:: 9/2005

Bruttoinlandsprodukt, Bruttowertschöpfung und andere gesamtwirtschaftliche Indikatoren

1. Folge: Bruttoinlandsprodukt

Kommt die deutsche Wirtschaft wieder in Schwung? Behält sie den im Jahr 2004 eingeschlagenen Wachstumskurs bei oder verliert die Konjunktur 2005 wie in den Jahren zuvor erneut an Fahrt? Von welchen Bundesländern gingen 2004 die stärksten wirtschaftlichen Impulse aus? Wo hinkt die Konjunktur hinterher? Nach drei schwachen Jahren in Folge sind dies gegenwärtig wichtige Fragen für Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit.

Betrachtungen zur Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung in drei Folgen

Vor dem Hintergrund der angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt stehen aktuelle Daten zur Höhe des Wirtschaftswachstums in Deutschland und den einzelnen Bundesländern gemeinhin im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Höheres Wachstum wird im Allgemeinen auch mit einem Plus an Arbeitsplätzen verbunden.

Konjunktur Deutschlands – Wende zum Besseren?

Im Zuge der überaus starken weltwirtschaftlichen Dynamik im vergangenen Jahr ist auch die deutsche Wirtschaft wieder angesprungen. Im Jahr 2004 erhöhte sich das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr real, das heißt preisbereinigt, um 1,6 % und erreichte damit nach der wirtschaftlichen Stagnation im Jahr zuvor und dem marginalen Plus von 0,2 % im Jahr 2002 den stärksten Anstieg seit 2000 (+ 3,2 %). Aus Sicht der Wirtschaftsforscher setzt sich der konjunkturelle Aufwärtstrend in Deutschland jedoch voraussichtlich nur abgeschwächt fort. Aufgrund etwas nachlassender Impulse vom Ausland und weiterhin nur schwachen binnenwirtschaftlichen Kräften haben die sechs führenden Wirtschaftsinstitute in ihrem Frühjahrsgutachten die Wachstumsprognose für Deutschland im laufenden Jahr halbiert und erwarten für 2005 lediglich noch ein Plus von 0,7 %.

Sachsen im Länderranking vorn

Welche Länder lagen 2004 vorn? Der Wert für das Wirtschaftswachstum in Deutschland insgesamt verbirgt die konjunkturellen Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen. Ein Vergleich der Veränderungsraten des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der Bundesländer offenbart regionale Stärken und Schwächen.

Entsprechend der Wirtschaftsentwicklung in ganz Deutschland zeigte sich 2004 in allen Bundesländern eine mehr oder minder starke konjunkturelle Belebung. Zwischen den alten Ländern, die 2004 mit + 1,6 % einen Zuwachs des realen BIP in Höhe des Bundesdurchschnitts aufwiesen, und den neuen Ländern mit + 1,5 % Wirtschaftswachstum (jeweils ohne Berlin) bestand demnach vergangenes Jahr nur ein marginaler Unterschied. Einige Länder erzielten indessen eine deutlich bessere Wirtschaftsleistung als der Bund, während in manchen Regionen die Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts deutlich hinter der allgemeinen Entwicklung zurückblieb.

An die Spitze des Wachstums setzte sich im vergangenen Jahr ein ostdeutsches Bundesland. Nach den vorläufigen Regionalwerten des BIP für das Jahr 2004, die Ende März 2005 vom »Arbeitskreis Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder« (AK VGR d L) vorgelegt wurden, führte Sachsen mit 2,2 % realem Wirtschaftswachstum das Bundesländerranking an, dicht gefolgt von Rheinland-Pfalz ebenfalls mit einer 2 vor dem Komma (Schaubild 1).

