:: 5/2006

Direktinvestitionen: Bedeutung, Ausmaß und internationaler Vergleich1

Baden-württembergische Unternehmen haben sich international stärker in Form von Direktinvestitionen im Ausland engagiert als Unternehmen auf Bundesebene. Die Direktinvestitionsbestände der Südwestwirtschaft im Ausland stiegen im Zeitraum von 1995 bis 2003 um fast das Dreifache an, während die Direktinvestitionen Deutschlands im Ausland nur um gut das Doppelte zunahmen. Im internationalen Vergleich jedoch blieben Baden-Württemberg und auch Deutschland trotz hoher Zuwachsraten deutlich hinter der Direktinvestitionsquote der EU-25 zurück. Bei Unternehmen in Baden-Württemberg wird die Entscheidung, ins Ausland zu gehen, offenbar nicht in erster Linie von den Lohnkosten, sondern von Absatzstrategien bestimmt, da im Jahr 2003 von dem Gesamtbestand der baden-württembergischen Direktinvestitionen im Ausland rund 86 % auf Industrieländer entfielen, die ähnliche oder höhere Lohnkosten aufwiesen wie Baden-Württemberg.

Direktinvestitionen baden-württembergischer Unternehmen im Ausland nehmen zu

Nationale Grenzen sind aufgrund des technischen Fortschritts bei Kommunikations- und Informationssystemen und der Innovationen im Logistikbereich für wirtschaftliche Transaktionen tendenziell unbedeutender geworden. Für ein expansionsbereites Unternehmen stehen heute Anbieter vor allem internationaler Standorte bereit, um aktiv für den jeweiligen Standort zu werben. Als Folge dieser Entwicklung haben Unternehmen ihr Verhalten auf den globalisierten Märkten verändert. Früher war die Vorgehensweise stark exportorientiert, d.h. die Nachfrage auf den Auslandsmärkten wurde durch die heimische Produktion befriedigt. Im Ausland wurde nur dann produziert, wenn dort der Marktzugang für Inlandsprodukte erschwert war. Die lokale Fertigung ermöglichte dann die Umgehung von Handelsbarrieren. Heute jedoch treten direkte Engagements der Unternehmen auf den Auslandsmärkten als Alternative zu den Exporten stärker in den Vordergrund.

Die Gründe für Direktinvestitionen im Ausland sind vielfältig. Eine wichtige Rolle spielen markt- und absatzorientierte Motive. Diese liegen in der Erschließung neuer Märkte – aber auch in der Größe und Dynamik des Auslandsmarktes. Weiterhin können kosten- und ertragsorientierte Beweggründe ausschlaggebend sein. Besonders sind hier Unterschiede in den Faktorkosten, wie beispielsweise den Lohnkosten, zu nennen. Letztendlich beeinflussen auch politische Gründe die Standortentscheidung. Durch eine staatliche Investitionsförderung im Gastland und die Bereitstellung einer funktionstüchtigen Infrastruktur gewinnen Auslandsengagements an Attraktivität. Auch beeinflussen weitere Rahmenbedingungen im Ausland wie beispielsweise niedrigere Sozialabgaben, flexiblere Arbeitsmarktregelungen, ein geringerer Bürokratieaufwand und nicht zuletzt steuerliche Gesichtspunkte die Entscheidung von Unternehmen, sich im Ausland zu engagieren. Die Ausgestaltung dieser Engagements im Ausland ist sehr vielschichtig und beinhaltet beispielsweise neben der Leistungserstellung ohne Kapitalbeteiligung (Auftragsfertigung und Lizenzvergabe) auch Direktinvestitionen, die eine Auftragserstellung mit Kapitalbeteiligung darstellen (i-Punkt).

aber im EU-weiten Vergleich unterdurchschnittlich

Baden-württembergische Unternehmen haben sich international stärker im Ausland engagiert als Unternehmen auf Bundesebene (Schaubild 1). Betrug in Deutschland im Jahr 2003 die Direktinvestitionsquote2 knapp 26 %, lag sie in Baden-Württemberg um gut 2 Prozentpunkte höher. Im internationalen Vergleich jedoch lagen Baden-Württemberg und auch Deutschland deutlich unter der durchschnittlichen Quote der Direktinvestitionen der EU-25 von knapp 37 %.

