:: 2/2004

Wo wird der Wohlstand erzeugt, wem kommt er zugute?

In den wirtschaftlichen Zentren des Landes werden Werte produziert, deren Gegenwert den Einwohnern anschließend als Verdienste, Gewinne, Transferzahlungen und vieles mehr zufließen. Durch das Auseinanderfallen von Werterstellung am Arbeitsort und Wertzugang am Wohnort, überlagert durch die Umverteilungsmaßnahmen des Staates, weichen die regionalen Verteilungsmuster der Bruttowertschöpfung und des Verfügbaren Einkommens in Baden-Württemberg voneinander ab.

Ein Gradmesser für die wirtschaftliche Leistungskraft einer Region ist die Bruttowertschöpfung, die – abzüglich der Vorleistungen – dem Wert aller innerhalb eines Jahres produzierten Waren und Dienstleistungen entspricht. Im Jahr 2001 bezifferte sich die Bruttowertschöpfung in Baden-Württemberg auf insgesamt 281 Mrd. Euro.1 Die wirtschaftlichen Aktivitäten und deren regional unterschiedliche Ausprägungen sind Gegenstand der Berechnungen des »Arbeitskreises Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder«. Nicht alle Stadt- und Landkreise sind gleichermaßen an der Bruttowertschöpfungsentwicklung beteiligt. Regional betrachtet konzentrieren sich die wirtschaftlichen Aktivitäten in den Regionen Stuttgart, Rhein-Neckar sowie Mittlerer Oberrhein. Die in Tabelle 1 angelisteten zehn Stadt- und Landkreise erbrachten im Jahr 2001 zusammen einen Anteil von rund 47 % an der gesamten Bruttowertschöpfung des Landes Baden-Württemberg.

Die Bruttowertschöpfung ist ein guter Maßstab für die wirtschaftlichen Aktivitäten und deren strukturelle und quantitative Veränderungen, sie ist aber nur bedingt zur Darstellung des materiellen Wohlstands geeignet. Verschiedene Faktoren können dazu führen, dass die im Produktionsprozess entstandenen Werte regional anders verteilt sind als die Einkommen, über die die Einwohner letztlich verfügen können. Je kleiner die betrachteten Regionaleinheiten sind, desto größer können diese Unterschiede werden. Zu den Faktoren, die die regionale Verteilung der Einkommen beeinflussen, zählen zum Beispiel direkte Steuern und Sozialbeiträge, die im Zuge der Einkommensumverteilung abgezogen werden, Überweisungen an Rentner und Pensionäre, den Einwohnern aufgrund ihrer Funktion als Kapitalgeber zufließende Zins- und Dividendenerträge aus Anteilen an überregional tätigen Unternehmen sowie die Arbeitseinkommen, die von Berufspendlern am Arbeitsort verdient und anschließend an den Wohnort exportiert werden.

In Stadtkreisen erzeugter Wohlstand kommt auch Umlandkreisen zugute

Ein Maß, das besser für die Beurteilung der regionalen Lebensverhältnisse geeignet ist, ist das Verfügbare Einkommen der privaten Haushalte (einschließlich Organisationen ohne Erwerbszweck). Es berücksichtigt sämtliche Einkommensbestandteile, die den privaten Haushalten zufließen, und sämtliche Abflüsse, die deren Einkommen schmälern. Im Jahr 2001 bezifferte sich das Verfügbare Einkommen aller privaten Haushalte in Baden-Württemberg auf knapp 188 Mrd. Euro. Die in Tabelle 2 aufgeführten 10 ersten Stadt- und Landkreise erreichten im Jahr 2001 zusammen einen Anteil von gut 43 % am Verfügbaren Einkommen aller privaten Haushalte in Baden-Württemberg.

Die Tatsache, dass die Spitze bei Bruttowertschöpfung und Verfügbarem Einkommen im Wesentlichen aus den gleichen Stadt- und Landkreisen gebildet wird, weist auf den engen Zusammenhang zwischen beiden Größen hin. Auf der anderen Seite belegen die Positions- und Anteilsveränderungen, dass vielfältige Faktoren auf eine regionale Umverteilung hinwirken. Als exemplarisch für die Stadt-Umland-Beziehungen können die Landeshauptstadt und die Kreise der Region Stuttgart sowie der Stadt- und Landkreis Karlsruhe angesehen werden. In beiden Fällen bilden die Städte Zentren mit einer vergleichsweise hohen Zahl an Arbeitsplätzen, die von auswärtigen Pendlern eingenommen werden und so zu einem bedeutenden Transfer von Einkommen in die umliegenden Kreise führen. Die besondere Rolle der Landeshauptstadt als »Exporteur« von Einkommen wird daran deutlich, dass in keinem anderen Kreis die Kluft zwischen der Bruttowertschöpfung und dem Verfügbaren Einkommen ähnlich groß ist: Während Stuttgart mit rund 10 % zur wirtschaftlichen Leistung im Land beiträgt, entfallen nur gut 6 % des Verfügbaren Einkommens auf Stuttgart. Nimmt man diese Differenz als Maßstab, dann exportiert die Landeshauptstadt Verfügbares Einkommen in einem Umfang, der dem gesamten Verfügbaren Einkommen gleich mehrerer bevölkerungs- und wirtschaftsschwacher Kreise zusammengerechnet entspricht.

