:: 5/2004

Strukturwandel der Erwerbstätigkeit in Baden-Württemberg

Der Arbeitsmarkt bzw. die Beschäftigungsverhältnisse in Baden-Württemberg waren in den letzten Jahren grundlegenden Veränderungen unterworfen. Hierzu zählen unter anderem die Expansion des Dienstleistungsbereiches – der Anteil der Erwerbstätigen in diesem Bereich ist seit 1990 von knapp 50 % auf nunmehr 59 % angestiegen – und auch die zunehmende Frauenerwerbstätigkeit. Der Anteil der Frauen an den Erwerbstätigen lag 2003 bereits bei 45 % (1990 noch bei 41 %). Auch die Teilzeitbeschäftigung ist weiter auf dem Vormarsch: So beläuft sich der Anteil der Teilzeitbeschäftigten an allen Erwerbstätigen 2003 auf knapp 26 %, 1990 waren lediglich annähernd 17 % der Erwerbstätigen im Land teilzeitbeschäftigt. Zudem zeigen sich in den letzten Jahren tendenziell höhere Anforderungen an die zeitliche Flexibilität der Erwerbstätigen: Mittlerweile geben rund 53 % der Erwerbstätigen an, ständig, regelmäßig oder gelegentlich Wochenend-, Schicht- und/oder Nachtarbeit zu leisten (1990: 49 %). In Kombination mit dem steigenden Anteil der befristeten Beschäftigungen zeichnet sich somit in den letzten Jahren eine sinkende Bedeutung der so genannten »Normalarbeitsverhältnisse« im Sinne unbefristeter Vollzeitbeschäftigungen ab.

Erstmals seit 1996 geht die Zahl der Erwerbstätigen zurück

Nach den Ergebnissen des Mikrozensus zählten in Baden-Württemberg im Mai 2003 rund 4,98 Mill. Personen zu den Erwerbstätigen. Somit ist die Zahl der Erwerbstätigen in Baden-Württemberg erstmals seit 1995 wieder rückläufig. Gegenüber der Vorjahresberichtswoche (Ende April 2002) zeigt sich ein Rückgang von rund 35 000 Personen bzw. 0,7 %.

Von diesem Beschäftigungsrückgang sind insbesondere die Wirtschaftsbereiche Land- und Forstwirtschaft (-10,3 %) und das Produzierende Gewerbe (-1,9 %) betroffen. Während im Handel, Gastgewerbe und Verkehr die Zahl der Erwerbstätigen ebenfalls abnahm (- 0,5 %), legte sie im Bereich Sonstige Dienstleistungen erneut leicht zu (+1 %), sodass der Dienstleistungsbereich insgesamt auch im Jahr 2003 zugenommen hat.

Im längerfristigen Zeitvergleich ist insbesondere der Dienstleistungsbereich auf einem deutlichen Expansionskurs; die Zahl der Erwerbstätigen stieg in diesem Beschäftigungsbereich seit 1990 um rund 24 %, während sie in den Bereichen Produzierendes Gewerbe bzw. Land- und Forstwirtschaft im gleichen Zeitraum um 13 bzw. knapp 32 % gesunken ist (Tabelle). Im Mai 2003 arbeiteten somit in Baden-Württemberg

  • 2,93 Mill. Personen (59 %) im Dienstleistungsbereich,
  • 1,95 Mill. Personen (39 %) im Produzierenden Gewerbe
  • 105 000 Personen (2,1 %) in der Land- und Forstwirtschaft.

Frauenerwerbstätigkeit weiter auf dem Vormarsch

Die Zahl der weiblichen Erwerbstätigen lag im Mai 2003 bei 2,23 Mill. und ist gegenüber dem Vorjahr erneut leicht um 0,1 % gestiegen. Der Anteil der weiblichen Erwerbstätigen an allen Erwerbstätigen belief sich somit auf knapp 45 %. Im Jahr 1990 lag ihr Anteil an allen Erwerbstätigen noch bei 41 %. Für die weiterhin ansteigende Zahl der weiblichen Erwerbstätigen dürfte das ebenfalls weiter gestiegene Angebot an Teilzeitarbeitsplätzen1 mit ursächlich sein, von dem überwiegend Frauen profitiert haben. So stieg der Anteil der Teilzeitbeschäftigten an allen Erwerbstätigen von annähernd 17 % im Jahr 1990 auf knapp 26 % im Jahr 2003. Der Anteil der Frauen an den insgesamt knapp 1,28 Mill. Teilzeitbeschäftigten – traditionell eine weibliche Domäne – lag dabei im Jahr 2003 bei 83 % (1,06 Mill. Frauen).