Noch zu den wachstumsstärkeren Ländern, die nur knapp unter der 2%-Marke blieben, gehörten neben Bayern und dem Saarland mit einem Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts von jeweils + 1,9 % noch Schleswig-Holstein mit + 1,8 %. Hessen, Baden-Württemberg und Thüringen sowie Nordrhein-Westfalen und Hamburg lagen mit Wachstumsraten zwischen 1,7 % und 1,4 % im Mittelfeld.

Wachstum – Süd-Nord-Gefälle

Beim Wirtschaftswachstum zeichnet sich in Deutschland ein deutliches Süd-Nord-Gefälle ab. Vor allem der Norden scheint sich von der Wirtschaftsflaute der vergangenen Jahre noch nicht erholt zu haben. Mit Zuwachsraten des Bruttoinlandsprodukts von 0,5 % bis knapp über 1 % verlief die Wirtschaftsentwicklung in Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen, Brandenburg und Berlin deutlich ungünstiger als in Deutschland insgesamt. Diese Länder konnten offenbar nur schwach von der konjunkturellen Belebung 2004 profitieren.

Als Messgröße für das Wirtschaftswachstum dient allgemein die Veränderungsrate des »realen«, das heißt von Preiseinflüssen bereinigten, Bruttoinlandsprodukts gegenüber dem Vorjahr. Das BIP ist insofern zentraler Indikator für die wirtschaftliche Entwicklung und konjunkturelle Lage eines Landes.

Es spiegelt den wirtschaftlichen Gesamtwert der innerhalb

  • eines Kalenderjahres erstellten Waren und Dienstleistungen einer Volkswirtschaft bzw.
  • einer Region abzüglich der als Vorleistung eingesetzten Güter wider und stellt damit eine der wichtigsten, wenn nicht die wichtigste Größe der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen dar.

Das BIP umfasst – regional differenziert – die Aktivitäten aller Wirtschaftsbereiche von der Landwirtschaft, der Industrie, dem Handwerk und dem Handel, dem Transportgewerbe, den Banken und Versicherungen bis hin zum Staat und privaten Organisationen ohne Erwerbszweck.

Regionale VGR – unverzichtbar für Politik, Wirtschaft und Verwaltung

Die Angaben zum Wirtschaftswachstum für die Bundesländer basieren auf den Regionalergebnissen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR), die in Deutschland vom Arbeitskreis »VGR der Länder« erstellt werden (vgl. i-Punkt 1). Als das umfassendste statistische Instrumentarium der Wirtschaftsbeobachtung auf regionaler Ebene ergeben die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen der Länder ein quantitatives Gesamtbild des wirtschaftlichen Geschehens in unserem Land und sind als solches unverzichtbar für gesamtwirtschaftliche Analysen und Konjunkturprognosen. Die im Übrigen in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) nach einheitlicher Methodik ermittelten regionalen VGR-Aggregate bilden damit eine wesentliche Grundlage politischer und wirtschaftlicher Entscheidungen sowohl auf Bundes- und Länderebene als auch im europäischen Kontext. Beispielsweise richtet sich im Rahmen der gemeinsamen Kohäsionspolitik der Europäischen Kommission die Vergabe von Fördermitteln der EU-Strukturfonds für Regionen mit Entwicklungsrückstand nach der Höhe des auf die Zahl der jeweiligen Einwohner bezogenen regionalen Bruttoinlandsprodukts.

Drei Länder stellen gut die Hälfte des gesamtdeutschen BIPs

Die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes wie auch ökonomische Vergleiche zwischen Ländern und Regionen werden in der Regel am BIP, der Einwohnerzahl und den Erwerbstätigen festgemacht. So zählt Deutschland im Kreis der EU-Mitgliedstaaten sowohl nach der Bevölkerung als auch nach der Höhe des BIP vor Frankreich, dem Vereinigten Königreich und Italien zu den vier größten Ländern Europas. Mit mehr als der Hälfte (57 %) der rund 457 Mill. Einwohner der EU-25 erwirtschafteten diese vier Staaten 2004 zusammen gut zwei Drittel (67 %) des gesamten Bruttoinlandsprodukts aller EU-Länder.

