:: 10/2005

2004 erstmals mehr als 125 000 gerichtliche Verurteilungen in Baden-Württemberg

Die Zahl der gerichtlich Verurteilten in Baden-Württemberg hat im Jahr 2004 erstmals die Marke von 125 000 überschritten. Nachdem die Verurteiltenzahlen nach ihrem letzten Höchststand im Jahr 1998 von knapp 124 000 bis 2001 kontinuierlich gesunken waren, liegen diese seitdem wieder im Aufwärtstrend. Allerdings ist der Anteil der Gewalttaten leicht gesunken.

Im vergangenen Jahr wurden rund 125 300 Personen in Baden-Württemberg verurteilt, 4 800 bzw. 4 % mehr als 2003. Auch die Verurteiltenhäufigkeit, also die Zahl der Verurteilten bezogen auf die Bevölkerung im strafmündigen Alter, hat seit 2001 wieder leicht zugenommen. Im Jahr 2004 kamen 1 377 Schuldsprüche auf 100 000 Einwohner, 45 Verurteilte mehr als ein Jahr zuvor. Anders als die Verurteiltenzahl erreichte die Verurteiltenhäufigkeit 2004 jedoch kein neues Maximum, sondern lag um 40 Verurteilte unter ihrem letzten Höchstwert im Jahr 1998 (Schaubild).

Zahl der Schuldsprüche gegen Jugendliche stark gestiegen

Unter den 125 300 Verurteilten waren gut 101 900 Erwachsene im Alter von mindestens 21 Jahren, 14 100 Heranwachsende im Alter von 18 bis unter 21 Jahren und fast 9 300 Jugendliche im Alter von 14 bis unter 18 Jahren. Die Verurteiltenhäufigkeit ist bei den Heranwachsenden mit derzeit 3 917 Schuldsprüchen je 100 000 gleichaltrige Einwohner am höchsten, bei den Jugendlichen beträgt sie 1 874 und bei den Erwachsenen 1 236.

Im vergangenen Jahr hat die Zahl der Schuldsprüche gegen Jugendliche im Vergleich zu anderen Altersgruppen am stärksten zugenommen (6 %), gefolgt von der Altersgruppe der Erwachsenen (4 %) und Heranwachsenden (3 %). In der längerfristigen Betrachtung seit Beginn der 90er-Jahre liegen vor allem die Verurteiltenzahlen bei Jugendlichen, aber auch bei Heranwachsenden im Aufwärtstrend. Ein Blick auf die Verurteiltenhäufigkeiten zeigt, dass diese Entwicklungen nicht alleine demografisch bedingt sind. Im Jahr 2004 lag die Zahl der Schuldsprüche gegen Jugendliche je 100 000 gleichaltrige Einwohner um 680 höher als im Jahr 1991 (58 %), bei den Heranwachsenden betrug der entsprechende Zuwachs 1 170 (42 %), bei den Erwachsenen dagegen nur 40 (4 %). Insgesamt hatten sich im Jahr 2004 in Baden-Württemberg 147 000 Personen in Strafverfahren vor den Gerichten im Land zu verantworten. Wie in den Jahren zuvor endeten rund 85 % aller Strafverfahren für die Angeklagten mit einer rechtskräftigen Verurteilung (Tabelle 1). In den restlichen 21 400 Fällen wurden die Strafverfahren entweder durch Einstellung, Freispruch oder sonstige Entscheidungen wie der Anordnung von Maßnahmen der Besserung und Sicherung abgeschlossen. Nicht berücksichtigt in der Strafverfolgungsstatistik sind Fälle, in denen es nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens gar nicht erst zu einer Anklage gekommen ist, sowie eine nicht quantifizierbare Dunkelziffer nicht bekannt gewordener oder nicht aufgeklärter Straftaten.

