:: 9/2006

Zahl der Scheidungen und »Scheidungswaisen« im Jahr 2005 gesunken

Nach der Reform des Scheidungsrechts 1977 haben sich die jährlichen Scheidungszahlen mit kleinen Unterbrechungen deutlich nach oben entwickelt. Im Jahre 2004 wurde mit rund 25 000 Ehescheidungen der bisherige Höchststand erreicht. Ein Jahr später trat erstmals seit etwa 20 Jahren ein nennenswerter Rückgang ein. Eine Trendwende? Die Antwort muss zunächst noch offen bleiben. Bisher bereits festzustellende Merkmale des Scheidungsgeschehens sind nach wie vor sichtbar: Die Scheidungshäufigkeit jüngerer Heiratsjahrgänge hat sich im Vergleich zu den Ehen aus den 60er-Jahren mehr als verdoppelt.

Die Zahl der Ehescheidungen in Baden-Württemberg hat im Jahr 2005 verglichen mit dem Vorjahr abgenommen. So wurden 2005 im Land 23 854 Ehen geschieden – rund 5 % weniger als im Jahr 2004 (25 129 Scheidungen). Damit ergab sich erstmals seit Mitte der 80er-Jahre ein nennenswerter Rückgang der Scheidungszahlen. Seinerzeit – zwischen 1984 und 1986 – sank die Zahl der Scheidungen um rund 6 %. In den 90er-Jahren setzte sich jedoch die Aufwärtsentwicklung wieder fort, bis im Jahre 2004 die bislang höchste Zahl an Ehescheidungen registriert wurde. Insgesamt gesehen erreichte die Zahl der geschiedenen Ehen im Jahr 2005 den dritthöchsten Stand seit Bestehen des Landes. Im Vergleich zu 1990 (16 669 Fälle) lag die Zahl der Ehescheidungen vergangenes Jahr um gut 40 % höher; seit 1980 hat sie sich sogar um 85 % erhöht.

Die aktuelle Abnahme der Scheidungszahlen ist bei nahezu allen Ehejahrgängen zu beobachten, auch bei Ehen, die mit einer Ehedauer von etwa sechs bis acht Jahren den erfahrungsgemäß »scheidungsträchtigsten« Lebensabschnitt erleben. Ein nennenswerter Einfluss der in den vergangenen zehn Jahren deutlich rückläufigen Eheschließungszahlen lässt sich bisher nicht feststellen. Es bleibt somit auch abzuwarten, ob der bisherige Aufwärtstrend der Scheidungszahlen tatsächlich gestoppt ist oder lediglich zeitweise unterbrochen wird.

Nachdem die Zahl der jährlich von einer Scheidung betroffenen Kinder bis auf die bisherige Rekordhöhe von 21 965 Kindern im Jahre 2004 angestiegen war, erlebten im vergangenen Jahr 20 416 minderjährige Kinder die Scheidung ihrer Eltern – rund 7 % weniger als 2004. Dennoch lag die Zahl der von einer Scheidung betroffenen Kinder im Jahr 2005 um fast zwei Drittel höher als 1990. Dies beruht im Wesentlichen darauf, dass sich heute beträchtlich mehr Ehepaare mit zwei oder mehr Kindern unter 18 Jahren trennen als noch Anfang der 90er-Jahre. Während 1990 etwa 20 % der seinerzeit geschiedenen Ehen zwei oder mehr minderjährige Kinder hatten, traf dies im Jahr 2005 auf nahezu 27 % der gerichtlich getrennten Ehen zu. Den relativ größten Anteil der Ehescheidungen stellen allerdings nach wie vor die Ehen, in denen zum Zeitpunkt der Scheidung keine Kinder unter 18 Jahren lebten. Dieser Anteil betrug im vergangenen Jahr 47,5 %.

