:: 5/2004

Umweltrisiko: Wasser gefährdende Stoffe

Wasser gefährdende Stoffe finden in vielen Bereichen des täglichen Lebens breite Anwendung. Dies birgt immer auch nicht zu unterschätzende Risiken für die Umwelt. Insbesondere Gewässer und das Grundwasser sind dadurch vielfältigen Gefährdungen ausgesetzt. Schadstoffe, die in Oberflächengewässer gelangen, können nicht nur deren ökologischen Zustand beeinträchtigen, sondern ihre Nutzbarkeit auch längerfristig einschränken. Verschmutzungen von Grundwasser, das bevorzugt für die Trinkwasserversorgung genutzt wird, sind besonders schwerwiegend und oftmals kaum umkehrbar. Der sachgemäße Umgang mit Wasser gefährdenden Stoffen ist deshalb für den Gewässerschutz von großer Bedeutung. Pro Jahr werden im Land durchschnittlich 539 Unfälle registriert, bei denen im Schnitt 386 000 Liter Schadstoffe freigesetzt werden. Die entstehenden Umweltbeeinträchtigungen erfordern umfangreiche Sofort- und Folgemaßnahmen.

386 000 Liter Schadstoffe belasten pro Jahr die Umwelt

In den Jahren 1996 bis 2002 wurden in Baden-Württemberg 1 979 Unfälle bei der Beförderung Wasser gefährdender Stoffe und 1 796 Unfälle beim Umgang mit solchen Stoffen gemeldet. Infolge der insgesamt 3 775 Schadensfälle gelangten 2,7 Mill. Liter Wasser gefährdende Substanzen in die Umwelt; jährlich sind das im Durchschnitt 385 700 Liter. In der Mehrzahl der Fälle (91 %) liefen Mineralölprodukte wie leichtes Heizöl und Kraftstoffe, aber auch Motor-, Getriebe- und Hydrauliköl aus. Ihr Anteil an der freigesetzten Gesamtmenge lag jedoch bei nur 47,5 %, da es sich meist um kleinere Unfälle handelt. Der größte Anteil (52,5 %) entfällt auf Stoffe wie Spritz- und Düngemittel, Gülle, Lösungs- und Reinigungsmittel, Farbe sowie verschiedenste Chemikalien. Unfälle mit Jauche, Gülle und Silagesickersaft werden seit 2001 getrennt erfasst und spielten in diesem Zeitraum eine untergeordnete Rolle (8 Schadensfälle, bei denen zusammen 29 000 Liter Schadstoffe austraten). Die Zahl der insgesamt registrierten Unfälle und die dabei freigesetzten Stoffmengen sind von Jahr zu Jahr recht unterschiedlich, was mit der Zufälligkeit des Unfallgeschehens zusammenhängt (Schaubilder 1 und 2). So haben beispielsweise in den Jahren 1997 und 1998 einzelne große Unfälle zu deutlich überdurchschnittlich großen freigesetzten Mengen geführt. In den meisten Fällen wurden Verunreinigungen des Bodens verursacht. Häufig wurden auch Gewässer oder sogar das Grundwasser verschmutzt. In der Regel konnte aber durch sofort eingeleitete Maßnahmen das Auslaufen größerer Mengen verhindert und in mehr als drei Viertel aller Schadensfälle die freigesetzte Menge an Schadstoffen fast vollständig wiedergewonnen werden (Tabelle 1).

Zusätzlich zu den 3 775 Unfällen bei Umgang und Beförderung wurden im gleichen Zeitraum von den unteren Verwaltungsbehörden auch rund 900 Schadensereignisse unbekannten Hergangs gemeldet. Diese gehören nicht zu den Unfällen beim Umgang mit und bei der Beförderung von Wasser gefährdenden Stoffen im engeren Sinne. Vorwiegend handelt es sich um Verunreinigungen von Gewässern und des Bodens, bei denen weder der Verursacher noch die Schadstoffquelle, die Unfallursache oder die Menge des freigesetzten Schadstoffes festgestellt werden konnten. Nicht selten sind diese Gewässergefährdungen die Folge von Straftaten wie beispielsweise der illegalen Entsorgung durch vorsätzliches Ablassen von belastenden Substanzen. Da solche Verschmutzungen meist erst recht spät entdeckt werden, können die getroffenen Gegenmaßnahmen die bereits entstandenen Schäden oft nur noch begrenzen. So betrafen die Meldungen seit 1996 unter anderem auch Altlastenfälle, bei denen über Jahre hinweg aus undichten Tanks nicht ermittelbare Mengen an Kraftstoff, Heizöl, Altöl und anderen Stoffen ins Erdreich versickert und zumindest teilweise auch ins Grundwasser gelangt waren. Diese Schadensfälle gehen zwar nur in ihrer Anzahl in die jährliche Statistik ein, sind aber Ausdruck der Vielzahl an Umweltrisiken, die durch den Einsatz Wasser gefährdender Stoffe entstehen.

