:: 7/2005

Zur regionalen Verteilung der Schlüsselzuweisungen auf die Kommunen Baden-Württembergs seit 1995

Die Kommunen des Landes haben in den Jahren 1995 bis 2004 im Rahmen des Finanzausgleichs anhand von Schlüsselzuweisungen nach der mangelnden Steuerkraft insgesamt ca. 20 Mrd. Euro erhalten. Je Einwohner und Jahr waren das durchschnittlich 187 Euro – bei allerdings deutlichen regionalen Unterschieden. Am stärksten profitiert haben die Städte Freiburg im Breisgau und Mannheim mit 433 Euro bzw. 377 Euro je Einwohner und Jahr. Auf der anderen Seite gab es insgesamt 23 Kommunen, denen aufgrund ihrer hohen Steuerkraft in diesem Zeitraum keine Schlüsselzuweisungen zustanden.

Die Zuweisungen vom Land bzw. dem Bund an die Gemeinden stellen in Baden-Württemberg mit einer Quote von etwa 30 % deren quantitativ zweitwichtigste Einnahmequelle dar.1 Allein durch Schlüsselzuweisungen nach der mangelnden Steuerkraft (vgl. i-Punkt), dem Kernstück des Finanzausgleichs, hatten die 1 111 Gemeinden Baden-Württembergs im Jahr 2004 etwa 1,84 Mrd. Euro erhalten.2 Verglichen mit dem Jahr 1995 sind dies nominal gut 80 Mill. Euro oder 4 % weniger. Innerhalb der letzten 10 Jahre war das Volumen im Jahr 2000 mit ca. 2,2 Mrd. Euro am höchsten. Der seitherige Rückgang ist vor allem auf die stagnierende Binnenkonjunktur zurückzuführen, die sich negativ auf die Höhe der Finanzausgleichsmasse ausgewirkt hat. Im gesamten Betrachtungszeitraum, den Jahren 1995 bis 2004, lag das Volumen bei knapp 20 Mrd. Euro.

Auch die Höhe der Schlüsselzuweisungen je Einwohner war in den letzten Jahren rückläufig: Wurden im Jahr 2000 noch durchschnittlich 211 Euro je Einwohner an die Kommunen ausbezahlt, so waren es zuletzt »nur« noch 172 Euro – der geringste Betrag in den letzten 10 Jahren. Im Zehnjahresdurchschnitt erhielten die Kommunen landesweit 187 Euro je Einwohner.

Gemeindegröße nur bedingt entscheidend für Höhe der Zuweisungen

Die höchsten Schlüsselzuweisungen je Einwohner haben die Großstädte Baden-Württembergs erhalten: Den sechs baden-württembergischen Städten mit 100 000 bis 250 000 Einwohnern sind 280 Euro pro Kopf und Jahr zugeflossen; in den drei größten Städten des Landes mit über 250 000 Einwohnern waren es sogar durchschnittlich 337 Euro je Einwohner (Schaubild 1).

Auf der anderen Seite haben aber auch die kleinen Gemeinden mit weniger als 1 000 Einwohnern überdurchschnittliche Zuweisungen erhalten; diesen sind immerhin 230 Euro je Einwohner und Jahr zugeflossen. Die geringsten Pro-Kopf-Zuweisungen wurden den Kommunen mit zwischen 20 000 und 50 000 Einwohnern sowie denen zwischen 5 000 und 10 000 Einwohnern zur Verfügung gestellt, gefolgt von Gemeinden mit zwischen 3 000 und 5 000 Einwohnern. Damit ist die Gemeindegröße nur bedingt entscheidend für die Höhe der Zuweisungen, wenn auch auffällt, dass vor allem die ganz großen, aber auch die kleinsten Kommunen des Landes am stärksten profitiert haben.

Daraus lässt sich aber nicht schließen, dass die Landkreise mit den kleinsten bzw. größten Kommunen die höchsten Pro-Kopf-Zuweisungen erhalten haben.3 Vielmehr sind aufgrund des eingeschränkten Zusammenhangs zwischen der Größe einer Kommune und den Pro-Kopf-Zuweisungen auch die Unterschiede zwischen den einzelnen Kreisen kaum auf die regionalen Gemeindegrößenstrukturen zurückzuführen. So sind beispielsweise dem Landkreis Karlsruhe mit den im Durchschnitt größten Kommunen Baden-Württembergs und dem Landkreis Lörrach mit den kleinsten Gemeinden4 vergleichbare Pro-Kopf-Zuweisungen zugeflossen (166 Euro bzw. 175 Euro), die jeweils sogar unter dem Landeswert von 187 Euro je Einwohner lagen.

