:: 12/2005

Forschungs- und Entwicklungsressourcen der Hochschulen in Baden-Württemberg

Das Forschungssystem setzt sich aus öffentlichen Forschungseinrichtungen und aus forschenden Unternehmen zusammen. Quantitativ dominiert zwar der Unternehmenssektor, dessen Innovationen in der Gegenwart werden jedoch stark von öffentlichen Investitionen in Bildung, Wissenschaft und Forschung aus vorangegangenen Perioden beeinflusst. Die von der privaten Wirtschaft umgesetzten neuen oder verbesserten Produkte, Produktionsverfahren und Dienstleistungen basieren häufig auf grundlegenden Entdeckungen, die zuvor an den Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen gemacht wurden. Die an den Hochschulen in Baden-Württemberg zur Verfügung stehenden personellen und finanziellen Ressourcen für Forschung und Entwicklung (FuE) sind somit ein wichtiger Faktor für die Innovationsfähigkeit des Landes. In diesem Beitrag werden daher Höhe und Entwicklung der FuE-Ausgaben und des FuE-Personals an den Hochschulen in Baden-Württemberg analysiert.

Große Forschungsressourcen1 der Hochschulen im Land

In Baden-Württemberg existieren derzeit

9Universitäten,
6Pädagogische Hochschulen,
25Fach- und Verwaltungsfachhochschulen,
8Kunsthochschulen,
20nicht staatliche Hochschulen.2

An diesen Hochschulen waren im Jahr 2003 – in Vollzeitäquivalenten, also reinen Personenjahren gerechnet – rund 15 930 Personen ausschließlich mit Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten betraut (vgl. i-Punkt). Gleichzeitig gaben die Hochschulen im Land für FuE-Zwecke knapp 1,4 Mrd. Euro aus. Im Vergleich mit den anderen Bundesländern verfügte Baden-Württemberg damit im Hochschulsektor über die zweitgrößten FuE-Ressourcen. Nur in Nordrhein-Westfalen waren die FuE-Ausgaben und die Zahl des FuE-Personals der Hochschulen höher als hier zu Lande.

Berücksichtigt man die unterschiedliche Anzahl und Größe der Hochschulen und bezieht deren FuE-Ausgaben auf die Zahl der Professorenstellen, erhält man eine Kennziffer für die FuE-Intensität des Hochschulsektors. Danach hat Forschung und Entwicklung an den Hochschulen in Bremen den höchsten Stellenwert: Dort wurden im Jahr 2003 je Professorenstelle rund 528 000 Euro für die Durchführung von Forschungs- und Entwicklungsaufgaben ausgegeben (Schaubild 1). Auf dem zweiten Platz liegt Baden-Württemberg mit FuE-Ausgaben in Höhe von 445 000 Euro je Professorenstelle vor Niedersachsen mit 438 000 Euro. Im Durchschnitt der Bundesländer beliefen sich die FuE-Aufwendungen der Hochschulen 2003 auf 390 000 Euro je Professorenstelle. Am Ende des Rankings liegen Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen. Bei dieser Kennziffer ist jedoch zu berücksichtigen, dass in einem kleinen Bundesland eine starke Spezialisierung einer einzigen großen Hochschule auf besonders forschungsintensive Fächergruppen genügen kann, um eine hohe FuE-Intensität des gesamten Hochschulsektors zu erreichen. Bremen und das Saarland verfügen beispielsweise nur über jeweils sechs Hochschulen.3 In hochschulreichen Ländern wie Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Bayern basiert die Kennziffer dagegen auf einer deutlich breiteren Datenbasis.

Überdurchschnittlicher Kapazitätsausbau seit Mitte der 90er-Jahre

Seit Mitte der 90er-Jahre hat die Zahl des FuE-Personals an Hochschulen, die die reale Entwicklung besser widerspiegelt als die Höhe der FuE-Ausgaben, in Baden-Württemberg überdurchschnittlich stark zugenommen. Nachdem 1995 an den Hochschulen im Land rund 14 740 Personen ausschließlich mit FuE-Aufgaben betraut waren, nahm diese Zahl – bei starken jährlichen Schwankungen – bis 2003 per saldo um ca. 1 200 Personen oder 8,1 % zu. Im Vergleich dazu fiel die Wachstumsrate in Westdeutschland (ohne Berlin) mit 2,6 % deutlich geringer aus. Stärker als hier zu Lande wurden im früheren Bundesgebiet die personellen FuE-Ressourcen der Hochschulen nur in Bremen (+ 70 %) und in Nordrhein-Westfalen (+ 8,3 %) erhöht. In Bremen war nicht zuletzt der starke Ausbau des FuE-Personalbestands in der Fächergruppe »Mathematik, Naturwissenschaften« für den enormen Zuwachs des FuE-Personals an den dortigen Hochschulen verantwortlich. In Ostdeutschland (ohne Berlin) ging die Zahl des FuE-Personals an Hochschulen dagegen um durchschnittlich 1,6 % zurück.

