:: 5/2006

Struktur und Entwicklung des deutsch-französisch-schweizerischen Oberrheingebiets

Am 9. Februar 2006 fand in Freiburg der 10. Dreiländerkongress unter dem Leitmotiv »Zukunft Oberrhein im erweiterten Europa« statt. Ziel dieser Veranstaltung war es, unter anderem Impulse für die zukunftsorientierte Weiterentwicklung der Kooperationsstrukturen und Institutionen am Oberrhein zu geben. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit begann schon vor vier Jahrzehnten mit der Gründung der Regio Basiliensis (1963), es folgten unter anderem Pamina im nördlichen Teil der EuroRegion Oberrhein (1982), TriRhena (1995) im südlichen Teil und Centre (1998) im mittleren Teil.1

Das deutsch-französisch-schweizerische Oberrheingebiet (»EuroRegion Oberrhein«) umfasst dabei die vier Teilgebiete Elsass, Nordwestschweiz, Südpfalz und Baden. Auf der badischen Seite zählen hierzu die Regionen Mittlerer und Südlicher Oberrhein sowie die Landkreise Lörrach und Waldshut. Mit dem vorliegenden Kurzbeitrag wird ein Überblick über die Struktur und Entwicklung des Oberrheingebiets gegeben.

Das Oberrheingebiet erstreckt sich naturräumlich zwischen Jura, Vogesen, Schwarzwald und Pfälzer-Wald (Schaubild 1). Dabei sind es geo-grafische und geopolitische Gemeinsamkeiten und deren Auswirkungen auf das Leben der Menschen am Oberrhein, die ihn zu einem gemeinsamen Raum machen. Verwandte Verhältnisse gibt es insbesondere bezüglich der Geologie, des Grund- und Hochwassers, des Klimas und der Bodennutzung sowie im Hinblick auf die Siedlungsstruktur.2

Der grenzüberschreitende Raum der EuroRegion Oberrhein zählte Ende 2004 knapp 5,9 Mill. Einwohner bei einer Gesamtfläche von 21 500 km2 – dies entspricht immerhin 60 % der Fläche Baden-Württembergs. Das Elsass und Baden – beide etwa gleich groß – nehmen zusammen gut drei Viertel der Gesamtfläche ein. Das übrige Viertel der Fläche verteilt sich auf die Nordwestschweiz (17 %) und die Südpfalz (7 %).3

Die an den Grenzen liegenden Gebirgszüge, der Schwarzwald und das Kraichgauer Hügelland im Osten, die Vogesen und der südliche Pfälzer Wald im Westen sowie ein Teil des Juras im Süden sind überwiegend mit Wäldern bedeckt. Insgesamt machen die Waldflächen 43 % der Gesamtfläche im Oberrheingebiet aus. Für die landwirtschaftliche Nutzung stehen rund 40 % zur Verfügung. 4 % des Gebietes setzen sich aus Wasserflächen und »nicht nutzbaren« Flächen zusammen. Die verbleibenden 13 % werden von Siedlungs- und Verkehrsflächen beansprucht. Dieser Anteil entspricht dem Landesdurchschnitt Baden-Württembergs, während der Waldanteil im Oberrheingebiet höher und der Anteil der Landwirtschaftsfläche niedriger ist.

Höchste Bevölkerungsdichte in der Nordwestschweiz

Im Oberrheingebiet befinden sich etwa 1 800 Gemeinden von kleinerer oder mittlerer Größe sowie die fünf Ballungszentren Karlsruhe, Straßburg, Freiburg, Mülhausen und Basel/Lörrach mit jeweils mehr als 100 000 Einwohnern. Trotz eines hohen Anteils an Gebirgsflächen liegt die Bevölkerungsdichte im Durchschnitt bei 272 Einwohnern je km², das sind nur 28 Einwohner/km2 weniger als in Baden-Württemberg. Die Teilgebiete sind unterschiedlich intensiv besiedelt:

Nordwestschweiz375 Einwohner je km²
Baden297 Einwohner je km²
Elsass217 Einwohner je km²
Südpfalz201 Einwohner je km².

