:: 6/2005

Abitur 2004 an allgemein bildenden und beruflichen Gymnasien

Im Frühjahr 2004 ist zum ersten Mal ein Schülerjahrgang nach der Reformierung der Kursstufe an den allgemein bildenden Gymnasien in Baden-Württemberg zur Abiturprüfung angetreten. Befürchtungen, dass das Abitur ohne die Wahl von Leistungskursen schwerer würde, lassen sich anhand der Ergebnisse der Amtlichen Schulstatistik bislang nicht belegen. Der arithmetische Mittelwert der Durchschnittsnoten aller Abiturzeugnisse in Baden-Württemberg lag im Jahr 2004 bei 2,33 und war damit – wenn auch bei sehr geringen Abständen – sogar der beste seit Erhebung der Abiturnoten überhaupt. Auch der Anteil der nicht bestandenen Abiturprüfungen war mit 1,0 % so niedrig wie noch nie in den letzten 10 Jahren. Wie so oft in der Schulstatistik gibt es aber auch bei den Abiturnoten regionale Schwankungen: Zwischen den Regierungsbezirken Freiburg und Stuttgart liegt immerhin eine Sechstelnote. Die Prüflinge an den beruflichen Gymnasien haben 2004 zum letzten Mal Abitur in Grund- und Leistungskursen gemacht. Der Mittelwert aller Durchschnittsnoten betrug hier 2,58 und war nahezu unverändert gegenüber dem Vorjahr (2,59).

Im Frühjahr 2004 ist zum ersten Mal ein Schülerjahrgang nach der Reformierung der Kursstufe zur Abiturprüfung angetreten. Die 2-stündigen Grundkurse und die 5-stündigen Leistungskurse (2 Fächer konnte man sich als Leistungskurse entsprechend seiner Begabung und Neigung in der Regel frei auswählen) waren zum Schuljahr 2002/03 abgeschafft worden (zunächst nur für die Jahrgangsstufe 12, ab 2003/04 dann für die gesamte Kursstufe). Stattdessen wurde vorgeschrieben, dass Mathematik, Deutsch und eine Fremdsprache als Kernkompetenzfächer (auf relativ hohem Niveau) 4-stündig zu belegen waren. Ebenso 4-stündig zu belegen waren ein Profil- und ein Neigungsfach. In allen drei Kernkompetenzfächern sowie im Profil- oder Neigungsfach war jeder Abiturient zur schriftlichen Abiturprüfung verpflichtet. Weitere Fächer waren 2-stündig zu belegen (Ausnahme: Kurse in Fremdsprachen generell 4-stündig).

Durchschnittsnote beim Abitur 2004 an allgemein bildenden Gymnasien: 2,33

Klagen und Befürchtungen von Eltern, Schülern und Lehrern, dass das Abitur nach der Reform der Kursstufe schwerer werden könnte, dass die baden-württembergischen Abiturienten dann im Vergleich zu anderen Bundesländern schlechter abschneiden könnten und zum Beispiel bei der Bewerbung um einen Studienplatz eventuell benachteiligt wären, lassen sich – zumindest in diesem ersten Abitur seit der Reform – anhand der Ergebnisse der Amtlichen Schulstatistik nicht bestätigen. Im Gegenteil: Der arithmetische Mittelwert aller Durchschnittsnoten in den Abiturzeugnissen lag im Jahr 2004 bei 2,33 und war damit – wenngleich bei sehr geringen Abständen – der beste seit Erhebung der Abiturnoten in Baden-Württemberg überhaupt. Der entsprechende Mittelwert betrug in den Vorjahren

2002:2,35
2000:2,37
1998:2,39
1996:2,38
1994:2,39

Insgesamt hatten 23 608 Prüflinge an der Abiturprüfung 2004 an den öffentlichen und privaten Gymnasien teilgenommen. Von diesen legten 23 374 die Reifeprüfung mit Erfolg ab. Nur 234 (1,0 %) bestanden die Prüfung nicht. Auch dieser Wert ist der niedrigste mindestens der letzten 10 Jahre. Von 1994 bis 2002 lag der Wert zwischen 2,4 und 2,7.

