:: 8/2006

Schwungvolle Konjunktur in Baden-Württemberg – Im Jahresdurchschnitt 2006 voraussichtlich ein preisbereinigtes Wachstum von rund 2,75 %

Die Wirtschaftsleistung in Baden-Württemberg dürfte bis zum Jahresende 2006 kräftig zulegen. Schon im 1. Halbjahr war es zu einer deutlichen Belebung gekommen. Der vom Statistischen Landesamt berechnete Konjunkturindikator signalisiert, dass sich erst Anfang 2007 die dynamische Konjunkturentwicklung wieder etwas abschwächen wird.

Im 1. Halbjahr 2006 ist die baden-württembergische Wirtschaft nach ersten Schätzungen preisbereinigt um gut 2,5 % gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum gewachsen. In diesem Wert kommt eine deutliche Zunahme der konjunkturellen Dynamik zum Ausdruck: In der ersten Hälfte des Vorjahres hatte die Zunahme noch um 1,5 Prozentpunkte, im gesamten Jahr 2005 um 1 Prozentpunkt niedriger gelegen. Die baden-württembergische Wirtschaft hatte zuletzt im Jahr 2001 eine vergleichbare Dynamik an den Tag gelegt.

Die vierteljährliche Veränderungsrate des 2. Quartals 2006 lässt die Beschleunigung der wirtschaftlichen Dynamik zunächst nicht vermuten. Die Zunahme dürfte lediglich bei 1,5 % gelegen haben. Dieser niedrige Wert ist jedoch auf die geringere Anzahl von Arbeitstagen zurückzuführen. Im 1. Quartal wurde mit einem Plus von 4 % dagegen der umgekehrte Arbeitstageeffekt wirksam.

In den Frühjahrsmonaten März bis Mai 2006 war die Konjunktur in Baden-Württemberg im Einzelnen durch folgende Entwicklungen gekennzeichnet:

  • Die realen Auslandsumsätze der Industrie entwickelten sich sehr schwungvoll. Von der Belebung profitierten vor allem die Investitionsgüterproduzenten. Die Auslandsbestellungen nahmen gegenüber dem Vorjahreszeitraum zwar ebenfalls stark zu, der Aufwärtstrend schwächte sich zuletzt jedoch etwas ab.
  • Die Inlandsnachfrage ist nach wie vor gespalten: Der kräftigen Investitionsnachfrage steht eine schwache Konsumnachfrage gegenüber. Darunter leiden insbesondere der Einzelhandel und das Gastgewerbe. Die unternehmensbezogenen Dienstleistungsbereiche, wie etwa Informations- und Kommunikationsdienstleister oder Unternehmensberater melden dagegen gute Geschäfte.
  • Die Zahl der Beschäftigten ging in der Industrie und im Bauhauptgewerbe erneut zurück. Besonders im Fahrzeugbau hat sich der Arbeitsplatzabbau verstärkt. Im Dienstleistungssektor dürfte dagegen die Beschäftigung gestiegen sein. Nicht nur die Zahl der Minijobs, auch die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten hat sich in diesem Sektor zuletzt erhöht.

In der Südwestwirtschaft wird sich bis zum Jahresende die schwungvolle Wirtschaftsentwicklung fortsetzen. Aufgrund von Vorzieheffekten, die durch die Mehrwertsteuererhöhung Anfang 2007 ausgelöst werden, dürfte sich die wirtschaftliche Dynamik sogar noch erhöhen. In der Veränderungsrate für das 2. Halbjahr wird sich dies allerdings nur mit Abstrichen niederschlagen: Weil die Veränderungsrate in der zweiten Hälfte des Vorjahres spürbar höher gewesen war als in der ersten Jahreshälfte, dürfte sich die Steigerungsrate des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts in der zweiten Hälfte des laufenden Jahres lediglich auf knapp 3 % erhöhen.

