:: 4/2004

Meisterschulen in Baden-Württemberg

An den Fachschulen im Land bereiten sich gegenwärtig fast 2 800 Fortbildungswillige auf die Meisterprüfung vor. Damit setzte sich der Trend sinkender Schülerzahlen an den Meisterschulen fort. Zu Beginn der 90er-Jahre wurden dort noch deutlich mehr als 4 000 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Frauen sind in den Meisterklassen verhältnismäßig selten: nur 10 % der Schüler sind weiblich. Insgesamt wurden in Baden-Württemberg im Jahr 2002 rund 6 000 Meisterprüfungen abgelegt, davon knapp 4 000 im Handwerk. Die weitere Entwicklung der Schülerzahlen dürfte sowohl von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen als auch von der demografischen Entwicklung geprägt werden.

Ausbildung an Fachschulen

Nicht nur im Handwerk besteht eine Nachfrage nach ausgebildeten Meistern, sondern auch in der Industrie, in der Landwirtschaft und im öffentlichen Dienst. Zur Vorbereitung auf die Meisterprüfung, die vor den zuständigen Kammern abgelegt wird, können die Fortbildungswilligen einen Bildungsgang an einer Fachschule belegen. In der Regel dauert dieser bei Vollzeitunterricht ein Jahr, bei Teilzeitunterricht in Abend- und Wochenendkursen zwei Jahre. Neben den »klassischen« gewerblichen Handwerksberufen können auch in weiteren Berufen auf die Meisterprüfung hinführende Kurse an Fachschulen belegt werden. Hierzu zählen zum Beispiel Floristen, Schwimmmeister oder der Gartenbau.1

Im Schuljahr 2003/04 bieten 69 öffentliche und 4 private Fachschulen Kurse zur Vorbereitung auf die Meisterprüfung an. Von den 41 in der Handwerksordnung noch enthaltenen Vollhandwerken sind 25 an den Schulen im Land vertreten. Daneben finden dort in 15 der 53 nun zulassungsfreien Handwerken Lehrgänge statt. Industriemeister werden derzeit in den Bereichen Elektrotechnik, Metalltechnik, Gießereitechnik, Textilindustrie, Drucktechnik, Papiertechnik und Sägeindustrie ausgebildet. Der Bereich der Meisterprüfung in der Hauswirtschaft sowie die Prüfungen für Landwirtschaftsmeister bleiben in diesem Beitrag ausgeklammert. Die Fachschulen für Ernährung und Hauswirtschaft sollen zwar unter anderem auf die Meisterprüfung vorbereiten, im Vordergrund steht allerdings die Ausbildung zur staatlich geprüften Wirtschafterin. Die Landwirtschaftsschulen dienen in erster Linie der Fortbildung von Landwirten, wobei die Vorbereitung auf die Meisterprüfung nur ein Aspekt unter vielen ist.

Knapp 2 800 angehende Meister an den Schulen

Derzeit bereiten sich fast 2 800 Schülerinnen und Schüler an den Fachschulen im Land auf die Meisterprüfung vor (Tabelle 1). Die meisten sind im Berufsfeld Metalltechnik zu finden, erst mit weitem Abstand folgt das Berufsfeld Bautechnik. So gehören auch die drei meistgewählten Berufe zur Metalltechnik: 456 Schüler wollen Kraftfahrzeugmechanikermeister werden, 171 Industriemeister in der Metalltechnik und 167 Feinwerkmechanikermeister.

Die Berufe, die durch die Novellierung der Handwerksordnung vom Meisterzwang befreit wurden, spielen an den baden-württembergischen Fachschulen nur eine untergeordnete Rolle. Lediglich 241 junge Frauen und Männer werden hier in Berufen wie Gebäudereiniger, Keramiker oder Raumausstatter unterrichtet. Der im laufenden Schuljahr am häufigsten gewählte Beruf unter den jetzt zulassungsfreien Handwerken ist der des Fliesen-, Platten- und Mosaiklegers mit 41 Schülern. In Berufen, für die bereits vor der letzten Novellierung die Meisterprüfung nicht verpflichtend war, bilden sich im laufenden Schuljahr 239 Schülerinnen und Schüler fort. Mehr als die Hälfte davon wollen Gärtnermeister werden. Mit einer Zahl von 1 850 belegen gut zwei Drittel der Schülerinnen und Schüler Kurse in Berufen, in denen der Meistertitel Voraussetzung für die Führung eines Handwerksbetriebes ist. Jedoch werden nicht nur im Handwerk Meister benötigt, auch in der Industrie ist diese Qualifikation in einigen Bereichen gesucht. Neben der bereits oben genannten Metalltechnik sind hier besonders die Bereiche Papiererzeugung und -verarbeitung sowie Gießereitechnik zu nennen.