Drittmittel spielen für Forschungsfinanzierung eine immer größere Rolle

Die Hochschulen finanzieren ihre FuE-Ressourcen sowohl aus den regulären Haushaltszuweisungen des Landes (so genannte Grundausstattung bzw. Grundmittel) als auch über Gelder, die sie oder ihr Personal von öffentlichen und privaten Förderern für FuE-Projekte erhalten (so genannte Drittmittel). Im Jahr 2003 wurden an den Hochschulen in Baden-Württemberg rund 7 700 FuE-Personen aus Drittmitteln und rund 6 700 FuE-Personen aus Mitteln der Grundausstattung finanziert (Schaubild 2).4 Die Bedeutung der Drittmitteleinnahmen zur Finanzierung des FuE-Personals hat damit hier zu Lande seit Mitte der 90er-Jahre erheblich zugenommen: Wurden 1995 erst rund 42 % des FuE-Personals an Hochschulen über Drittmittel finanziert, stieg dieser Anteil bis 2003 auf über 53 %.5

Analog dazu spielen Drittmittel auch für die Finanzierung der FuE-Ausgaben eine immer größere Rolle: Während die aus Grundmitteln finanzierten FuE-Ausgaben seit 1995 nur um durchschnittlich 0,7 % pro Jahr gestiegen sind, erhöhten sich die aus Drittmitteln finanzierten FuE-Ausgaben im Durchschnitt um 5,8 % pro Jahr. Damit wurden von dem gesamten Zuwachs der FuE-Ausgaben der Hochschulen zwischen 1995 und 2003 in Höhe von rund 263 Mill. Euro allein etwa 207 Mill. Euro aus zusätzlichen Drittmitteln finanziert. Im Jahr 2003 finanzierten die Hochschulen aus der Grundausstattung FuE-Ausgaben in Höhe von fast 700 Mill. Euro und aus Drittmitteln in Höhe von 570 Mill. Euro.6 Anders als in Baden-Württemberg haben bundesweit Drittmittelgelder für die FuE-Finanzierung an Hochschulen an Bedeutung verloren. Der Anteil des über Drittmittel finanzierten FuE-Personals nahm in Deutschland insgesamt zwischen 1995 und 2003 von knapp 48 % auf gut 44 %7 ab. Damit war deren Anteil 2003 bundesweit wesentlich geringer als an den Hochschulen in Baden-Württemberg.

Dem Wissenschaftsrat zufolge erfordert die optimale Förderung der Hochschulforschung die richtige Balance zwischen Drittmittel- und Grundmittelfinanzierung. Dabei betrachtet der Wissenschaftsrat Drittmittel und Grundmittel bzw. Projektförderung und institutionelle Förderung nicht als alternative, sondern als komplementäre Instrumente der Forschungsfinanzierung. Drittmittel bieten den Vorteil einer hohen Flexibilität und tragen zur Qualitätssicherung im Wissenschaftssystem bei, wenn ihrer Vergabe eine Begutachtung vorausgeht. Ein hohes Drittmittelaufkommen ist insofern auch Ausdruck einer hohen Qualität in der Hochschulforschung. Verbundprojekte helfen zudem, disziplinäre und organisatorische Grenzen im Wissenschaftssystem zu überwinden. Drittmittel sind infolgedessen heute in vielen (vor allem experimentellen) Fächern notwendige Voraussetzung für konkurrenzfähige Forschung an den Universitäten.

Andererseits haben Grundmittel für die Forschung zwei wichtige Funktionen, die nicht durch Drittmittel übernommen werden können: Zum einen wären Hochschulen ohne grundfinanziertes Personal, Infrastruktur und Sachmittel für die Forschung gar nicht in der Lage, Initiativen für neue Forschungsvorhaben zu entwickeln und zur Antragsreife zu bringen (so genannte »Drittmittelfähigkeit«). Auch die Mitfinanzierungsanforderungen, die viele Förderer stellen, müssen aus den Mitteln der Grundausstattung erfüllt werden. Zum anderen müssen aber auch ausreichend Grundmittel dafür verfügbar sein, explorative Forschungsprojekte schnell und unbürokratisch durchführen zu können. Auch die Absicherung sehr langfristiger Forschungsvorhaben verlangt ein Mindestmaß an institutionellen Mitteln. Je stärker Grundmittel für die Antragsvorbereitung und Mitfinanzierung von Drittmittelprojekten benötigt werden, desto geringere Spielräume verbleiben für diese anderen für die Leistungsfähigkeit des Wissenschaftssystems ebenso essenziellen Aufgaben.8

Die Bundesländer als Träger der meisten Hochschulen sind daher in erster Linie gefordert, den Zuwachs bei den Drittmitteln mit einer adäquaten und der zunehmenden Bedeutung wissenschaftlicher Forschung entsprechenden Grundfinanzierung der Hochschulen zu begleiten.

