:: 5/2004

EU: Nachhaltige regionale Entwicklung

Die Europäische Union hat sich verpflichtet, nachhaltige Entwicklung zu gewährleisten und ein hohes UmweItschutzniveau aufrechtzuerhalten. Beide Anforderungen sind in die Definition und Umsetzung von Gemeinschaftspolitiken einzubeziehen. Regionale Entwicklung kann nur dann nachhaltig sein, wenn sie die Umwelt schont. Darüber hinaus kann die Umwelt selbst zu einer Quelle wirtschaftlichen Wachstums werden, sei es durch die Entwicklung von Öko-Tourismus, saubere Technologien oder natürliche Habitate, die die Anziehungskraft einer Region erhöhen. Vorliegender Beitrag zur Thematik ist der von der Europäischen Kommission herausgegeben Broschüre »Strukturpolitik und der europäische Raum – Wettbewerbsfähigkeit, nachhaltige Entwicklung und Zusammenarbeit in Europa. Von Lissabon nach Göteborg«, entnommen. Das Statistische Landesamt Baden-Württemberg dankt für die Abdruckgenehmigung. Dr. Büringer, Leiter des Referats »Umweltbeobachtung, Ökologie, Umweltökonomische Gesamtrechnungen« im Statistischen Landesamt Baden-Württemberg, stellt außerdem vor, wie das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung in Baden-Württemberg umgesetzt werden soll.

Klimawandel, Volksgesundheit, natürliche Ressourcen, Armut und soziale Ausgrenzung, eine alternde Bevölkerung, das zunehmende Verkehrsaufkommen und Verschmutzung stehen durchweg im Mittelpunkt der von der Kommission entwickelten Strategie für nachhaltige Entwicklung, die auf dem Rat von Göteborg im Juli 2001 angenommen wurde. Die Zielsetzungen und Zieldaten für die Inangriffnahme einiger dieser Fragen wurden im 6. Aktionsprogramm für die Umwelt festgelegt; eine der wesentlichen Prioritäten dieses Programms ist die Ratifizierung und Umsetzung des Kyoto-Protokolls, nach dem die Treibhausgas-Emissionen bis zum Jahr 2008-2012 um 8 % gegenüber den Niveaus von 1990 zu reduzieren sind. Weitere Ziele, etwa bis zum Jahr 2010 insgesamt 22 % der Elektrizität aus erneuerbaren Quellen zu erzeugen oder das BIP-Wachstum vom Verkehrs- und Ressourcengebrauch abzukoppeln, wurden in späteren Berichten aufgestellt.

Der Gesamtanteil der Strukturmittel, die direkt oder indirekt mit der Umwelt zusammenhängen, stieg für die Periode 2000-2006 um 11,4 % bzw. 22,6 Mrd. Euro. In Mittel- und Osteuropa geht die Hälfte der unter dem ISPA (strukturpolitisches Instrument zur Vorbereitung auf den Beitritt) verfügbaren Gelder an UmweItprojekte, die den Beitrittsländern helfen, sich an die Umweltnormen der Europäischen Union anzupassen, vor allem durch den Bau oder die Modernisierung von Anlagen zur Abwasseraufbereitung.

Im Rahmen der Strukturfonds1 entwickelte Programme und Projekte müssen die Umweltgesetze und die umweltpolitischen Maßnahmen der Europäischen Union beachten und stärken. Beispielsweise sind bei der Programmplanung einschlägige Richtlinien, etwa »Natura 2000« für die Erhaltung natürlicher Habitate, zu berücksichtigen, und bevor Mitgliedstaaten und Regionen Fördermittel erhalten, müssen zunächst die Umweltfolgen der Intervention bewertet werden. Im Übrigen stellen die Strukturfonds Direktfinanzierungen für Projekte bereit, die auf eine Verbesserung der Umweltqualität abzielen, entweder durch Entwicklung und den Gebrauch erneuerbarer Energien, umweItfreundliche Technologien oder die Verbesserung von Systemen für Müllwirtschaft, Trinkwasser und Abwasseraufbereitung.