Frauen sind in weitaus geringerem Umfang an der gerichtlich registrierten Kriminalität beteiligt als Männer. Im Jahr 2004 wurden 22 400 Frauen und 102 900 Männer verurteilt. Damit richtete sich nur rund jeder sechste Schuldspruch gegen eine Frau. Seit 1994 ist jedoch ein leichter Aufwärtstrend bei den weiblichen Verurteiltenzahlen festzustellen. Im Jahr 2004 waren 18 % der Verurteilten weiblichen Geschlechts, im Jahr 1994 lag der Anteil mit knapp 14 % niedriger. Im vergangenen Jahr nahm die Zahl der weiblichen Verurteilten um 6 % zu, die der männlichen Verurteilten um 4 %.

Anteil ausländischer Verurteilter seit 1993 von rund 37 auf 27 % gesunken

Auch hinsichtlich der Staatsangehörigkeit der Verurteilten sind unterschiedliche Entwicklungen erkennbar. Im Jahr 2004 waren unter den insgesamt 125 300 gerichtlich Verurteilten rund 33 200 Angeklagte mit ausländischer Staatsangehörigkeit, 2 % mehr als ein Jahr zuvor. Damit stieg die Zahl der ausländischen Verurteilten weniger als halb so stark wie die der deutschen Verurteilten (5 %). Bereits seit Mitte der 90er-Jahre entwickelt sich die Zahl der Verurteilten mit ausländischer Staatsangehörigkeit günstiger als die der deutschen Verurteilten, sodass der Anteil der ausländischen Verurteilten an den Verurteilten insgesamt seit dem Höchststand 1993 bis zum Jahr 2004 kontinuierlich um rund 10 Prozentpunkte von 36,6 auf 26,5 % gefallen ist. Bei einem im gesamten Zeitraum nahezu unveränderten Anteil der ausländischen Bevölkerung im strafmündigen Alter an der altersgleichen Gesamtbevölkerung von rund 12 % ist diese Entwicklung nicht auf demografische Trends zurückzuführen.

Mehr Verurteilte, aber weniger Freiheitsstrafen

Obwohl 2004 an den baden-württembergischen Gerichten 4 800 Personen mehr verurteilt wurden, hat die Zahl der verhängten Freiheits- und Jugendstrafen abgenommen. Von den insgesamt 125 300 Verurteilten wurden 21 200 Personen zu einem Freiheitsentzug mit oder ohne Bewährung verurteilt, 530 weniger als 2003. Nach Abzug der auf Bewährung ausgesetzten Freiheits- und Jugendstrafen verblieben knapp 6 400 Personen, die zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden; das waren 140 weniger als 2003. Dies deutet darauf hin, dass der Anteil schwerer Straftaten im Jahr 2004 zurückgegangen ist. So wurden beispielsweise trotz einer höheren Zahl an Schuldsprüchen bei Verurteilungen im Bereich der Diebstahls- und Unterschlagungsdelikte, der alkoholbedingten Verkehrsdelikte und im Bereich der Drogendelikte weniger Freiheitsstrafen verhängt. Die Zahl der Verurteilungen wegen Delikten der Gewaltkriminalität wie Mord, Totschlag, Vergewaltigung, schwere und gefährliche Körperverletzung und andere (vgl. i-Punkt), bei denen es sich um besonders schwere Straftaten handelt, hat im Jahr 2004 – anders als ein Jahr zuvor – nur noch leicht zugenommen. Insgesamt wurden 2004 rund 5 000 Personen wegen Gewaltstraftaten verurteilt, 34 mehr als 2003 (1 %), während der Zuwachs 2003 noch fast 500 betragen hatte (11 %). Hierdurch sank der Anteil der Verurteilungen wegen Gewaltkriminalität an allen Verurteilten (ohne Straftaten im Straßenverkehr) von 5,9 % im Jahr 2003 auf 5,6 % im Jahr 2004. Vergleichsweise kräftig zugenommen haben dagegen die Verurteilungen wegen Vermögensstraftaten, und hier insbesondere wegen Betrugsstraftaten (+ 3 100 bzw. 17 %). Bei anderen Delikten – allen voran bei Verstößen gegen das Asylverfahrens- und das Ausländergesetz, aber auch bei einzelnen Verkehrsstraftaten – entwickelte sich die Zahl der Verurteilungen sogar entgegen dem Gesamttrend und blieb unter den entsprechenden Vorjahreswerten (Tabelle 2).