und künstlerischen Personal, das bereits eine Habilitation abgeschlossen, aber keine Professur innehatte, war fast ein Drittel (32 %) befristet angestellt (Schaubild 3).

Bei denjenigen, die sich noch in einem laufenden Habilitationsverfahren befanden, lag der Befristungsanteil bei knapp 87 %, bei denjenigen in einem Promotionsverfahren bei knapp 98 %. Von den 7 595 Professorinnen und Professoren waren hingegen nur gut 11 % befristet beschäftigt. Bei 279 Professuren handelte es sich um Juniorprofessorinnen und -professoren, die maximal auf 6 Jahre befristet sind und mit der Besoldungsgruppe W 1 vergütet werden. 151 Professorinnen und Professoren hatten eine Tenure-Track Professur inne. Ähnlich den Juniorprofessuren sind diese zunächst befristet, werden aber im Anschluss an eine erfolgreich evaluierte Bewährungsphase auf Dauer angestellt. Ansonsten handelte es sich bei den Professuren mehrheitlich um verbeamtete Hochschullehrerinnen und -lehrer.

Wissenschaftliches und künstlerisches Personal zu 71 % aus Grundmitteln finanziert

Der größte Anteil des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an den baden-württembergischen Hochschulen wurde im Jahr 2021 aus Grundmitteln finanziert (71 %), wobei knapp 32 % aus dem Stellenplan und knapp 37 % aus sonstigen Haushaltsmitteln kamen. Zu den sonstigen Haushaltsmitteln zählen beispielsweise Programmmittel, Modellversuchsmittel, Evaluationsmittel, Mittel aus Umschichtungen und stellenplanungebundene Mittel, sofern es sich dabei nicht um Drittmittel handelt. Des Weiteren gehören auch die Mittel aus dem Hochschulpakt bzw. dem Zukunftsvertrag (0,9 %), aus Studienbeiträgen (0,8 %) und aus der Grundfinanzierung des Bundes (0,4 %) zu den Grundmitteln.

Knapp 22 % des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals wurde aus öffentlichen (18 %) und privaten (4 %) Drittmitteln finanziert. Zu den öffentlichen Drittmitteln zählen Drittmittel des Bundes, der Länder, der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der EU und anderen internationalen Organisationen sowie Drittmittel der Exzellenzstrategie. Bei den privaten Drittmitteln handelt es sich hingegen um Drittmittel von Stiftungen und sonstigen privaten Mittelgebern. In knapp 8 % der Fälle gab es eine Finanzierung aus sonstigen Quellen2 bzw. keine Angabe zur Finanzierung (Schaubild 4).

52 % des grundmittelfinanzierten hauptberuflichen wissenschaftlichen und künstlerischen Personals ist befristet beschäftigt

Zum einen ermöglicht das WissZeitVG die befristete Anstellung des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals zu Qualifikationszwecken. Zum anderen sieht es befristete Beschäftigungen auf Grundlage einer Drittmittelfinanzierung vor. Bei drittmittelfinanzierten Stellen ist der Anteil befristeter Beschäftigungen besonders hoch. 13 841 Personen oder gut 97 % des hauptberuflichen wissenschaftlichen und künstlerischen Personals, das durch Drittmittel finanziert wurde, war im Jahr 2021 befristet an den baden-württembergischen Hochschulen angestellt. Beim hauptberuflichen wissenschaftlichen und künstlerischen Personal, das durch Grundmittel finanziert wurde, war der Befristungsanteil geringer. Dennoch waren auch hier 13 590 Personen und damit mehr als die Hälfte (52 %) des grundmittelfinanzierten hauptberuflichen wissenschaftlichen und künstlerischen Personals befristet beschäftigt.

Da zum hauptberuflichen wissenschaftlichen und künstlerischen Personal auch Professorinnen und Professoren gehören, die mehrheitlich unbefristet beschäftigt sind, ist es sinnvoll nur das hauptberufliche wissenschaftliche und künstlerische Personal unterhalb der Professur zu betrachten, das heißt Dozentinnen und Dozenten, Assistentinnen und Assistenten, wissenschaftliche und künstlerische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Lehrkräfte für besondere Aufgaben. Im Jahr 2021 wurden 18 655 Personen dieser Personalgruppe durch Grundmittel und 13 982 durch Drittmittel finanziert. Nahezu das gesamte drittmittelfinanzierte hauptberufliche wissenschaftliche und künstlerische Personal unterhalb der Professur war befristet an den baden-württembergischen Hochschulen beschäftigt (98 %). Beim hauptberuflichen wissenschaftlichen und künstlerischen Personal unterhalb der Professur, das durch Grundmittel finanziert wurde, betrug der Befristungsanteil knapp 69 % (Tabelle 2).

48 % arbeiten in Teilzeit

Neben der zeitlichen Befristung von Verträgen spielt in der Diskussion um die Arbeitsbedingungen des wissenschaftlichen Nachwuchses auch der Arbeitszeitanteil eine wichtige Rolle. Dabei geht es weniger um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, als vielmehr um die Erwartungshaltung, dass Qualifikationsleistungen in der Freizeit erbracht und zu diesem Zweck Teilzeitverträge angeboten werden. In den Daten der Hochschulpersonalstatistik spiegelt sich dies vor allem in einem erhöhten Anteil von Teilzeitbeschäftigungen des hauptberuflichen wissenschaftlichen und künstlerischen Personals mit einem Master oder Bachelor als höchstem Hochschulabschluss wieder.