Die Sanierung ehemaliger Industrie- oder Militärgelände führt zu einer reduzierten Bodennutzung, was für dicht bevölkerte Gebiete in den zentral gelegenen Regionen der Union besonders wichtig ist. Aufgrund ihrer Zugänglichkeit spielen diese Gelände häufig eine entscheidende Rolle bei der Neustrukturierung von Regionen und können zum Mittelpunkt neuer unternehmerischer Aktivitäten werden. Derartige Projekte sind ein wesentlicher Bestandteil der Entwicklungsstrategien für Ziel-2-Gebiete mit Strukturproblemen.

Europas steigende Abhängigkeit von Energieimporten und das ständige Wachstum des Straßen- und Luftverkehrs wird Europas Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen. Daher haben Anwendungen und Netze im Bereich erneuerbarer Energie, umweltfreundlichere Verkehrsarten und Technologien im Hinblick auf die Modernisierung der Produktion und die Verringerung von Emissionen höchste Priorität. Die Unterstützung der Strukturfonds für die Sanierung von nicht mehr genutztem Gelände und für Umweltinfrastrukturen im Zeitraum 2000-2006 beläuft sich auf 39,9 Mrd. Euro (18,2 % der Gesamtdotierung).

Der Kohäsionsfonds für Griechenland, Portugal, Spanien und Irland und das ISPA für die Beitrittsländer in Mittel- und Osteuropa sind wichtige Finanzierungsquellen für umweltbezogene Infrastrukturen, etwa für die Trinkwasserversorgung, die Abwasseraufbereitung und die Festmüllentsorgung. Beide Instrumente stellen Mittel für investitionsintensive Vorhaben bereit und helfen diesen Ländern, die Umweltnormen und Rechtsvorschriften der Union zu erfüllen. Bis zum Jahr 2006 stehen rund 18 Mrd. Euro vom Kohäsionsfonds und weitere 7,3 Mrd. Euro vom ISPA zur Verfügung. Nach dem Beitritt im Jahr 2004 wird das ISPA durch den Kohäsionsfonds in den neuen Mitgliedstaaten ersetzt.

Und Baden-Württemberg?

Mit dem Umweltplan Baden-Württemberg werden entsprechend dem Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung erstmals auch quantifizierte Ziele für eine dauerhafte umweltgerechte Entwicklung des Landes formuliert und mögliche Maßnahmen zur Umsetzung dieser Ziele konkretisiert. Zentrale Bedeutung misst das Land dem Klimaschutz, der umfassenden allgemeinen Ressourcenschonung, einer ebenso umweltschonenden wie effizienten Abfallwirtschaft sowie der Reduzierung des Flächenverbrauchs bei. Unterstützt werden die Bestrebungen des Umweltplans durch den zwischenzeitlich eingerichteten Beirat für nachhaltige Entwicklung in Baden-Württemberg und die regelmäßige Umweltberichterstattung, die im zurückliegenden Jahr insbesondere im Hinblick auf die Umsetzung der im Umweltplan formulierten Ziele ausgebaut wurde. Durch die Zusammenstellung entsprechender Indikatoren und den Aufbau Umweltökonomischer Gesamtrechnungen für Baden-Württemberg beim Statistischen Landesamt2 werden Fortschritte wie auch zusätzlicher Handlungsbedarf – jeweils gemessen an den Zielvorgaben – sichtbar gemacht. Dies gilt beispielsweise für die eng miteinander verbundenen Bereiche der Energieversorgung und des Klimaschutzes. Ein wesentlicher Indikator für den Verbrauch natürlicher Ressourcen und Hauptursache für die Treibhausgasemissionen ist der Primärenergieverbrauch. Ziel des Landes ist es, den Anteil erneuerbarer Energien am Primärenergieverbrauch bis 2010 auf 4,2 % zu erhöhen. Derzeit, Stand 2001, beträgt der Anteil 3,1 %. Die energiebedingten CO2-Emissionen im Land beliefen sich zuletzt im Jahr 2002 auf knapp 78 Mill. Tonnen. Bis 2005 sollen sie nach Vorgaben des Umweltplans auf unter 70 Mill. Tonnen reduziert werden. Insbesondere beim CO2 sind demnach deutlich verstärkte Anstrengungen zur Reduzierung erforderlich. Allerdings liegen die Pro-Kopf-Emissionen in Baden-Württemberg mit 7,4 Tonnen CO2 je Einwohner bereits spürbar niedriger als im Bundesdurchschnitt (10,1 Tonnen pro Einwohner).