Da der Vorzieheffekt aufgrund der Mehrwertsteuererhöhung erst im 4. Quartal seine volle Wirkung entfalten dürfte und das 3. Quartal einen Arbeitstag weniger aufweist als die Vorjahresperiode, ist für das 3. Vierteljahr 2006 mit einer Veränderungsrate des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts von ca. 2,5 % gegenüber dem Vorjahresquartal zu rechnen. Vorausgesetzt der Vorzieheffekt bringt tatsächlich den zusätzlichen Konjunkturimpuls im 4. Quartal, dann könnte sich eine preisbereinigte Wachstumsrate für das gesamte Jahr 2006 von rund 2,75 % für Baden-Württemberg ergeben. Dieser Wert läge deutlich über dem Korridor von 1,8 bis 2,1 %, der von führenden Wirtschaftsforschungsinstituten für das Wachstum in Deutschland prognostiziert wird.

Der entscheidende zusätzliche Impuls für die nochmalige leichte Steigerung der konjunkturellen Dynamik im 2. Halbjahr wird von der Binnennachfrage ausgehen. Bereits seit dem letzten Jahr weist die Investitionsnachfrage eine hohe Dynamik auf, die nach wie vor anhält. Davon profitieren insbesondere die Investitionsgüterhersteller, aber auch die Unternehmen des Baugewerbes, die in der ersten Jahreshälfte erstmals wieder ein Ansteigen der Bauleistung verzeichnen konnten. Auch die leichte Verschlechterung des geldpolitischen Umfelds, bedingt durch die Erhöhung der Leitzinsen durch die EZB, dürfte daran bis zum Jahresende nichts ändern. Trotz der Leitzinserhöhung wird die EZB-Geldpolitik nach wie vor als neutral in ihrer Wirkung auf die Wirtschaftsleistung eingeschätzt.

Der private Verbrauch entwickelt sich sehr viel schwächer als die Investitionsnachfrage. Dies gilt jedoch im Wesentlichen nur für die Konsumgüter. Vor allem die hohen Energiepreise haben in der ersten Jahreshälfte die Konsumneigung der Haushalte belastet. Im weiteren Jahresverlauf dürfte sich daran nicht viel ändern, sodass man gespannt sein darf, ob sich die Einschätzung der Konsumforscher, die in den Wochen der Fußball-WM eine nachhaltige Verbesserung des Konsumklimas festgestellt haben, als zutreffend erweist. Im Gegensatz zu den Konsumgütern zeichnet sich bei den Gebrauchsgütern eine lebhafte Nachfrage bis zum Jahresende ab – ganz so wie es der Vorzieheffekt erwarten lässt.

Trotz der Belebung der Binnenkonjunktur ist die Exportnachfrage nach wie vor der Motor des Aufschwungs. Die Auslandsnachfrage weist eine hohe Dynamik auf, die allerdings bereits im 1. Quartal des laufenden Jahres ihren Höhepunkt erreicht hatte und sich seitdem langsam, dafür aber umso beharrlicher abschwächt. Da sich die Aufwertung des Euro, die seit dem Jahresbeginn zu beobachten ist, mit der entsprechenden zeitlichen Verzögerung verstärkt in der zweiten Jahreshälfte auf die Auslandsnachfrage auswirken wird, ist mit einer weiteren Dämpfung der Exportnachfrage zu rechnen.

Hinzu kommt, dass die Wachstumsperspektiven der Weltwirtschaft nicht mehr so günstig sind wie noch im Frühjahr. Bereits im 2. Quartal hat sich die Dynamik der US-Wirtschaft deutlich verlangsamt. Verschiedene Faktoren – zu nennen sind die Abkühlung im Immobiliensektor, hohe Energiepreise und die restriktive Geldpolitik – sprechen dafür, dass es sich dabei nicht nur um eine »Wachstumsdelle«, sondern um ein anhaltendes Nachlassen der wirtschaftlichen Dynamik handelt. Die baden-württembergische Wirtschaft ist davon unmittelbar betroffen, weil die Vereinigten Staaten einer der größten Handelspartner der hiesigen Wirtschaft sind. Allerdings dürften sich die daraus resultierenden Einbußen durch höhere Exporte in die EU kompensieren lassen. Nicht zu unterschätzen sind jedoch auch die indirekten Effekte, die sich aus einer Abkühlung der Weltwirtschaft in der Folge einer schwächeren US-Konjunktur ergäben. Wichtige Schwellenländer – allen voran China – sind aufgrund ihres unausgeglichenen Wachstums besonders von der Entwicklung der amerikanischen Konjunktur abhängig, sodass ein Nachlassen der amerikanischen Nachfrage zu weltwirtschaftlichen Turbulenzen führen könnte.