:: 5/2004

Innovationspotenzial der Metropolregionen Deutschlands

Im Wettbewerb der Metropolregionen West- und Ostdeutschlands steht die Region Stuttgart in der ersten Reihe. Häufiger als andere Regionen belegen Stuttgart und München die ersten beiden Plätze im Ranking. Während die Region Stuttgart mit ihren Exporterfolgen, ihrem Automobilnetzwerk und ihrer Forschungs-intensität trumpfen kann, hat die Region München ein ausgeglicheneres Profil und punktet mit ihren wissensintensiven Dienstleistern.

Der folgende Beitrag ist ein verkürzter Auszug aus dem Heft »Innovationsregion Stuttgart – Die Region Stuttgart als Wirtschaftsstandort im Vergleich zu anderen Metropolregionen in Deutschland« der IHK Region Stuttgart. Das Statistische Landesamt bedankt sich für die Abdruckgenehmigung. Die komplette Studie sowie der Tabellenband können aus dem Internetangebot der IHK unter: http://www.stuttgart. ihk.de heruntergeladen bzw. über die E-Mail vowi@stuttgart.ihk.de bestellt werden.

Produkte und Dienstleistungen der Region Stuttgart gehen in alle Welt

Kunden in aller Welt schätzen die Produkte und Dienstleistungen aus der Metropolregion Stuttgart. Sie ist zusammen mit der Region München deutlich exportorientierter als die anderen Vergleichsregionen. In beiden Regionen verdient die Industrie mehr als jeden zweiten Euro im Ausland. Diese überdurchschnittlich starke Fokussierung auf das Auslandsgeschäft bietet die Chance, an der anhaltenden Expansion des Welthandels teilzunehmen, allerdings nur, wenn es weiterhin gelingt, die hohe internationale Wettbewerbsfähigkeit aufrechtzuerhalten.

Basis der Exporterfolge ist die permanente Entwicklung von neuen, qualitativ hochwertigen Produkten und Dienstleistungen sowie von neuen effizienteren und präziseren Produktions- und Herstellungsverfahren. Als Standort, an dem die anspruchsvollen Aufgaben erledigt werden, muss sich die Region Stuttgart weiter qualifizieren. Dazu gehört nicht nur die Entwicklung, sondern auch die Herstellung von High-Tech-Produkten, die zusammen mit einem wachsenden Dienstleistungsanteil in der ganzen Welt verkauft werden.

Spitze bei Forschung und Entwicklung

Mehr als andere Metropolregionen verdient die um Stuttgart die Bezeichnung »Innovationsregion«. Ihre Unternehmen investieren mehr in Forschung und Entwicklung (F&E) als die aller anderen Vergleichsregionen. Mit einem F&E-Aufwand von 5,78 % des Bruttoinlandsproduktes erweist sich die Region Stuttgart als eindeutige F&E-Hochburg. Die zweitplatzierte Region München erreicht nicht einmal zwei Drittel des Stuttgarter Wertes. Die gleiche Reihenfolge ergibt sich auch, wenn man den Anteil des Forschungspersonals an den Erwerbstätigen betrachtet. Ergebnisse von F&E manifestieren sich in Patenten: Auch hier rangieren die hiesigen Unternehmen im Vergleich mit großem Abstand vor München auf Platz 1.

Die regionale Konzentration der Innovationsaktivitäten in Produktions- und Innovationsclustern schafft Anreize für weitere Hochtechnologie-Unternehmensansiedlungen, erleichtert den Zugang zu technologischem Wissen und fördert das Entstehen regionaler Netzwerke. Ein solches Netzwerk entsteht um Forschungszentren und Pionierunternehmen herum. Es bringt die verschiedenen Akteure einer Wertschöpfungskette vom Anlagenbauer über die Komponentenhersteller bis zu Forschungseinrichtungen, Dienstleistern und Herstellern zusammen. Gestützt auf Vertrauen, gegenseitige Vorteile und häufige Kommunikation sind diese innovativen Milieus nicht beliebig im Raum mobil und somit ein wahres Pfund im regionalen Standortwettbewerb.