Seit 1990 ist die Bevölkerungszahl am Oberrhein um gut eine halbe Million Einwohner oder um 10 % gestiegen (Zum Vergleich: Baden-Württemberg + 9 %). Dieses beachtliche Bevölkerungswachstum resultiert überwiegend aus Wanderungsgewinnen. Im Jahr 2004 war der Anstieg der Bevölkerungszahl zu zwei Drittel auf Wanderungsgewinne und zu einem Drittel auf Geburtenüberschüsse zurückzuführen. Allerdings wiesen nur noch das Elsass und die Nordwestschweiz einen Geburtenüberschuss auf (+ 8 000 bzw. + 1 400 Personen). Dagegen übertraf die Zahl der Gestorbenen im badischen Oberrheingebiet wie auch in der Südpfalz bereits die Zahl der Geburten. Dieser Sachverhalt steht in engem Zusammenhang mit der Fruchtbarkeit: Im Elsass wurden von 1 000 Frauen im gebärfähigen Alter im Jahr 2004 58 Kinder geboren, in den übrigen Teilgebieten lag dieser Indikator nur zwischen 41 und 44. Im Elsass wirkt sich die familienfreundliche Politik Frankreichs aus.

Die Einwohnerzahl wird künftig schwächer wachsen

In Zukunft ist für das Oberrheingebiet zwar weiterhin mit einem Anstieg der Bevölkerungszahl zu rechnen – die Zunahme wird jedoch voraussichtlich schwächer als in den vergangenen Jahren ausfallen: Nach den aktuellen Vorausrechnungen wird die Bevölkerungszahl bis zum Jahr 2020 auf 6,1 Mill. Einwohner ansteigen – das ist eine Zunahme von gut 4 % gegenüber 2004. Für das Elsass wird ein Wachstum von 6,2 % erwartet, für Baden von 4,5 % und für die Nordwestschweiz von 4,2 %; für die Südpfalz wird eine Abnahme um 3,4 % angenommen.

Die demografische Alterung wird sich in allen Teilräumen fortsetzen, allerdings mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Bis 2020 wird der Anteil der über 65-Jährigen von heute 16,8 auf 22,8 % ansteigen und der Anteil der unter 15-Jährigen geringfügig von 16,5 auf 16,4 % abnehmen. (Schaubild 2). In Baden-Württemberg wird im Jahr 2020 der Anteil junger Menschen bereits auf 13,2 % gesunken sein.

Gut jeder zehnte Einwohner am Oberrhein hat einen ausländischen Pass. In der Nordwestschweiz gilt dies sogar für jeden Fünften; die Hälfte davon stammt aus den 25 Ländern der Europäischen Union. In Baden liegt der Ausländeranteil bei 9 %, aber nur gut ein Drittel kommt aus der EU-25.

Ausgewogene Branchenstruktur

Obwohl die Region über ein vielfältiges Industriegewerbe verfügt, arbeiten zwei Drittel der Erwerbstätigen im Tertiären Sektor, sei es im Handel oder in den Dienstleistungsbranchen. Das Produzierende Gewerbe beschäftigt insgesamt 31 % aller Erwerbstätigen; Schwerpunkte sind hier die chemisch-pharmazeutische Industrie im Raum Basel sowie die hoch entwickelte Investitionsgüterindustrie in der »TechnologieRegion Karlsruhe«. Die Landwirtschaft bietet nur noch wenige Arbeitsplätze, spielt aber trotzdem eine wichtige Rolle sowohl für die allgemeine Wirtschaft als auch für die Umwelt und die touristische Anziehungskraft der Region. Innerhalb des Dienstleistungssektors der EuroRegion Oberrhein fällt der hohe Anteil der unternehmensnahen Dienstleistungen auf, zu denen unter anderem Architektur- und Ingenieurbüros sowie Wirtschaftsprüfer und Steuerberater gezählt werden. Insbesondere Freiburg im Breisgau hat sich zu einem regionalen Zentrum entwickelt.

Der Oberrhein ist auch eine wichtige Handels- und Transitzone mit einem dichten Verkehrsnetz sowohl für den Schienen- als auch für den Straßenverkehr. Der Rhein verbindet das Gebiet mit der Nordsee und erlaubt der Schifffahrt, bis zu den Seehäfen von Rotterdam und Antwerpen zu gelangen. Längs des Flusses liegen eine Reihe von Binnenhäfen mit zahlreichen Betriebsniederlassungen, die für die wirtschaftliche Dynamik dieser EuroRegion eine ausschlaggebende Rolle spielen. In den Häfen von Karlsruhe, Straßburg und Basel werden jährlich jeweils mehr als 6 Mill. Tonnen Güter verladen. Zwei Flughäfen von internationaler Bedeutung, Basel-Mulhouse-Freiburg und Straßburg-Entzheim, verbinden das Oberrheingebiet mit den großen Zentren Europas und der Welt. Im Jahr 2004 haben beide Flughäfen zusammen rund 4,5 Mill. Passagiere abgefertigt.

