:: 7/2023

Wohnungsneubau 2022 in Baden-Württemberg leicht rückläufig

Erste Auswirkungen der schwierigeren Lage im Wohnungsbau werden spürbar

In Baden-Württemberg war die Zahl der fertiggestellten Wohnungen im Jahr 2022 leicht rückläufig. Damit war nach einem Jahrzehnt mit überwiegend positiven Vorzeichen bei den Baufertigstellungen bereits im zweiten Jahr in Folge ein Rückgang zu verzeichnen. Diese Entwicklung war sowohl bei den Einfamilien- als auch bei den Mehrfamilienhäusern zu beobachten. Nachdem in den vergangenen Jahren trotz hoher Immobilienpreise eine rege Bautätigkeit stattfand, führen zunehmende Lieferengpässe bei Baumaterialien und hohe Baupreise zu Verzögerungen bei den Baufertigstellungen. Auch die seit 2021 deutlich ansteigenden Bauzinsen1 bremsen die Bautätigkeit inzwischen aus.

Zahl der Wohnungen in Mehrfamilienhäusern steigt

Die Baubranche und insbesondere der Bau von Wohnungen stehen derzeit stark im Fokus der Öffentlichkeit und werden von den Medien, Politik und Verbänden diskutiert. Bundesweit wird die zu geringe Fertigstellungsrate von neuen Wohnungen bemängelt, zumal das Ziel der bundesweit anvisierten 400 000 neuen Wohnungen pro Jahr mit 295 275 Wohnungen in Wohn- und Nichtwohngebäuden weit verfehlt wurde. Auch in Baden-Württemberg ist der Wohnungsmarkt schwierig, wobei insbesondere das Angebot an bezahlbaren, sozialverträglichen Wohnungen erhöht werden soll.2 Ob die Vorgabe nach mehr Wohnungen tatsächlich erreicht wird – darüber geben die jährlichen Ergebnisse aus der Statistik der Baufertigstellungen Auskunft (siehe i-Punkt). Im Jahr 2022 wurden in Baden-Württemberg im Wohn- und Nichtwohnbau in 27 609 Gebäuden insgesamt 39 935 Wohnungen geschaffen (Tabelle). Dazu zählen auch 4 413 Baumaßnahmen, die an bereits bestehenden Gebäuden vorgenommen wurden. In Wohngebäuden allein entstanden 34 549 neue Wohnungen. Damit war nach 2021 bereits im zweiten Jahr in Folge ein Rückgang an neuen Wohnungen im Wohnungsbau zu verzeichnen. Während 2021 dieser noch bei moderaten –0,7 % lag, vergrößerte sich das Minus im Jahr 2022 bereits auf 4,2 %. Dies ist der stärkste Rückgang seit 2009, als 6,9 % weniger Neubauwohnungen gebaut wurden. Seitdem bewegten sich die mittleren jährlichen Zuwachsraten bis 2015 im positiven Bereich, um in den Jahren 2016 bis 2019 abzuflachen (Schaubild 1). Lediglich das Jahr 2020 bildete mit einem Plus von 8 % neuen Wohnungen noch eine Ausnahme.

Bei der Antragstellung und Realisierung von Bauvorhaben spielen private Antragsstellerinnen und Antragsteller eine bedeutende Rolle. Fast die Hälfte der Neubauwohnungen sind 2022 durch private Initiatoren entstanden. Knapp dahinter folgen die Wohnungsunternehmen mit einem Anteil von 45 %, allerdings mit steigender Tendenz. Das ist insofern nicht überraschend, da die Wohnungsunternehmen in der Regel Bauvorhaben mit Mehrfamilienhäusern projektieren und sich darin die Mehrzahl der neu entstandenen Wohnungen befindet.

Wohnungsneubau überwiegend in Mehrfamilienhäusern

Die Mehrzahl der Wohnungen entstand im Jahr 2022 in Zwei- und Mehrfamilienhäusern mit 24 212 Einheiten, auf Einfamilienhäuser (eine Wohnung je Gebäude) entfielen 9 096 Wohnungen und weitere 1 241 Einheiten wurden den Wohnheimen zugerechnet. Die in neuen Mehrfamilienhäusern entstandenen Wohnungen dominierten damit den Wohnungsneubau. So wurden rund 57 % der Wohnungen in Gebäuden mit drei Wohnungen und mehr und weitere 13 % in Gebäuden mit zwei Wohnungen realisiert. Allerdings zeigen die beiden Gebäudegrößen eine unterschiedliche Entwicklung. Während die Zweifamilienhäuser (+17 %) in den Fertigstellungen gegenüber dem Vorjahr deutlich zulegten, nahmen die Zahlen in Wohngebäuden mit drei Wohnungen und mehr ab (–6 %). Damit scheint der Trend der letzten 10 Jahre gebrochen zu sein, als mittlere Zuwachsraten von 4 % erzielt wurden. Bei den Einfamilienhäusern zeichnet sich diese Entwicklung bereits seit längerem ab. Seit 2012 sank die durchschnittliche Rate jährlich um 2 %, und fiel 2022 auf einen neuen Tiefstwert von 9 096 fertigen Neubauten. Verglichen mit der Jahrtausendwende (20 162) entspricht dies einer Halbierung der neu fertiggestellten Eigenheime.