Einmaliges Automobilnetzwerk

Der Anteil des Produzierenden Gewerbes an der gesamten Bruttowertschöpfung der Metropolen liegt in der Region Stuttgart mit knapp 40 % fast doppelt so hoch wie in den Regionen München und Berlin mit jeweils gerade noch gut 20 %. Dieses Profil ist zum einen dem einmaligen Automobilcluster der Region zu verdanken, aber auch der Tatsache, dass viele Dienstleistungen innerhalb der Industrie erbracht werden. In der Region Stuttgart üben mittlerweile 65 % der Beschäftigten im Produzierenden Gewerbe einen Dienstleistungsberuf aus, in den anderen Regionen sind es im Durchschnitt nur 51 %.

Mit 4 082 Beschäftigten im Fahrzeugbau je 100 000 Einwohner/-innen ist die Region Stuttgart der Automobilstandort unter den großen Wirtschaftsräumen. Allein die Region München kann ebenfalls als Automobilstandort zählen – allerdings mit lediglich 2 339 Beschäftigten im Fahrzeugbau je 100 000 Einwohner/-innen. Der Maschinenbau ist nach der Automobilbranche mit 2 831 Beschäftigten je 100 000 Einwohner/-innen der zweite industrielle Schwerpunkt der Region Stuttgart von Rang.

Ein großes Gewicht innerhalb des Dienstleistungssektors haben die so genannten Dienstleistungen für Unternehmen. Vorn liegt die Region Stuttgart jedoch nur bei der Teilbranche Ingenieurs- und Architekturdienstleistungen. Die starke Position Stuttgarts im Fahrzeug- und Maschinenbau macht die Region insbesondere für auf diese Branchen spezialisierte Anbieter von Ingenieursdienstleistungen attraktiv.

Starke Peripherie

Die acht deutschen Wirtschaftszentren (vgl. i-Punkt), die in dieser Untersuchung miteinander verglichen werden, sind nicht nur unterschiedlich groß, Kern und Zentrum sind auch unterschiedlich gewichtig.

Die wirtschaftlichen Strukturen werden in den Metropolregionen Stuttgart und Rhein-Main überwiegend vom Umland, in Berlin, Hamburg und München vornehmlich vom Zentrum geprägt. Während in der Region Berlin nur ein Viertel der Wirtschaftsleistung im Berliner Hinterland entstehen, trägt in der Region Stuttgart das Umland fast zwei Drittel zum Sozialprodukt bei.

Berlinund Potsdam, Barnim, Dahme-Spreewald, Havelland, Märkisch-Oderland, Oberhavel, Oder-Spree, Potsdam-Mittelmark, Teltow-Fläming.
Dresdenund Meißen, Riesa-Großenhain, Sächsische Schweiz, Weißeritzkreis, Kamenz.
Hamburgund Herzogtum Lauenburg, Pinneberg, Segeberg, Steinburg, Stormarn, Harburg, Lüneburg, Stade.
Köln/Bonnund Leverkusen, Erftkreis, Oberbergischer Kreis, Rheinisch-Bergischer-Kreis, Rhein-Sieg-Kreis.
Leipzig, Halleund Dessau, Delitzsch, Muldetalkreis, Leipziger Land, Bitterfeld, Saalkreis, Merseburg-Querfurt, Weißenfels.
Münchenund Dachau, Ebersberg, Erding, Freising, Fürstenfeldbruck, Landsberg am Lech, Starnberg.
Rhein/Main:Darmstadt, Frankfurt, Offenbach, Wiesbaden, Alzey-Worms, Aschaffenburg, Aschaffenburg LK, Bergstraße, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau, Gießen, Hochtaunuskreis, Limburg-Weilburg, Main-Kinzig-Kreis, Main-Taunus-Kreis, Mainz, Mainz-Bingen, Miltenberg, Odenwaldkreis, Offenbach LK, Rheingau-Taunus-Kreis, Vogelsbergkreis, Wetteraukreis, Worms.
Stuttgartund Böblingen, Esslingen, Göppingen, Ludwigsburg, Rems-Murr.

Finanzplatz Stuttgart – eine der verborgenen Stärken der Region

Als Finanzplatz ist die Region Rhein-Main mit der Börsen- und Bankenstadt Frankfurt zwar nicht zu schlagen, aber sowohl beim Vergleich der Kernstädte als auch im Umlandvergleich ist Stuttgart die in Relation zur Einwohnerzahl zweitgrößte Bankenregion in Deutschland. Führend im Versicherungsgewerbe ist mit einer Beschäftigtendichte von 2 761 die Stadt Stuttgart vor den Städten Köln/Bonn und München.

