:: 3/2006

Wie man sich durch statistische Grafiken täuschen lässt

Seit 1975 geht es bergauf

Das Liniendiagramm soll zeigen, wie sich der Wanderungssaldo – Differenz aus Zu- und Fortzügen – seit 1975 entwickelt hat. Um der Aussage einen wissenschaftlichen Anstrich zu geben, wurde eine Regressionsgerade samt Formel und das Bestimmtheitsmaß eingefügt. Das Diagramm und die Regressionsgerade sind irreführend. Es wurde als Startjahr mit dem »Normierungswert = 0« das Jahr 1975 gewählt. In diesem Jahr hat Baden-Württemberg die bislang stärksten Wanderungsverluste gehabt. Dieser »Basiseffekt« führt immer zu einer steigenden Trendgerade.

Seit 1990 geht es bergab

Mit der gleichen Technik wurde das Jahr 1990 als Startjahr gewählt. Das war aber bislang jenes Jahr, in dem Baden-Württemberg den höchsten positiven Wanderungssaldo hatte. Jede Trendgerade muss negativ verlaufen. Das heißt, der Trend sagt nichts Verlässliches aus. Da helfen auch die Nachkommastellen in der Regressionsformel und des Bestimmtheitsmaßes nicht weiter – pure Scheingenauigkeit, weil Excel es gerade so einfach liefert.

Das waren die Tatsachen

Die adäquate Darstellung ist die Wiedergabe der absoluten Wanderungssalden als Säulendiagramm. Nur sie macht – bei genügendem Hintergundwissen – deutlich, dass die Salden in den 70er- und frühen 80er-Jahren überwiegend konjunkturbedingt, in den 90er dagegen überwiegend politisch bestimmt waren. Und: Trends gab es im dargestellten Zeitraum überhaupt keine. Fazit: Ohne Kenntnis der absoluten Werte lassen sich taktisch fast beliebige Aussagen aus den Grunddaten ableiten. Der Betrachter wird – gewollt oder ungewollt – irregeleitet.