:: 10/2005

Erwerbstätigkeit in Baden-Württemberg im europäischen Vergleich

Angesichts der zunehmenden Globalisierung muss sich Baden-Württemberg hinsichtlich des Beschäftigungsniveaus, der Frauenerwerbstätigkeit und anderer Strukturen der Erwerbstätigkeit nicht nur mit den nationalen Vergleichsgrößen – den Bundesländern –, sondern auch im europäischen Vergleich messen lassen. Für diesen Vergleich stehen auf Basis der EU-Arbeitskräfteerhebung, die in Deutschland in Verbindung mit dem Mikrozensus durchgeführt wird, entsprechende Ergebnisse zu den Erwerbstätigen zur Verfügung. Im Folgenden soll Baden-Württemberg im Vergleich der Europäischen Union, einschließlich der am 1. Mai 2004 beigetretenen zehn neuen EU-Mitgliedstaaten, dargestellt werden. Baden-Württemberg zeichnet sich im internationalen Vergleich vor allem durch eine überdurchschnittlich hohe Erwerbsbeteiligung, auch der Älteren, und eine hohe Teilzeitquote aus. Hinsichtlich der Erwerbslosenquote findet sich Baden-Württemberg im europäischen Mittelfeld, wobei die Jugendarbeitslosigkeit deutlich unter dem EU-Durchschnitt liegt.

Erwerbstätigenquote der Frauen in Baden-Württemberg deutlich über EU-Durchschnitt

In der EU waren im Jahr 2004 (einschließlich der am 1. Mai 2004 beigetretenen zehn neuen Mitgliedstaaten) rund 193,6 Mill. Personen im Alter von 15 Jahren und mehr erwerbstätig. Die Erwerbstätigenquote der 15- bis unter 65-Jährigen lag im EU-Durchschnitt bei 63 %. Die höchsten Erwerbsbeteiligungen wurden in den nordwestlichen EU-Ländern Dänemark, Niederlande, Schweden und dem Vereinigten Königreich festgestellt, die geringsten in den zentraleuropäischen ehemals sozialistischen Ländern Polen, Ungarn, Slowakische Republik und dem Inselstaat Malta. Im Vergleich mit dem EU-25-Wert lag in Baden-Württemberg die Erwerbsbeteiligung mit 69 % überdurchschnittlich hoch (Schaubild 1).

Deutliche Unterschiede zeigten sich 2004 in der EU auch hinsichtlich der Erwerbstätigenquote der Frauen. So streute der Anteil der 15- bis unter 65-jährigen erwerbstätigen Frauen an der entsprechenden Bevölkerungsgruppe von 72 bzw. 71 % in Dänemark und Schweden bis zu 32 % auf Malta. Baden-Württemberg lag mit einer Frauenerwerbstätigenquote von 63 % weit über dem EU-Durchschnitt von 55 % und auch deutlich über dem von Deutschland (59 %) (Tabelle 1). Die vergleichsweise hohe Erwerbsbeteiligung der Frauen in Baden-Württemberg dürfte dabei zumindest teilweise auf das große Angebot an Teilzeitarbeitsplätzen in Baden-Württemberg zurückzuführen sein. Weitere Faktoren, die die Erwerbsbeteiligung von Frauen beeinflussen, sind unter anderem auch die gesellschaftliche Akzeptanz berufstätiger Frauen und Mütter, die Möglichkeiten der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Arbeitsmarktsituation.

Teilzeitquote in Baden-Württemberg überdurchschnittlich hoch

Einen nicht unwesentlichen Einfluss auf das Erwerbsleben nimmt – gerade für Frauen – das Angebot an Teilzeitarbeitsplätzen ein. Der Durchschnitt der EU-25 lag 2004 bei knapp 18 %, in den EU-15-Staaten fiel der Anteil mit knapp 20 % etwas höher aus (Schaubild 2).

