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THEMA DES TAGES 17.1.2005: dpa-Gespräch »mit der Chefin des Statistischen Landesamtes«

Stuttgart (dpa/lsw) – In der von der FDP angestoßenen Diskussion um den Sinn von Statistiken und der damit verbundenen Bürokratie hat sich die Chefin des Statistischen Landesamtes zur Wehr gesetzt. Forderungen der FDP-Spitze nach drastischem Personalabbau wies die Präsidentin der Behörde, Gisela Meister-Scheufelen, in einem dpa-Gespräch zurück. »Trotz ständig wachsender Aufgaben haben wir seit 1993 die Zahl der Stellen um rund 140 auf 648 Stellen vermindert«, sagte sie am Montag in Stuttgart. In den vergangenen 10 Jahren sei die Produktivität ihrer Behörde um 30 % gewachsen. Eine Reduzierung der Aufgaben sei schwer möglich, da das Land nur mittelbar über den Bundesrat Einfluss darauf habe.

Insgesamt 70 % der Anforderungen seien von der EU, 30 % durch den Bundestag festgelegt. Mit 16 Vorschlägen für den Verzicht auf Statistiken habe sich das Land bereits vergeblich an den Bundestag gewandt. Mit Statistikkosten von 3 Euro pro Einwohner im Jahr liege Baden-Württemberg im Bundesvergleich nach Nordrhein- Westfalen auf Platz 2, unterstrich die Behördenchefin.

FDP-Landeschefin Birgit Homburger hatte eine Halbierung des Personals der Behörde und eine deutliche Reduzierung der Statistikanforderungen an die Wirtschaft gefordert. »Weniger Leute bedeutet auch Konzentration auf das Wesentliche«, sagte sie mit Blick auf aus ihrer Sicht unnötige Statistiken, die die Wirtschaft belasten. So sei es nicht nachvollziehbar, warum ein Bäcker mühselig Fragen beantworten müsse nach dem Verbrauch von hellem und dunklem Mehl, nach der Zahl der von ihm gebackenen Brote, Brötchen und Kuchen. Komme er den Anforderungen nicht rasch genug nach, drohe ein Bußgeld. Wirtschaftsminister Ernst Pfister (FDP) beziffert laut früheren Angaben den Bürokratie-Aufwand eines Unternehmens mit bis zu neun Beschäftigten im Schnitt auf 4 360 Euro pro Mitarbeiter und Jahr.

Nach Meister-Scheufelens Worten haben nur 11 % der Betriebe im Südwesten im Jahr, darunter vor allem Industrieunternehmen, Kontakt mit den Statistikern. Die Antworten würden vor allem für die Konjunkturstatistik gebraucht. »Sie sind Grundlage etwa für die Errechnung des Wirtschaftswachstums, das wir an die EU melden müssen, für die Arbeit der Europäischen Zentralbank und für die Vergabe von EU-Fördergeldern.« Um den Firmen die Meldung ihrer Daten zu erleichtern, seien bereits für 22 Statistiken elektronische Meldeformulare eingeführt worden; Ende 2005 würden es 50.

Nicht nur das Interesse von Politik und EU an den Daten aus dem Land sei groß, sondern auch das von Privatleuten. »Wir haben 370 000 Seitenabfragen im Internet pro Monat, wobei die Seiten zu den Beschäftigtendaten und zur Bevölkerungsentwicklung am meisten besucht werden«, berichtete Meister-Scheufelen. »Für die Bürger ist es wichtig, wie sich Gesellschaft verändert und Phänomene einordnen lassen«.

Der Landesrechnungshof hatte im Jahr 2003 eine Reduzierung der Stellen von damals 700 auf 500 angemahnt. Deutliche Kritik übten die Finanzkontrolleure an der Vielzahl von Statistiken, die das Amt durchführen muss. Die Kontrolleure sprachen von »Frondiensten« der Wirtschaft.

Die SPD-Fraktion fordert eine Reduzierung des Personals von 2 % jährlich in den kommenden 10 Jahren. In der Grünen-Fraktion sieht man die Behörde auf einem guten Weg. »Wenn sie in den kommenden 10 Jahren so weitermacht wie bisher, ist das in Ordnung«, sagte Fraktionschef Winfried Kretschmann.