Auch unter den Bundesländern wiesen die nach der Zahl der Einwohner größten Länder Nordrhein-Westfalen (18 Mill.), Bayern (12 Mill.) und Baden-Württemberg (knapp 11 Mill.) im Jahr 2004 die höchste Wirtschaftsleistung auf (Schaubild 2). Der Wert der in diesen drei Ländern insgesamt erstellten Waren und Dienstleistungen belief sich 2004 auf knapp 1 190 Mrd. Euro, mehr als die Hälfte (55 %) des gesamtdeutschen Bruttoinlandsprodukts.

Noch ein Größenvergleich: Gemessen am BIP in jeweiligen Preisen entsprach die Wirtschaftsleistung allein des Landes Nordrhein-Westfalen 2004 mit über 481 Mrd. Euro gut einem Fünftel des Bundeswertes oder in etwa der Wirtschaftsleistung aller neuen Bundesländer zusammen zuzüglich der Stadtstaaten Hamburg, Berlin und Bremen sowie des Landes Schleswig-Holstein.

Beim »BIP pro Kopf« liegt Hamburg vorn

Ein aussagefähigerer Vergleich der wirtschaftlichen Entwicklung bzw. der Wirtschaftskraft verschieden großer Länder oder Regionen mit unterschiedlich großer Wirtschaftsleistung wird eigentlich erst ermöglicht, wenn man die Absolutwerte des regionalen Bruttoinlandsprodukts auf die jeweilige Bevölkerungszahl bzw. auf die Erwerbstätigen der Region bezieht. Fünf Länder wiesen 2004 eine deutlich höhere Wirtschaftsleistung pro Kopf als der Durchschnitt Deutschlands auf. In Baden-Württemberg überstieg das nominale BIP je Einwohner mit gut 29 800 Euro den Bundesdurchschnitt von knapp 26 400 Euro um rund 13 % (Tabelle). Bayern lag knapp 18 % und Hessen rund 22 % über dem Bundeswert. Am höchsten war das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner in den Stadtstaaten Hamburg und Bremen. Bremen belegte Platz 2 mit 35 600 Euro, 35 % über dem deutschen Durchschnitt. Mit großem Abstand an der Spitze lag Hamburg als moderne Dienstleistungsmetropole. In Hamburg wurde 2004 ein BIP von fast 45 400 Euro je Einwohner erwirtschaftet, 72 % mehr als im Bundesdurchschnitt (i-Punkt 2).

Innerhalb Deutschlands gibt es demnach ein ausgeprägtes Regionalgefälle der wirtschaftlichen Entwicklung mit einer Spanne des nominalen Bruttoinlandsprodukts je Einwohner 2004 zwischen den Bundesländern von 65 % bis zu 172 % des gesamtdeutschen Durchschnitts. Insbesondere zwischen Ost und West bestehen unübersehbare Unterschiede hinsichtlich der Wirtschaftskraft.

Die Aussagekraft der Kenngröße »BIP je Einwohner« für wirtschaftliche Regionalvergleiche wird allerdings dadurch relativiert, dass die gesamtwirtschaftliche Leistung in manchen Regionen durch die Pendlerströme auf ein

Niveau erhöht wird, das maßgeblich über der von der ansässigen Erwerbsbevölkerung erstellten Wirtschaftsleistung liegt. In Regionen mit hohem Einpendlerüberhang wie zum Beispiel Hamburg oder Bremen wird das BIP je Einwohner somit überschätzt (i-Punkt 3).

Dieser Effekt der Berufspendler auf die Höhe der regionalen Wirtschaftsleistung zeigt sich deutlich beim Vergleich des auf die Zahl der Einwohner bezogenen Bruttoinlandsprodukts mit dem BIP je Erwerbstätigen. Die Differenzen der Wirtschaftskraft zwischen den Ländern werden beim BIP je Erwerbstätigen auf eine Spanne von 74 % bis 134 % des Deutschlandwertes reduziert.