Eine Untergruppe der Teilzeitbeschäftigten stellen die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse, die so genannten Minijobs, dar. Es handelt sich dabei um Tätigkeiten mit einem Verdienst von nicht mehr als 400 Euro pro Monat bzw. um Beschäftigungen, die im Laufe eines Kalenderjahres auf höchstens zwei Monate oder insgesamt 50 Arbeitstage begrenzt sind.2 Im Mai 2003 haben in Baden-Württemberg gut 441 000 Personen angegeben, einer geringfügigen Beschäftigung nachzugehen. Gegenüber 1990 hat sich der Umfang der geringfügigen Beschäftigungen in Baden-Württemberg von damals 175 000 Personen mehr als verdoppelt. Bei diesem deutlichen Anstieg der geringfügigen Beschäftigung ist allerdings auch das seit 1996 verbesserte Konzept der Erfassung geringfügiger Arbeitsverhältnisse zu berücksichtigen. Der Anteil der geringfügig Beschäftigten an den Erwerbstätigen insgesamt lag im Mai 2003 bei annähernd 9 %. Traditionell stellen Frauen auch bei den geringfügig Beschäftigten den Großteil der Erwerbstätigen; knapp 77 % der geringfügig Beschäftigten in Baden-Württemberg waren in der Berichtswoche des Mikrozensus 2003 Frauen.

Flexible Beschäftigungsformen nehmen zu

Die Entwicklung des Arbeitsmarktes in Baden-Württemberg während der letzten Jahre ist nicht nur geprägt von einer deutlichen Ausweitung des Dienstleistungsbereichs, einer Expansion der Teilzeitbeschäftigung und der Frauenerwerbstätigkeit, sondern von einer Vielzahl weiterer Veränderungen, auf die im Folgenden eingegangen wird.

So zeigt sich beispielsweise in den letzten Jahren eine Tendenz zu deutlich kürzeren, aber dafür flexibleren Arbeitszeiten. Im Jahr 2003 lag die normalerweise durchschnittlich geleistete Arbeitszeit der Erwerbstätigen bei 35,2 Stunden pro Woche und ist dabei gegenüber dem Jahr 1980 (40,3 Stunden pro Woche) deutlich gesunken. Insbesondere die durchschnittliche, wöchentliche Arbeitszeit bei den berufstätigen Frauen hat aufgrund der hohen Teilzeitbeschäftigung – knapp 48 % der erwerbstätigen Frauen arbeiteten 2003 in Teilzeit – stark abgenommen. Sie sank bei den erwerbstätigen Frauen von durchschnittlich 36,1 Stunden pro Woche im Jahr 1980 auf nunmehr 29,4 Stunden pro Woche. Der Rückgang bei den Männern von 43,0 Stunden pro Woche im Jahr 1980 auf 39,9 Stunden pro Woche im Jahr 2003 fiel dagegen merklich geringer aus.

Der Anteil der Frauen am gesamten Arbeitsvolumen, also an den gesamten geleisteten Arbeitsstunden, lag infolge der geringeren durchschnittlichen Arbeitszeit 2003 nur bei 37 % und damit wesentlich niedriger als der in den letzten Jahren kontinuierlich bis auf 45 % angestiegene Anteil der Frauen an den Erwerbstätigen.

Während die Arbeitszeiten tendenziell kürzer werden, sind die Anforderungen an die zeitliche Flexibilität der Erwerbstätigen in den letzten Jahren gestiegen. So gaben 2003 rund 53 % der Erwerbstätigen an, ständig, regelmäßig oder gelegentlich Wochenend-, Schicht- und/oder Nachtarbeit zu leisten. 1996 war dies erst bei knapp 49 % aller Erwerbstätigen der Fall. Insbesondere der Anteil der Beschäftigten, die ständig, regelmäßig oder gelegentlich abends, also zwischen 18 und 23 Uhr, gearbeitet haben, ist deutlich angestiegen. Ihr Anteil an allen Erwerbstätigen lag im Mai 2003 bei knapp 39 % gegenüber rund 32 % im Jahr 1996. Der Anteil der Beschäftigten, die ständig, regelmäßig oder gelegentlich an Samstagen arbeiteten, hat sich von knapp 40 % im Jahr 1996 auf nunmehr 41 % erhöht. Der Anteil der Beschäftigten, die sogar ständig, regelmäßig oder gelegentlich an Sonn-/Feiertagen gearbeitet haben, ist von rund 21 % auf knapp 23 % gestiegen. Infolge der seit Juni 2003 geltenden Neuregelung der Ladenöffnungszeiten, wonach im Einzelhandel an Samstagen bis 20 Uhr geöffnet bleiben kann, ist davon auszugehen, dass sich der Anteil der Erwerbstätigen, die abends bzw. auch an Samstagen arbeiten, in den kommenden Jahren weiter erhöhen wird.

