:: 9/2005

Mobilität und Flexibilität der Erwerbstätigen

Mobilität, und zwar sowohl im Sinne von beruflicher Mobilität, das heißt durch den Wechsel des Arbeitgebers, als auch in Bezug auf die räumliche Mobilität und zeitliche Flexibilität, prägt die heutige Arbeitswelt. So wechselte von den gut 4,9 Millionen Erwerbstätigen im Jahr 2004 nahezu jeder zehnte Erwerbstätige den Betrieb. Gut die Hälfte der Erwerbstätigen pendelte 2004 täglich in eine andere Gemeinde zur Arbeit. Rund 3 % hatten einen Arbeitsplatz außerhalb Baden-Württembergs. Neben der beruflichen und räumlichen Mobilität scheint zunehmend auch eine Bereitschaft zur zeitlichen Mobilität im Sinne von Flexibilität der Arbeitszeit erforderlich zu sein. In den letzten Jahren zeigt sich bei den baden-württembergischen Erwerbstätigen ein deutlicher Trend zu mehr Wochenend-, Schicht- und/oder Nachtarbeit.

Berufliche Mobilität vor allem bei jungen Berufstätigen

Nach den Ergebnissen des Mikrozensus (siehe i-Punkt) wechselten in Baden-Württemberg im Jahr 2004 ungefähr 401 000 der insgesamt gut 4,9 Mill. Erwerbstätigen innerhalb eines Jahres den Arbeitgeber. Dies entsprach einem Anteil von gut 8 %, wobei bei männlichen und weiblichen Berufstätigen die Wechselhäufigkeit nahezu gleich groß war. Im Jahr 1996 lag der Anteil der Erwerbstätigen, die innerhalb des letzten Jahres ihren Betrieb gewechselt hatten, noch bei gut 9 %. Die leicht rückläufige Tendenz könnte angesichts der schwierigen Arbeitsmarktsituation in der geringeren Risikobereitschaft für einen Arbeitgeberwechsel liegen.

Unter den baden-württembergischen knapp 4,2 Mill. abhängig Erwerbstätigen1, die im Jahr 2004 eine neue Stelle angenommen hatten, waren die jüngeren Altersgruppen deutlich überrepräsentiert: So wechselte von den unter 30-jährigen Berufstätigen fast jeder Fünfte (knapp 19 %) seinen Betrieb. Zu dieser hohen Mobilität beigetragen haben dürften die mit der Berufseinstiegsphase verbundene Unsicherheit, die bei jüngeren Arbeitskräften überdurchschnittlich häufig anzutreffenden befristeten Verträge, die höhere familiäre Ungebundenheit, das Streben nach beruflichem Fortkommen und die vergleichsweise höhere Bereitschaft zu einer beruflichen Neuorientierung. Mit steigendem Alter der Erwerbstätigen sinkt der Anteil der »Jobwechsler« erwartungsgemäß deutlich. Während er bei den 30- bis unter 35-Jährigen mit gut 10 % noch überdurchschnittlich ausfiel, zeigt sich bei allen übrigen Altersgruppen nur noch ein unterdurchschnittlicher Anteil der »Jobwechsler« (Schaubild).

Auch in den einzelnen Wirtschaftsbereichen2 fiel die berufliche Mobilität unterschiedlich aus. So lag beispielsweise im Jahr 2004 der Anteil der Betriebswechsler bei

  • gut 11 % im Wirtschaftsunterbereich Handel- und Gastgewerbe,
  • rund 11 % im Wirtschaftsunterbereich Grundstückswesen, Vermietung, wirtschaftliche Dienstleistungen,
  • 9 % im Wirtschaftsunterbereich öffentliche und private Dienstleistungen,
  • gut 9 % im Wirtschaftsunterbereich Verkehr und Nachrichtenübermittlung,
  • knapp 9 % im Wirtschaftsunterbereich Baugewerbe.

Anforderungen an zeitliche Flexibilität gestiegen

Die Anforderungen an die zeitliche Flexibilität der Erwerbstätigen sind in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. So zeigt sich in den letzten Jahren ein Trend zu mehr Wochenend-, Schicht- und/oder Nachtarbeit (Tabelle). Annähernd 55 % aller Erwerbstätigen gaben 2004 an, ständig, regelmäßig oder gelegentlich Wochenend-, Schicht- und/oder Nachtarbeit

zu leisten, wobei auch Mehrfachnennungen möglich waren. Gegenüber 1996 war das ein Anstieg um 6 Prozentpunkte. Im Einzelnen nannten von 100 Erwerbstätigen

Bei den Personen, die angaben, ständig, regelmäßig oder gelegentlich an Wochenenden zu arbeiten, dürfte es sich überwiegend um Personen handeln, die im Handel, in der Gastronomie, in Verkehrsbetrieben, im Gesundheitswesen, aber auch als Lehrer oder freiberuflich tätig sind. Der deutliche Anstieg der Abendarbeit, das heißt der Arbeit zwischen 18 und 23 Uhr, dürfte vor allem auf die Änderung des Ladenschlussgesetzes vom Juni 1996 zurückzuführen sein, wonach die Läden von Montag bis Freitag zwischen 6.00 und 20.00 Uhr geöffnet bleiben können. Da seit Juni 2003 die Neuregelung der Ladenöffnungszeiten umgesetzt wurde, wonach im Einzelhandel an Samstagen bis 20 Uhr geöffnet bleiben kann, ist davon auszugehen, dass zukünftig der Anteil der Erwerbstätigen, die an Samstagen bzw. abends arbeiten, weiter ansteigen wird.

