:: 4/2005

Regionale Verteilung der größten Unternehmen Deutschlands

Die größten Unternehmen Deutschlands ballen sich entlang der Rheinschiene sowie in Süddeutschland auf der Linie Stuttgart-München. Nennenswerte Konzentrationen großer Unternehmen haben im Norden bzw. Nordosten nur die »Inseln« Hamburg, Berlin und Hannover vorzuweisen. Die Struktur der Regionalverteilung folgt dabei dem Verlauf des römischen Limes und ist in Bezug zu setzen mit dem Kernraum europäischer Entwicklung, der seit der Spätantike von London bis Mailand reicht. Das BIP spiegelt diese Verteilung ebenfalls wider. Der folgende Beitrag, den wir hier in gekürzter Form wiedergeben, ist den Statistischen Monatsheften Niedersachsen 1 entnommen; wir danken für die freundliche Abdruckgenehmigung.

Den unmittelbaren Anstoß zu diesem Artikel gab eine Verlagsbeilage der Wirtschaftsredaktion der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« zu den umsatzstärksten auf deutschem Gebiet ansässigen Unternehmen. 2 Die insgesamt 300 Unternehmen wurden dort den fünf üblichen Wirtschaftsbranchen zugeordnet und letztlich in 100 Industrie-, 100 Handels-, 50 Dienstleistungs- und 25 Versicherungsunternehmen sowie 25 Kreditinstitute aufgeteilt.

Anders als in der FAZ-Beilage werden für die Analyse ausschließlich die Mutterkonzerne (zum Beispiel Deutsche Post AG) herangezogen, sodass sich die Gesamtzahl der Unternehmen um 28 Tochtergesellschaften (zum Beispiel die Deutsche Postbank) reduziert. Die so verbleibenden 272 Konzerne wurden in einem nächsten Schritt entsprechend ihrer Standorte den jeweiligen Landkreisen und kreisfreien Städten zugeordnet. In Schaubild 1 ist die regionale Verteilung der größten Unternehmen grafisch dargestellt. Je nach Anzahl der dort ansässigen Unternehmen sind die Gebiete mit einem mehr oder weniger großen Punktsymbol markiert: Je größer der Punkt, desto mehr Unternehmen sind in der jeweiligen kreisfreien Stadt oder dem Landkreis ansässig.

Die Städte München, Frankfurt, Düsseldorf, Köln und Hamburg treten deutlich hervor – hier liegt also die höchste Konzentration von Unternehmenssitzen vor. Dabei liegt München (27 Unternehmenssitze) vor Hamburg (24), gefolgt von Frankfurt (19,5), Düsseldorf (17,5) und Köln (14). Als nächstgrößte Punkte fallen diejenigen der Städte Stuttgart (8,33), Berlin (8), Münster (7,5), Mannheim (7,33), Essen (7), Hannover (6) und des Hoch-Taunus-Kreises (7) auf.

Nun ist die Konzentration von Unternehmenssitzen in großen Städten und Metropolen nichts Ungewöhnliches: Handelt es sich zum einen häufig um den ursprünglichen und historisch gewachsenen Sitz, schmückt man sich zum anderen auch gern mit dem Glanz der Hauptstadt oder einer Metropole wie Frankfurt und sucht die Nähe zu den Mächtigen aus Politik und Wirtschaft. Nicht zu vernachlässigen sind natürlich auch kurze Wege und eine in den Großstädten vorhandene zumeist gute bis sehr gute Infrastruktur.

Auffälliger als die Ballung in den Städten ist aber die deutschlandweite Verteilung der Unternehmen, wenn man auch die kleineren Punkte mit in den Blick nimmt. Der Großteil der Unternehmen ist entlang der Rheinschiene, das heißt vor allem in den Ballungsräumen Ruhrgebiet und Köln-Bonn, Frankfurt sowie in Mannheim und Nordbaden, ansässig. Von dort ziehen sich die Punkte in südöstlicher Richtung über Stuttgart weiter bis nach München. Im Nordwesten erstreckt sich die Häufung von Unternehmenssitzen bis nach Münster und Osnabrück. Nord-östlich dieses Bandes treten nur noch sehr vereinzelt Sitze eines oder gar mehrerer großer Unternehmen auf. Ausnahmen bilden hier die Metropolen Berlin und Hamburg und die Stadt Hannover.