Während in Deutschland 22 % und in Baden-Württemberg 26 % der Erwerbstätigen als Teilzeitkräfte arbeiteten, sind es in den Niederlanden 46 %. Die geringsten Anteile – zwischen 3 und 5 % – an Teilzeitbeschäftigten hatten die östlichen und südöstlichen Staaten der EU, von der Tschechischen Republik bis nach Griechenland. Wie in Baden-Württemberg, so zeigt sich auch in der gesamten EU, dass die Teilzeitbeschäftigung eine Domäne der Frauen ist. Der Anteil der erwerbstätigen Frauen, die vergangenes Jahr teilzeitbeschäftigt waren, variiert innerhalb Europas zwischen rund 4 % in der Slowakischen Republik und 75 % in den Niederlanden. Der Durchschnittswert der EU lag bei knapp 32 %. Deutschland übertraf den EU-Durchschnitt um 10 Prozentpunkte und Baden-Württemberg sogar um 16 Prozentpunkte. Teilzeitarbeit bietet vor allem für Mütter die Möglichkeit, wieder bzw. überhaupt am Erwerbsleben teilzunehmen. Durch die derzeitigen Betreuungsangebote in Deutschland bzw. Baden-Württemberg ist dabei in der Regel – wenn überhaupt – »nur« eine Teilzeittätigkeit möglich. Insbesondere in den Ländern Dänemark und Schweden findet sich dagegen vor allem für Kleinkinder ein deutlich besser ausgebautes Betreuungsangebot. Und auch in Frankreich sehen sich Eltern, aufgrund des flächendeckenden Angebots an Ganztagsschulen, kaum mit dieser Problematik konfrontiert. Auffallend ist jedoch, dass in Frankreich, trotz des vorbildlichen Kinderbetreuungsangebots, die Frauenerwerbsbeteiligung noch unter der deutschen liegt. Dies macht deutlich, dass die Erwerbsbeteiligung von Frauen von zahlreichen Faktoren abhängig ist.1 Vergleichsweise viele ältere Baden-Württemberger noch berufstätig

In der Europäischen Union gingen im Jahr 2004 fast 41 % der 55- bis unter 65-jährigen Bevölkerung einem Erwerb nach. In den nördlichen Ländern scheinen die Menschen länger zu

arbeiten bzw. arbeiten zu können als in den meisten west- und südosteuropäischen Ländern. Von den 55- bis unter 65-Jährigen waren erwerbstätig in:

Schweden 69 %,
Dänemark 62 %,
Vereinigtes Königreich 56 %,
Estland 52 %,
Zypern 51 %,
Deutschland 41 %,
Slowakei 26 %,
Polen 26 %.

Baden-Württemberg lag im Jahr 2004 mit einer Erwerbstätigenquote von 49 % in dieser Altersklasse um immerhin 8 Prozentpunkte über dem EU-Durchschnitt. Aufgrund des demografischen Alterns der Gesellschaft ist davon auszugehen, dass die Unternehmen zukünftig verstärkt auf ältere Arbeitnehmer zurückgreifen müssen, um ihren Personalbedarf zu decken. Die Bedeutung älterer Arbeitskräfte dürfte somit für den Arbeitsmarkt von morgen deutlich steigen. Länder wie Schweden und Dänemark mit einer hohen Erwerbsbeteiligung Älterer demonstrieren dabei, dass dies nicht zwangsläufig mit einer überdurchschnittlich hohen Arbeitslosenquote verbunden sein muss.

Die Erwerbsbeteiligung der unter 30-Jährigen dürfte – neben der Arbeitsmarktsituation und anderen sozioökonomischen Rahmenbedingungen – auch stark durch die Dauer der Ausbildung beeinflusst sein. Im europäischen Durchschnitt gingen 2004 mehr als die Hälfte (53 %) der 20- bis unter 25-jährigen Bevölkerung einer Erwerbstätigkeit nach. Bei den 25- bis unter 30-Jährigen waren es knapp 73 %. Die höchste Erwerbstätigenquote sowohl bei den 20- bis unter 25-Jährigen als auch bei den 25- bis unter 30-Jährigen hatten die Niederlande aufzuweisen: Hier waren 2004 knapp 78 % bzw. rund 86 % berufstätig. Polen hingegen wies in der Altersklasse der 20- bis unter 25-Jährigen mit 35 % die niedrigste Erwerbstätigenquote der EU auf. Bei den 25- bis unter 30-Jährigen war dies in Italien mit rund 65 % der Fall. In Baden-Württemberg waren hingegen 62 % der 20- bis unter 25-Jährigen erwerbstätig, bei den 25- bis unter 30-Jährigen sogar rund 75 %. Demnach lag in Baden-Württemberg die Erwerbstätigenquote in diesen beiden Altersgruppen sowohl über den EU-Quoten (53 % bzw. 73 %) als auch über dem Bundesdurchschnitt von 58 % bzw. 70 %.