So arbeiteten im Jahr 2021 knapp 58 % derjenigen mit einem Master und knapp 63 % derjenigen mit einem Bachelor als höchstem Abschluss in Teilzeit. Beim promovierten wissenschaftlichen und künstlerischen Personal betraf dies nur noch knapp 32 % und bei denjenigen mit einer abgeschlossenen Habilitation 24 %. Insgesamt arbeiteten 48 % des hauptberuflichen wissenschaftlichen und künstlerischen Personals unterhalb der Professur in Teilzeit, darunter:

  • 8 % mit einem Arbeitszeitanteil von weniger als 50 %,
  • 16 % mit 50 bis unter 60 %
  • 11 % mit 60 bis unter 70 %
  • 8 % mit 70 bis unter 80 %
  • 3 % mit 80 bis unter 90 %
  • 1 % mit 90 bis unter 100 %

an der gesetzlichen bzw. tariflich vereinbarten Wochenarbeitszeit (Schaubild 5).

4,2 Jahre dauert eine Promotion im Mittel

Ein wesentlicher Streitpunkt in der Diskussion um das WissZeitVG ist die darin geregelte Höchstgrenze für befristete Beschäftigungen von jeweils 6 Jahren vor und 6 Jahren nach der Promotion. Für Medizin gelten 9 Jahre nach der Promotion. Die mittlere Dauer einer im Jahr 2021 abgeschlossenen Promotion betrug 4,2 Jahre (Median).3 Die schnellsten 25 % schlossen ihre Promotion bereits nach 3,3 Jahren ab. 75 % hatten nach spätestens 5,3 Jahren ihre Promotion beendet.4 Die mittlere Promotionsdauer variierte dabei stark zwischen den Fächern, und zwar von 4 Jahren in den Fächergruppen Humanmedizin/Gesundheitswissenschaften und Mathematik, Naturwissenschaften bis hin zu 5 Jahren in den Geisteswissenschaften. Kürzere Promotionsdauern hatten Promovierende vorzuweisen, die an einem strukturierten Promotionsprogramm teilnahmen (4,1 Jahre) und, die an der Hochschule der Promotion beschäftigt waren (4 Jahre).

Von der Habilitation bis zur Berufung dauert es 5 Jahre

Bei den im Jahr 2021 erstmalig auf eine Professur auf Lebenszeit berufenen Professorinnen und Professoren, die als höchsten Hochschulabschluss eine Promotion vorweisen konnten, waren im Mittel 9,5 Jahre (Median) zwischen Promotionsabschluss und Erstberufung vergangen. Erstberufene mit einer Habilitation als höchstem Abschluss wurden im Mittel 5 Jahre nach der Habilitation erstmalig auf eine Lebenszeitprofessur berufen.

Da in der Hochschulpersonalstatistik nur der jeweils höchste erworbene Hochschulabschluss erfasst wird, kann das Jahr des Promotionsabschlusses nicht für alle Professorinnen und Professoren bestimmt werden. Diejenigen mit abgeschlossener Habilitation als höchstem Abschluss gehen folglich nicht in die Berechnung der mittleren Dauer seit Promotionsabschluss ein. Berechnet man stattdessen die Differenz zwischen dem Medianalter aller Promotionsabsolventinnen und -absolventen des Jahres 2021 und dem Medianalter aller Erstberufungen auf Lebenszeit, dann ergibt sich eine rein rechnerische Differenz von 11 Jahren.

Erstberufung auf Lebenszeit mit durchschnittlich 42 Jahren

Die Promotionsanfängerinnen und -anfänger des Jahres 2021 begannen ihre Promotion im Mittel mit 27 Jahren (Median). Das Medianalter der Promotionsabsolventinnen und -absolventen lag bei 31 Jahren.5 Habilitationen wurden im Mittel mit 40 Jahren abgeschlossen.6 Die erstmalige Berufung auf eine Professur auf Zeit erfolgte im Alter von 38 Jahren. Bei Erstberufungen auf Lebenszeit waren die Personen im Mittel 42 Jahre alt.

Fazit

Der vorliegende Beitrag zeigt exemplarisch, dass die amtliche Hochschulstatistik verlässliche Daten zur Diskussion um die Reform des WissZeitVG bereitstellen kann. Dabei wurde der Anteil befristeter Beschäftigungen und die Finanzierung des Hochschulpersonals in den Mittelpunkt der Analysen gestellt. Es zeigte sich, dass befristete Beschäftigungen nicht nur in der Phase der Promotion, sondern im gesamten hauptberuflichen wissenschaftlichen und künstlerischen Personal unterhalb der Professur weit verbreitet sind. Hinzu kommt ein sehr hoher Anteil an nebenberuflichen Tätigkeiten, bei denen es sich ebenfalls nicht um dauerhafte Beschäftigungsverhältnisse handelt. Betroffen sind davon keineswegs nur die drittmittelfinanzierten Stellen, sondern mehrheitlich auch solche, die durch die Grundmittel der Hochschulen finanziert werden.

1 Mehr Fortschritt wagen. Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Koalitions­vertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP (2021), S. 23. https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/koalitionsvertrag-2021-1990800 (Abruf: 05.05.2023).

2 Einschließlich Bund-Länder-Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses (Tenure-Track-Programm).

3 Berechnung auf Basis von Daten der Promovierendenstatistik 2021.

4 Beginn der Promotion: Zeitpunkt der Bestätigung der Annahme als Doktorand/-in. Abschluss der Promotion: Termin der offiziellen Feststellung des Gesamtergebnisses durch den Prüfungsausschuss/das Prüfungsamt, nicht das Datum der möglicherweise erst später stattfindenden Übergabe der Promotionsurkunde.

5 Berechnung auf Basis von Daten der Promovierendenstatistik 2021.

6 Berechnung auf Basis von Daten der Habilita­tionsstatistik 2021.