Hamburg und Bremen mit hohem Einpendlerüberhang

Bezieht man die in Hamburg erstellte Wirtschaftsleistung anstatt auf die Wohnbevölkerung auf die dort beschäftigten Erwerbstätigen, verringert sich der »Vorsprung« der Hansestadt beträchtlich. Mit einem im Vergleich zum gesamtdeutschen Durchschnitt um 34 % höheren BIP je Erwerbstätigen liegt Hamburg aber auch bei der gesamtwirtschaftlichen Produktivität im Bundesländerranking vorn (Schaubild 3). Die große Anteilsdifferenz zwischen den beiden Kennziffern BIP je Einwohner (172 %) bzw. BIP je Erwerbstätigen (134 %) weist auf die starke Bedeutung der von den Berufseinpendlern erbrachten Wirtschaftsleistung hin. Eine ähnliche Situation gilt für Bremen. Aber auch in Hessen, mit der Bankenmetropole Frankfurt, sowie in Bayern und Baden-Württemberg mit den niedrigsten Arbeitslosenquoten in Deutschland gibt es einen starken Einpendlerüberhang.

Ostländer verringern ihren Produktivitätsabstand

Im Osten dagegen war die Wirtschaftskraft 2004, gemessen am nominalen BIP je Einwohner, auch aufgrund der hohen Auspendlerzahlen um ein starkes Drittel niedriger als im Westen. Sachsen erreichte gut 70 % des gesamtdeutschen Durchschnitts. Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, ohne ausgeprägte Industriestandorte, befanden sich am Ende der Rangliste. Bei der gesamtwirtschaftlichen Produktivität, dem BIP je Erwerbstätigen, schnitten die fünf neuen Länder etwas besser ab. Zwar lagen sie 2004 auch hier noch etwa ein Viertel unter Westniveau. Seit 1991 konnte die Ostwirtschaft ihren Abstand zum gesamtdeutschen Produktivitätsniveau jedoch maßgeblich verringern.

Im Jahr 2004 stieg die Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung der Ostländer (ohne Berlin), gemessen am Bruttoinlandsprodukt in jeweiligen Preisen je Erwerbstätigen, im Vergleich zum Vorjahr durchschnittlich um 2,0 % auf gut 42 700 Euro je Erwerbstätigen. Im bundesdeutschen Durchschnitt lag die Wirtschaftsleistung je Erwerbstätigen 2004 bei rund 56 650 Euro und für die alten Länder (ohne Berlin) ergaben sich gut 59 450 Euro, jeweils ebenfalls ein Plus von 2 % gegenüber dem Jahr 2003. Die Pro-Kopf-Leistung der neuen Länder lag damit im vergangenen Jahr durchschnittlich noch um rund 25 % unter dem Bundeswert.

Bei der gesamtwirtschaftlichen Arbeitsproduktivität, dem preisbereinigten Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigen, verzeichnete der Osten 2004 demgegenüber einen stärkeren Anstieg als die Länder im früheren Bundesgebiet. Während sich die Arbeitsproduktivität (in Preisen von 1995) der fünf neuen Länder durchschnittlich um 1,6 % erhöhte, erreichten die alten Länder (ohne Berlin) lediglich eine Produktivitätssteigerung um 1,2 %. Der Produktivitätsabstand der ostdeutschen Wirtschaft hat sich damit erneut verringert. Lag das reale BIP je Erwerbstätigen im Osten 1991 noch unter 50 % des gesamtdeutschen Wertes, wurden 2004 schließlich gut drei Viertel des durchschnittlichen Produktivitätsniveaus in der deutschen Wirtschaft erreicht. Den geringsten Produktivitätsrückstand zum Bundeswert von rund 20 % wies dabei Sachsen-Anhalt aus, während Thüringen mit gut 28 % Abstand unter den neuen Ländern noch am stärksten aufzuholen hat (Schaubild 4).