Nur wenige Frauen unter den angehenden Meistern

Die Führung von Handwerksbetrieben ist in vielen Branchen eine männliche Domäne. Dies spiegelt sich auch in den Schülerzahlen wider, denn gegenwärtig ist nur jeder zehnte Bildungswillige an Meisterschulen weiblich. Die Verteilung der gewählten Berufe unterscheidet sich dabei deutlich von der ihrer männlichen Mitschüler, wobei auch unter den Schülerinnen ein Beruf herausragt: 75 wollen Augenoptikermeisterin werden; das sind knapp 60 % aller Schülerinnen und Schüler in diesem Beruf. Den Meisterbrief im Gartenbau möchten 31 Schülerinnen erwerben. Im Schneiderhandwerk sind 22 der 24 Schülerinnen und Schüler weiblich. Lediglich in 6 der in Baden-Württemberg angebotenen Meisterberufe ist die Mehrzahl der Schüler weiblich. Neben den bereits genannten Berufen Augenoptiker und Schneider sind dies noch Floristen (11 von 12), Friseure (14 von 17), Goldschmiede (12 von 18) und Konditoren (19 von 32). Dagegen sind unter den 456 angehenden Kraftfahrzeugmechanikermeistern lediglich zwei Frauen.

Schülerinnen und Schüler mit ausländischer Staatsangehörigkeit sind an den Meisterschulen nur relativ selten anzutreffen. Die amtliche Schulstatistik erfasste hier im Schuljahr 2003/04 lediglich 220 ausländische Schüler. Rund ein Viertel von ihnen stammt aus der Türkei, jeweils rund ein Sechstel aus der Schweiz und aus Italien. Bei den schweizerischen Schülern mag davon ausgegangen werden können, dass sie ihren Beruf in der Schweiz ausüben werden und nur in Deutschland ihre Meisterprüfung ablegen wollen. Auch unter den nicht deutschen Schülerinnen und Schülern beträgt der Frauenanteil rund 10 %.

Rund die Hälfte der an den Meisterschulen neu eingetretenen Schülerinnen und Schüler hat im Lauf der Schulausbildung einen mittleren Bildungsabschluss – Realschulabschluss oder Fachschulreife – erworben, über 40 % den Hauptschulabschluss. Mit 3 % bzw. 6 % sind Zeugnisse der Fachhochschulreife oder Hochschulreife unter den Meisterschülern eher die Ausnahme. Allerdings sind hier deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern feststellbar. Von den Schülerinnen sind lediglich ein Viertel Hauptschulabgängerinnen, dagegen liegen die Anteile der anderen Abschlussarten deutlich über denen ihrer männlichen Mitschüler: 58 % haben einen mittleren Schulabschluss erreicht, 6 % die Fachhochschulreife und 12 % die Hochschulreife.

Rund 40 % bereiten sich an Fachschulen vor

Bei der Erfassung der erfolgreichen Meisterprüfungen steht die amtliche Schulstatistik vor einem gewissen Problem der Unschärfe. Da die abschließenden Prüfungen vor der jeweils zuständigen Kammer abgelegt, die Daten jedoch bei den Schulen erhoben werden, wird die Qualität der Meldung vom Informationsfluss zwischen den Kammern und den Schulen beeinflusst. Von den Fachschulen wurden im Jahr 2003 rund 2 200 bestandene Prüfungen gemeldet (Schaubild 1). Rund die Hälfte davon entfällt auf die beiden Berufsfelder Metalltechnik und Bautechnik. Etwa 380 Schulabgänger hatten nicht den erhofften Erfolg.