Insgesamt zeigt sich, dass in den westeuropäischen Industrieländern besonders im Zeitraum von 1995 bis 2000 die Direktinvestitionen im Ausland kräftiger als im Zeitraum von 2000 bis 2003 gestiegen sind. Die stärkere Expansion auf den Auslandsmärkten bis zum Jahr 2000 ging mit einer Phase des wirtschaftlichen Aufschwungs einher, in der besonders die so genannte New Economy und in deren Folge auch die übrigen Wirtschaftsbereiche deutliche Steigerungen beim Wirtschaftswachstum verzeichneten. In den fortgeschritteneren osteuropäischen Transformationsländern verlief die Entwicklung dagegen umgekehrt. Unternehmen aus Ländern wie beispielsweise Polen, Ungarn, Slowenien und der Tschechischen Republik weiteten ab 2000 ihre Direktinvestitionstätigkeit im Ausland stärker aus. Dies hing vor allem mit der voranschreitenden Konsolidierung dieser Volkswirtschaften, aber auch mit der wirtschaftlichen Expansion im Hinblick auf die EU-Osterweiterung im Jahr 2004 zusammen.

Besonders Länder, die nur über einen geringen Verflechtungsgrad mit dem Ausland verfügten, haben ihre Auslandsaktivitäten von 1995 bis 2003 stark ausgebaut. Darunter sind neben den EU-Beitrittsländern auch Indien, Mexiko und Kanada zu finden. Aufgrund der bislang geringen Präsenz auf internationalen Märkten handelt es sich bei den teilweise beträchtlichen Wachstumsraten dieser Länder jedoch um Basiseffekte. Hauptgrund für das Auslandsengagement dieser Länder dürfte in der zunehmenden Globalisierung der Märkte zu suchen sein. Um die Vorteile von Freihandelszonen nutzen zu können, ist in der Regel die Präsenz vor Ort erforderlich. Unternehmen sind heute mehr denn je zur Vermarktung ihrer Produkte auf den internationalen Absatzmarkt angewiesen. Darüber hinaus bekam der Aspekt einer kostengünstigen Produktion im Ausland zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit ein immer stärkeres Gewicht. Bei Ländern, die sich wie das Vereinigte Königreich, Schweden oder die Niederlande schon früh im Ausland engagiert haben, fielen die Zuwächse der Direktinvestitionsquoten in der Regel niedriger aus.

Land im Wettbewerb um ausländische Direktinvestitionen dynamischer als Bund

Die Anziehungskraft Baden-Württembergs und Deutschlands auf ausländische Investoren ist in den letzten Jahren langsamer als in anderen Ländern gestiegen. Im Land lag im Jahr 2003 die Direktinvestitionsquote bei 22 %, im Bund nur geringfügig höher (Schaubild 2). Jedoch hat von 1995 bis 2003 die Anziehungskraft von Direktinvestitionen aus dem Ausland in der Südwestwirtschaft stärker als im Bund zugenommen. Im internationalen Vergleich wurde Baden-Württemberg bei der Direktinvestitionsquote allerdings von fast allen EU-Beitrittsländern überholt. Diese Länder konnten trotz einer rückläufigen Dynamik der Weltwirtschaft in den Jahren 2001 und 2002 zusätzliche Investoren aus dem Ausland anziehen. Dies lag zum einen daran, dass sie sich im Vorbereitungsprozess auf die EU befanden und so nach Jahren des Übergangs sich wirtschaftlich und nicht zuletzt auch politisch stabilisiert haben. Zum anderen weisen die osteuropäischen Länder ein niedrigeres Lohnniveau als die west-europäischen Staaten auf. Ob die neuen EU-Länder auch weiterhin für ausländische Unternehmer attraktiv bleiben, ist abzuwarten. In Polen – und etwas weniger ausgeprägt in Ungarn und Slowenien – sind mittlerweile steigende Lohnstückkosten zu beobachten, die sich relativ stark dem Durchschnitt der EU-25 angenähert haben.3 Allerdings weisen die ost-europäischen Länder noch einen anderen Vorteil auf: Aufgrund des Transformationsprozesses wurde hier die Steuergesetzgebung teilweise radikal vereinfacht und bürokratische Hürden für ausländische Investoren abgebaut.