Zwar haben sich die Rahmenbedingungen in den neuen und alten Bundesländern in weiten Teilen angeglichen, insbesondere hinsichtlich der Infrastruktur, jedoch bestehen bei den Lebensverhältnissen in Ost und West noch immer große Unterschiede.

  • Beispiel Arbeitsmarkt: Mit einer Arbeitslosenquote von über 18 % im Mai diesen Jahres war die Arbeitslosigkeit in den neuen Ländern nahezu doppelt so hoch wie im Westen.
  • Beispiel Löhne und Gehälter: 2004 lagen die Ostverdienste noch knapp ein Viertel unter dem Westniveau.

Milliardenhilfe – Regionalförderung der EU

Mit dem Ziel, regionale Disparitäten zu verringern, unterstützt die Europäische Union im Rahmen ihrer Kohäsionspolitik Regionen mit Entwicklungsrückstand und strukturellen Schwierigkeiten. Im Zeitraum 2000 - 2006 verfügen die Beihilfefonds immerhin über einen Haushalt von insgesamt 213 Mrd. Euro. Etwa 150 Mrd. Euro, davon gut 23 Mrd. Euro für Deutschland, dienen der Unterstützung so genannter Ziel-1-Regionen, das heißt Regionen, deren Pro-Kopf-Einkommen unter 75 % des EU-Durchschnitts liegt. Im Förderzeitraum 2000 - 2006 decken die Ziel-1-Programme in Deutschland im Allgemeinen die fünf neuen Länder ab.

Maßgebliche Verteilungsgrundlage der EU-Strukturfördermittel ist das regionale BIP pro Kopf, das – jeweils in nationaler Währung berechnet – zum Ausgleich von Preisniveau- bzw. Kaufkraftunterschieden zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die in den Wechselkursen nicht zum Ausdruck kommen, in so genannte Kaufkraftstandards (KKS) umgerechnet wird.

Nach den aktuellen Daten von Eurostat, dem Statistischen Amt der Europäischen Gemeinschaften, zum regionalen BIP 2002 in den 254 so genannten NUTS-2-Regionen – in Deutschland sind dies die Regierungsbezirke und die Stadtstaaten – der nun 25 EU-Mitgliedstaaten reicht die Spannweite von 6 760 KKS je Einwohner bzw. 32 % des Durchschnitts der EU-25 (21 170 KKS) in der polnischen Region Lubelskie bis zu 66 760 KKS (315 %) in der britischen Hauptstadtregion Inner-London. Das in der Finanzmetropole London erwirtschaftete regionale Bruttoinlandsprodukt – bezogen auf die Wohnbevölkerung – dürfte allerdings durch eine sehr große Anzahl an Berufseinpendlern gegenüber den umliegenden Gebieten, aber auch gegenüber den übrigen EU-Regionen beträchtlich überhöht sein.

Auf Ebene der Mitgliedstaaten weist Lettland mit 39 % der EU-25 das niedrigste BIP je Einwohner auf, Deutschland liegt mit 23 012 KKS (109 %) etwas über dem EU-Durchschnitt und das Großherzogtum Luxemburg belegt mit 213 % den Spitzenplatz (Schaubild 5). Unter den 20 Regionen mit dem höchsten BIP je Einwohner liegt Hamburg als größtes Dienstleistungszentrum Norddeutschlands mit 39 766 KKS (188 %) auf Rang 4 sowie Bremen (150 %) auf Rang 16. Wie London weisen jedoch auch Luxemburg, Hamburg und Bremen als wirtschaftliche Zentren einen hohen Einpendlerüberhang auf.