Die Traumnote »1,0« erzielten 523 Absolventen (2,2 %) an den allgemein bildenden Gymnasien. Auf eine »1« vor dem Komma konnten immerhin insgesamt 6 774 Prüflinge (29,0 %) stolz sein. Im Vorjahr (Abitur 2003) lag dieser Anteil bei 28,6 %. Andererseits mussten sich 18,8 % der erfolgreichen Abiturienten mit einer »3« vor dem Komma zufrieden geben. Die Note »4,0« wurde gar nicht vergeben (Übersicht). Im Jahr zuvor hatte etwa jedes fünfte überreichte Abiturzeugnis (21,4 %) einen Notendurchschnitt zwischen 3,0 und 3,9, zweimal stand sogar eine »4,0« auf dem Zeugnis.

Wie auch in früheren Jahren schnitten die Absolventen der öffentlichen allgemein bildenden Schulen 2004 im Durchschnitt etwas besser ab als die Abiturienten an privaten Schulen (Notendurchschnitt 2,33 im Vergleich zu 2,38).

Regierungsbezirk Freiburg Spitze beim Abiturnotendurchschnitt

Bei regionaler Betrachtung ergeben sich in der Amtlichen Schulstatistik bei vielen Merkmalen (zum Beispiel Übergänge auf weiterführende Schulen, Nichtversetzte) große Unterschiede zwischen den einzelnen Kreisen oder Regierungsbezirken. Auch bei den arithmetischen Mittelwerten der Durchschnittsnoten der Abiturzeugnisse sind zwischen den einzelnen Regierungsbezirken Streuungen zu verzeichnen:

Freiburg2,24 / 4 520 Abiturienten
Tübingen2,29 / 4 370 Abiturienten
Karlsruhe2,32 / 5 729 Abiturienten
Stuttgart2,40 / 8 755 Abiturienten

Die Spannweite zwischen den Durchschnittsnoten der Regierungsbezirke betrug 2004 im Schnitt also eine Sechstelnote.

Fünf Jahre früher (Abitur 1999) ergibt sich im Vergleich der Regierungsbezirke die gleiche Reihenfolge der Durchschnittsnoten beim

Abitur:

Freiburg2,28
Tübingen2,31
Karlsruhe2,35
Stuttgart2,45

Auch 1999 betrug die Spannweite also eine Sechstelnote. Vor 10 Jahren (Abitur 1994) lagen Freiburg und Tübingen fast auf gleichem Niveau (Durchschnittsnote 2,30 zu 2,31); Karlsruhe nahm mit einem Schnitt von 2,36 wieder Platz 3 ein, der Regierungsbezirk Stuttgart war mit einem Notendurchschnitt von 2,48 auch hier das Schlusslicht und fast zwei Zehntel von Freiburg entfernt (Schaubild).

Mögliche Hinweise für die unterschiedlichen Abiturergebnisse

Diese in der zeitlichen Betrachtung stabile Struktur zwischen den Regierungsbezirken hat sicherlich verschiedene Ursachen. Der Regierungsbezirk Stuttgart hat doppelt so viele Absolventen wie Tübingen. Die Übergangsquoten von einer Grundschule auf ein Gymnasium sind im Regierungsbezirk Stuttgart mit Sitz der Landeshauptstadt und im Regierungsbezirk Karlsruhe seit Jahren höher als in den doch eher ländlich geprägten Regierungsbezirken Tübingen oder Freiburg. So verzeichnete in den letzten 10 Jahren ausnahmslos der Regierungsbezirk Karlsruhe die prozentual höchsten Übergänge auf ein Gymnasium, jeweils dicht gefolgt vom Regierungsbezirk Stuttgart. Freiburg mit dem besten durchschnittlichen Abiturergebnis lag in dieser Zeitspanne immer auf Platz 4, hat also die geringste Übergangsquote aufs Gymnasium. Tübingen mit dem zweitbesten durchschnittlichen Abiturergebnis belegt bei den Übergängen aufs Gymnasium den vorletzten (3.) Platz.

