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Immer mehr Frauen wagen die berufliche Selbstständigkeit

In Baden-Württemberg riskieren Frauen vermehrt den Schritt in die unternehmerische Selbstständigkeit. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Zahl der Existenzgründerinnen stärker als die Zahl der Existenzgründer. Dabei fangen Frauen häufiger klein an als Männer. So gründet zum Beispiel jede vierte Gründerin im Nebenerwerb, aber nur jeder vierte Gründer. Auch beabsichtigen Frauen zum Zeitpunkt der Gründung seltener Personal einzustellen als Männer.

Während die Dienstleistungsbranche von Gründerinnen stärker bevorzugt wird, ist das Baugewerbe nach wie vor eine Männerdomäne. Wird ein bestehendes Unternehmen übernommen, so geschieht dies sowohl bei Frauen als auch bei Männern am häufigsten im Gastgewerbe oder im Handel. Ausländische Gründerinnen und Gründer kommen häufig aus der Türkei oder Italien. Jedoch ist der Anteil der Türkinnen deutlich niedriger als der Anteil der Türken.

Die Förderung von Existenzgründungen ist seit vielen Jahren ein wichtiger Baustein der staatlichen Mittelstandspolitik. Entsprechend hoch ist der Bedarf an Strukturdaten zum Gründungsgeschehen und immer häufiger wird auch nach der beruflichen Selbstständigkeit und Gründungsneigung von Frauen gefragt. Bereits 1996 versprach sich der Gesetzgeber durch die bundesweite Einführung der Gewerbeanzeigenstatistik umfassende Informationen zu Existenzgründungen und Unternehmensbewegungen. Für die neue Statistik wurden jedoch keine Fragebögen konzipiert, sondern stattdessen auf die bestehenden amtlichen Formulare für Gewerbeanzeigen zurückgegriffen. Dies hatte zur Folge, dass das Geschlecht nicht erfasst wurde. Erst durch die Novellierung der Gewerbeordnung zum 1. Januar 2003 ist es möglich geworden, Aussagen zu Existenzgründungen durch Frauen und Männer zu machen. Die vorliegende Sonderauswertung des Datenmaterials bietet erstmals umfassende Informationen zu den Gründungsaktivitäten, getrennt nach Frauen und Männern.

Im März 2004 waren etwas mehr als 136 000 Frauen und rund 371 000 Männer in Baden-Württemberg selbstständig tätig1 das heißt, nur gut ein Viertel der Selbstständigen waren Frauen. Der Frauenanteil könnte in Zukunft zunehmen, denn die Gründungsaktivität der Frauen steigt. Unter den rund 104 000 neuen Selbstständigen des Jahres 2004 in Baden-Württemberg waren nach den Ergebnissen der Gewerbeanzeigenstatistik 32 000 Frauen (31 %). Gegenüber dem Vorjahr stieg die Zahl der Existenzgründerinnen mit 23 % stärker an als die Zahl der Existenzgründer (17 %). Trotz dieses Anstiegs dürfte das Gründungspotenzial von Frauen noch nicht ausgeschöpft sein. Während im Jahr 2004 von 10 000 Männern im Land 140 einen Gewerbebetrieb neu gegründet haben, waren es bei den Frauen nur 60.

Sowohl Männer als auch Frauen gründen überwiegend für sich, das heißt sind alleinige Inhaber des Unternehmens. Nur 8 % der Frauen und 17 % der Männer gründen im Team. Weitere Arbeitsplätze entstehen mit der Gründung eher selten. Nur knapp 9 % der Frauen und 12 % der Männer haben bereits zum Gründungszeitpunkt die Absicht, Personal zu beschäftigen.

Frauen gründen vor allem in Dienstleistungsbereichen

Sowohl Männer als auch Frauen gründen am häufigsten im Handel und im Dienstleistungsbereich »Grundstücks- und Wohnungswesen, wirtschaftliche Dienstleistungen (wie Gebäudereinigung, Werbeagenturen, Buchhaltungs- und Übersetzungsdienste)«. Bei der Erbringung öffentlicher und persönlicher Dienstleistungen liegt die Zahl der Existenzgründerinnen mit gut 5 700 über der Anzahl der Männer (knapp 5 600). Zu den öffentlichen und persönlichen Dienstleistungen gehören unter anderem Frisör- und Kosmetiksalons, Wäschereien und Sonnenstudios. Eine Betrachtung der Dienstleistungs-(Wirtschafts-)bereiche G bis O zeigt, 94 % (30 000) der Frauen gründen einen Dienstleistungsbetrieb. Bei den Existenzgründern sind es dagegen nur 82 % (59 000).