Steigende berufliche Mobilität der Erwerbstätigen

Neben höheren Anforderungen an die zeitliche Flexibilität der Erwerbstätigen zeichnet sich der Wandel der Arbeitswelt auch durch eine steigende berufliche Mobilität, das heißt durch den Wechsel des Arbeitgebers, der Erwerbstätigen aus. Im Jahr 2003 wechselten in Baden-Württemberg gut 479 000 der insgesamt 4,98 Mill. Erwerbstätigen innerhalb eines Jahres den Arbeitgeber. Dies entsprach einem stattlichen Anteil von knapp 10 %, wobei bei männlichen und weiblichen Berufstätigen die Wechselhäufigkeit nahezu gleich groß war. Im Jahr 1996 lag der Anteil der Erwerbstätigen, die den Job gewechselt haben, noch bei 9 %.

Unter den baden-württembergischen abhängigen Erwerbstätigen, die im Jahr 2003 eine neue Stelle annahmen, waren die jüngeren Altersgruppen überrepräsentiert: Von den unter 30-jährigen Berufstätigen wechselte annähernd jeder fünfte seinen Betrieb. Diese hohe Mobilität der jüngeren Erwerbstätigen dürfte vor allem auf die mit der Berufseinstiegsphase verbundenen Unsicherheit, der höheren familiären Ungebundenheit, dem Streben nach beruflichem Fortkommen und der vergleichsweise höheren Bereitschaft zu einer beruflichen Neuorientierung zurückzuführen sein. Mit steigendem Alter der Erwerbstätigen nimmt der Anteil der »Jobwechsler« erwartungsgemäß ab und erreicht bei den über 50-Jährigen nur noch einen Anteil von 3,5 % (Schaubild 1).

Zahl der befristeten Jobs seit 1992 um knapp 45 % angestiegen

Neben den gestiegenen Anforderungen an die Flexibilität der Erwerbstätigen und dem Wandel der Arbeitswelt bzw. der Beschäftigungsverhältnisse zeigt sich in den letzten Jahren, dass immer mehr Berufstätige in befristeten Arbeitsverhältnissen stehen. So hat sich die Zahl der befristeten Jobs (ohne Auszubildende) allein im Zeitraum von 1992 bis 2003 von annähernd 233 000 auf annähernd 337 000 – das heißt um knapp 104 000 Erwerbstätige – erhöht, was einer prozentualen Steigerung von annähernd 45 % entspricht. Der Anteil der befristet beschäftigten Arbeitnehmer an den abhängig Erwerbstätigen (ohne Auszubildende) ist seit 1992 von 6 % auf 8 % angestiegen. Männer und Frauen waren 2003 dabei gleichermaßen in befristeten Beschäftigungsverhältnissen zu finden. Die Zunahme der befristeten Arbeitsverhältnisse trägt mit zu der abnehmenden Bedeutung der so genannten »Normalarbeitsverhältnisse« (unbefristete Vollzeittätigkeit) bei.

Ausländische abhängig Erwerbstätige befinden sich dabei häufiger in befristeten Arbeitsverhältnissen als deutsche Erwerbstätige. So lag im Mai 2003 der Anteil bei den ausländischen abhängig Erwerbstätigen mit einem befristeten Arbeitsvertrag bei 10 %, bei den Deutschen lediglich bei gut 6 %. Von den befristet Beschäftigten befanden sich bei den deutschen Erwerbstätigen 18 % und bei den ausländischen Erwerbstätigen 24 % in der Probezeit. Auffällig ist jedoch, dass unter den befristet beschäftigten Deutschen nur 14 % angaben, keine Dauerstelle zu finden, während es bei den Ausländern 21 % waren. Dies dürfte letztlich darauf zurückzuführen sein, dass die Arbeitsmarktchancen der ausländischen Erwerbstätigen schlechter sind als die der Deutschen (Schaubild 2).

1 Definition im Mikrozensus 2003: Bis einschließlich 34 normalerweise geleisteten Wochenarbeitsstunden, 1990: Bis einschließlich 35 normalerweise geleisteten Wochenarbeitsstunden.

2 Aufgrund des Berichtswochenkonzeptes des Mikrozensus können geringfügige Beschäftigungen nur erfasst werden, wenn sie in die Berichtswoche fallen. Saisonale Spitzen geringfügiger Beschäftigung – beispielsweise zur Vorweihnachts- oder Erntezeit – sind im Mikrozensus nicht enthalten. Dennoch gilt der Mikrozensus als anerkanntes Instrument zur Erfassung der Kernbereiche der geringfügigen Beschäftigung.