»Scheidungsrisiko« im fünften und sechsten Ehejahr am höchsten

Die meisten der im Jahr 2005 geschiedenen Ehen wurden nach einer Dauer von fünf bis sieben Ehejahren beendet. Auf diese drei Ehedauerjahre entfielen zusammen rund 4 400 Fälle; sie machten fast 19 % aller Scheidungen aus. Damit hat sich in den vergangenen Jahren die »kritische Ehedauer« nach oben verschoben. So endeten die 1990 geschiedenen Ehen relativ am häufigsten nach einer Ehedauer von drei bis fünf Jahren; bis heute hat sich das Scheidungsrisiko immer weiter auf das »verflixte« siebte Ehejahr zubewegt. Allerdings besteht das höchste »Scheidungsrisiko« im fünften und sechsten Ehejahr.

Aber auch Ehescheidungen nach einer verhältnismäßig langen Zeit des Zusammenlebens sind keine Einzelfälle. Rund 10 % der im Jahr 2005 geschiedenen Ehen (rund 2 478 Fälle) hatten das Jubiläum der Silberhochzeit bereits hinter sich. Bei 367 Ehepaaren erfolgte die Scheidung im Jahr des 25-jährigen Ehejubiläums. Andererseits gab es 9 Paare, die im Jahr 2005 heirateten und auch geschieden wurden. Die durchschnittliche Ehedauer aller im Jahre 2005 geschiedenen Ehen lag bei 13,4 Jahren und damit um rund ein Jahr höher als 1990.

Nach wie vor beantragen vornehmlich die Ehefrauen ein Scheidungsverfahren. Dies war im vergangenen Jahr bei 57 % der geschiedenen Ehen der Fall. Dabei wurde dieser Antrag jedoch nur in wenigen Fällen ohne Zustimmung des Mannes gestellt, wie umgekehrt auch bei den von Männern eingereichten Scheidungen (37 %) allermeistens die Frau zugestimmt hatte. Lediglich bei knapp 4 % der im Jahr 2005 geschiedenen Ehen hatte der jeweils andere Partner dem Scheidungsantrag nicht zugestimmt. Fast 6 % der Geschiedenen haben das Trennungsverfahren gemeinsam beantragt.

Das Scheidungsschicksal betrifft Frauen und Männer besonders in der Altersphase zwischen 35 und 40 Jahren sowie zwischen 40 und 45 Jahren. Von den im vergangenen Jahr Geschiedenen befanden sich jeweils etwa 43 % in diesen beiden Altersgruppen.

»Bis dass der Tod Euch scheidet«?

Nach wie vor werden die meisten Ehen durch den Tod eines Ehepartners getrennt. Ihre Zahl bewegt sich seit geraumer Zeit in einer Größenordnung von rund 38 000 Verwitwungen pro Jahr. Aber bereits aus früheren Analysen geht hervor, dass die Institution »lebenslange Ehe« offensichtlich an normativer Kraft verliert. Rund 60 % aller Ehelösungen beruhen heute auf Verwitwung der Frau oder des Mannes, die übrigen knapp 40 % auf Ehescheidungen. Um 1980 und auch 1990 noch waren etwa drei Viertel der Ehelösungen auf den Tod eines Ehepartners zurückzuführen und nur ein Viertel auf Ehescheidungen.

Darüber hinaus wird erkennbar, dass bislang mit jedem jüngeren Heiratsjahrgang die Scheidungshäufigkeit ansteigt. Zieht man über die bisherigen Ehejahre gesehen eine (Zwischen-)Bilanz, so wurden vom Heiratsjahrgang 1960 rund 15 % der seinerzeit geschlossenen Ehen geschieden. Für den Heiratsjahrgang 1980 traf dieses Schicksal auf 33 % der Ehepaare zu. Von den Paaren, die 1990 den Bund der Ehe eingingen, war bis zum Jahr 2005 bereits ein Viertel geschieden. Die Prognose für diesen Heiratsjahrgang läuft auf eine Scheidungshäufigkeit von rund 40 % hinaus. Allerdings zeigen die bis heute vorliegenden Daten für noch jüngere Heiratsjahrgänge bisher kaum einen weiteren Anstieg der Scheidungshäufigkeiten.