Unfallschwerpunkt Straßenverkehr

Fast die Hälfte aller 3 775 Schadensfälle mit Wasser gefährdenden Stoffen ereignen sich im Zusammenhang mit Straßenfahrzeugen, wobei nur ein Viertel dieser Unfälle im Fernverkehr passiert. An 146 Unfällen seit 1996 sind Tank- und Silofahrzeuge beteiligt gewesen. Dabei sind 270 000 Liter Wasser gefährdende Substanzen in die Umwelt freigesetzt worden, die im Zuge von Sofortmaßnahmen zu nur zwei Dritteln wiedergewonnen und einer geordneten Entsorgung zugeführt werden konnten. Bei den weitaus meisten Unfällen mit Straßenfahrzeugen handelte es sich um Unfälle mit Pkw und Lkw, bei denen in der Regel der Betriebsstofftank beschädigt und dadurch Kraftstoff freigesetzt wurde. Insgesamt liefen bei diesen Unfällen 180 000 Liter aus, die zu 90 % wiedergewonnen wurden. Schadhafte Behälter oder sonstige Verpackung der transportierten Güter verursachten bei einem Fünftel der Unfälle im Straßenverkehr die Freisetzung Wasser gefährdender Stoffe. Beteiligt waren hauptsächlich Tanks und Mehrkammertanks, seltener Tankcontainer, Gebinde oder Gefäßbatterien.

Die zweithäufigste Unfallkategorie im Land sind Lagerungsunfälle. Ihr Anteil an allen Unfällen beträgt 36 %. Mehr als zwei Drittel der Schadensfälle im Zusammenhang mit Lageranlagen ereignen sich allerdings im nicht gewerblichen Bereich. Überwiegend sind dabei private Anlagen zur Lagerung von Heizöl oder anderen Mineralölprodukten betroffen. Weitere 10 % der Unfälle betrafen Anlagen zum Herstellen, Behandeln und Verwenden von Wasser gefährdenden Stoffen (HBV-Anlagen) sowie Einrichtungen zum Abfüllen und Umschlagen dieser Stoffe. Eher selten sind dagegen Unfälle im Schiffs- und Luftverkehr (39 Schadensfälle). Seit 1996 wurden keine Schadensfälle mit Rohrfernleitungen registriert.

Menschliche Fehler – Hauptursache der meisten Schadensfälle

Für gezielte Maßnahmen zur Verhinderung von Schadensfällen und zur erfolgreichen Schadensbekämpfung ist die Kenntnis der Unfallursachen grundlegend. Die größte Schwachstelle beim Umgang mit Wasser gefährdenden Stoffen ist der Mensch. Wie die Analyse der Unfallursachen zeigt, ist in 54 % aller Schadensfälle menschliches Fehlverhalten für Umweltgefährdungen verantwortlich.

Bei Beförderungsunfällen liegt der Anteil menschlicher Fehler bei den Unfallursachen besonders hoch. In 63 % der Fälle wurden Verkehrsunfälle und infolgedessen Umweltrisiken durch menschliches Versagen verursacht. Weitere 10 % dieser Unfälle wurden durch unzureichende Sicherung der Ladung und unsachgemäßen Umgang oder Unachtsamkeit beim Be- und Entladen hervorgerufen. Auch mutwillige Beschädigung war in einigen Fällen die Ursache für das Eintreten von Schadensfällen. Lediglich 27 % der Unfälle, an denen Fahrzeuge beteiligt waren, wurden durch Materialmängel ausgelöst. Diese traten meist am Behälter, am Fahrzeug selbst, den Armaturen oder den Sicherheitseinrichtungen auf.

Für Unfälle beim Umgang mit Wasser gefährdenden Stoffen waren ebenfalls hauptsächlich menschliche Fehler die Ursache (in 45 % der Fälle). Vor allem Bedien- oder Montagefehler führten beim Umgang mit solchen Substanzen zu Umweltschädigungen. Bedienfehler traten dabei insbesondere beim Befüllen auf. Weitere Ursachen für Umweltbeeinträchtigungen waren das vorsätzliche Beschädigen von Anlagen oder Behältern sowie die unerlaubte »Entsorgung« beispielsweise von Altöl, Farbresten oder gebrauchten Reinigungsflüssigkeiten. 38 % der Schadensfälle waren auf Materialschäden durch Korrosion und Alterung von Anlagenteilen oder das Versagen von Schutzeinrichtungen zurückzuführen.