Eine Spitzenstellung bei den Direktinvestitionsquoten weisen die südostasiatischen Länder Hongkong und Singapur auf, die im Jahr 2003 deutlich mehr ausländische Direktinvestitionen anzogen als ihr nominales Bruttoinlandsprodukt betrug. Dies trifft auch auf Irland zu, das insbesondere wegen seiner hohen Industrieorientierung mit Baden-Württemberg vergleichbar ist. Hauptgründe für den starken Zufluss von Direktinvestitionsmitteln aus dem Ausland waren hier auch das niedrige Steuerniveau, die Akquirierung von ausländischen Unternehmen durch eine öffentliche Ansiedlungsagentur und eine starke Ausrichtung auf Technologiebranchen. In den USA und Japan war sowohl bei den Direktinvestitionen aus dem Ausland als auch ins Ausland in Bezug auf die nominale Wirtschaftsleistung ein niedriges Niveau festzustellen.

Auslandsinvestitionen Baden-Württembergs sollen vor allem Absatzchancen erhöhen

Bei Unternehmen in Baden-Württemberg wird – anders als vielfach angenommen – die Entscheidung, ins Ausland zu gehen, offenbar nicht primär von den Lohnkosten bestimmt. Im Jahr 2003 entfielen von dem Gesamtbestand der unmittelbaren und mittelbaren baden-württembergischen Direktinvestitionen im Ausland in Höhe von fast 132 Mrd. Euro rund 86 % auf Industrieländer, die ähnliche oder höhere Lohnkosten aufwiesen wie Baden-Württemberg (Tabelle 1).

Baden-württembergische Unternehmen haben sich zwar in einer Vielzahl von Ländern mit Direktinvestitionskapital engagiert, bedeutende Kapitalbestände finden sich jedoch nur in wenigen Ländern. Auf die vier wichtigsten Zielländer (Vereinigte Staaten, Vereinigtes Königreich, die Niederlande, Frankreich) entfielen im Jahr 2003 fast 68 %, auf die sieben wichtigsten Zielländer (zusätzlich: Belgien, Österreich, Spanien) bereits gut 78 % der baden-württembergischen Direktinvestitionen im Ausland.

Besonders intensiv ist die Verflechtung mit den Vereinigten Staaten, die im Jahr 2003 mit knapp 68 Mrd. Euro mittlerweile knapp 52 % der gesamten Auslandsinvestitionen Baden-Württembergs auf sich vereinten. Im Jahr 2000 wurde mit 62 % der Spitzenwert erreicht, der auf eine Sonderentwicklung im Fahrzeugbau zurückzuführen ist.

Bei ihren Auslandsinvestitionen setzten baden-württembergische Unternehmen teilweise offensichtlich andere Akzente als Unternehmen aus dem übrigen Bundesgebiet. Überdurchschnittlich hoch ist der Anteil Baden-Württembergs an den Direktinvestitionsbeständen in den Vereinigten Staaten. Etwa 30 % der deutschen Investitionen in den USA kamen im Jahr 2003 aus Baden-Württemberg. Während gut die Hälfte der baden-württembergischen Direktinvestitionen in die USA gehen, beträgt der Anteil der deutschen Engagements in den Vereinigten Staaten an allen ausländischen Direktinvestitionsbeständen nur rund ein Drittel. Damit ist Baden-Württemberg relativ betrachtet in den USA stärker als Deutschland vertreten. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass die industriellen Strukturen in Baden-Württemberg stärker als im Bundesgebiet ausgeprägt sind und die Unternehmer aus diesem Bereich zunehmend von den Absatzchancen auf den Wachstumsmärkten der USA profitieren möchten.

Vor allem die Niederlande, Frankreich, die Schweiz und die USA engagieren sich in Baden-Württemberg

Hinweise über die Attraktivität Baden-Württembergs für ausländische Investoren liefern die ausländischen Direktinvestitionen in der Südwestwirtschaft. Die ausländischen Direktinvestitionsbestände im Südwesten beliefen sich Ende des Jahres 2003 auf rund 39 Mrd. Euro (Tabelle 2). Die Kapitalbestände konzentrieren sich dabei noch etwas stärker auf wenige Länder als bei den baden-württembergischen Direktinvestitionen im Ausland. Auf die vier wichtigsten Herkunftsländer entfielen 71 %. Wichtigster Investor waren die Niederlande mit Kapitalanlagen in Höhe von knapp 9 Mrd. Euro, was einem Anteil von gut einem Fünftel an den ausländischen Investitionen in Baden-Württemberg entspricht. Es folgen Frankreich, die Schweiz und die USA, die jeweils gut 6 Mrd. Euro hier zu Lande investierten. Auf die sieben wichtigsten Herkunftsländer, dazu gehören auch Österreich, das Vereinigte Königreich und Luxemburg, entfielen gut 81 % der ausländischen Direktinvestitionen in der Südwestwirtschaft. In Frankreich und Großbritannien haben einige große multinationale Konzerne ihren Verwaltungssitz. Vor allem diese Unternehmen gehen dazu über, im Ausland in Beteiligungsgesellschaften zu investieren. Je mehr dies der Fall ist, umso mehr nimmt das Gewicht dieser Länder gegenüber den restlichen Ländern zu.

