:: 10/2006

Ende der Rohmülldeponierung – Aktuelle Entwicklungen bei der Entsorgung von Siedlungsabfällen in Baden-Württemberg

Nach Inkrafttreten des Verbots der Rohmülldeponierung zum 1. Juni 2005 sind grundlegende Umstellungen in der Entsorgung von Siedlungsabfällen in Gang gesetzt worden. Die zu beseitigenden Restabfälle aus Haushalten und Gewerbebetrieben müssen seither vor ihrer Ablagerung entweder thermisch oder hinreichend mechanisch-biologisch behandelt werden. Die bereits nach einem Jahr absehbaren Veränderungen beim Siedlungsabfallaufkommen und dessen Entsorgungsstrukturen werden im vorliegenden Beitrag von zwei Seiten beleuchtet. Grundlage dafür ist zum einen die vom Statistischen Landesamt im Auftrag des Umweltministeriums Baden-Württemberg durchgeführte Abfallbilanzerhebung bei den Stadt- und Landkreisen, die Angaben über das Aufkommen an Siedlungsabfällen liefert. Und zum anderen die amtliche Statistik über die Abfallentsorgung, mit der die bei den verschiedenen Entsorgungsanlagen im Land behandelten und entsorgten Mengen dargestellt werden können.

Neues Abfallzeitalter durch Ende der Rohmülldeponierung

Seit dem 1. Juni 2005 gilt das Ablagerungsverbot für nicht vorbehandelte Siedlungsabfälle. Damit ist eine grundsätzliche Umkehr in der Abfallentsorgung vollzogen. Vor ihrer Ablagerung auf Deponien müssen seither zu beseitigende Restabfälle aus Haushalten und Gewerbebetrieben verbrannt oder hinreichend mechanisch-biologisch vorbehandelt werden. Das jetzt wirksame Ende der Rohmülldeponierung bringt – nach bereits in der langen Vorlaufzeit ausgelösten vielfältigen Veränderungen – weitere gravierende Umstellungen bei der Entsorgung sowohl häuslicher als auch gewerblicher Abfälle mit sich.

Welche Konsequenzen hat das seit 1. Juni 2005 bundesweit wirksame Verbot der Rohmülldeponierung auf die Entsorgung häuslicher und gewerblicher Restabfälle? Diese Frage kann anhand der für Baden-Württemberg jetzt verfügbaren ersten Daten aus zwei abfallstatistischen Erhebungen zum Berichtsjahr 2005 von zwei Seiten beleuchtet werden: Zum einen aus der Sicht der öffentlich-rechtlichen Entsorgungs-träger (örE); hier liefern die jährlich durch die Stadt- und Landkreise erstellten Abfallbilanzen Angaben über die den örE überlassenen Abfallmengen. Zum anderen aus der Sicht der im Land durch private und öffentliche Unternehmen betriebenen Anlagen: Hier lassen die bei den verschiedenen Anlagearten angelieferten bzw. behandelten Mengen erste Aussagen über veränderte Entsorgungsstrukturen für Siedlungsabfälle zu.

Weiterer Rückgang der Mengen in der öffentlich-rechtlichen Entsorgung

Die insgesamt den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern im Land zur Entsorgung überlassenen Mengen an Restabfällen (zu beseitigenden Siedlungsabfällen) gingen 2005 weiter zurück. Dies gilt vor allem für die haus-müllähnlichen Gewerbeabfälle. Auch die Menge an Haus- und Sperrmüll1, ist weiter rückläufig.

Die 2005 insgesamt im Land erfasste Menge an Hausmüll summierte sich auf 1,33 Mill. Tonnen, 1 % weniger als im Jahr 2004. Hauptgrund dafür ist die weiter forcierte getrennte Erfassung von Wertstoffen und Bioabfällen aus Haushalten. Die gesondert erfasste Sperrmüllmenge lag 2005 mit 236 000 Tonnen um gut 9 % niedriger als im Vorjahr. Und die den örE im Land getrennt überlassene Menge an haus-müllähnlichen Gewerbeabfällen einschließlich Baustellenabfällen hat 2005 sogar um mehr als 11 % auf rund 372 000 Tonnen abgenommen. Ihre Entsorgung erfolgt offenbar auch nach dem 1. Juni 2005, sogar in weiter zunehmendem Maße, außerhalb der öffentlich-rechtlichen Entsorgung.