Die Pendlerverflechtung ist angesichts der hohen Bedeutung des Arbeitnehmerentgelts für das Verfügbare Einkommen ein wichtiger Faktor für die regionalen Abweichungen zwischen Bruttowertschöpfung und Verfügbarem Einkommen. Nennenswerten Einfluss auf das Verfügbare Einkommen je Einwohner haben aber auch die mannigfaltigen staatlichen Umverteilungsmaßnahmen sowie andere Einkommensquellen wie Betriebsüberschüsse oder Vermögenseinkommen.

Höchstes Pro-Kopf-Einkommen in Baden-Baden

Erst durch die Kombination aus mehreren Einkommenskomponenten erklärt sich die Spitzenstellung des Stadtkreises Baden-Baden. Bezüglich der Bruttowertschöpfung ragt er nicht aus den übrigen Stadtkreisen heraus, durch überdurchschnittliche Vermögenseinkommen, Betriebsüberschüsse sowie staatliche Transferzahlungen für Rentner und Pensionäre ergibt sich jedoch mit 21 450 Euro das höchste Verfügbare Einkommen je Einwohner in Baden-Württemberg, wobei der Vollständigkeit halber anzumerken ist, dass Baden-Baden auch bezüglich der pro Einwohner geleisteten Einkommensteuern den Spitzenplatz einnimmt. Im Durchschnitt beziffert sich das Verfügbare Einkommen in Baden-Württemberg im Jahr 2001 auf rund 17 780 Euro je Einwohner. Im Stadtkreis Stuttgart, mit annähernd 590 000 Einwohnern die bevölkerungsreichste Regionaleinheit im Land und rund zehnmal so groß wie Baden-Baden, führen überdurchschnittliche Arbeitnehmerentgelte und Vermögenseinkommen gleichermaßen zum dritten Platz mit 19 750 Euro je Einwohner. Im Landkreis Esslingen dagegen resultiert der zweite Platz mit 19 830 Euro Verfügbarem Einkommen je Einwohner zu einem größeren Anteil auf den durch die wirtschaftliche Leistung vor Ort beruhenden Arbeitnehmerentgelten. Ganz anders die Verhältnisse in Mannheim, das für die Wirtschaftsleistung in Baden-Württemberg immer noch große Bedeutung hat, wo aber die strukturellen Veränderungen zu einem weit niedrigeren Verfügbaren Einkommen der dort ansässigen Einwohner geführt haben. Mit 15 450 Euro je Einwohner erreicht es lediglich den drittletzten Rang.

Je weiter man sich von den wirtschaftlichen Zentren des Landes entfernt, desto mehr nähern sich das Niveau der lokalen Wirtschaftskraft und die relative Höhe des Verfügbaren Einkommens an, da die Bedeutung der Pendlerbewegungen und der damit verbundenen interregionalen Einkommenstransfers abnimmt.

Einkommensunterschiede zwischen den Stadt- und Landkreisen konstant

Die Pendlerbewegungen sind eine Ursache für regionale Unterschiede, während staatliche Umverteilungsmaßnahmen in der Regel auf einen Ausgleich hinwirken: Die Spannweite des Verfügbaren Einkommens je Einwohner zwischen den Stadt- und Landkreisen ist geringer als die der Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigen (vgl. Schaubild). Die Einkommensunterschiede zwischen den Stadt- und Landkreisen selbst haben sich in den vergangenen 10 Jahren nicht vergrößert. Tendenziell haben sie sich sogar eher verringert, obwohl das Verfügbare Einkommen insgesamt zumindest bei nominaler Betrachtung – deutlich zugenommen hat. Die staatlichen Umverteilungsmaßnahmen vermögen zwar den Abstand zwischen den Kreisen und die Streuung um den Durchschnittswert zu verringern, sie vermögen es allerdings nicht, fehlendes Einkommen – sei es das aus Arbeitnehmertätigkeit, sei es das aus Vermögen – vollständig zu ersetzen: Kreise, in denen weder das eine noch das andere stärker ausgeprägt ist, finden sich im Hinblick auf das Verfügbare Einkommen eher am unteren Ende der Skala.

1 Für den Vergleich mit dem Verfügbaren Einkommen wird der Wert des Jahres 2001 herangezogen. Im Jahr 2002 bezifferte sich die Bruttowertschöpfung in Baden-Württemberg auf 286,4 Milliarden Euro. Erste Teilergebnisse für die Bruttowertschöpfung 2003 wurden am 6. Februar 2004 bekannt gegeben, erste Gesamtergebnisse stehen ab 30. März 2004 bereit.