Das Baugewerbe ist mit einem Männeranteil von 92 % nach wie vor eine Männerdomäne. 6 600 Existenzgründern stehen 560 Existenzgründerinnen gegenüber. Im Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen, zu dem unter anderem Tagesmütter, die medizinische Fußpflege oder Krankengymnastik- und Massagepraxen gehören, überwiegt wieder die Zahl der Frauen mit 570 gegenüber 270 Männern.

Die wirtschaftliche Bedeutung dieser Gründungen kann sehr unterschiedlich sein. Um die Aussagefähigkeit zu verbessern, werden verschiedene andere Angaben der Gewerbetreibenden einbezogen und miteinander verknüpft. So ist es möglich, die wirtschaftliche Bedeutung der Gründungen zumindest näherungsweise zu bestimmen. Unterschieden werden dabei »Betriebsgründungen mit wirtschaftlicher Substanz« und »Klein- und Nebenerwerbsgründungen« von vermutlich geringerer wirtschaftlicher Bedeutung (siehe i-Punkt).

Frauen gründen häufiger im Nebenerwerb

In Baden-Württemberg eröffnen nur 16 % der Gründerinnen und 30 % der Gründer einen Betrieb, für den eine größere wirtschaftliche Substanz vermutet werden kann. Dies entsprach im Jahr 2004 rund 26 400 Personen, darunter mehr als 5 100 Frauen (19 %). Etwa 8 000 Männer und mehr als 2 300 Frauen beabsichtigen Beschäftigte einzustellen. Dies sind 46 % der Frauen und 38 % der Männer, die eine wirtschaftlich bedeutsamere Gründung vornahmen. Jedoch liegt die Zahl in der Regel zwischen ein und vier Beschäftigten. Nur knapp 3 % der Gründerinnen und 5 % der Gründer gehen zum Zeitpunkt der Gründung bereits von einem Beschäftigungspotenzial von zehn und mehr Personen aus.

Frauen fangen häufiger erst einmal kleiner als Männer an: 33 % der Gründerinnen, aber nur 25 % der Gründer machten sich im Jahr 2004 im Nebenerwerb selbstständig. Nebenerwerbsgründer und -gründerinnen gehen neben der Selbstständigkeit entweder noch einer hauptberuflichen Tätigkeit nach, befinden sich weiterhin in der Arbeitslosigkeit oder üben eine nicht bezahlte Tätigkeit aus (zum Beispiel Familien- und Hausarbeit, Studium).2 Die Vereinbarkeit von Familien- und Erwerbsarbeit, der geringere Kapitalbedarf oder die Sicherung fester Einkünfte (wie Gehalts- oder Arbeitslosengeldzahlungen) sind mögliche Motive. Die Existenzgründung im Nebenerwerb bedeutet mehr Flexibilität sowie ein langsames Hineinwachsen in die Selbstständigkeit. Nur gut 4 % der Frauen und knapp 5 % der Männer beabsichtigen, bei der Nebenerwerbsgründung Beschäftigte einzustellen. Wenn die Absicht besteht, handelt es sich in der Regel um ein oder zwei Beschäftigte.

Über 2 500 Frauen haben ein Unternehmen geerbt, gekauft oder gepachtet

Neben einer Neugründung ermöglicht auch die Übernahme eines am Markt bereits etablierten Unternehmens den Schritt in die Selbstständigkeit. Beispiele hierfür sind das Erben eines Familienbetriebes oder das Pachten einer gut gehenden Gaststätte mit festem Kundenstamm. Nach einer Studie des Instituts für Mittelstandsforschung in Mannheim sollen »in Baden-Württemberg zwischen 2002 und 2007 11 bis 15 % der bestehenden Unternehmen an einen Nachfolger übergeben werden.«3 Nach den Ergebnissen der Gewerbeanzeigenstatistik 2004 haben in Baden-Württemberg 8 200 Personen ein Unternehmen geerbt, gekauft oder gepachtet, darunter 2 570 Frauen. Wie auch bei den Neugründungen liegt der Frauenanteil hier bei 31 %.