Rems-Murr-Kreis steht an der Spitze

Die Entwicklung der Bauaktivität in den Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs zeigt eine unterschiedliche Dynamik, die zum einen mit der Bevölkerungsstärke zusammenhängt, da in dicht besiedelten Regionen der Wohnraumbedarf ungleich größer ist als im weniger stark bevölkerten ländlichen Raum. Zum anderen kommt Bewegung in die Bauaktivitäten, wenn neue Quartiere in Städten entstehen oder Baugebiete in den Kommunen erschlossen und bebaut werden. Dadurch »schnellt« die Zahl von fertiggestellten Gebäuden und Wohnungen mitunter erheblich nach oben, um nach Abschluss der Baumaßnahmen entsprechend stark zu sinken. Die Spitzengruppe bei den fertiggestellten Wohnungen bildete im Jahr 2022 der Rems-Murr-Kreis mit 1 638 fertiggestellten Neubauwohnungen und der Landkreis Esslingen (1 604 Wohnungen), gefolgt vom Landkreis Karlsruhe und dem Rhein-Neckar-Kreis (Schaubild 2). Die größten absoluten Zuwachsraten an fertiggestellten Einheiten gegenüber dem Vorjahr waren im Landkreis Karlsruhe (+356 Wohnungen) und im Stadtkreis Freiburg (+348) festzustellen. Prozentual an der Spitze der Zunahmen lag der Stadtkreis Baden-Baden mit einem Plus von 210 % im Wohnungsbau, allerdings auf einem insgesamt niedrigen Niveau. Dagegen erlebte Mannheim 2022 einen regelrechten Einbruch mit einem Rückgang um 1 251 Wohnungen, nachdem es 2021 mit 2 166 neu gebauten Wohnungen noch an der Spitze der Kreise stand. Mannheim dient damit als Beispiel dafür, wie sich die Bildung neuer Stadtteile auf die Dynamik der Baufertigstellungen auswirken kann. Im neuen, auf Konversionsflächen entstandenen Viertel »Spinelli« begann 2019 der erste Bauabschnitt und wurde 2022 endgültig abgeschlossen, wobei 2022 nur noch wenige Wohnungen in diesem neuen Quartier fertiggestellt wurden.

Neue Einfamilienhäuser häufiger in ländlichen Gebieten

In den Ballungsgebieten wie Stuttgart und den umliegenden Kreisen entstand im Jahr 2022 neuer Wohnraum überwiegend durch die Realisierung von Mehrfamilienhäusern. Insbesondere vor dem Hintergrund knapper werdender bebaubarer Fläche und der Vermeidung von weiterem Flächenverbrauch wird die Planung und Umsetzung von möglichst vielen Wohneinheiten je Fläche immer relevanter. Dagegen zeigt sich mitunter in Regionen mit einer unterdurchschnittlichen Bevölkerungsdichte ein anderes Bild. Im nördlichen Baden-Württemberg wurden im Neckar-Odenwald-Kreis sogar mehr Einfamilienhäuser gebaut als Wohnungen in Zwei- oder Mehrfamilienhäuser entstanden sind, und im Main-Tauber-Kreis war das Verhältnis der fertiggestellten Wohnungen in Ein- und Mehrfamilienhäusern nahezu ausgeglichen.

Wohnungen werden wieder kleiner

Mitte der 1990er-Jahre bis 2006 war ein jährlicher Anstieg in der Flächenausstattung neu erstellter Wohnungen zu beobachten. 1996 war eine durchschnittliche Neubauwohnung noch 86 Quadratmeter (m2) groß, 10 Jahre später waren mit 119 m2 stattliche 33 m2 dazugekommen. Begünstigt wurde der Anstieg der Wohnungsgrößen durch stagnierende Baukosten je m2, gemessen an den veranschlagten Baukosten3 zum Zeitpunkt der Baugenehmigung.4 Ein weiterer Grund lag darin, dass bis zur Jahrtausendwende der Anteil der Einfamilienhäuser mit ihrer durchschnittlich größeren Wohnfläche anstieg und damit den Durchschnitt beeinflusste. Nach einer Phase der Stagnation setzte ab 2013 ein leichter Rückgang der durchschnittlichen Wohnungsgröße ein. Diese Entwicklung ging auch mit dem Anstieg der kalkulierten Baukosten einher, sowie mit dem vermehrten Bau von Mehrfamilienhäusern. Inzwischen bewegt sich die Fläche je Wohnung im Schnitt bei 106 m2, wobei die Wohnfläche in Einfamilienhäusern mit durchschnittlich 161 m2 deutlich größer ist als die in Wohnungen in Zweifamilienhäusern mit durchschnittlich 114 m2 und in Drei- und Mehrfamilienhäusern (83 m2).

