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Regionalisierte Bevölkerungsvorausrechnung für Baden-Württemberg

Mit Bevölkerungszunahmen ist (noch) bis 2020 in allen Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs und in den meisten Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnern zu rechnen. Allerdings werden sich die Gewichte in der Altersstruktur stark verschieben. Besonders stark zunehmen wird die Zahl der 85-Jährigen und Älteren, während die Zahl der Kinder, Jugendlichen und mittleren Jahrgänge zurückgehen wird. Geburtendefizite sind flächendeckend zu erwarten.

Relativ starke Anstiege in der Bevölkerungszahl werden voraussichtlich universitär geprägte Städte haben, da diese von der Zunahme der Zahl der jungen Erwachsenen besonders profitieren werden und gleichzeitig von der Abnahme der Zahl der Kinder und Jugendlichen und der Personen zwischen 30 und 44 relativ wenig betroffen sind.

Im Zusammenhang mit dem Statistisch-prognostischen Bericht 20031 wurde eine regionalisierte Bevölkerungsvorausrechnung ausgehend vom Jahr 2001 bis ins Jahr 2020 berechnet. Die wichtigsten Ergebnisse werden im Folgenden dargestellt. Die Ergebnisse sind für alle Gemeinden ab 10 000 Einwohner im Landesinformationssystem veröffentlicht (im Internet abrufbar unter www.statistik-bw.de/srdb).

Prognoseannahmen

Ausgangspunkt der Vorausrechnung war der Bevölkerungsstand im Dezember 2001. Der Prognosezeitraum erstreckt sich bis 2020, erstes Prognosejahr ist also 2002. In diesem Zeitraum wird mit Wanderungsüberschüssen des Landes von jährlich durchschnittlich etwa 43 000 Personen gerechnet, wobei zu Beginn des Vorausrechnungszeitraums von höheren Wanderungssalden ausgegangen wird als am Ende. Für die innerhalb des Landes stattfindenden Wanderungen wird angenommen, dass die regionalen Wanderungsmuster, wie sie zwischen 1997 und 2001 beobachtbar waren, im gesamten Vorausrechnungszeitraum fortbestehen werden. Diese Konstanz der regionalen Unterschiede wird auch für die Geburten- und Sterblichkeitsraten unterstellt. Eingerechnet wird aber, dass die Lebenserwartung nach und nach steigen wird, während bei den Geburtenraten von gleich bleibenden Raten ausgegangen wird. Bei der Berechnung aller dieser Eingabedaten wurde auf den methodischen »Trick« der Typisierung zurückgegriffen (siehe i-Punkt).

Freiburg mit stärksten Zuwächsen bis 2020

In dem durch die Annahmen gesteckten Rahmen ist zumindest bis 2020 für alle Stadt- und Landkreise mit Bevölkerungszunahmen zu rechnen. Die stärksten Zuwachsraten wird voraussichtlich der Stadtkreis Freiburg aufweisen, wo eine Bevölkerungszunahme von knapp 10 % zwischen 2001 und 2020 zu erwarten ist. Dagegen wird mit einem Plus von knapp 1 % im Landkreis Heidenheim etwa das Niveau des Ausgangsjahres gehalten (Tabelle). Diese unterschiedlich hohen Wachstumsgeschwindigkeiten lassen sich zum großen Teil durch die unterschiedliche Stellung der Kreise im Wanderungsgeschehen erklären.2 So weist jeder Kreis eine spezifische Attraktivität für die einzelnen Altersgruppen auf (der Stadtkreis Baden-Baden etwa für ältere Menschen und der Stadtkreis Heidelberg für junge Erwachsene/ Studenten). Die zukünftige Verschiebung der Gewichte der Altersgruppen zueinander bleibt deshalb für die regionale Bevölkerungsentwicklung nicht folgenlos. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Altersgruppe der jungen Erwachsenen (der zwischen 18- und 29-Jährigen) aufgrund von Zuwanderungen über die Landesgrenze und dem Vorrücken der geburtenstarken Jahrgänge der 1990er-Jahre ins Erwachsenenalter zunehmen wird. Der Höchststand wird etwa 2011 mit 11 % über dem Niveau des Jahres 2001 erreicht sein. Dagegen nimmt die Zahl der 30- bis 44-Jährigen und die der Kinder und Jugendlichen bis zu 17 Jahren ab, wie aus der nachfolgenden Texttabelle ersichtlich ist:

bis 17 Jahre−14,9 %
18 bis 29 Jahre+5,3 %
30 bis 44 Jahre−18,5 %
45 bis 64 Jahre+26,1 %
65 bis 74 Jahre+19,2 %
75 bis 84 Jahre+52,9 %
85 bis 100 Jahre+62,7 %

Durch diese gegenläufigen Trends innerhalb der relativ wanderungsaktiven jüngeren Jahrgänge wird die Ausbildungswanderung im Vergleich zu Stadt-Umland-Wanderung tendenziell an Bedeutung gewinnen. So profitieren Unistädte bzw. Ballungsgebiete zukünftig voraussichtlich stärker als in den zurückliegenden Jahren im Wanderungsgeschehen.

Verjüngungseffekte durch Zuwanderung

Die Wanderungsbewegungen, insbesondere die über die Grenze des Landes, können eine flächendeckende Zunahme des Durchschnittsalters der Bevölkerung im gesetzten Szenario aus niedrigen Geburtenraten und einer stetig steigenden Lebenserwartung nicht ausgleichen. Zwar werden voraussichtlich auch zukünftig etwa 2/3 der im Saldo ins Land Zuziehenden unter 30 Jahre alt sein, dies führt jedoch nur in den universitär geprägten Stadtkreisen zu einem merklich gebremsten Anstieg des Durchschnittsalters. So wird voraussichtlich der Stadtkreis Heidelberg im Jahr 2020 mit 42,7 Jahren die im Schnitt jüngste Bevölkerung aller Kreise ausweisen (Anstieg gegenüber 2001: 2,4 Jahre). Durchschnittlich am ältesten wird die Bevölkerung Baden-Badens mit 48,9 Jahren sein.

Um die unterschiedliche Wirkung von Wanderungsüberschüssen auf die Altersstruktur zu verdeutlichen, wurden im Schaubild die »Bevölkerungsbäume« für diese beiden Städte und das Land in den Vergleich 2001/2020 gesetzt.

Ohne Netto-Zuwanderung 164 000 Geburten weniger

Trotz der altersstrukturellen Verschiebungen (tendenzielle Abnahme jüngerer, mobiler und Zunahme älterer, stärker sesshafter Menschen) wird die Zahl der Umzüge innerhalb des Landes und über die Landesgrenzen hinweg etwa auf dem Niveau des Jahres 2001 verharren. Dies hängt allerdings stark davon ab, ob tatsächlich – wie angenommen – im Saldo etwa 800 000 Personen über die Landesgrenzen zuziehen werden. Diese Annahme ist aufgrund von politischen »Gezeitenwechseln« auch zukünftig als die mit dem höchsten prognostischen Risiko versehene einzuschätzen.

Dieses besondere Prognoserisiko betrifft letztlich auch die zukünftige Zahl an Geburten im Land. Denn auf die im Saldo Zuziehenden entfallen in der Vorausrechnung etwa 164 000 Geburten. Das entspricht knapp einem Zehntel der insgesamt zu erwartenden Geburten.

1 Statistisch-prognostischer Bericht 2003, S. 89 ff.

2 Vgl. dazu den Beitrag »Wanderungsanalyse für Baden-Württemberg« in diesem Heft, S. 17 ff.