:: 5/2004

Mittelständische Wirtschaft Baden-Württembergs

Mit dem Unternehmensregister verfügt die amtliche Statistik neuerdings über eine Datenbasis, die Strukturdaten über die gesamte gewerbliche und freiberufliche Wirtschaft des Landes beinhaltet. So können jetzt auch mittel-ständische Unternehmen Baden-Württembergs in allen wirtschaftlichen Bereichen besser identifiziert und quantifiziert werden. Klassifiziert man alle wirtschaftlich tätigen Einheiten nach Beschäftigten- und Umsatzgrößenklassen und orientiert sich dabei an der neuesten Klassifizierungsempfehlung der Europäischen Union, fallen in die Kategorie dieser so genannten kleinsten, kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), wie sie dort genannt werden, knapp 99 % aller wirtschaftlich tätigen Einheiten Baden-Württembergs. Dieses zahlenmäßig beeindruckende Übergewicht wird aber relativiert, wenn man ihren Anteil an allen Beschäftigten und am Umsatz betrachtet.

88 % aller Unternehmen sind Kleinstunternehmen

Die baden-württembergischen Unternehmen zählen gemäß der »EU-Größenklassenempfehlung« gemessen nach der Anzahl der Beschäftigten und der Umsatzgröße (siehe i-Punkt) zu 88,4 % zu den Kleinstunternehmen mit tätigem Inhaber und keinem oder höchstens neun sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und bis zu 2 Mill. Euro Jahresumsatz (Tabelle 1). Unberücksichtigt bleiben eventuell noch unbezahlt mithelfende Familienangehörige. 8,9 % fallen in die Größenordnung der kleinen Unternehmen mit 10 bis 49 Beschäftigten und bis 10 Mill. Euro Jahresumsatz, und weitere 2,2 % sind mittlere Unternehmen.

Kleinstunternehmen dominieren zahlenmäßig besonders deutlich in den Wirtschaftsbereichen der unternehmensnahen sowie öffentlichen und privaten Dienstleistungen (Wirtschaftsabschnitte K und O), im Gastgewerbe (H) sowie im Kredit- und Versicherungsgewerbe (neben Banken und Versicherungen zählen hierunter auch die Versicherungsvertreter) (J). Unter den Abschnitt Grundstücks- und Wohnungswesen, Vermietung beweglicher Sachen, Erbringung von Dienstleistungen überwiegend für Unternehmen (K) werden auch etwa 32 000 Einheiten des Wirtschaftszweigs Gewerbliche Vermietung und Verpachtung eingeordnet. Es handelt sich hierbei vor allem um Einzelunternehmen (zum Beispiel von Firmeninhabern), die die Betriebsgebäude und andere Produktionsmittel des dazugehörenden Produktions- oder Handelsbetriebs aus Haftungs- oder steuerlichen Gründen im Vermögen eines rechtlich eigenständigen Unternehmens führen und »an sich selbst« vermieten.

Dagegen sind im Bereich des Verarbeitenden Gewerbes (D) die einzelnen Unternehmen größer. Kleine und mittlere Unternehmen machen aber immerhin noch ein Viertel des Unternehmensbestandes in diesem Wirtschaftsabschnitt aus. Im Verarbeitenden Gewerbe und im Bereich Baugewerbe (F) konzentrieren sich auch die meisten Handwerksunternehmen.

Abweichende Strukturen finden sich dagegen im Bereich der öffentlichen Verwaltung (L), wo naturgemäß größere Verwaltungseinheiten dominieren, die zwar »Unternehmen« im statistischen Sinne sind, die aber nach der hier verwendeten Definition nicht zur mittelständischen Wirtschaft gezählt werden, da es sich überwiegend um staatliche Stellen oder Körperschaften handelt. Ähnliches gilt für den Bereich der Energie- und Wasserversorgung (E) mit vielen Unternehmen in öffentlicher Hand.1

Im Wirtschaftsabschnitt Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen (N) sind Krankenhäuser, Kliniken und Altenheime sowie Ärzte, Veterinärmediziner und Gesundheitsdienstleister wirtschaftszweigmäßig klassifiziert. Da die letzteren zahlenmäßig überwiegen, ergibt sich auch hier ein relativ hoher Anteil der Kleinstunternehmen von 88,5 %.

Bedeutung kleiner und mittlerer Unternehmen nicht zu unterschätzen

Das wirtschaftliche Gewicht der kleinsten Unternehmen (mit bis zu 9 Beschäftigten) fällt naturgemäß geringer aus, als ihre reine Anzahl vermuten ließe, wenn man ihre Bedeutung an ihrem Umsatz- oder Beschäftigtenanteil misst. In ihnen finden 13,5 % der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten Arbeit (Tabelle 2), und sie erwirtschaften 11,9 % des in der Tabelle 3 nachgewiesenen Umsatzes (Lieferungen und Leistungen im Sinne der Umsatzsteuer). Die kleinen und mittleren Unternehmen mit 10 bis 249 Beschäftigten fallen schon mehr ins Gewicht. Sie stellen 37,8 % der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und haben einen Umsatzanteil von knapp 28 %. Vor allem im Bereich der kleineren Unternehmen müssten tätige Inhaber, die in der Regel nicht sozialversicherungspflichtig sind, zu den Beschäftigten noch hinzugezählt werden. Die Anteile der Beschäftigten würden sich also noch etwas zugunsten der kleinsten und kleinen Unternehmen verschieben.