Regional unterschiedliche Entwicklung der überlassenen Gewerbeabfallmenge

Vor allem bei den Gewerbeabfällen zeigt sich in den Kreisen ein durchaus differenziertes Bild. Es besteht offenbar bei der Entwicklung der den örE überlassenen Gewerbeabfallmengen auch ein Zusammenhang mit den durch die Stadt- und Landkreise erhobenen Gewerbeabfallgebühren (Baustellenabfallgebühren). In einer Reihe von Landkreisen wurde die Gwerbeabfallgebühr 2005 kräftig angehoben; dort ist ein teils starker Rückgang der in 2005 überlassenen Gewerbeabfallmenge gegenüber 2004 zu verzeichnen. In einzelnen Kreisen wurde die Annahme von Gewerbeabfällen praktisch völlig gestoppt. Insgesamt war in exakt der Hälfte der 44 Stadt- und Landkreise im Land die den örE überlassene Menge an Gewerbeabfällen im Jahr 2005 kleiner als die Menge von 2004. Für die andere Hälfte der Kreise ist eine Zunahme – wenn auch überwiegend in relativ geringem Umfang – festzustellen. In diesen Kreisen mit größerer überlassener Menge wurde in der Regel die erhobene Gewerbeabfallgebühr 2005 gesenkt oder auf vergleichsweise niedrigem Niveau gehalten. Besondere Umstände, zum Beispiel die Inbetriebnahme der Abfallverbrennungsanlage im Breisgau (Eschbach), dürften erklären, dass in einzelnen Kreisen trotz höherer oder konstant hoher Gebühren die überlassene Gewerbeabfallmenge im Jahr 2005 zugenommen hat.

Insgesamt setzt sich die bereits seit Beginn der 90er-Jahre beobachtete Tendenz zur Entsorgung hausmüllähnlicher Gewerbeabfälle außerhalb des Zuständigkeitsbereiches der örE über private Unternehmen weiter fort. Die sich anschließende Frage, welche Veränderungen hinsichtlich der Gewerbeabfallentsorgung in der privaten Entsorgungswirtschaft durch das bundesweite Ablagerungsverbot eingeleitet bzw. bereits realisiert wurden, kann anhand der Angaben über die bei den verschiedenen Anlagen im Land angelieferten und behandelten Abfallmengen untersucht werden. Auch dort sind deutliche Tendenzen sichtbar.

Erwarteter Rückgang der Deponierung …

Die im Jahr 2005 auf ehemaligen Hausmülldeponien im Land (Deponien der Klasse 2 nach Abfallablagerungsverordnung) abgelagerten Mengen an Siedlungsabfällen sowie an Rückständen aus Abfallbehandlungsanlagen sind auf weniger als die Hälfte der Vorjahresmengen zurückgegangen. In den ersten fünf Monaten des Jahres 2005 wurden erwartungsgemäß zur möglichst weit gehenden Ausschöpfung verfügbarer Ablagerungskapazitäten, nicht zuletzt aus ökonomischen Gründen, gemessen an den Vorjahren insgesamt etwas überdurchschnittlich große Mengen an Siedlungsabfällen abgelagert. Dies, obwohl das den örE angediente Aufkommen an Haus- und Sperrmüll sowie Gewerbeabfällen in 2005 um rund 4 % niedriger lag als 2004.

… aber deutlich geringere Zunahme der Verbrennung von Siedlungsabfällen

Im Gegenzug zum Ende der Rohmülldeponierung ab Juni 2005 haben die in Abfallverbrennungsanlagen thermisch sowie die in mechanisch-biologischen Anlagen entsprechend behandelten Mengen zugenommen. Jedoch hat diese Steigerung bei weitem nicht den Umfang der verringerten Deponierung. Deutlich angestiegen ist nur die Summe der thermisch und mechanisch-biologisch behandelten Hausmüllmenge. Doch auch beim Hausmüll stehen einem Rückgang der Deponierung im Land um 340 000 Tonnen lediglich 150 000 Tonnen zusätzlich thermisch behandelte und 64 000 Tonnen zusätzlich mechanisch-biologisch behandelte Hausmüllmengen, in der Summe zusätzliche 214 000 Tonnen, gegenüber. Der Vergleich mit den Abfallbilanzen der Stadt- und Landkreise lässt darauf schließen, dass ein gegenüber dem Vorjahr deutlich erhöhter Teil des Hausmülls aus Baden-Württemberg in Anlagen außerhalb des Landes überwiegend thermisch behandelt wurde.

Noch deutlicher ist die Diskrepanz bei den Gewerbeabfällen und dem Sperrmüll. Einem Rückgang der deponierten Mengen an hausmüllähnlichen Gewerbeabfällen und Sperrmüll stehen auch bedingt durch zumindest vorübergehende Kapazitätsengpässe keine entsprechenden Steigerungen bei den Abfallverbrennungsanlagen bzw. mechanisch-bio-logischen Anlagen gegenüber. Die im Land thermisch behandelte Menge an Sperrmüll ist sogar zurückgegangen und die in Abfallverbrennungsanlagen entsorgte Menge hausmüllähnlicher Gewerbeabfälle blieb etwa auf dem Niveau von 2004. Auch hier deutet der Vergleich mit dem Aufkommen in den Abfallbilanzen der Stadt- und Landkreise darauf hin, dass ähnlich wie beim Hausmüll ein erhöhter Teil der den örE überlassenen Mengen an Sperrmüll und hausmüllähnlichen Gewerbeabfällen in Anlagen außerhalb des Landes thermisch behandelt wurde.