Anders verhält es sich mit den Nichtversetzten-Quoten, also dem Anteil der Schüler, die das Klassenziel nicht erreicht haben. Die höchsten Nichtversetzten-Quoten finden sich bei Gymnasien in der Regel in der 10. Klassenstufe.1 Der Abiturjahrgang 2004 besuchte diese »kritische« Klassenstufe im Schuljahr 2000/01. In diesem Schuljahr hatten die Regierungsbezirke Stuttgart und Karlsruhe mit jeweils 5,7 % die relativ meisten Nichtversetzten in Klassenstufe 10. Die Regierungsbezirke Freiburg und Tübingen schnitten mit 5,2 % bzw. 5,5 % etwas besser ab. Auch im Durchschnitt der Klassenstufen 5 bis 11 hat der Regierungsbezirk Stuttgart im Jahr 2001 mit 3,9 % die höchste Quote an Nichtversetzten, gefolgt von den Regierungsbezirken Karlsruhe mit 3,7 %, Freiburg mit 3,6 % und Tübingen mit nur 3,4 %.2 Die gute infrastrukturelle Ausstattung eines Ballungsraumes (gemessen an der Zahl und Dichte der Gymnasien, an den gut ausgebauten Nahverkehrsverbindungen oder auch am Angebot eines Mittagessens und einer Mittagsbetreuung) dürfte in Grenzfällen bei der Wahl einer weiterführenden Schule nach der vierten Grundschulklasse eher den Ausschlag zum Gymnasium geben. In überwiegend ländlichen Gebieten mit relativ großen Entfernungen zwischen Wohnort und Gymnasium und vergleichsweise schlechteren Nahverkehrsverbindungen dürfte im Zweifelsfall »Realschule oder Gymnasium« doch häufiger auf die – in der Regel näher liegende – Realschule zurückgegriffen werden. Auf das Gymnasium gehen hier folglich tendenziell wohl vor allem die »guten« Schüler.

Einen weiteren Hinweis für die unterschiedlichen Abiturergebnisse könnte auch ein Blick auf die Abgänger geben, die nach der Klassenstufe 10 mit dem Realschul-Abschluss im Jahr 2001 das Gymnasium verlassen haben. Dies waren im Regierungsbezirk

Stuttgart:6,00 %
(Abgänger insgesamt nach Klasse 10:6,74 %)
Karlsruhe:6,50 %
(Abgänger insgesamt nach Klasse 10:7,59 %)
Freiburg:7,56 %
(Abgänger insgesamt nach Klasse 10:8,43 %)
Tübingen:7,91 %
(Abgänger insgesamt nach Klasse 10:8,62 %).

Der »Ausleseprozess« ist also in den Regierungsbezirken Freiburg und Tübingen stärker gewesen als in Stuttgart oder Karlsruhe, sodass dort wohl »Grenzkandidaten« gar nicht mehr zur Abiturprüfung angetreten sind.3

Über die Hälfte der Abiturienten ist weiblich– Ausländeranteil sehr niedrig

Derzeit werden die durchschnittlichen Abiturnoten und die nicht bestandenen Abiturprüfungen in der Amtlichen Schulstatistik weder nach Geschlecht noch nach Nationalitäten erfragt. Lediglich bei der Gesamtzahl der »Abgänger mit Hochschulreife« wird differenziert nach Geschlecht und ausländischer Staatsangehörigkeit.4 An den allgemein bildenden Gymnasien waren 12 533 und damit mehr als die Hälfte der erfolgreichen Absolventen des Jahres 2004 weiblich. Der Anteil der jungen Frauen von 53,6 % ist exakt derselbe wie 2003. Der Anteil ausländischer Abgänger an allgemein bildenden Gymnasien mit bestandener Reifeprüfung ist generell sehr niedrig. Er schwankte innerhalb der letzten 10 Jahre zwischen 2,7 und 4,3 %. Im Sommer 2004 waren 639 Schüler (2,7 %) mit ausländischer Staatsangehörigkeit unter den insgesamt 23 374 Abgängern mit Hochschulreife.

