:: 2/2004

Dienstleistungsbranchen – eine Domäne für Teilzeitbeschäftigung

Insbesondere in wirtschaftlich schwierigen Zeiten tritt die Bedeutung der Dienstleistungsbranchen als Motor der Gesamtbeschäftigung zutage. Häufig wird dort noch zusätzliches Personal benötigt, während sich die Industrie gezwungen sieht, Personal abzubauen. Alleine die Zahl der im Dienstleistungssektor sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die rund zwei Drittel aller Erwerbstätigen ausmachen, ist in den Jahren 1998 bis 2002 um mehr als 200 000 auf fast 2,2 Millionen gestiegen. Vor allem Frauen, die Familie und Beruf miteinander verbinden müssen, arbeiten im Dienstleistungsbereich. 86 % aller dort in Teilzeit beschäftigten Personen sind Frauen. Im Laufe des vergangenen Jahres gerieten nach der Industrie auch die Dienstleistungsunternehmen in den Sog der schwachen Konjunktur. Der Personalbestand im Handel und bei unternehmensnahen Dienstleistern erreichte nicht mehr das Niveau des Vorjahres.

Dienstleistungsbranchen gleichen Arbeitsplatzverluste im Produzierenden Gewerbe mehr als aus

Im Zeitraum 1998 bis 2002 ist die Zahl der in den Dienstleistungsbereichen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Vergleich zu den Jahren davor kräftig gestiegen, und zwar um über 200 000 (+ 10 %) auf annähernd 2,2 Mill. Im gleichen Zeitraum sank im traditionell stark industrieorientierten Bundesland Baden-Württemberg die Zahl der im Produzierenden Gewerbe sozialversicherungspflichtig Beschäftigten um fast 53 000 Personen (- 3 %) und lag zum Jahresende 2002 nur noch bei gut 1,6 Mill. Dank der Dienstleistungsbranchen konnten die Beschäftigungsverluste in der Industrie durch die hohe Zahl an Stellenzugängen mehr als ausgeglichen werden. Damit erwiesen sich die Dienstleister als wichtigster Beschäftigungsmotor im Land. Ende 2002 hatte bereits mehr als jeder zweite sozialversicherungspflichtig Beschäftigte (57 %) seinen Arbeitsplatz in diesem Wirtschaftssektor1 (Tabelle 1). Unter Einbeziehung der Zahl der Beschäftigten, die bei industriellen Arbeitgebern Dienstleistungsfunktionen ausüben, wäre die Zahl noch weitaus höher. Nach Angaben des Mikrozensus übten im April 2002 gut 62 % aller Arbeitnehmer eine Dienstleistungstätigkeit aus.

Das Spektrum an Dienstleistungsbranchen ist äußerst breit gefächert: Sie reichen vom Handel über das Gastgewerbe, das Gesundheits- und Bildungswesen, die öffentliche Verwaltung, Banken und Versicherungen, Architektur- und Ingenieurbüros sowie Rechtsanwaltskanzleien bis hin zur Forschung und Entwicklung. Von den Ende 2002 fast 2,2 Mill. sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Dienstleistungsbereich arbeiteten 540 000 Personen (25 %) im Handel einschließlich Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen und Gebrauchsgütern, unter ihnen alleine 257 000 – also fast die Hälfte – im Einzelhandel. An zweiter Stelle folgte der Bereich Gründstücks- und Wohnungswesen, Vermietung beweglicher Sachen, Erbringung von Dienstleistungen überwiegend für Unternehmen mit knapp 400 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (18 %). Annähernd ebenso viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (390 000) waren im Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen beschäftigt, davon mehr als zwei Drittel im Gesundheits- einschließlich Veterinärwesen (260 000).

In den 4 Jahren von 1998 bis 2002 hat sich die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Grundstücks- und Wohnungswesen, Vermietung und Unternehmensdienstleister2 mit einem absoluten Zuwachs von über 92 000 (+ 30 %) am dynamischsten entwickelt. Auch das Gastgewerbe, der Bereich Verkehr und Nachrichtenübermittlung sowie das Gesundheits-, Sozial- und Veterinärwesen zählten zu den Dienstleistungsbranchen, deren Bestand an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zwischen 1998 und 2002 um mehr als 10 % und damit vergleichsweise stark zunahm.