Neue Länder: Ziel-1-Regionen der EU-Strukturförderung

Jede vierte Region der Europäischen Union lag im Jahr 2002 unter der Marke von 75 % des EU-25-Durchschnitts. Von diesen insgesamt 64 wirtschaftsschwächeren NUTS-2-Regionen befanden sich sechs in Deutschland, alle in den neuen Bundesländern. Das niedrigste Bruttoinlandsprodukt pro Kopf wies hierunter der Regierungsbezirk Dessau in Sachsen-Anhalt mit knapp 14 100 KKS (66,5 %) auf.

Insgesamt lagen alle fünf neuen Bundesländer mit ihrem jeweiligen Landeswert des Pro-Kopf-Einkommens 2002 unter der 75%-Marke des EU-25-Durchschnitts. Auch nach der Erweiterung der Europäischen Union von 15 auf 25 Mitgliedstaaten, wodurch sich die Entwicklungsabstände in der EU annähernd verdoppelt haben, wären für die fünf neuen Länder damit weiterhin die Förderkriterien der Ziel-1-Strukturprogramme der EU erfüllt.

Staatsdefizit erneut über der »3%-Schwelle«?

Wird es Deutschland 2005 gelingen, sein Haushaltsdefizit unter die »3%-Marke« zu drücken? Oder droht ein »blauer Brief« aus Brüssel mit unter Umständen milliardenschweren Sanktionen?

Mit den »Maastricht-Kriterien« des EU-Währungsvertrages haben sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine strenge Haushaltsdisziplin auferlegt. Dem Bruttoinlandsprodukt kommt eine zentrale Rolle bei den »Maastricht-Kriterien« des Stabilitäts- und Wachstumspakts der EU zu. Demnach darf das jährliche Staatsdefizit in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union 3 % des BIP nicht übersteigen und die öffentliche Gesamtverschuldung höchstens bei 60 % des Bruttoinlandsprodukts liegen. Ein überhöhtes Defizit berechtigt die EU-Kommission dazu, gegen ein Land ein Defizitverfahren zu eröffnen.

Die Haushaltslage Deutschlands blieb im vergangenen Jahr angespannt. Die Staatsausgaben wurden zwar eingeschränkt, doch die Einnahmen waren ebenfalls rückläufig. Nach vorläufigen Berechnungen wurde 2004 ein Finanzierungsdefizit des Staates in Höhe von rund 80 Mrd. Euro verzeichnet, nach einem Defizit von 81 Mrd. Euro im Vorjahr. Gemessen am BIP in jeweiligen Preisen waren das im Berichtsjahr 3,6 %. Die Defizitquote für Deutschland lag damit 2004 erneut über der im EU-Währungsvertrag gezogenen Grenze.

Nach dem Frühjahrsgutachten zur Wirtschaftslage Deutschlands der führenden wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute zeichnet sich für dieses Jahr nur ein leichter Rückgang der Defizitquote auf 3,4 % ab. 2005 hätte Deutschland dann zum vierten Mal in Folge die »3%-Latte« gerissen.

Auf Länder und Gemeinden entfällt gut ein Drittel des Staatsdefizits

Die Länder und ihre Kommunen tragen allerdings zu einem nicht unerheblichen Teil zur Verschuldung des Gesamtstaates bei. Zwar entfiel auf den Bund mit rund 51 Mrd. Euro der Löwenanteil am Staatsdefizit 2004, mit etwa 28,5 Mrd. Euro waren die Länder und Gemeinden aber auch zu gut einem Drittel am Haushaltsdefizit Deutschlands beteiligt. Die Sozialversicherung hatte mit - 0,6 Mrd. Euro insgesamt einen nahezu ausgeglichenen Finanzierungssaldo, nach Defiziten von jeweils rund 7 Mrd. Euro 2002 und 2003. Nach Angaben von Eurostat wies Deutschland Ende 2004 eine Staatsverschuldung in Höhe von rund 66 % des BIP auf und überschritt damit ebenfalls die »Maastricht-Grenze« (60 %).