:: 2/2004

Versorgung mit Kinderbetreuungsplätzen in Baden-Württemberg

Die Betreuungslandschaft hat sich seit der letzten Erhebung vor vier Jahren deutlich verändert. Während Krippen- und Hortplätze geschaffen wurden, gingen Kindergartenplätze zurück. Zuwächse gab es vor allem in Tageseinrichtungen mit altersübergreifender Betreuung. Insbesondere Plätze in altersgemischten Gruppen wurden ausgebaut. Immer mehr Einrichtungen ändern zudem ihre Öffnungszeiten. Dadurch gehen sowohl im Krippen- als auch im Kindergartenbereich traditionelle Plätze zugunsten von Vormittagsplätzen und Ganztagesplätzen zurück. Eine Versorgung mit Mittagessen ist im Kindergartenbereich selten. Generell lassen sich regionale Unterschiede bei der Versorgung mit Betreuungsplätzen feststellen. Im Bundesländervergleich zeigt sich ein Nachholbedarf bei der Bereitstellung von Krippenplätzen und Ganztagesangeboten.

Bedürfnisgerechte Kinderbetreuungsangebote unterstützen Familien und tragen zu einer besseren Vereinbarkeit der Lebensbereiche Familie und Beruf bei. Darüber hinaus sind sie ein wichtiger Baustein in den Bildungskarrieren von Kindern.

Zu Beginn des Jahres 2003 gab es in Baden-Württemberg 443 880 Betreuungsplätze. Gegenüber 1998, als letztmalig entsprechende Daten erhoben wurden, ist dies ein Rückgang um knapp 2 % und entspricht damit annähernd dem Bevölkerungsrückgang bei den unter 14-Jährigen im selben Zeitraum. Die Versorgung liegt damit unverändert bei gut 27 Betreuungsplätzen je 100 Kinder unter 14 Jahren. Dennoch gab es einige Veränderungen: Während die relativ hohen Versorgungsquoten im Kindergartenbereich zurückgingen, wurden für Kinder im Krippen- und Hortalter neue Plätze geschaffen. Die beschriebenen Entwicklungen spiegeln sich auch bei den Einrichtungszahlen wider. So gingen reine Kindergärten zurück, die Zahl der Tageseinrichtungen mit altersübergreifender Betreuung sowie die Zahl der Horte und Krippen hingegen stieg. Insgesamt gab es 7 445 Betreuungseinrichtungen, 146 mehr als 1998.1

Nur wenig Ganztagesplätze in den Landkreisen

Immer mehr Einrichtungen ändern ihre Öffnungszeiten und reagieren damit auf die veränderten Bedürfnisse der Eltern. Dadurch gehen so genannte Regelplätze, die vor- und nachmittags geöffnet, über die Mittagszeit aber geschlossen sind, zurück. An ihre Stelle treten sowohl im Krippen- als auch im Kindergartenbereich Vormittagsplätze ohne Mittagessen sowie Ganztagesplätze, die sich durch eine Betreuung von mehr als sechs Stunden und ein Mittagessen auszeichnen. Allerdings bestehen regionale Unterschiede: Gut die Hälfte der Ganztagesplätze werden in den Stadtkreisen angeboten, sodass der Versorgungsgrad dort wesentlich höher ist. Während in den Landkreisen nur 17 Ganztagesplätze für 1 000 Kinder im Alter unter 14 Jahren zur Verfügung stehen, sind es in den Stadtkreisen 98.

Mehr Einrichtungen mit altersübergreifendem Betreuungsangebot

Tageseinrichtungen mit altersübergreifendem Betreuungsangebot ermöglichen es Familien, Kinder unterschiedlichen Alters in nur einer Einrichtung unterzubringen. Eltern können sich so zeitaufwändige Fahrten, zum Beispiel von der Krippe zum Kindergarten, ersparen. Seit 1998 stieg der Anteil der Tageseinrichtungen, in denen Kinder unterschiedlichen Alters betreut werden, von 7 % auf gut 17 %. Die Zahl der Plätze in diesen Tageseinrichtungen hat sich mehr als verdoppelt. Besonders starke Zuwächse gab es bei Plätzen in altersgemischten Gruppen. Ihre Zahl stieg auf über 52 000; das sind fast viermal so viel wie 1998. Die Altersmischung bietet für Einrichtungen mehr Flexibilität bei der Platzvergabe als alterseinheitliche Gruppen. Darüber hinaus sind die Zuwächse vermutlich auch auf die höhere Bezuschussung altersgemischter Gruppen durch das Land zurückzuführen.