Ohne die kleinsten, kleinen und mittleren Unternehmen aus dem Wirtschaftsbereich der Energie- und Wasserversorgung sowie der öffentlichen Verwaltung sind 98,8 % aller wirtschaftlich tätigen Unternehmen und Freiberufler

Baden-Württembergs dem so definierten Mittelstand zuzuordnen. In mittelständischen Unternehmen finden 49,2 % aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten Arbeit (zuzüglich einer gewissen Zahl tätiger Inhaber und Mitinhaber). Ihr Umsatzanteil am gesamten steuerbaren Umsatz beträgt 39,4 %. Gäbe es auch für andere Wirtschaftsbereiche – insbesondere Verarbeitendes Gewerbe und Handel – Informationen zu »kontrollierten Unternehmen« (das heißt zum Grad der Abhängigkeit von anderen Unternehmen), dürfte sich die Zahl der dem Mittelstand zuzurechnenden Einheiten noch um einige Prozentpunkte reduzieren.

Der Bedeutung der kleinsten, kleinen und mittleren Unternehmen wird man aber nicht gerecht, wenn man sie nur mit den »Großen« vergleicht. Sie bieten nämlich sehr häufig personalintensive oder handwerkliche Dienstleistungen oder Produkte auf nationalen Märkten an und sind deshalb den negativen Folgen einer verhaltenen Binnennachfrage besonders stark ausgesetzt. So fasst die Deutsche Bundesbank in einem Monatsbericht zur wirtschaftlichen Situation kleiner und mittlerer Unternehmen zusammen: »Die Erträge der kleinen und mittleren Unternehmen ... sind von der andauernden Wachstumsschwäche stärker in Mitleidenschaft gezogen worden als die der größeren Firmen. Ausschlaggebend dafür dürfte die vergleichsweise starke Abhängigkeit der KMU von der lahmenden Binnenkonjunktur gewesen sein.«2 Andererseits können sie aber auf gestiegene Nachfrage sehr flexibel reagieren. Während in der Großindustrie im Zuge der Globalisierung überwiegend Arbeitsplätze abgebaut werden, zeigten kleinste und kleinere Unternehmen noch Ausgang der 90er-Jahre beschäftigungsschaffende Dynamik. Das Institut für Mittelstandsforschung Mannheim kommt in einer Strukturanalyse des Mittelstandes zu dem Schluss: »Inzwischen sind es vor allem die sehr kleinen Betriebe und teilweise sogar die allein arbeitenden Selbstständigen, denen im strukturellen Wandel und im Zuge gestiegener Flexibilitätserfordernisse in der Unternehmens- und Arbeitsorganisation eine höhere Bedeutung zukommt.«3 Eine Analyse statistischer Daten von EUROSTAT benennt aber gleichfalls die besonderen Probleme, denen kleinere und mittlere Unternehmen unterworfen sind. So besteht oftmals – neben dem bekannten Problem der Kapitalbeschaffung – die Schwierigkeit des Zugangs zu Informationen unterschiedlichster Art und einer effektiveren Nutzung der »Humanressourcen« im Unternehmen. Als Beispiel ist die mangelnde berufliche Bildung der Mitarbeiter etwa durch fehlende Weiterbildungsmaßnahmen genannt. Dies kann im Endeffekt Innovationen verhindern und die Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu großen Unternehmen schwächen.4

Es ist zu erwarten, dass durch die beginnende Liberalisierung des Arbeitsmarktes und den auch durch die Bundesagentur für Arbeit geförderten Existenzgründungen im kleingewerblichen Sektor (»Neue Selbstständigkeit«, »Ich-AG«) sich die Zahl der existierenden Unternehmen weiter vergrößern dürfte. Eine Mittelstandsförderung, die sich besonders dieser kleinsten und kleinen Unternehmen annimmt, dürfte auf eine dankbare Klientel treffen.

1 In den Tabellen sind deshalb die Prozentwerte zum Mittelstand für die Wirt-schaftsabschnitte L und E in Klammern angegeben.

2 Deutsche Bundesbank (Hrsg.): »Zur wirtschaftlichen Situation kleiner und mittlerer Unter-nehmen in Deutschland.« Monatsbericht Oktober 2003, S. 29 – 55.

3 Mittelstandsbericht 2000 des Landes Baden-Württemberg (Hrsg. Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg, 2000), Anhang, S. 130.

4 »Unternehmen in Europa – Spielt die Größe eine Rolle?« EUROSTAT Reihe Statistik kurz gefasst – Industrie, Handel und Dienstleistungen. Thema 4-39/2002.