Räumliche Mobilität nimmt immer mehr zu

Von den Erwerbstätigen, die im Rahmen des Mikrozensus 2004 Auskunft zum Pendlerverhalten gegeben haben, gaben lediglich gut 3 % an, nicht zu pendeln; das heißt, nur bei diesen Personen lagen Wohnort und Arbeitsort auf demselben Grundstück. Von den erwerbstätigen Pendlern3wiederum pendelten im Jahr 2004 gut 50 % zwischen Wohngemeinde und der Gemeinde der Arbeitsstätte. 1980 waren dies erst 43 %. Dagegen ist der Anteil der Erwerbstätigen, die innerhalb einer Gemeinde pendelten, von gut 55 % im Jahr 1980 auf knapp 47 % im Jahr 2004 zurückgegangen. Der Anteil der über die Landesgrenze pendelnden Baden-Württemberger hat sich gegenüber 1980 verdoppelt und lag 2004 bei rund 3 %.

Ausschlaggebend für die gestiegene räumliche Mobilitätsbereitschaft der Erwerbstätigen dürfte zum einen die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur – sowohl im Individualverkehr als auch bei den öffentlichen Verkehrsmitteln – sein. Auch entferntere Ziele können heute in immer kürzerer Zeit erreicht werden. Zudem lassen die vergleichsweise hohen Wohnkosten in den Ballungsgebieten viele Erwerbstätige ihren Wohnsitz ins nähere und weitere Umland verlegen. Ursächlich könnte auch die aktuell schwierige Arbeitsmarktsituation sein, die eine zunehmende Mobilitätsbereitschaft erfordert.

Bedeutung des ÖPNV stark gesunken

Das Auto ist das wichtigste Verkehrsmittel der Pendler im Land: Knapp 68 % nutzten im März 2004 hauptsächlich das Auto für den Weg zur Arbeit, vor knapp 25 Jahren waren es 56 % (damals einschließlich Motorrad). Auf der anderen Seite reduzierte sich seit 1980 der Anteil der Pendler mit öffentlichen Nahverkehrsmitteln wie Bus, U-Bahn, S-Bahn und Straßenbahn von 16 % auf nur noch knapp 10 %. Recht stabil blieb dagegen die Nutzung der Eisenbahn mit rund 2 % (1980: knapp 3 %). Zu Fuß gelangten 2004 gut 12 % der Erwerbstätigen zur Arbeit, 1980 waren es immerhin noch knapp 18 %. Leicht an Bedeutung für den Berufsverkehr gewonnen hat hingegen das Fahrrad. Fast 7 % stiegen 2004 auf dem Weg zur Arbeit in die Pedale, 1980 waren es rund 5 %.

Über die Hälfte (rund 55 %) der Pendler in Baden-Württemberg hatten 2004 einen Arbeitsweg (einfache Wegstrecke) von unter 10 Kilometern, knapp 31 % legten zwischen 10 und unter 25 Kilometer Weg zurück, rund 10 % zwischen 25 und unter 50 Kilometer und nur knapp 4 % pendelten zu einer Arbeitsstätte, die mehr als 50 Kilometer von der Wohnung entfernt lag.

Männer nutzen weit häufiger den Pkw als Frauen

Männer und Frauen zeigen sowohl hinsichtlich der Wahl des Verkehrsmittels als auch bezüglich der zurückzulegenden Wegstrecke durchaus ein unterschiedliches Pendlerverhalten. Männer (72 %) nutzten für den Weg zur Arbeit weitaus häufiger das Auto als Frauen (62 %), gleichzeitig legten sie öfter (knapp 18 %) Arbeitswege von über 25 Kilometern zurück als Frauen (rund 9 %). Frauen benutzten hingegen zu einem deutlich höheren Anteil (gut 12 %) öffentliche Nahverkehrsmittel als Männer (rund 7 %). Auch gehen mehr Frauen (knapp 16 %) zu Fuß zur Arbeit als Männer (gut 9 %).

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die gerade von Wirtschaftsvertretern geforderte Mobilität und Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt in den letzten Jahren zugenommen zu haben scheint.

1 Ohne Selbstständige und ohne mithelfende Familienangehörige. Hier auch ohne kaufmännisch/technisch und gewerblich Auszubildende.

2 Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2003 (WZ 2003), Tiefengliederung für den Mikrozensus.

3 Soweit Auskunft zum Pendlerverhalten gegeben wurde. Es handelt sich bei den Fragen zum Pendlerverhalten um freiwillige Fragen, die nur alle 4 Jahre im Rahmen des Mikrozensus erhoben werden. Hier: Nur Personen, die von der hiesigen Wohnung zur Arbeitsstätte pendeln.