Weiterhin Nachholbedarf bei der Kleinkindbetreuung

In Baden-Württemberg leben fast 311 000 Kinder unter 3 Jahren. Für ihre Betreuung standen in Tageseinrichtungen 7 231 Plätze zur Verfügung. Auf 100 Kleinkinder kommen demzufolge nur 2,3 Plätze. Gegenüber 1998 ist dies ein Plus von einem Platz je 100 Kinder. Knapp die Hälfte der Plätze befindet sich in den Stadtkreisen. So ist die Ausstattung mit Plätzen für Kleinkinder dort in der Regel höher als in ländlichen Gebieten. Insbesondere für die Stadtkreise Heidelberg, Stuttgart und Freiburg weist die amtliche Statistik eine vergleichsweise hohe Versorgung aus. Angesichts dieser Situation haben nach wie vor nur wenige Familien die Möglichkeit, ihr Kleinkind in einer Tageseinrichtung betreuen zu lassen. In anderen Bundesländern sieht die Situation zumindest etwas besser aus. Unter den westlichen Flächenländern führen das Saarland (4,8 %) und Hessen (3,7 %) die Betreuungsskala an. Baden-Württemberg liegt zusammen mit Niedersachsen auf dem drittletzten Platz, vor Bayern (2,1 %) und Nordrhein-Westfalen (2,0 %).

Kleinkinder werden in Baden-Württemberg zu 61 % in gemischten Gruppen, das heißt zusammen mit Kindern im Kindergarten- und Hortalter, betreut. In den letzten Jahren wurden vor allem Ganztagesplätze ausgebaut, ihr Anteil beträgt heute 55 %. Gut ein Viertel der Plätze bietet ausschließlich eine Betreuung am Vormittag. Während die Vormittagsbetreuung zunahm, gingen Plätze, die vor- und nachmittags geöffnet, über die Mittagszeit aber geschlossen sind, auf 14 % zurück (1998: 52 %). Anders als bei den Kindergartenplätzen bieten fast zwei Drittel der Plätze für Kleinkinder ein Mittagessen an. Obwohl das Angebot an Ganztagesplätzen für Kleinkinder gegenüber 1998 deutlich ausgebaut wurde, steht Baden-Württemberg im Bundesländervergleich an drittletzter Stelle. In den neuen Bundesländern liegt der Anteil an Ganztagesplätzen bei 98 %. Im früheren Bundesgebiet weisen vor allem Nordrhein-Westfalen (95 %), Hessen (73 %), Bayern (70 %) und Niedersachsen (66 %) vergleichsweise hohe Werte auf.

Gute Kindergartenplatzversorgung – aber regionale Unterschiede

Für Kinder ab dem vollendeten 3. Lebensjahr besteht bis zum Schuleintritt ein Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz. In Baden-Württemberg kommen auf 100 Kinder zwischen 3 und 6 ½ Jahren fast 104 Plätze. Damit kann – zumindest theoretisch – jedes Kindergartenkind in den Kindergarten gehen. Nur in Thüringen (126), Rheinland-Pfalz (106) und Sachsen (105) findet man eine höhere Versorgung.2 Die Situation in den einzelnen Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs ist allerdings unterschiedlich: Während der Versorgungsgrad in eher ländlich geprägten Landkreisen Werte von bis zu 117 Plätzen erreicht, liegt er in den Stadtkreisen bei durchschnittlich 94 Plätzen je 100 Kinder. Insgesamt sind die Versorgungsquoten eher rückläufig, sie gingen im Vergleich zu 1998 in 34 von 44 Kreisen zurück.

Die Unterteilung in Stadt- und Landkreise ist nur bedingt für die Abbildung der Versorgungssituation in eher ländlichen und eher städtischen Gebieten geeignet. Mithilfe der Raumkategorien des Landesentwicklungsplans 2002 besteht die Möglichkeit, die Versorgungsquoten von Gebieten mit ähnlichen siedlungsstrukturellen Verhältnissen zu vergleichen.3 Die niedrigste Kindergartenplatzversorgung findet sich mit 99,6 % in den Verdichtungsräumen. Deutlich höher liegt die Versorgungsquote hingegen in deren Randzonen (107,3 %). In den Verdichtungsbereichen des Ländlichen Raums stehen 103,3 Plätze je 100 Kindergartenkinder zur Verfügung. In Gebieten des Ländlichen Raums im engeren Sinne ist die Versorgung mit Kindergartenplätzen – gemessen an der Kinderzahl – am höchsten (108,6 %). Die Tabelle zeigt die Versorgungsquoten im Einzelnen.

Letztendlich entscheidend ist aber, wie sich die Betreuungssituation für die Kinder vor Ort, das heißt in den Städten und Gemeinden, darstellt und inwieweit diese den Bedürfnissen der Eltern entspricht. Auf der Basis der vorliegenden Statistik kann hierzu jedoch keine Aussage gemacht werden.