Die geringsten Pro-Kopf-Zuweisungen (Euro je Einwohner) haben die Kommunen in den Landkreisen Böblingen, Ludwigsburg, Tuttlingen und Esslingen erhalten, die höchsten die Stadtkreise Freiburg im Breisgau, Mannheim, Heidelberg und Stuttgart (vgl. Schaubild 2). Für die vier Regierungsbezirke ergibt sich folgende Rangfolge bei den Pro-Kopf-Zuweisungen:

Karlsruhe215 Euro,
Freiburg 199 Euro,
Tübingen179 Euro,
Stuttgart165 Euro.

Freiburg und Mannheim mit den höchsten Pro-Kopf-Zuweisungen

Freiburg im Breisgau und Mannheim sind auch diejenigen Kommunen, die im Vergleich der 1 111 Städte und Gemeinden seit 1995 am stärksten von Schlüsselzuweisungen profitiert haben. Danach folgen überdurchschnittlich viele kleine Gemeinden mit unter 1 000 Einwohnern. Dass aber vor allem die Groß- bzw. die Universitätsstädte die stärkste Unterstützung erfahren haben, ist möglicherweise auch darauf zurückzuführen, dass bereits die Bevölkerungszahlen, die die Basis für die Berechnung des Finanzbedarfs darstellen, aufgrund von Ungenauigkeiten in der amtlichen Bevölkerungsfortschreibung unzutreffend ausgewiesen sind. Hierauf hatte das Statistische Landesamt bereits im Jahr 1996 hingewiesen.5

Auf der anderen Seite gibt es 23 Kommunen, denen in den Jahren 1995 bis 2004 keinerlei Zuweisungen nach der mangelnden Steuerkraft zugestanden haben. Diese so genannten abundanten Gemeinden, bei denen die Steuerkraftmesszahl die Bedarfsmesszahl übertrifft, konzentrieren sich auf die Region Stuttgart; aber auch in den Regionen Hochrhein-Bodensee und Schwarzwald-Baar-Heuberg befinden sich jeweils vier dieser finanzstarken Kommunen (vgl. Schaubild 3). Die abundanten Gemeinden haben alle weniger als 50 000 Einwohner und verteilen sich relativ gleichmäßig auf die einzelnen Gemeindegrößenklassen.

Zu den abundanten Kommunen zählt beispielsweise auch die Stadt Walldorf im Rhein-Neckar-Kreis, die seit einigen Jahren über die höchste Pro-Kopf-Steuerkraft aller baden-württembergischen Gemeinden verfügt. Insbesondere mit dem Aufstieg der dort angesiedelten Firma SAP zu einem weltweit führenden Software-Hersteller hat sich die Einnahmensituation dieser Stadt entscheidend verbessert.

Auch in den anderen abundanten Gemeinden ist diese besondere Steuerkraft darauf zurückzuführen, dass es hier ein oder mehrere prosperierende Unternehmen gibt, die in erheblichem Umfang Gewerbesteuerzahlungen leisten.

Relativ wenige Veränderungen innerhalb des Betrachtungszeitraums

Innerhalb des Betrachtungszeitraumes waren sowohl die Schlüsselzuweisungen nach Gemeindegrößenklassen als auch nach der regionalen Verteilung relativ stabil: Werden die Zeitabschnitte 1995 bis 1999 und 2000 bis 2004 miteinander verglichen, so hat es bei den Zuweisungen an die Gemeinden nach Größenklassen nur geringe Veränderungen gegeben. Lediglich bei den Großstädten zwischen 100 000 und 250 000 Einwohnern war ein nicht unerheblicher Anstieg um 16 Euro je Einwohner und Jahr zu verzeichnen.