Zunehmende Sortierung und Vorbehandlung von Gewerbeabfällen

Das Ende der Rohmülldeponierung findet, bezogen auf die hausmüllähnlichen Gewerbeabfälle, kaum einen direkten Niederschlag bei den in Abfallverbrennungsanlagen im Land entsorgten Mengen. Die Entsorgung der Gewerbeabfälle erfolgt offenbar in weiter verstärktem Umfang zunächst über Sortier-, Stoff-strom- und andere vergleichbare Vorbehandlungsanlagen. Tatsächlich hat die 2005 an Sortieranlagen angelieferte Menge hausmüllähnlicher Gewerbeabfälle und anderer gemischter Siedlungsabfälle gegenüber 2004 um fast 130 000 Tonnen zugenommen. Außerdem entstanden offenbar durch die insgesamt steigenden Entsorgungspreise zusätzliche Anreize für die Gewerbebetriebe, ihre Abfälle vorzusortieren. Deutliches Indiz dafür ist auch, dass die insgesamt an Sortieranlagen im Land angelieferte Menge einschließlich vorsortierter Abfälle sogar um rund 240 000 Tonnen angestiegen ist. Hinzu kommt, dass die gewerbliche Entsorgung überregional organisiert ist, wenngleich Angaben darüber, welche Mengen an Sortier- oder Stoffstromanlagen außerhalb des Landes gingen, nicht vorliegen.

50 % mehr Abfälle in Feuerungsanlagen thermisch verwertet

Das Ablagerungsverbot für Rohmüll führt dazu, dass hausmüllähnliche Gewerbeabfälle, wie auch Sperrmüll, verstärkt mehrstufig über Vorbehandlungsanlagen entsorgt werden. Die intensivierte Trennung von Materialien in den Gewerbebetrieben, die zentrale Sortierung oder anderweitige Behandlung in Stoffstromanlagen bis hin zur Erzeugung von Ersatzbrennstoffen wird vor allem auch in der Entwicklung der insgesamt 2005 in Abfallverbrennungsanlagen in Baden-Württemberg behandelten sowie in Feuerungsanlagen im Land thermisch verwerteten Mengen sichtbar. So wurde die Menge der in Abfallverbrennungsanlagen behandelten Rückstände aus Abfallbehandlungsanlagen gegenüber 2004 auf jetzt 225 000 Tonnen mehr als verdoppelt. Hauptgrund sind zusätzliche rund 100 000 Tonnen an Rückständen überwiegend aus der mechanischen Abfallbehandlung. Noch deutlicher als bei den Abfallverbrennungsanlagen ist diese Entwicklung hin zur mehrstufigen Abfallbehandlung an den in Feuerungsanlagen im Land verwerteten Mengen abzulesen. Die im Land auf diese Weise thermisch verwertete Abfallmenge ist 2005 um fast 50 % auf nahezu 1 Mill. Tonnen angestiegen. Der Hauptteil der zusätzlich verbrannten Menge von 320 000 Tonnen waren Rückstände aus Abfallbehandlungsanlagen.

Zusammenfassung und Ausblick

Das den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern zur Beseitigung überlassene Restabfallaufkommen ist nach dem 1. Juni 2005, dem Ende der Rohmülldeponierung, weiter rückläufig. Die zu beseitigende Menge an Haus- und Sperrmüll wurde infolge forcierter getrennter Erfassung und Verwertung von Wertstoffen und Bioabfällen aus Haushalten weiter verringert. In fast allen Kreisen übertraf 2005 die verwertete Teilmenge häuslicher Abfälle die Menge der beseitigten Restabfälle. Bei den hausmüllähnlichen Gewerbeabfällen hat die den örE überlassene Menge vor allem deshalb weiter abgenommen, da sich, auch wegen erhöhter Gebühren für Gewerbeabfälle bei den örE, die Verlagerung der Entsorgung hin zur Verwertung über private Entsorger noch verstärkt fortsetzte.

Die Entsorgungsstruktur, dargestellt an den behandelten Abfallmengen gegliedert nach Anlagetypen, zeigt eine gravierende Verschiebung zugunsten der Sortierung und anderweitigen mechanischen Behandlung. Auch die stärkere Vorsortierung in den Gewerbebetrieben hat dazu beigetragen. Als weitere Folge davon hat vor allem auch die in Feuerungsanlagen des Landes durch Mitverbrennung verwertete Abfallmenge deutlich zugenommen. In diesem Bereich wird offenbar eine weitere Ausweitung angestrebt.

1 Umfasst in regional unterschiedlichem Umfang nicht getrennt ausweisbare Mengen hausmüllähnlicher Gewerbeabfälle, so genannten Geschäftsmüll.