86 % aller Teilzeitbeschäftigten im Dienstleistungssektor sind Frauen

Seit Jahren hat sich in Baden-Württemberg wie auch im gesamten Bundesgebiet die Teilzeitbeschäftigung enorm ausgeweitet. Ende des Jahres 2002 waren von rund 3,85 Mill. sozialversicherungspflichtig Beschäftigten fast 590 000 in Teilzeit tätig, rund doppelt so viele wie 20 Jahre zuvor. Der Anteil der Teilzeitbeschäftigten an den insgesamt sozialversicherungspflichtig Beschäftigten stieg im Zeitraum 1982 bis 2002 von 9 % auf 15 %. In diesen Teilzeitbeschäftigungsanteilen ist noch nicht einmal die Summe aller ausschließlich geringfügig Beschäftigten berücksichtigt, sodass Beschäftigungsformen außerhalb der Vollzeitbeschäftigung noch von weitaus größerer Bedeutung sind, als dies durch die Zahl der sozialversicherungspflichtig Teilzeitbeschäftigten dargestellt wird.

Die Ergebnisse der Beschäftigtenstatistik zeigen deutlich, dass sich Teilzeitarbeit sehr stark auf den Dienstleistungsbereich konzentriert. Ende des Jahres 2002 arbeiteten von den insgesamt 590 000 Teilzeitbeschäftigten in Baden-Württemberg fast 83 % (486 000) im tertiären Sektor. Die Belegung innerhalb des Dienstleistungsbereichs war dennoch recht unterschiedlich. Mehr als 110 000 Teilzeitbeschäftigte hatten ihren Arbeitsplatz im Gesundheits-, Sozial- und Veterinärwesen, knapp gefolgt vom Handel inklusive Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen und Gebrauchsgütern mit fast 107 000, wobei alleine der Einzelhandel mit über 82 000 Teilzeitbeschäftigten zu Buche schlug.

Seit 1998 wurden insgesamt 9 % mehr Vollzeitarbeitsplätze, hingegen 16 % mehr Teilzeitjobs geschaffen. Der starke Zuwachs dieser Arbeitsverhältnisse dürfte vor allem an den Besonderheiten des Dienstleistungsbereichs liegen. Dort besteht häufig die Möglichkeit, losgelöst von starren Produktionsabläufen zu agieren, was zahlreiche Teilzeitmöglichkeiten zulässt.

Insbesondere im Handel und im Gastgewerbe, wo die längeren Geschäftszeiten inzwischen die Tagesarbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten übersteigen, gewinnen Arbeitgeber durch Teilzeitarbeitsplätze ein hohes Maß an Flexibilität. Insbesondere für Frauen bieten Teilzeitarbeitsplätze häufig die einzige Möglichkeit, Beruf und Familie in Einklang zu bringen. Entsprechend hoch ist der Frauenanteil bei den Teilzeitkräften im Dienstleistungsbereich (Ende 2002: 86 %).

Stadtkreise sind Dienstleistungszentren

Die Beschäftigten der Dienstleistungsbranchen konzentrieren sich schon wegen der starken Präsenz des Handels und des öffentlichen Dienstes in den Großstädten. So hatten die Stadtkreise bereits 1998 mit 68 % einen wesentlich höheren Beschäftigtenanteil im Dienstleistungsbereich als die Landkreise (48 %) und konnten diesen Vorsprung bis Ende 2002 noch weiter auf 71 % ausbauen. Innerhalb der Stadtkreise waren die Beschäftigtenanteile des tertiären Sektors in Freiburg (81 %), Heidelberg (79 %) und Karlsruhe (78 %) besonders hoch, am geringsten – jedoch immer noch über dem Landesdurchschnitt von 57 % – im Stadtkreis Pforzheim (61 %). In den einzelnen Landkreisen bewegte sich zum Jahresende 2002 der Anteil der im Dienstleistungsbereich sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zwischen 68 % in Tübingen und 35 % im Kreis Tuttlingen (Tabelle 2).

Die in den Stadtkreisen – gemessen an der jeweiligen Gesamtbeschäftigung der Kreise – vergleichsweise hohe Zahl an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Dienstleistungssektor ist auch darauf zurückzuführen, dass das Dienstleistungsangebot nicht nur von den dort lebenden Menschen genutzt wird, sondern einen größeren Wirkungskreis besitzt. Dieser Effekt wird sichtbar, wenn man so genannte »Beschäftigtenziffern« berechnet, im konkreten Fall also die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Dienstleistungssektor je 1 000 Einwohner.