Attraktiver Arbeitsmarkt – attraktive Gehälter

Gemessen an Einpendlerüberschüssen, hohen Erwerbsquoten und niedrigen Arbeitslosenquoten ist die Region Stuttgart nach der Region München der zweitattraktivste Arbeitsort aller Vergleichsregionen. Die große Bedeutung des dualen Systems der Berufsausbildung spiegelt sich im höchsten Besatz mit Fachkräften. Bei den Arbeitsplätzen für Beschäftigte mit Hoch- oder Fachhochschulabschluss belegt die Region Stuttgart nach München, Dresden und Hamburg allerdings nur den vierten Platz.

In der Region Stuttgart werden die höchsten Löhne und Gehälter aller Vergleichsregionen gezahlt. Aus der Sicht der Unternehmen sind hohe Lohnkosten verkraftbar, wenn Produktivität und Lohnstückkosten wettbewerbsfähig sind. Die Industrie in der Region Stuttgart ist hier recht gut positioniert. Anders sieht es jedoch im Dienstleistungssektor aus. In Sachen Produktivität kann er mit den Dienstleistern der meisten anderen Regionen bisher noch nicht mithalten.

»Fit für Zuwanderung« als Motto für die Zukunft

Angesichts der niedrigen Geburtenrate und des wachsenden Anteils älterer Menschen in Deutschland ist jede Region auf Zuwanderung und einen relativ hohen Anteil jüngerer Menschen angewiesen. Die Region Stuttgart erzielte zwischen 1995 und 2000 in Relation zur Einwohnerzahl nur unterdurchschnittliche Wanderungsgewinne. Top hingegen war die natürliche Bevölkerungsentwicklung: In keiner anderen Region war der relative Geburtenüberschuss über die Sterbefälle so hoch wie in Stuttgart. Der Anteil Jüngerer ist mit 19 % etwas höher als in den anderen Regionen.

Potenziellen Zuwanderern, die das Fachkräfteangebot erhöhen, sollten die Vorzüge der Region, nicht zuletzt ein weit gehend harmonisches Zusammenleben von Ausländern und Deutschen, näher gebracht werden. Seit vielen Jahren liegt der Ausländeranteil in der Region über 17 %. Damit liefert die Metropolregion Stuttgart einen klaren Beleg für ihre Integrationsfähigkeit und kulturelle Vielfalt.

Attraktiver Absatzmarkt

Als Absatzmarkt ist die Region Stuttgart mit dem zweithöchsten Pro-Kopf-Einkommen (33 751 Euro) und der zweithöchsten Kaufkraft pro Kopf (19 425 Euro) sehr attraktiv. Auch wohnen in der Region Stuttgart viele potenzielle Kunden auf engem Raum (höchste Umlandsbevölkerungsdichte).

Weder der Einzelhandel noch die personenorientierten Dienstleistungen konnten jedoch bisher von diesem Potenzial profitieren. Von der vorhandenen Kaufkraft kommen nur 25,8 % beim regionalen Einzelhandel an – das ist der niedrigste Wert unter allen Vergleichsregionen. Mit 1 533 personenorientierten Servicejobs je 100 000 Einwohner ist der Besatz in der Region München mehr als doppelt so hoch wie in der Region Stuttgart, die mit 720 Arbeitsplätzen den letzten Platz aller Vergleichsregionen belegt. Im Einzelhandel und bei den personenbezogenen Dienstleistungen bieten sich somit noch Entwicklungsmöglichkeiten für die Region Stuttgart.

Knappe und teure Flächen

Als eine der flächenmäßig kleineren Regionen hat die Region Stuttgart mit einem relativ großen Waldanteil einen hohen Erholungswert zu bieten. Der Gewerbeflächenanteil ist ebenfalls überdurchschnittlich hoch – nicht in der Kernstadt Stuttgart, aber im Umland, das häufiger gewerblich genutzt wird als in den Vergleichsregionen. Auch die Wirtschaftsstruktur mit einem hohen Industrieanteil erklärt den größeren Bedarf. Der Flächenverbrauch schreitet langsamer voran als anderswo. Die Grundstückspreise sind hoch und werden nur noch von denen in der Region München übertroffen.