Wie wird in neu fertiggestellten Wohnungen geheizt?

In den im Jahr 2022 fertiggestellten Gebäuden wurden überwiegend Heizungssysteme eingebaut, die über erneuerbare Energien betrieben werden. Der größte Anteil entfällt auf die Umweltthermie5 (65 %). Gegenüber dem Vorjahr 2021 war bei diesem Heizsystem ein Anstieg um 3 % zu verzeichnen, verglichen zu 2017 legte der Anteil an Umweltthermie in den genehmigten Neubauten sogar um 15 % zu. Der Aufwärtstrend wurde insbesondere durch das Gebäudeenergiegesetz (GEG)6 forciert, durch das bei Heizungen in neuen Gebäuden die Nutzung erneuerbarer Energien verpflichtend ist. Die Bedeutung von Gasheizungen im Wohnungsneubau ging dagegen kontinuierlich zurück und belief sich im Jahr 2022 nur noch auf 15,6 %. Gegenüber 2017 entsprach das einer Verringerung um 13 %. Zur Jahrtausendwende war Gas die noch am meisten verbreitete Heizquelle in neuen Häusern und Wohnungen. Damals bot Heizen mit Gas viele Vorteile, da unter anderem keine Bevorratung notwendig ist und geringere CO2-Emmissionen als bei der Verwendung von Heizöl entstehen. Fast keine Rolle mehr im Neubaubereich spielen Heizungen, die mit Öl (0,3 %) versorgt werden. Die Bedeutung von Fernwärme als Energiequelle blieb mit einem Anteil von 8,3 % an den fertig gestellten Wohngebäuden in den letzten Jahren weitgehend stabil.

2022 und 2023 deutlich weniger Baugenehmigungen

Die Zahl der genehmigten Wohnungen ist einer der Indikatoren für künftige Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt. Der Großteil der Bauvorhaben wird normalerweise 1 bis 2 Jahre nach erteilter Freigabe durch die Baubehörden realisiert. Dies zeigt sich an den Baufertigstellungen, welche ungefähr dem Umfang der Baugenehmigungen 1 bis 2 Jahre vorher entsprechen (Schaubild 3). Seit 2015 ist dieses Muster nicht mehr in gleichem Maße erkennbar, da mehr Baugenehmigungen erteilt wurden als umgesetzt. Aber auch bei den Baugenehmigungen scheint es zu einem Umschwung gekommen zu sein. Im Jahr 2022 war erstmals seit 2016 wieder ein deutlicher Rückgang festzustellen. Es wurden für 42 136 Neubauwohnungen die Genehmigungen erteilt, und damit 8 % weniger als 2021. Auch in den ersten Monaten des Jahres 2023 setzte sich die rückläufige Entwicklung weiter fort. Die Zahl der Baugenehmigungen lag in den Monaten von Januar bis März um 15 % unter dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum.

Die größten Bauaktivitäten auf dem Wohnungsmarkt waren 2022 im Rhein-Neckar-Kreis mit 1 926 genehmigten Neubauwohnungen, gefolgt von den Landkreisen Böblingen (1 746) und Heilbronn (1 701). Positive Entwicklungen im Vergleich zum Vorjahr zeigten sich insbesondere in der südbadischen Region. Im Stadtkreis Freiburg bestand mit 1 393 freigegebenen Wohnungsanträgen ein deutliches Plus von 158 %, der Landkreis Emmendingen lag mit 1 064 geplanten Wohneinheiten um 423 Wohnungen (+ 66 %) über dem Vorjahr.

1 S-Communication Services GmbH: https://www.sparkasse.de/pk/ratgeber/wohnen/immobilie-erwerben/bauzinsen.html (Abruf 25.05.2023).

2 Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen Baden-Württemberg: https://mlw.baden-wuerttemberg.de/de/bauen-wohnen/wohnraumoffensive-baden-wuerttemberg (Abruf 25.05.2023).

3 In der Bautätigkeitsstatistik werden die »veranschlagten Baukosten« erfasst, die bei der Antragstellung eines Bauantrags angegeben werden. Die tatsächlichen Kosten liegen in der Regel höher.

4 Statistisches Landesamt Baden-Württemberg: https://www.statistik-bw.de/GesamtwBranchen/KonjunktPreise/BPI-LR.jsp (Abruf: 25.05.2023).

5 Als überwiegende Wärmequellen werden Luft (Aerothermie) und Wasser (Hydrothermie) verwendet.

6 Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg: https://um.baden-wuerttemberg.de/de/energie/energieeffizienz-von-gebaeuden/gebaeudeenergiegesetz (Abruf 25.05.2023).