Der wirtschaftliche Wohlstand des Gebietes, gemessen am Bruttoinlandsprodukt bzw. dem Volkseinkommen je Einwohner, differiert stark zwischen den Teilgebieten: Die Nordwestschweiz ist Spitzenreiter mit 36 100 Euro je Einwohner. Baden nimmt mit 27 900 Euro den zweiten Platz ein vor dem Elsass mit 24 700 Euro und der Südpfalz mit 22 000 Euro je Einwohner.

Lohngefälle bedingt ausgeprägte Grenzgängerströme

Die Unterschiede in der Wertschöpfung spiegeln sich zum Teil auch in den Löhnen wider und bieten eine Erklärung dafür, dass es zahlreiche Erwerbstätige während der letzten Jahre vorgezogen haben, einen Arbeitsplatz jenseits der Grenze zu suchen. So arbeiten etwa 28 000 Elsässer in Baden, nur etwa 300 Deutsche pendeln täglich zu ihrem Arbeitsplatz in das benachbarte Frankreich. Noch in den 1950er-Jahren gab es einen beträchtlichen Grenzgängerstrom aus dem Badischen ins Elsass.4 Entgegengesetzte Pendlerverflechtungen bestehen aufgrund des Lohngefälles mit der Schweiz: Etwa 25 000 Badener arbeiten im Nachbarland, lediglich ca. 500 Schweizer im südbadischen Raum.

Zunehmende Verflechtung der EuroRegion Oberrhein

Alles in allem war und ist die Entwicklung im Oberrheingebiet positiv, auch wenn grenzüberschreitendes Handeln für viele Menschen noch nicht selbstverständlich ist. »Mangelnde Sprachkenntnisse, fehlende Informationen und natürlich das Weiterbestehen von drei unterschiedlich strukturierten Staatsgebilden mit ihren jeweils abweichenden Rechts- und Verwaltungssystemen machen allen Partnern zu schaffen.«5 Allerdings wurden und werden diese Probleme durch den gegenseitigen Informationsaustausch und durch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in den letzten Jahren deutlich verringert.

Zwischenzeitlich kann die grenzüberschreitende Verflechtung der EuroRegion Oberrhein angesichts der vielfältigen wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen den nationalen Teilräumen, welche in einem regen Güter-, Kapital- und Personenverkehr zum Ausdruck kommen, durchaus als hoch angesehen werden.6 Vor allem die Lkw-Staus an den Grenzübergängen zur Schweiz sind jedoch weiterhin aufgrund des Nachtfahrverbots problematisch.7

Einen zusätzlichen Impuls für die künftige Entwicklung könnte das Bestreben sein, den Oberrhein sukzessive zu einer »Europäischen Metropolregion« als großer Wissenschafts-, Wirtschafts- und Forschungsraum mit modellhaft integrierten Verkehrssystemen auszubauen.8

1 Vgl. Pletsch, Alfred: Grenzregionen zwischen Frankreich und Deutschland – Das Beispiel des Elsass und der Oberrheinregion; Arbeitsmaterialien für das Oberseminar »Internet- und GIS-basierte Regionalanalyse« am Fachbereich Geographie der Universität Marburg, 2001.

2 Vgl. Hahn, Roland: Auf dem Weg zu einem europäischen Zentralraum, in: Der Bürger im Staat, hrsg. von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, Heft 2/2000, S. 114 - 118.

3 Die datengestützten Aussagen basieren im Wesentlichen auf der anlässlich des 10. Dreiländerkongresses aktualisierten Broschüre »Oberrhein – Statistische Daten 2006«, die von den Statistischen Ämtern der EuroRegion Oberrhein herausgegeben wurde. Die Broschüre ist über das Internet verfügbar (www.oberrheinkonferenz.de/dokumente/statistiken).

4 Vgl. Mohr, Bernhard: Das Elsass – Grenzüberschreitende Zusammenarbeit am Oberrhein, in: geographie heute 177/2000, S. 35 (Zitierweise: Das Elsass).

5 Mohr, Bernhard: Das Elsass, S. 35.

6 Vgl. beispielsweise die Einschätzung von Blattner, Nikolaus: Drei Länder, zwei Währungen, ein Wirtschaftsraum; Vortrag bei der Freiburger Montags-Gesellschaft am 6. Juni 2005.

7 Vgl. beispielsweise Landtagsdrucksache 13/4621 »Lkw-Stau an den Grenzübergängen zur Schweiz« vom 29. August 2005.

8 Vgl. Landtagsdrucksache 13/4540 »Baden-Württemberg in Europa – Bericht an den Landtag von Baden-Württemberg über die Europapolitik der Landesregierung im Jahre 2004/2005«, S. 23.