Gemäß dem Motto »Global denken und lokal handeln« werden in Baden-Württemberg auf der Ebene der Kommunen sowie der Unternehmen Aktivitäten zur Umsetzung des Leitbildes der Nachhaltigkeit unterstützt und gefördert. Wesentliche Instrumente und Projekte auf diesem Feld sind zusammengefasst unter der Lokalen Agenda 21. In Baden-Württemberg haben bis Herbst 2003 immerhin 371 Gemeinden (32 %) und 13 Landkreise (37 %) entsprechende Beschlüsse zur Lokalen Agenda 21 gefasst. Ein Agenda-Büro bei der Landesanstalt für Umweltschutz berät die Kommunen bei ihren Aktivitäten. Dort entwickelt wurde auch ein Leitfaden zu Indikatoren zur nachhaltigen Entwicklung auf kommunaler Ebene, deren Umsetzung durch die Entwicklung eines entsprechenden Internet-Datenangebotes in Zusammenarbeit mit dem Statistischen Landesamt unterstützt wird. Das Land hat von 1999 bis 2002 immerhin 215 kommunale Projekte der Lokalen Agenda 21 mit rund 2 Mill. Euro gefördert.

Ein weiteres wichtiges Instrument auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung ist der Aufbau betrieblicher Umwelt-Management-Systeme (UMS) gemäß der EG-Öko-Audit-Verordnung EMAS (Eco Management and Audit Scheme). Unternehmen, die sich dazu verpflichten, ihre Umweltschutzleistung kontinuierlich zu verbessern, können sich nach entsprechenden Vorgaben prüfen und zertifizieren lassen und dies mit der Verwendung des EMAS-Logos nach außen dokumentieren.

Im Herbst 2003 waren in Baden-Württemberg 366 Unternehmen und andere Organisationen nach EMAS registriert. Werden die nach ISO 14001, einer ähnlichen weltweit gültigen Norm, zertifizierten UMS mit einbezogen, hatten nach Angaben des Umweltbundesamtes Ende 2003 insgesamt 732 baden-württembergische Unternehmen und Organisationen ein nach EMAS, ISO 14001 oder nach beiden Normen zertifiziertes UMS.

Die regionalen Umweltschutzanstrengungen zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung sind auch mit spürbaren finanziellen Aufwendungen verbunden. Das Volumen der Ausgaben für Umweltschutzmaßnahmen der öffentlichen Hand und der Betriebe des Produzierenden Gewerbes in Baden-Württemberg belief sich zuletzt im Jahr 2001 auf über 4,53 Mrd. Euro. Das waren rund 1,5 % des Bruttoinlandsproduktes oder 427 Euro pro Einwohner. Die nachgewiesenen Ausgaben umfassen Investitionen in nachgeschaltete Umweltschutzeinrichtungen und die laufenden Ausgaben für den Betrieb eigener Umweltschutzanlagen sowie für externe Umweltschutzdienstleistungen.

1 Zu den Strukturfonds vgl. Regionale Wettbewerbsfähigkeit und die Strukturfonds, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg, Heft 4/2004, S. 50 ff.; entnommen aus: Europäische Union: Strukturpolitik und der europäische Raum – Wettbewerbsfähigkeit, nachhaltige Entwicklung und Zusammenhalt in Europa von Lissabon nach Göteborg; Hrsg. Europäische Kommission, 2003.

2 Umweltökonomische Gesamtrechnungen in Baden-Württemberg, Statistische Daten 6/2003, Statistisches Landesamt Baden-Württemberg.