Von den Fachschulabgängern erwarben über 1 500 der neu gebackenen Meister ihren Meisterbrief in Berufen, die auch zukünftig zu den Vollhandwerken zählen. Nur gut 230 Prüfungen wurden in Berufen abgelegt, die von der letzten Novellierung der Handwerksordnung betroffen sind. Knapp 190 erfolgreiche Abschlüsse verteilen sich auf Berufe, in denen schon früher kein Meisterbrief zur Führung eines Betriebs erforderlich war. Die übrigen rund 280 Schulabgänger dürfen sich seit dem Jahr 2003 Industriemeister nennen.

Außer an den hier beschriebenen Fachschulen werden weitere Vorbereitungskurse unter anderem von den Handwerkskammern angeboten. Insgesamt wurden im Jahr 2002 in Baden-Württemberg 6 040 Meisterbriefe2 erworben, darunter 205 in den hier nicht betrachteten land- und hauswirtschaftlichen Bereichen (Tabelle 2). Etwa 40 % der angehenden Meister bereiten sich an Fachschulen auf ihre Prüfung vor, wobei dieser Anteil im Handwerk deutlich höher liegt als in der Industrie.

Nachlassendes Interesse?

Die Nachfrageentwicklung lässt sich durch die Neueintritte besser abschätzen als durch die absoluten Schülerzahlen, da sich bei den Schülerzahlen auch die Dauer der Ausbildung auswirkt – Teilzeit-Schüler bleiben zwei Jahre lang an der Schule. In der ersten Hälfte der 90er-Jahre traten meist mehr als 4 000 Fortbildungswillige in die Meisterschulen ein (Schaubild 2). In der zweiten Hälfte der 90er-Jahre sank diese Zahl zunächst auf rund 3 800 ab, um dann bis zum Schuljahr 2000/01 beständig auf nur noch knapp 2 500 zu fallen. Im Schuljahr 2001/02 stieg die Zahl der Neueintritte vorübergehend auf annähernd 2 700 an. Seitdem ist sie aber wieder auf nur noch knapp 2 400 im Schuljahr 2003/04 zurückgegangen.

Was können die Ursachen dieses erheblichen Rückgangs sein? Möglicherweise spielt die wirtschaftliche Lage eine Rolle. In vielen Fällen dürfte der Erwerb des Meisterbriefs ein Schritt auf dem Weg zur Gründung oder der Übernahme eines Handwerksbetriebs sein. Bei eher düsteren Aussichten hinsichtlich der Rentabilität eines solchen Schritts dürfte er manchen schwer fallen. Ein Jahr Unterricht an einer Vollzeit-Schule bedeutet für die Fortbildungswilligen oft einen erheblichen Verdienstausfall. Zur Förderung der beruflichen Aufstiegsfortbildung wurde 1996 das Gesetz zur Förderung der beruflichen Aufstiegsfortbildung (AFBG) erlassen.3 Ziel der individuellen Förderung nach diesem Gesetz ist es, Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Maßnahmen der beruflichen Aufstiegsfortbildung durch Beiträge zu den Kosten der Maßnahme und zum Lebensunterhalt finanziell zu unterstützen. Der Besuch von Meisterschulen ist nach diesem Gesetz förderfähig. Trotz insgesamt steigender Zahlen von Geförderten und Fördermitteln führte das AFBG nicht zu einer Stabilisierung der Schülerzahlen an den Meisterschulen. In diesem Zusammenhang ist es interessant, dass die Zahl der Teilzeit-Schüler, die während der Fortbildung ihren Arbeitsplatz weiter behalten können, im Schuljahr 2003/04 mit 360 nur wenig niedriger ist als im Schuljahr 1990/91. Zwar sind im Teilzeit-Bereich über die Jahre gewisse Schwankungen feststellbar, insgesamt weist er aber ein recht stabiles Niveau auf.