Die Bedeutung der Niederlande als wichtigstes Investitionsland in Baden-Württemberg hat im Zeitablauf abgenommen. Im Jahr 2003 lag der Anteil der Niederlande an den Direktinvestitionen um knapp 5 Prozentpunkte niedriger als im Jahr 1995. Ebenso war eine abnehmende Bedeutung der Direktinvestitionen aus den USA festzustellen (ebenfalls um 5 Prozentpunkte). Der stärkste Anteilsverlust der ausländischen Investitionsbestände war bei der Schweiz festzustellen, der sich im genannten Zeitraum auf knapp 11 Prozentpunkte bezifferte. Der Grund für die Anteilsverluste der genannten Länder liegt jedoch nicht darin, dass diese ihre Engagements in der Südwestwirtschaft reduziert haben. Das Gegenteil ist der Fall. Trotz zunehmender Direktinvestitionsbestände haben die Anteilswerte abgenommen. Dies deshalb, weil Länder wie Frankreich, Österreich oder das Vereinigte Königreich ihre Direktinvestitionen an allen in Baden-Württemberg getätigten Direktinvestitionen stärker ausbauen konnten.

Dies zeigte sich aber auch an der bundesweiten Bedeutung der Direktinvestitionen aus der Schweiz in der Südwestwirtschaft. Lag der Anteil der eidgenössischen Investorentätigkeit in Baden-Württemberg an den gesamten Direktinvestitionsbeständen der Schweiz in Deutschland im Jahr 1995 noch bei knapp einem Drittel, so nahm er bis ins Jahr 2003 auf 27 % ab. Die größten Zuwächse waren bei den österreichischen und ungarischen Investitionsbeständen zu verzeichnen. Gut ein Drittel der Direktinvestitionen aus Österreich entfielen in Deutschland auf die Südwestwirtschaft; mehr als zwei Drittel waren es bei Investitionen aus Ungarn. Jedoch stellt dieser Bedeutungsgewinn, wie bei anderen Ländern, zum Beispiel Kanada und Irland, auch einen Basiseffekt dar, da sich die Anteilswerte der Direktinvestitionen aus diesen Ländern früher auf einem niedrigen Niveau bewegten.

Insgesamt kann festgehalten werden, dass der Anteil der baden-württembergischen Direktinvestitionsbestände im Vergleich zur EU-25 sowohl im Ausland als auch aus dem Ausland unterdurchschnittlich ausgeprägt war. Dennoch stiegen die Direktinvestitionsbestände baden-württembergischer Unternehmen im Ausland von 1995 bis 2003 bisweilen relativ stark an. Besonders in den USA, aber auch in osteuropäischen Ländern und Südostasien wurden die Engagements ausgeweitet. Daher konnte Baden-Württemberg seine Position in den westlichen Industrieländern stärken, aber auch in aufstrebenden Volkswirtschaften neue Märkte erschließen.

1 Die Langfassung des Beitrags ist erschienen in: Staatsministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), 2006: Perspektiven der Globalisierung – Chancen einer Wissenswirtschaft, Trends und Fakten 2005.

2 Wegen der teilweise beträchtlichen Unterschiede hinsichtlich Größe und Wirtschaftsleistung wurden nicht die Direktinvestitionsbestände, sondern die Direktinvestitionsquoten als Vergleichsgröße herangezogen. Die Direktinvestitionsquote misst die Direktinvestitionen eines Landes in Relation zu seiner Wirtschaftsleistung, die im jeweils erwirtschafteten nominalen Bruttoinlandsprodukt zum Ausdruck kommt.

3 Donhauser, Stefan, Arbeitsproduktivität und Lohnstückkosten im Standortvergleich, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 5/2005, S. 24-29.