Die Flächenpolitik wird zukünftig eine entscheidende Rolle in der Wirtschaftsförderung spielen. Angesichts endlicher Flächen, konkurrierender Nutzungen und dem Bedarf an sofort verfügbaren und möglichst preisgünstigen gewerblichen Bauflächen müssen die Kommunen ihre Instrumente so einsetzen, dass Zersiedelung durch Gewerbe-, aber auch durch Wohnungsbau vermieden wird. Gewerbebrachen sollten besser genutzt werden. Dabei darf auch nicht vergessen werden, dass ausreichender und bezahlbarer Wohnraum nicht unwesentlich zur Attraktivität einer Region für Arbeitskräfte beiträgt.

Zu wenige Neugründungen

Kreative Ideen gehen häufig von neuen Unternehmen aus. Nimmt man den Saldo der Gewerbean- und -abmeldungen als groben Indikator für das Gründungsgeschehen der letzten Jahre, dann belegt die Region Stuttgart unter den deutschen Metropolregionen derzeit nur den letzten Platz. Während in Hamburg und München der Überschuss der Anmeldungen über die Abmeldungen bezogen auf 100 000 Einwohner fast 200 betrug, waren es in der Region Stuttgart ganze 76. Und während in der Rhein-Main-Region in den Jahren 1998 bis 2001 dieser Überschuss um 54 % stieg, sank er in der Region Stuttgart um 25 %. Nur die beiden ostdeutschen Vergleichsregionen hatten noch größere Rückgänge.

Ausbaufähige Verkehrsanbindung – wenig internationale Messen

Gemessen an der Zeit, die mit dem PKW gebraucht wird, um die nächsten drei Ballungsräume zu erreichen, belegt die Region Stuttgart Platz zwei. Hier kommt ihr die räumliche Nähe anderer Zentren zugute. Gemessen an der Zeit, die im kombinierten PKW-Luft-Verkehr gebraucht wird, um 41 europäische Zentren zu erreichen, belegt die Region Stuttgart nur den vierten Platz unter den acht Vergleichsregionen.

In Deutschland gehören Messebeteiligungen zu den wichtigsten Kommunikationsinstrumenten der Unternehmen. Nach wie vor ist es vor allem das Verarbeitende Gewerbe, das auf der Ausstellerseite der Fachmessen dominiert. Die industriegeprägte Region Stuttgart wäre demnach ein idealer Standort dafür.

Anders als die hiesige Industrie ist aber die Stuttgarter Messe im Vergleich zu den Angeboten der anderen Regionen klein und relativ stark auf das Inland konzentriert. Mit dem Bau der Landesmesse am Stuttgarter Flughafen und dem Ausbau von Straßen- und Schienenverbindungen wird die Region Stuttgart hier einen deutlichen Sprung nach vorn machen und ihre Internationalität weiter steigern können.

Niedrigste Realsteuer-Hebesätze in der Region Stuttgart

Sowohl bei der Gewerbesteuer als auch bei der Grundsteuer B (für alle Grundstücke, die nicht landwirtschaftlich genutzt werden) kann die Region Stuttgart die niedrigsten durchschnittlichen Hebesätze vorweisen. Auch dies lockt Investoren. Zudem ist die Region Stuttgart die einzige Region, in der in den Jahren 1995 bis 2000 der durchschnittliche Hebesatz für die Gewerbesteuer sank. Ebenso ging der Hebesatz für die Grundsteuer B zurück, aber auch in den Regionen Rhein-Main, München und Berlin.

Theater begehrt, wenig Übernachtungen

Vergleicht man das gesamte Angebot an Opern-, Ballett-, Schauspiel- und Musicalaufführungen, dann hat die Region Berlin vor Hamburg die größte Vielfalt zu bieten. Bezieht man die Veranstaltungszahl in den Kernstädten nur auf die eigenen Einwohner/-innen, hat die Stadt Stuttgart unter allen Kernstädten die meisten Aufführungen. Das Theaterangebot in der Stadt Stuttgart wird auch häufiger als das der anderen Kernstädte genutzt. Bezogen auf die Einwohnerzahl der gesamten Region haben die Stuttgarter Aufführungen die höchsten Besucherzahlen aller Vergleichsregionen. In der Qualität des Angebots erhält Stuttgart zudem Jahr für Jahr Bestnoten.

Mit rund 5,4 Mill. Übernachtungen steht die Region Stuttgart sowohl beim Vergleich der absoluten Zahlen als auch bezogen auf die Einwohnerzahl an siebter Stelle der acht Vergleichsregionen. In den letzten Jahren konnten überdurchschnittliche Zuwachsraten erreicht werden, ohne dass damit andere Regionen überholt werden konnten.