Berlin wäre in einer gleichartigen Kartierung vor 10 Jahren noch nicht so hervorgetreten. Die großen Unternehmen sind dort Kreditinstitute und solche aus den Branchen Industrie und Dienstleistungen. Es hat offensichtlich sehr vom Hauptstadtstatus eines wiedervereinigten Deutschlands profitiert. So haben in den letzten Jahren diverse Unternehmen wie zum Beispiel die BHW Holding AG, die Axel Springer AG, die Deutsche Bahn AG und die Coca Cola Erfrischungsgetränke AG ihre Sitze dorthin verlegt bzw. im Rahmen von Umstrukturierungen eine neue Konzernzentrale gegründet und dort angesiedelt. 3 Hannover und vor allem Hamburg hingegen sind schon lange »Inseln« im Norden und Nordosten. Hamburg ist als alte Hansestadt traditionell in der Branche Handel stark vertreten und der Status der größten deutschen Hafenstadt hat sie für viele Unternehmen offenbar als »Brückenkopf« und andersherum »Tor zur Welt« interessant gemacht. So sind mit

Ölkonzernen wie der Shell Deutschland Oil GmbH oder der ExxonMobil Central Europe Holding GmbH sowie der Beiersdorf AG und der Airbus Deutschland GmbH Industrieunternehmen, aber auch international operierende Handelsunternehmen wie die Tchibo Holding AG, die Cobana-Fruchtring Gruppe, die CG Nordfleisch AG, die Fielmann AG, die Olympus Europe GmbH oder die Sharp Electronics Europe GmbH dort beheimatet bzw. haben zumindest Deutschland- oder Europazentralen eröffnet.

Die niedersächsische Landeshauptstadt Hannover fällt demgegenüber deutlich ab. Eine Ursache ist darin zu sehen, dass Hannover seinen Aufstieg und zahlreiche Unternehmensgründungen und überhaupt den Umstand, eine Großstadt zu sein, der industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts verdankt, als der Norden gegenüber dem Süden Deutschlands sogar kurzfristig dominierte. Damit fehlt der Stadt in vielen überregional bedeutsamen Wirtschaftsbereichen eine hinreichend lange Tradition. Zudem waren die Bedeutung Hannovers und weitere Teile Norddeutschlands mit der deutschen Teilung hinfällig. Sie gerieten in eine Randlage und wurden von ihren wichtigen Austauschbeziehungen mit dem Osten fast vollständig abgeschnitten, sodass dem Südwesten seine Lage zum Vorteil gereichte und sich das Süd-Nord-Gefälle rasch wiederherstellen konnte. Immerhin ist die Stadt Hannover in allen Branchen mit großen Unternehmen vertreten, wobei die TUI AG und die Continental AG die überregional wohl bekanntesten sind.

Unternehmen aus DAX und MDAX

Schaubild 2 dient der Überprüfung der in Schaubild 1 dargestellten Größenverhältnisse, vor allem was Berlin und Hamburg anbelangt, und soll den Blick noch stärker auf die wirklich großen Unternehmen lenken, nämlich solche, die Eingang in die Wirtschaftsindices DAX (Deutscher Aktien-Index) und MDAX (Midcap-Index) gefunden haben. Entsprechend der am 7. September 2004 veröffentlichten Daten der »Deutschen Börsen Group« wurden an diesem Tag 30 Unternehmen im DAX und weitere 50 im MDAX geführt. Diese insgesamt 80 Aktiengesellschaften wurden auf dem in Landkreise und kreisfreie Städte unterteilten Schaubild 2 gemäß ihren Standorten als Punkte eingezeichnet, wobei der Durchmesser der Punkte im Verhältnis zu ihrer Marktkapitalisierung an jenem Stichtag steht. Sind in einem Kreis bzw. einer Stadt mehrere Unternehmen ansässig, wurden deren Marktwerte addiert. Damit ist hier zwar nur der Status quo vom 7. September 2004 wiedergegeben, doch ist eine grundsätzliche Änderung weder tendenziell noch substanziell zu erwarten.

Die Struktur entspricht im Wesentlichen der in Schaubild 1 mit einer Konzentration entlang der Rheinschiene – Ruhrgebiet, Köln-Bonn, Frankfurt, Mannheim, Heidelberg, Ludwigshafen – und einem Ausläufer nach Südosten mit Stuttgart und München, wobei sich Düsseldorf, Frankfurt und München besonders abheben. Hingegen fällt die Streuung der betreffenden Unternehmen über weite Gebiete, besonders Richtung Nordosten, sehr viel geringer aus. Auffällig ist, dass Hamburg und Berlin anders als in Schaubild 1 nur vergleichsweise kleine Punkte aufweisen. Beide Städte liegen mit diesem Ergebnis als Standorte für marktführende Aktiengesellschaften hinter Hannover. Festzuhalten bleibt insgesamt auch hier eine Ballung starker Wirtschaftsunternehmen im Westen und Süden des Landes.

Regionale Verteilung des Bruttoinlandsproduktes

Bei der Höhe des BIP tritt vor allem der West-Ost-Strukturbruch immer noch deutlich zu Tage: Beinahe der gesamte Osten findet sich in der letzten oder vorletzten Kategorie mit einem BIP von weniger als 1,8 Mill. Euro bzw. 2,8 Mill. Euro. Nennenswerte Ausnahmen bilden allein die Städte, die sich vielfach in den ersten beiden Kategorien befinden. Gebiete mit einem nur mäßigen BIP ragen weit in den Westen hinein, und auch Teile der Küste, Südostniedersachsen4, das südliche und westliche Rheinland-Pfalz und weite Teile Bayerns entlang der Grenze zu Thüringen und Tschechien weisen schwache Ergebnisse auf.