Universitäten sind wichtigste Säule der Hochschulforschung

Die Universitäten spielen in der Hochschulforschung die mit Abstand wichtigste Rolle. Das FuE-Personal (in VZÄ9) verteilte sich 2003 auf die Hochschularten wie folgt:

Universitäten13 501
(Verwaltungs-)Fachhochschulen473
Pädagogische Hochschulen328
Kunsthochschulen99

Mit einem FuE-Personalbestand von rund 13 500 Personen und FuE-Ausgaben von etwa 1,25 Mrd. Euro entfielen 2003 in Baden-Württemberg jeweils knapp 94 % des gesamten FuE-Personals und der gesamten FuE-Ausgaben des Hochschulsektors auf die Universitäten. An zweiter Stelle folgen die Fach- und Verwaltungsfachhochschulen mit einem Anteil an den gesamten FuE-Ressourcen von rund 3 %. An den Fachhochschulen steht zwar die praxisbezogene Ausbildung im Vordergrund, sie leisten aber auch außerordentlich wichtige Beiträge auf dem Gebiet der produktorientierten Anwendungsforschung und ergänzen damit die meist mittel- und langfristige Forschungsorientierung der Universitäten. Indem Fachhochschulprofessoren Projekte und Beratungen für Unternehmen in Nebentätigkeit durchführen, tragen Fachhochschulen darüber hinaus ganz entscheidend zum Wissens- und Technologietransfer – vorwiegend in die nähere Region – bei. An den Pädagogischen Hochschulen waren 2003 etwa 2 %, an den Kunsthochschulen knapp 1 % des FuE-Personals bzw. der FuE-Ausgaben des Hochschulsektors konzentriert. Obwohl in den letzten Jahren hier zu Lande einige nicht staatliche Hochschulen neu entstanden sind, ist deren Bedeutung für die Hochschulforschung insgesamt nach wie vor sehr gering. Im Jahr 2003 entfielen auf diese Hochschulen lediglich etwa 0,4 % der gesamten FuE-Ressourcen des Hochschulsektors.

Zwischen 1995 und 2003 konnten lediglich die Universitäten ihren FuE-Personalbestand in nennenswertem Umfang erhöhen. An den Universitäten im Land nahm die Zahl der FuE-Personen in diesem Zeitraum um knapp 12 % bzw. rund 1 430 Personen zu. Den stärksten prozentualen Zuwachs hatten dabei die »Medizinischen Einrichtungen«10 mit + 29 % bzw. + 940 Personen und die Fächergruppe »Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften« mit + 11 % bzw. + 80 Personen. In der Fächergruppe »Mathematik, Naturwissenschaften« erhöhte sich die Zahl des FuE-Personals um fast 7 % bzw. etwa 250 Personen, in der Fächergruppe »Ingenieurwissenschaften« um gut 6  % bzw. 170 Personen. An den (Verwaltungs-)Fachhochschulen stieg die Zahl des FuE-Personals dagegen nur geringfügig und an den Pädagogischen Hochschulen sowie an den Kunsthochschulen war sie sogar leicht rückläufig.

Hohe FuE-Ausgaben in den Bereichen Naturwissenschaften und Medizin

Von den rund 1,4 Mrd. Euro, die 2003 für die Durchführung von Forschung und Entwicklung an den Hochschulen in Baden-Württemberg ausgegeben wurden, entfiel mehr als die Hälfte auf die Fächergruppe »Mathematik, Naturwissenschaften« und die »Medizinischen Einrichtungen«. Mit einem Anteil von etwa einem Fünftel folgen die Ingenieurwissenschaften an dritter Stelle. Deutlich geringer waren die FuE-Ausgaben der Hochschulen in den Fächergruppen »Sprach- und Kulturwissenschaften, Sport, Kunst, Kunstwissenschaft«, »Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften« sowie »Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften« (Tabelle).

Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass naturwissenschaftlich-technische Forschungsprojekte typischerweise einen besonders hohen finanziellen Input erfordern. Die Höhe der FuE-Ausgaben spiegelt damit nicht die Forschungsleistungen und den Forschungsoutput, die in den einzelnen Fächergruppen erbracht werden, wider. Die Fächergruppe Veterinärmedizin ist an keiner Hochschule in Baden-Württemberg vertreten; daher wurden hier auch keine FuE-Ressourcen registriert.

Zunehmende Konzentration auf wissenschaftliches und künstlerisches FuE-Personal

Das FuE-Personal an den Hochschulen stellt eine Gruppe von Beschäftigten dar, die über völlig unterschiedliche Qualifikationen verfügt. Zur Kategorie des »wissenschaftlichen und künstlerischen Personals« werden die hauptberuflichen Professoren, Dozenten, Assistenten, wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiter sowie die nebenberuflich tätigen Lehrbeauftragten, wissenschaftlichen Hilfskräfte, Tutoren und Medizinalassistenten gerechnet. Für die erfolgreiche Durchführung von FuE-Arbeiten bedarf es daneben des »Verwaltungs-, technischen und sonstigen Personals«, wie zum Beispiel Techniker, Verwaltungs-, Bibliotheks- und Pflegepersonal. Von den rund 15 930 FuE-Personen an den Hochschulen in Baden-Württemberg waren im Jahr 2003 rund 11 060 Personen Wissenschaftler oder Künstler.11 Das Verwaltungs-, technische und sonstige FuE-Personal belief sich dagegen nur auf etwa 4 870 Personen. Damit stellte das wissenschaftliche und künstlerische FuE-Personal knapp 70 % des gesamten FuE-Personals an den Hochschulen. Der Aufbau der personellen FuE-Ressourcen an den Hochschulen im Land zwischen 1995 und 2003 vollzog sich ausschließlich im Bereich des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals. Nachdem sich die Zahl des FuE-Personals in den beiden Personalkategorien bis 1997 noch weit gehend parallel entwickelt hatte, nahm in den darauf folgenden Jahren die Zahl des wissenschaftlichen und künstlerischen FuE-Personals zu, während das Verwaltungs-, technische und sonstige FuE-Personal weit gehend stagnierte (Schaubild 3). Gegenüber 1995 war die Zahl der Wissenschaftler und Künstler 2003 um rund 1 230 höher, während die Zahl des Verwaltungs-, technischen und sonstigen Personals um etwa 40 geringer ausfiel. In Deutschland insgesamt weisen die Hochschulen in diesem Untersuchungszeitraum ebenfalls eine zunehmende Konzentration auf das wissenschaftliche und künstlerische FuE-Personal auf.

1 In diesem Beitrag werden die Begriffe »Forschung« und »Forschung und Entwicklung« synonym verwendet.

2 Außerdem gibt es acht Berufsakademien, an denen in der Regel aber nicht geforscht wird. Ferner existieren im Land eine Film-, eine Popakademie und drei Hochschulen für Kirchenmusik, die jedoch nicht staatlich anerkannt sind. Quelle: Homepage des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg (http://www.mwk-bw.de/Ministerium/kerndaten.html), August 2005.

3 Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Fachserie 11 / Reihe 4.3.2 [2003], Wiesbaden, September 2005.

4 Außerdem waren ca. 1 520 Stipendiaten der (Post-)Graduiertenförderung mit FuE-Aufgaben betraut.

5 Jeweils Anteil am Insgesamt ohne Stipendiaten der (Post-)Graduiertenförderung.

6 Beide Finanzierungsarten zusammengerechnet ergeben FuE-Ausgaben in Höhe von 1,27 Mrd. Euro. Die Differenz zu den FuE-Ausgaben insgesamt in Höhe von 1,35 Mrd. Euro geht auf die Zusetzung für die Beamtenversorgung, für Beihilfen an verbeamtete Hochschulangehörige und von Fördermitteln der (Post-)Graduiertenförderung zum Gesamtergebnis zurück.

7 Siehe Fußnote 5.

8 Wissenschaftsrat (Hrsg.): Stellungnahme zur Denkschrift der Deutschen Forschungsgemeinschaft: Perspektiven der Forschung und ihrer Förderung XI (2002 – 2006), 2003, Essen, S. 3 ff.

9 Vollzeitäquivalente, ohne Stipendiaten der (Post-)Graduiertenförderung.

10 Zu den »Medizinischen Einrichtungen« zählen die Hochschulklinika und die Fächergruppe »Humanmedizin« an den Universitäten.

11 Einschließlich Stipendiaten der (Post-)Graduiertenförderung.