Bei der Analyse der Entwicklung der Schülerzahlen an den Meisterschulen ist aber noch ein weiterer Punkt zu beachten. Die Schülerinnen und Schüler an diesen Schulen sind weit überwiegend zwischen 20 und 35 Jahre alt. Waren Ende 1990 noch fast 2,54 Mill. Baden-Württemberger 20 bis unter 35 Jahre alt, so waren dies Ende 2002 nur noch etwas mehr als 2,07 Mill. Damit ging die Bevölkerungszahl in dieser Altersgruppe um über 18 % zurück. Bei einem gleich bleibenden Anteil der Meisterschüler an der Bevölkerung hätte allein die demografische Entwicklung einen Rückgang der Schülerzahl im selben Ausmaß zur Folge gehabt. Die schwächer besetzten Geburtenjahrgänge dürften somit einen beträchtlichen Teil zum Rückgang der Schülerzahlen um rund 40 % seit 1990 beigetragen haben.

Setzt sich der Rückgang der Schülerzahlen fort?

Die weitere Entwicklung der Schülerzahlen an den Meisterschulen im Land hängt von vielen Faktoren ab. Die letzte Novellierung der Handwerksordnung dürfte dabei nur eine untergeordnete Rolle spielen, weil die Schülerzahlen in den hiervon betroffenen Berufen nicht sehr hoch sind. Da in diesen Berufen außerdem weiterhin die Meisterprüfung abgelegt werden kann, ist auch in Zukunft eine gewisse Nachfrage nach den entsprechenden Bildungsgängen zu erwarten.

Aus demografischer Sicht ist in den nächsten Jahren nicht mehr mit einem vergleichbaren Rückgang der Bevölkerungszahl im Alter von 20 bis unter 35 Jahren zu rechnen. Bis zum Jahr 2006 ergab die Landesvorausrechnung zwar noch ein leichtes Absinken der Zahl auf knapp unter 2,0 Mill., in den folgenden Jahren dürfte sie aber wieder etwas ansteigen.4 Aus dieser Sicht ist eine eher stabile Entwicklung der Schülerzahlen zu erwarten.

Das größte Unsicherheitsmoment bleibt jedoch die wirtschaftliche Entwicklung. Die Gründung oder Übernahme eines Handwerksbetriebs fällt bei positiven Rahmenbedingungen leichter als in schwierigen Zeiten. Durch die Altersstruktur der jetzigen Inhaber der Betriebe besteht grundsätzlich Bedarf an Meisternachwuchs. Es wird angenommen, dass in den letzten Jahren zu wenige Meisterprüfungen abgelegt wurden, um in allen Fällen einen reibungslosen Betriebsübergang zu gewährleisten.5 Aus diesem Blickwinkel wäre in den nächsten Jahren mit einem gewissen Nachholeffekt zu rechnen. Allerdings bleibt auch der politische Rahmen ein Unsicherheitsfaktor. Das deutsche Handwerkssystem ist europaweit einmalig, wodurch die Möglichkeit einer weiter gehenden Harmonisierung von Rechtsgrundlagen auf europäischer Ebene auch in Zukunft Auswirkungen auf die Handwerksordnung haben kann. Gut ausgebildete Betriebsinhaber werden aber weiterhin gesucht sein. Die beruflichen Schulen werden diesem »Fortbildungsmarkt« weiter aufgeschlossen gegenüberstehen.

1 Im Text wird auf die additive Nennung der femininen und maskulinen Berufsbezeichnungen aus Gründen besserer Lesbarkeit verzichtet. Sie werden als Gattungsbegriffe aufgefasst, die beide Ge-schlechter umfassen.

2 Die Ergebnisse der Berufsbildungsstatistik für das Jahr 2003 liegen frühestens im Mai 2004 vor.

3 Gesetz zur Förderung der beruflichen Aufstiegsfortbildung (AFBG) vom 23. April 1996, BGBl. I 1996, S. 623, zuletzt geändert am 29. Dezember 2003.

4 Vgl. Cornelius, Ivar: Zur Bevölkerungsentwicklung in Baden-Württemberg bis zum Jahr 2050, in: Statistische Monatshefte Baden-Württemberg, Heft 12/2003, S. 3-10.

5 Vgl. Schmid, Klaus-Peter: Meisterlos, in: DIE ZEIT Nr. 52 vom 17. Dezember 2003, S. 20.