Erwerbslosenquote Baden-Württembergs im europäischen Mittelfeld

Erwerbslosigkeit ist in der EU weiterhin ein hoch aktuelles Problem. Entscheidender Indikator hierfür ist die Erwerbslosenquote, das heißt der Anteil der Erwerbslosen an den Erwerbspersonen (siehe i-Punkt 2). Der EU-Durchschnitt lag 2004 bei rund 9 %. Besonders niedrige Erwerbslosenquoten hatten 2004

Zypern 4 %,
Irland5 %,
die Niederlande5 %,
das Vereinige Königreich5 %,
Luxemburg 5 %.

Die höchste Erwerbslosenquote innerhalb Europas hatten Polen und die Slowakische Republik mit jeweils 19 %.

In Deutschland lag die Quote bei etwa 11 %. Baden-Württemberg stand im europäischen Vergleich mit einer Erwerbslosenquote von knapp 8 % vergleichsweise günstig da (Schaubild 3). Die unterdurchschnittliche Erwerbslosenquote Baden-Württembergs dürfte auf die vergleichsweise hohe Wirtschaftskraft Baden-Württembergs zurückzuführen sein. So weisen alle vier Regierungsbezirke Baden-Württembergs eine über dem EU-Durchschnitt liegende Wirtschaftskraft auf.2

Jugendarbeitslosigkeit in Baden-Württemberg weit unter EU-Durchschnitt

Im Durchschnitt war im Jahr 2004 rund jeder Fünfte der 15- bis 25-jährigen Erwerbspersonen in der Europäischen Union erwerbslos (Tabelle 2). Insbesondere in Polen bestand mit 40 % und in der Slowakischen Republik mit knapp 33 % eine auffallend hohe Jugendarbeitslosigkeit (Anteil der Erwerbslosen im Alter von 15 bis unter 25 Jahren an den Erwerbspersonen im Alter von 15 bis unter 25 Jahren). Auch in Italien, Griechenland und Finnland zählte ein Viertel oder mehr der jüngeren Erwerbspersonen zu den Erwerbslosen. Besonders niedrig war die Jugendarbeitslosigkeit in Dänemark, den Niederlanden und Irland mit annähernd bzw. gut 8 %. Insbesondere die Metropolregion Dublin fällt dabei mit einer sehr bemerkenswerten Prosperität der Wirtschaft auf, was sich auch auf die Jugenderwerbslosigkeit Irlands auswirken dürfte.3 Baden-Württemberg befand sich mit gut 11 % im unteren Bereich und lag weit unter dem Durchschnittswert der Europäischen Union.

In Baden-Württemberg zählen 43 % der Erwerbslosen zu den Langzeiterwerbslosen

Eine weitere besondere Problemgruppe unter den Erwerbslosen sind die Langzeitarbeitslosen, das heißt die Personen, die seit 12 Monaten oder länger erwerbslos sind. In der EU zählten im Jahr rund 44 % der Erwerbslosen zu den Langzeiterwerbslosen. In der Slowakischen Republik waren es sogar 64 %, und auch in Malta, der Tschechischen Republik, Deutschland, Estland, Slowenien, Litauen, Polen und Griechenland lag ihr Anteil bei über 50 %. In Baden-Württemberg waren 43 % der Erwerbslosen längerfristig ohne Arbeit.

1 Statistische Analysen: »Die Bevölkerungsentwicklung in Baden-Württemberg – Eine Herausforderung für unsere Gesellschaft«, Heft 3/2005.

2 Dr. Frank Thalheimer: »Stuttgart und Karlsruhe im Spitzenfeld der wirtschaftsstärksten Regionen Europas«, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 4/2005.

3 Werner, Joachim/Fischer, Berthold: »Europäische Metropolregionen im Vergleich«, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 7/2005.