Berufliche Gymnasien: Notendurchschnitt 2,58

Die beruflichen Gymnasien in Baden-Württemberg sind Gymnasien in Aufbauform. Sie umfassen in der Regel die dreijährige gymnasiale Oberstufe mit der Eingangsklasse und den Jahrgangsstufen 1 und 2 (siehe i-Punkt). Im Frühjahr 2004 erwarb jeder dritte Gymnasial-Abiturient (33,5 %) sein Abitur an einem beruflichen Gymnasium; 2003 war dieser Anteil noch deutlich niedriger.

12 268 Kandidaten waren 2004 an beruflichen Gymnasien zum letzten Mal nach dem alten System, mit Grund- und Leistungskursen, zur Hochschulreifeprüfung angetreten. Ab dem Abitur 2005 wird auch hier die Oberstufe reformiert und es muss ein 6-stündiges Profilfach verpflichtend belegt werden. Nicht zugelassen zur schriftlichen Prüfung waren 272 Schüler (2,2 %). Von den angetretenen Kandidaten haben 500 (4,1 %) die Prüfung nicht bestanden. Die Durchschnittsnote beim Abitur 2004 lag an den beruflichen Gymnasien bei 2,58 und war nahezu unverändert zum Vorjahr (2,59). Die Traumnote »1,0« erreichten an den beruflichen Gymnasien nur 61 oder 0,5 % der Absolventen. Eine »1« vor dem Komma erzielten lediglich 16,3 % der erfolgreichen Abiturienten, deutlich weniger als an den allgemein bildenden Schulen. Stattdessen war an den beruflichen Gymnasien der Anteil der Zeugnisse, die eine »3« vor dem Komma hatten, mit 31,2 % mehr als anderthalbmal so hoch wie an den allgemein bildenden Gymnasien (Übersicht).

Vermutlich spielt bei den Ergebnissen der beruflichen Gymnasien eine Rolle, dass die Kurswahl dort durch die Festlegung auf eine bestimmte Fachrichtung stärker eingeschränkt wird als an allgemein bildenden Gymnasien. Bislang war ein Leistungskurs von vorneherein in Abhängigkeit von der gewählten Richtung festgelegt, und auch beim zweiten Leistungskurs bestand nur eine Auswahl unter relativ wenigen Fächern. Künftig sind drei Kernkompetenzfächer und ein (entsprechend der Richtung bereits festgelegtes) Profilfach zu belegen. Trotz der Kursbindung wird nach der Vorausrechnung des Statistischen Landesamtes auch in den kommenden Jahren5 der Anteil der an einem beruflichen Gymnasium abgelegten Abiturprüfungen bei knapp einem Drittel liegen.

1 Zu »kritischen Klassenstufen« und regionaler Streuung von Nichtversetzten vgl. auch Schwarz-Jung, Silvia: Nichtversetzte 2002, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg, Heft 1/2004, S. 27 - 31.

2 Dieselbe »Reihenfolge« bei den Nichtversetzten-Quoten ergibt sich auch für das Jahr 2002: RB Stuttgart 3,6 %, RB Karlsruhe 3,3 %, RB Freiburg 3,2 % und RB Tübingen 3,0 %.

3 Die genannten Gründe sind als Hinweise zur Erklärung der unterschiedlichen Abiturleistungen aus statistischer Sicht zu verstehen. Sie sind keinesfalls vollständig.

4 Zur Erhebung der Abiturnoten in der Amtlichen Schulstatistik sowie zum Abiturerfolg von Frauen vgl. auch Schwarz-Jung, Silvia/Wörner, Manfred/Wolf, Rainer: Abiturprüfung 2002, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg, Heft 7/2003, S. 16 - 19.

5 Eine Ausnahme bildet das Jahr 2012; hier verdoppeln sich aufgrund der Einführung des 8-jährigen Gymnasiums die Absolventenzahlen

6 an den allgemein bildenden Gymnasien fast, sodass der Anteil der beruflichen Gymnasien an den Abiturprüfungen insgesamt stark sinken dürfte.