Der Landkreis Böblingen war in beiden Zeitabschnitten jeweils derjenige Kreis, in welchem die Gemeinden aufgrund ihrer Steuerkraft die geringsten Zuweisungen erhalten haben, die Stadtkreise Freiburg, Mannheim, Heidelberg und Stuttgart diejenigen mit den höchsten Zuweisungen. Aufgrund einer günstigen Entwicklung bei den Steuereinnahmen erhielten vor allem der Alb-Donau-Kreis, der Landkreis Konstanz und der Hohenlohekreis seit dem Jahr 2000 – relativ betrachtet – weniger Schlüsselzuweisungen als in den Jahren zuvor. Zuletzt deutlich stärker als in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre auf Schlüsselzuweisungen angewiesen waren dagegen insbesondere die Stadtkreise Pforzheim und Ulm sowie der Landkreis Ravensburg.

Finanzausgleichsleistungen haben große Bedeutung für die Kommunen

Mit den Zuweisungen im kommunalen Finanzausgleich sollen den Gemeinden zusätzliche Einnahmen verschafft und gleichzeitig übermäßige Finanzkraftunterschiede zwischen den einzelnen Gemeinden ausgeglichen werden. Die Schlüsselzuweisungen nach der mangelnden Steuerkraft stellen dabei nicht nur wegen der Größenordnung dieser Zahlungen das Hauptelement des Finanzausgleichs dar, sie sind auch unter qualitativen Gesichtspunkten wertvoll, weil sie den Gemeinden ohne Zweckbindung zufließen. 6

Angesichts dieser großen Bedeutung für die Kommunen ist es wenig verwunderlich, dass die konkrete Ausgestaltung des Finanzausgleichs umstritten ist. Kritisiert wird insbesondere, dass der Kopfbetrag, der einen fiktiven Bedarf pro Einwohner zum Ausdruck bringt, mit der Gemeindegröße ansteigt. Daraus ergibt sich ein »Spannungsverhältnis« zwischen den Gemeinden, weil größere Kommunen höhere Zuweisungen für ihre Einwohner im Finanzausgleich erhalten als kleinere (siehe auch i-Punkt). Konkret liegt dieser Kopfbetrag in Städten mit mehr als 600 000 Einwohnern um 83 % höher als in den Gemeinden mit weniger als 3 000 Einwohnern.

Gegenüber diesem »Spannungsverhältnis« werden sogar verfassungsrechtliche Bedenken erhoben, die darauf abzielen, »ob einem Staat ein Bürger weniger wert sein darf als ein anderer«7. Diese verfassungsrechtlichen Bedenken werden aber nicht geteilt: Der Gesetzgeber intendiert mit diesem Spannungsverhältnis nicht eine unterschiedliche Wertigkeit der Bürger in den einzelnen Kommunen. Die gewählte Ausgestaltung dient vielmehr (lediglich) dazu, durch die Festlegung differenzierter Kopfbeträge den unterschiedlichen Bedarf der Gemeinden in Abhängigkeit von ihrer Größe zu berücksichtigen.

1  Vgl. Weiblen, Willi: Kommunale Finanzpolitik, in: Taschenbuch Baden-Württemberg, Ausgabe 2004, hrsg. von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, S. 202.

2  Ohne Kommunale Investitionspauschale; zur Berechnung der Schlüsselzuweisungen siehe i-Punkt.

3  Betrachtet werden nur die Zuweisungen an die Kommunen, nicht diejenigen an die Landkreise.

4  Vgl. Brachat-Schwarz, Werner: Zur Größenstruktur der Gemeinden in den Landkreisen Baden-Württembergs, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 1/2005, S. 49 ff.

5  Vgl. Leibing, Eberhard: Ungerechte Verteilung von Finanzmitteln durch unzutreffende Einwohnerzahlen? – Ein offener Brief des Präsidenten des Statistischen Landesamtes an die Gemeinden, in: Die Gemeinde, Heft 3/1996, S. 77 f.

6  Vgl. Schmid, Willi/Gössl, Ernst: Kommunaler Finanzausgleich in Baden-Württemberg, in: Die Gemeinde, Heft 16/2004, hrsg. vom Gemeindetag Baden-Württemberg, S. 594 ff. (Zitierweise: Kommunaler Finanzausgleich).

7  Schmid, W./Gössl, E.: Kommunaler Finanzausgleich, S. 596.