Eine besondere Unfallursache stellen die massiven Hochwasserereignisse der letzten Jahre dar. Landesweit wurden in den vergangenen Jahren 21 solcher Schadensfälle gemeldet, darunter 17 im Zusammenhang mit Lageranlagen für Heizöl im privaten bzw. öffentlichen Bereich. Insgesamt wurden bei diesen Unfällen knapp 107 000 Liter Heizöl weggeschwemmt. Da die Rückgewinnung der Schadstoffe bei diesen Unfällen meist nicht möglich ist, gelangen diese in die Gewässer und möglicherweise auch in das Grundwasser.

Gefährdungspotenzial von verschiedenen Faktoren abhängig

Die Gefährdung, die von Unfällen mit Wasser gefährdenden Stoffen ausgeht, hängt neben der Art und der Menge des freigesetzten Schadstoffes auch von der Empfindlichkeit des betroffenen Gebietes und vom Erfolg ergriffener Gegenmaßnahmen ab. Insbesondere die freigesetzte Schadstoffmenge kann beträchtlich variieren, was mit der Zufälligkeit des Unfallgeschehens zusammenhängt. Entsprechend ihrem jeweiligen Gefährdungspotenzial werden Wasser gefährdende Stoffe und Stoffgruppen nach Wassergefährdungsklassen (WGK) eingestuft. Diese können unter anderem wichtige Anhaltspunkte für einzuleitende Sofort- und Folgemaßnahmen im Schadensfall liefern (Tabelle 2). In Abhängigkeit von den örtlichen Gegebenheiten und der freigesetzten Stoffmenge können auch Unfälle mit Stoffen, die nicht in Wassergefährdungsklassen eingestuft werden, ein beträchtliches Gefährdungspotenzial für das Grundwasser oder Gewässer bergen. Dies betrifft insbesondere Schadensfälle im Zusammenhang mit Gülle, durch die immer wieder auch Fischsterben ausgelöst werden, wie zuletzt 2002.

Im Zeitraum von 1996 bis 2002 gelangten in 83 % aller Vorfälle Stoffe der WGK 2 (Wasser gefährdend) in die Umwelt, zusammen 1,13 Mill. Liter. Schadstoffe der WGK 3 (stark Wasser gefährdend) wurden in 8 % aller Schadensereignisse freigesetzt, die mit rund 160 000 Litern knapp 6 % der Gesamtmenge ausmachten. Die freigesetzten Stoffe der WGK 2 und 3 konnten in vier von fünf Fällen nahezu vollständig wiedergewonnen werden. Bezogen auf alle 3 775 eingetretenen Schadensfälle konnte in 71 % aller Fälle die freigesetzte Menge vollständig wiedergewonnen werden. Bei rund 22 % der freigesetzten Schadstoffe gab es keine Möglichkeit der Rückgewinnung; sie verblieben im Boden, in einem Gewässer oder im Grundwasser.

Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Bewertung des Gefährdungspotenzials von Schadensfällen ist die Empfindlichkeit des Schadensgebietes. So ereigneten sich immerhin 740 Umweltbelastungen in Wasserschutzgebieten. Diese wurden meist durch Beförderungsunfälle verursacht. Diese Schutzgebiete sollen Wasservorkommen im Interesse einer öffentlichen Wasserversorgung vor nachteiligen Einwirkungen schützen. Unfälle mit Wasser gefährdenden Stoffen haben dort deshalb besondere Brisanz. Zwar war in der Mehrzahl der Fälle lediglich die weitere Schutzzone betroffen, bei 88 Unfällen wurden jedoch Verschmutzungen auch in der engeren Schutzzone verursacht. Fünf Schadensfälle betrafen sogar den Fassungsbereich. Zusammen wurden dabei annähernd 1,1 Mill. Liter an Schadstoffen freigesetzt, darunter 51 500 Liter stark Wasser gefährdende Stoffe. Die Schadstoffe gelangten in 18 Fällen ins Grundwasser, was fünfmal sogar die Gefährdung der Wasserversorgung verursachte. Andere Schutzgebiete oder schutzwürdige Flächen wie Überschwemmungsgebiete von Fließgewässern und Heilquellenschutzgebiete sind seltener von solchen Beeinträchtigungen betroffen.

Unfälle mit Wasser gefährdenden Stoffen bergen, wie die vorangegangenen Ausführungen zeigen, ein beträchtliches Gefahrenpotenzial insbesondere für Oberflächengewässer und das Grundwasser. Manche Beeinträchtigungen der Gewässerfunktionen werden oft erst mittel- bis längerfristig erkannt. Deshalb haben diese durch Unfälle verursachten Verunreinigungen nicht allein wasserwirtschaftliche Relevanz. Auch im Sinne einer dauerhaften Sicherung der Wasservorkommen als Bestandteil des Naturhaushaltes kommt der Beobachtung dieser Schadensfälle eine besondere Bedetung zu.