In den Stadtkreisen mit ihren hoch qualifizierten und spezialisierten Einrichtungen und Arbeitsplätzen (zum Beispiel Hochschulen, Krankenhäuser, Theater, Kongresswesen, Messen, unternehmensorientierte Dienstleistungen) kamen Ende 2002 im Durchschnitt rund 390 sozialversichungspflichtig Beschäftigte im Dienstleistungssektor auf 1 000 Einwohner, im Landesdurchschnitt nur 204. Spitzenreiter unter den Stadtkreisen waren Ulm, Heidelberg, Stuttgart und Karlsruhe mit über 400 sozialversicherungspflichtig Dienstleistungsbeschäftigten je 1 000 Einwohner. Dagegen finden wir vor allem in Landkreisen, die um oder sehr nahe an einem Dienstleistungszentrum liegen, weniger Beschäftigte im Tertiärbereich je 1 000 Einwohner – so zum Beispiel in den Landkreisen Breisgau-Hochschwarzwald (149), Neckar-Odenwald-Kreis oder Rastatt (jeweils 140).

Dienstleistungen im Sog der Konjunkturschwäche

Mit dem sich seit langem vollziehenden wirtschaftlichen Strukturwandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft wird die Gesamtbeschäftigung im Land heute stärker von der Entwicklung der Beschäftigung im Dienstleistungsbereich bestimmt als noch vor Jahren und Jahrzehnten. Geraten die Dienstleistungsbranchen – in vielen zurückliegenden wirtschaftlich schweren Zeiten stets Rettungsanker der Beschäftigtenentwicklung – selbst in den Sog der Konjunkturschwäche und bauen Personal ab, kumuliert sich der Stellenabbau in Industrie und Dienstleistungsbereichen und hat eine spürbare Verschlechterung der Gesamtbeschäftigungssituation zur Folge. Hochrechnungen der Bundesagentur für Arbeit zur Entwicklung der Beschäftigtenzahlen im Dienstleistungsbereich zeigen, dass in den ersten neun Monaten des Jahres 2003 die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nunmehr auch im tertiären Sektor leicht rückläufig war. Diesen vorläufigen Berechnungen zufolge erreichte die Zahl der in den Dienstleistungsbranchen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten seit April 2003 nicht mehr das Niveau des Vorjahres (Schaubild). Während unter den größten Dienstleistungsbranchen im Handel bereits seit Oktober 2002 nach anhaltender Konsumschwäche der Bestand an sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmern hinter dem Vorjahresniveau zurückblieb, setzte der Personalabbau im zweitgrößten Dienstleistungsbereich »Grundstücks- und Wohnungswesen, Vermietung, Dienstleistungen überwiegend für Unternehmen« erst im Sommer 2003 ein. Als vergleichsweise konjunkturrobust erwies sich dagegen das Gesundheitswesen, das seinen Bestand an sozialversicherungspflichtig beschäftigtem Personal noch ausweitete.

Ein Grund für den Stellenabbau in den Dienstleistungsbereichen des Landes dürfte darin zu suchen sein, dass diese – direkt oder indirekt – ebenfalls mehr oder weniger konjunkturabhängig sind. Produktion und Dienstleistung stehen nicht isoliert nebeneinander, sondern sind heute in vielfältiger Weise miteinander verzahnt. Immer häufiger werden für Problemstellungen ganze Systemlösungen gefordert, die von der Entwicklung eines Produktes über die Produktion bis zur Werbung und zum Vertrieb reichen.

Ein weiterer Grund könnte mit der Neuregelung der Mini- und Midijobs zum 1. April 2003 in Zusammenhang stehen. Möglicherweise wurde durch die höhere Attraktivität der geringfügigen Beschäftigung ein Teil der Teilzeit- und Vollzeitstellen im Dienstleistungsbereich in mehrere geringfügige Jobs umgewandelt. Letztere sind in den hier genannten Zahlen der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nicht enthalten.

Berücksichtigt man Selbstständige, mithelfende Familienangehörige, Beamte und ausschließlich geringfügig Beschäftigte, die allesamt überdurchschnittlich stark im Dienstleistungsbereich vertreten sind, jedoch nicht zu den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zählen, mag die Entwicklung der Erwerbstätigenzahl im Dienstleistungssektor in einem günstigeren Licht erscheinen. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion um die Sicherung der Sozialsysteme ist eine gesonderte Beobachtung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten jedoch unerlässlich. Ihre Zahl gibt Aufschluss darüber, wie viele Arbeitnehmer die Einnahmenseite der Sozialversicherung stützen.

1 In diesen Beschäftigtenzahlen sind nur die von Arbeitgebern sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmer enthalten, die wirtschafts-zweigsystematisch dem Dienstleistungsbereich zuzurechnen sind.

2 Zu diesem Wirtschaftsabschnitt zählen unter anderem die Anbieter von Forschungs- und Entwicklungsleistungen, Rechtsberatung, Markt- und Meinungsforschung, aber auch Architektur- und Ingenieurbüros und Reinigungsfirmen.