Mittagessen im Kindergarten selten

Ein Kindergartenplatz allein ist noch kein Garant für eine bedarfsgerechte Betreuung, ausschlaggebend ist auch die Qualität des Angebotes. Sie entscheidet häufig, ob die Erwerbstätigkeit beider Elternteile möglich ist. Im Kindergartenbereich sind 81 % der Plätze Regelplätze. Diese eher traditionellen Plätze sind gegenüber 1998 zugunsten von reinen Vormittagsplätzen und Ganztagesplätzen zurückgegangen. Dennoch stehen für nur 7,4 % der Kindergartenkinder Ganztagesplätze zur Verfügung (1998: 4,6 %). Es bestehen deutliche regionale Unterschiede. Während in den Stadtkreisen 21,6 Plätze je 100 Kinder zur Verfügung stehen, sind es in den Landkreisen nur 4,8. Nach wir vor selten ist die Versorgung mit einem Mittagessen: In nur 9 % der Fälle erhalten die Kinder ihre Mittagsmahlzeit in der Betreuungseinrichtung.

Trotz der beschriebenen Veränderungen ist das Kindergartenangebot in Baden-Württemberg nach wie vor stark von traditionellen Strukturen geprägt. In keinem anderen Bundesland findet sich ein so starkes Gewicht von Regelplätzen. Im früheren Bundesgebiet (ohne Berlin) liegt der Anteil bei nur 48 %. Lediglich in Rheinland-Pfalz (74 %) und Nordrhein-Westfalen (68 %) finden sich annähernd hohe Werte wie in Baden-Württemberg (81 %). Darüber hinaus sind in anderen Bundesländern Kindergartenplätze wesentlich häufiger ganztags vorhanden: In Bayern stehen für 35 % der Kindergartenkinder Ganztagesangebote zur Verfügung. In Hessen sind es 29 % und in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz immer noch 22 bzw. 20 %. Baden-Württemberg liegt mit 7,4 Plätzen je 100 Kinder weit hinter den anderen Ländern und damit auf dem letzten Platz.

Angebot an Hortplätzen verbessert

Das Betreuungsangebot für Kinder im schulpflichtigen Alter hat sich seit der letzten Erhebung im Jahr 1998 leicht verbessert. Während damals nur 1,6 Plätze je 100 Kinder im Alter von 6 bis unter 14 Jahren zur Verfügung standen, sind es heute bereits 2,3. Über ein Drittel der Hortplätze standen in altersgemischten Gruppen zur Verfügung. Trotz der Zunahme um rund 6 500 Plätze liegt Baden-Württemberg aber weiterhin hinter den benachbarten Bundesländern: Bayern stellt 3,4 Plätze und Hessen 4,8 Plätze je 100 Kinder bereit.

Wenn der Arbeitsbeginn der Eltern vor dem Unterrichtsbeginn liegt, reicht es nicht, den Hortbetrieb erst mittags oder nachmittags aufzunehmen. Ganztagesangebote ermöglichen es, dass die Kinder nicht nur nach dem Unterricht, sondern auch vor Schulbeginn betreut werden. Von den 22 242 Hortplätzen in Baden-Württemberg bieten 80 % ein Mittagessen an, bei mehr als 13 000 Plätzen handelt es sich um Ganztagesplätze. Die Umstrukturierungen der Schulbesuchszeiten (zum Beispiel durch Einführung von Kernzeitbetreuung, Ganztagesschulen) könnten allerdings in der Zukunft zu veränderten Bedarfen und Hortbetreuungszeiten führen.

1 Die amtliche Erhebung berücksichtigt ausschließlich die institutionellen Betreuungsangebote. Betreuungsleistungen im Bereich der Tagespflege und anderweitig organisierte Betreuungsarrangements (um Beispiel im Verwandten- und Bekanntenkreis) werden nicht erfasst.

2 Im Freistaat Thüringen besteht der Rechtsanspruch auf einen Kindergarten bereits ab einem Alter von 2 ½ Jahren. Die hohe Versorgungsquote bezogen auf die 3- bis 6 ½-Jährigen ist dadurch – zumindest teilweise – zu erklären.

3 Es sind vier Raumkategorien zu unterschieden: Als Verdichtungsräume werden großflächige Gebiete mit einer stark über-durchschnittlichen Siedlungsverdichtung bezeichnet. An diese Verdichtungsräume grenzen so genannte Randzonen mit erheblicher Sieldungsverdichtung. Der Ländliche Raum ist in Verdichtungsbereiche und den Ländlichen Raum im engeren Sinne untergliedert. Verdichtungsbereiche im Ländlichen Raum sind Stadt-Umland-Bereiche mit engen Verflechtungen und erheblicher Siedlungsverdichtung. Gebiete, die als Ländlicher Raum im eigentlichen engeren Sinne beschrieben werden, sind durch eine deutlich unter-durchschnittliche Siedlungsverdichtung und einen hohen Freiraumanteil gekennzeichnet.