Positiv heben sich die Gebiete links und rechts des Rheins, Nordrhein-Westfalen und Hessen sowie Baden-Württemberg ab. Kurz gesagt also der Westen und Südwesten – mit einem Ausläufer bis München – und als positiv herausragende »Inseln« im Norden und Osten die Städte Hamburg, Hannover und Berlin. Es weisen damit genau die Gebiete die höchste Wirtschaftskraft auf, die schon bei der regionalen Verteilung der größten Unternehmen in Schaubild 1 und 2 positiv auffällig waren. In gewisser Weise ist eine hohe Wirtschaftskraft in diesen Gebieten also nur logisch. Es scheint angesichts der Streuung von wirtschaftskräftigen Kreisen und kreisfreien Städten um diese Unternehmenssitze herum aber so, dass diese in ihren Regionen beispielsweise durch den Bedarf an unternehmensnahen Dienstleistungen eine noch größere Schubkraft entfalten als vielleicht gedacht.

Nimmt man eine Karte zur Hand, die den Verlauf des römischen Limes zeigt, wird man feststellen, dass die Ballungen großer Unternehmen – wie vor allem in Schaubild 1 zu sehen – dem Verlauf des Limes ziemlich exakt folgen. So sind denn viele der in dieser Untersuchung positiv hervortretenden Städte solche, die zu Zeiten der römischen Besatzung – oft an größere Garnisonsstandorte gekoppelt – entstanden sind und deren Ruinen Keimzellen der mittelalterlichen Städte in Deutschland wurden. Stellvertretend für die römischen Städtegründungen seien hier Köln, Bonn, Koblenz, Mainz, Worms, Speyer, Bad Cannstadt (heute Ortsteil von Stuttgart) und Augsburg genannt. Wenn diese auch zum Teil nicht identisch sind mit den heutigen »Erfolgsstädten«, so befinden sich letztere doch in unmittelbarer Nähe der alten Römerstädte. Die alten Strukturen sind also auch unter dem Aspekt der Konzentration großer Unternehmen noch zu erkennen.

Das Bruttoinlandsprodukt auf Europa-Ebene

Weitet man den Blick auf die europäische Ebene, sind deutlich die Zentren der Entwicklung zu erkennen. Entwicklung ist dabei als politische, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung zu verstehen. Im neueren Sprachgebrauch werden diese Entwicklungskerne auch als Metropolregionen bezeichnet.

Die europäischen Metropolregionen befinden sich fast ausschließlich in der so genannten »EU-Banane«. Dieser politische, wirtschaftliche und kulturelle Kernraum, der schon in der Spätantike herausstach, wird markiert von sehr alten Städten wie London, Paris, Straßburg und Mailand. Dieser Raum reicht klassisch von London im Norden und Paris im Westen über die Rheinschiene – von den Benelux-Ländern bis in die Schweiz – in den Südwesten und Süden Deutschlands, umfasst die westlichen Teile Österreichs und erstreckt sich in Norditalien entlang der Poebene von Turin über Mailand und Verona bis nach Venedig. Dieser Struktur folgt im Übrigen auch die Verteilung mittelalterlicher Städte in Europa. Die Mehrheit wirtschaftsstarker Gebiete ballt sich im genannten Kernraum, wobei sich Positiveffekte für die jeweilige Umgebung weiter verstärken können. Die Nähe zu diesem Zentrum Europas entscheidet über die zukünftige Entwicklung von Städten und Regionen. Je weiter von diesem Zentrum entfernt, desto schwächer werden tendenziell die wirtschaftlichen, aber auch die demografischen Strukturen.

Angesichts dieser überkommenen Strukturen, die sich auch nach verschiedensten Transformationen und auch in Bezug auf andere Merkmale wie zum Beispiel die Demografie immer wieder herausheben, ist zu fragen, inwieweit die Politik gegen einen solchen Vorsprung »ansubventionieren« kann.

1 Statistische Monatshefte Niedersachsen 10/2004, S. 538 - 540; Hrsg. Niedersächsisches Landesamt für Statistik.

2 Frankfurter Allgemeine Zeitung, Die 100 größten Unternehmen, Verlagsbeilage der Wirtschaftsredaktion, Frankfurt, 6. Juli 2004.

3 Es gab allerdings auch einige Unternehmen, die den umgekehrten Weg gegangen sind, als bestimmte Förderprogramme ausgelaufen sind.

4 Der Eindruck wird dadurch etwas abgemildert, dass sowohl Hildesheim als auch Göttingen keine kreisfreien Städte sind und so ihre positiven Ergebnisse in der Darstellung die betroffenen Landkreise mit »hochziehen«.