48 % der Frauen und 42 % der Männer übernehmen ein Hotel- oder Gaststättengewerbe, darunter zum Beispiel Restaurants, Eisdielen, Imbissstuben, Gasthöfe, Pensionen, Kantinen und Caterer. An zweiter Stelle rangiert sowohl bei den Frauen (30 %) als auch bei den Männern (32 %) der Handel, insbesondere der Einzelhandel. Im Bereich der öffentlichen und persönlichen Dienstleistungen übernehmen 9 % der Frauen und 5 % der Männer ein bestehendes Unternehmen. Dagegen treten nur 3 % der Frauen, aber fast 7 % der Männer im Verarbeitenden Gewerbe eine Unternehmensnachfolge an.

Tritt ein Gesellschafter oder eine Gesellschafterin in ein bestehendes Unternehmen ein, sei es aus einer abhängigen Beschäftigung oder der Arbeitslosigkeit heraus, so kann dies ebenfalls den Beginn einer Selbstständigkeit bedeuten. Im Jahr 2004 wurden den Gewerbeämtern in Baden-Württemberg von 152 Frauen und 562 Männern der Gesellschaftereintritt in ein Unternehmen angezeigt.

Höhere Gründungsaktivität bei Frauen und Männern aus dem Ausland

15 % der Gründer und 12 % der Gründerinnen besitzen eine ausländische Staatsbürgerschaft. Fast 30 % der ausländischen Gründer, aber nur 17 % der ausländischen Existenzgründerinnen stammen aus der Türkei. Der Anteil der Italiener beträgt 15 %, jener der Italienerinnen 14 %.4 Auch Griechenland, Serbien-Montenegro, Kroatien und Polen sind häufige Herkunftsländer (siehe Tabelle 2). Die Gründungsaktivität von Ausländerinnen ist etwas höher als bei deutschen Frauen. Von 10 000 Ausländerinnen gründeten 60, von 10 000 deutschen Frauen 58 einen neuen Gewerbebetrieb. Bei den Männern gibt es größere Unterschiede. So kamen im Jahr 2004 auf 10 000 Ausländer in Baden-Württemberg 161 Gründer, auf 10 000 deutsche Männer hingegen nur 133.

Bei den Unternehmensübernahmen durch Erbfolge, Kauf oder Pacht liegt der Ausländeranteil höher als bei den Neugründungen. 24 % der Männer und 22 % der Frauen stammen aus dem Ausland. Häufigstes Herkunftsland der Personen mit ausländischem Pass ist auch hier die Türkei: 36 % der Ausländer und 23 % der Ausländerinnen, die 2004 in Baden-Württemberg ein Unternehmen übernommen haben, stammen aus diesem Land.

Für Frauen, die eine berufliche Selbstständigkeit anstreben, sind die äußeren Rahmenbedingungen oftmals anders als für Männer. Erfahrungen aus der Gründungsberatung zeigen zum Beispiel, dass Existenzgründerinnen häufig mit Akzeptanzproblemen bei Banken oder Kunden konfrontiert werden5 Darüber hinaus dürfte die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen nach wie vor eine stärkere Rolle spielen als für Männer. Nach den vorliegenden Ergebnissen entscheiden sich dennoch immer mehr Frauen für die berufliche Selbstständigkeit. Dabei wählen sie oftmals den schrittweisen Einstieg in Form einer Nebenerwerbsgründung und setzen hinsichtlich der Branche etwas andere Schwerpunkte als Männer. Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich die Entwicklung in den nächsten Jahren entsprechend fortsetzen wird. Die Frage, ob sich die frischen Unternehmerinnen erfolgreich am Markt durchsetzen und langfristig behaupten werden, kann mithilfe der Gewerbeanzeigenstatistik leider nicht beantwortet werden.

1 Ergebnisse des Mikrozensus.

2 Vgl. Lehnert, Nicole: KfW-Gründungsmonitor, Jährliche Analyse von Struktur und Dynamik des Gründungsgeschehens in Deutschland, hrsg. von KfW-Bankengruppe, Frankfurt am Main 2004, S. 16 f.

3 Bank (Hrsg.): Zum richtigen Zeitpunkt den richtigen Nachfolger ins Spiel bringen, Kurzfassung der Studie »Generationenwechsel in Baden-Württemberg«, erstellt vom Institut für Mittelstandsforschung Mannheim, Stuttgart 2002, S. 4.

4 Zum Vergleich: 26 % der Menschen ausländischer Nationalität in Baden-Württemberg kommen aus der Türkei, 15 % aus Italien.

5 Vgl. Köpf-Schuler, Rose: Gründerinnen in Baden-Württemberg, in: Sozialministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Frauen Aktiv in Baden-Württemberg, Nr. 23, 1/2004, S. 3.