:: 12/2006

Frühe Elternschaft und Ausbildung – ein unlösbares Problem?

Während »Elternschaft und Erwerbstätigkeit« derzeit ein viel diskutiertes Thema ist und hier durch familienfreundliche Maßnahmen wie Teilzeitarbeit, flexible Arbeitszeiten und Telearbeitsplätze einiges in Bewegung gekommen ist, führt das Thema »Elternschaft und Ausbildung« ein Schattendasein. Dennoch gibt es einen nicht unerheblichen Anteil junger Frauen, die relativ früh Kinder bekommen. Die Vereinbarkeit von früher Elternschaft und beruflicher Qualifizierung gestaltet sich jedoch häufig schwierig.

Unterschiedliche Lebensentwürfe in Ost und West

In Baden-Württemberg wurden im Jahr 2005 insgesamt 15 386 Geburten registriert, bei denen das Alter der Mutter unter 25 Jahren lag (16,3 % bezogen auf alle Geburten im Jahr 2005). Ein Vergleich der 16 deutschen Bundesländer zeigt, dass der Anteil der Neugeborenen mit Müttern unter 25 Jahren an allen Neugeborenen regional unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Während er in Bayern im Jahr 2004 am niedrigsten war und bei gut 15 % lag, hatten in Sachsen-Anhalt im selben Jahr fast ein Drittel aller Lebendgeborenen Mütter, die unter 25 Jahre alt waren (31,8 %).

Frühe Mutterschaften kommen in den neuen Bundesländern häufiger vor als im Westen Deutschlands. Dies hat unter anderem damit zu tun, dass sich die Lebensentwürfe junger Erwachsener in Ost und West nach wie vor unterscheiden. Eine aktuelle Studie des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung bestätigt diese These auf der Basis von 150 Interviews mit jungen Erwachsenen in Ost und West. Im Rahmen dieser Studie zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen den alten und den neuen Bundesländern in Bezug auf die Vorstellungen zum Zusammenhang von beruflicher Entwicklung und Familienplanung. Während sich bei jungen Menschen in Westdeutschland ein Kinderwunsch erst an die erfolgreiche berufliche Etablierung anschließt, ist es für viele junge Menschen in Ostdeutschland nicht zwingend notwendig, vor der Familiengründung einen hohen beruflichen und materiellen Status erreicht zu haben. Die Unterschiede, die sich im Rahmen der Befragung zeigten, waren so deutlich, dass die Forscher von unterschiedlichen kulturellen Leitbildern sprechen: Dem sequenziellen Modell der Familienplanung im Westen steht das parallele Modell im Osten gegenüber.1

Ausbildung und Kinder in Deutschland schwer vereinbar

Junge Frauen, die zu einem frühen Zeitpunkt Mutter werden, befinden sich häufig noch in der beruflichen Ausbildung. Die Situation junger Frauen, die vor oder während der Ausbildung ein Kind bekommen, ist häufig durch eine schwierige finanzielle Lage, Berufs- und Arbeitslosigkeit geprägt. Versuche Schulabschlüsse nachzuholen, eine Ausbildung zu beenden oder Arbeit zu finden sind oft nur kurzfristig erfolgreich.2

Im Jahr 2004 standen in Deutschland 1 584 200 Jugendliche in einem Ausbildungsverhältnis. 60 400 Auszubildende lebten mit mindestens einem minderjährigen Kind in einer Lebensgemeinschaft (3,8 % aller Auszubildenden).3 Junge Frauen in Ausbildung lebten erwartungsgemäß häufiger mit mindestens einem Kind zusammen als junge Männer. Während bei den jungen Frauen der Anteil der Auszubildenden mit mindestens einem Kind an allen weiblichen Auszubildenden bei 5,9 % lag, waren es bei den jungen Männern nur 2,1 %. Interessant ist auch die Altersstruktur: Der Anteil der Auszubildenden im Alter von 25 Jahren oder älter an allen Auszubildenden lag im Jahr 2004 bei 7,5 %. Unter den Auszubildenden mit Kindern war diese Altersgruppe jedoch überproportional häufig vertreten. 60 % der Auszubildenden, die im Jahr 2004 mit Kindern in einer Lebensgemeinschaft lebten, waren 25 Jahre oder älter. Dies könnte darauf hindeuten, dass viele dieser Auszubildenden ihre Ausbildung aufgrund ihrer Elternschaft zu einem späteren Zeitpunkt beginnen oder fortsetzen.

Ein Blick auf Auszubildende mit Kindern zeigt, dass sich die Situation junger Mütter in Ausbildung deutlich von der ihrer männlichen Altersgenossen mit Kindern unterscheidet. Bei den weiblichen Auszubildenden mit Kindern lag der Anteil der Alleinerziehenden bei gut 40 %. Ebenfalls gut 40 % der jungen Mütter lebten in einer Ehe, der Rest in nicht ehelicher Lebensgemeinschaft. Bei den jungen Vätern war der Anteil der Alleinerziehenden verschwindend gering. Fast zwei Drittel der jungen Männer, die mit mindestens einem minderjährigen Kind zusammenlebten, waren verheiratet, wobei der Großteil dieser Gruppe 25 Jahre oder älter war. Knapp ein Drittel der männlichen Auszubildenden mit Kindern lebte in einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft.

Unabhängig von der Lebensform birgt die Gleichzeitigkeit von Ausbildung und Elternschaft unter den bestehenden Rahmenbedingungen nicht unerhebliche Risiken im Hinblick auf das Gelingen der Partnerschaft, das Aufwachsen der Kinder und auf den Erwerb beruflicher Qualifikationen. Häufig führt eine Schwangerschaft in der Ausbildungsphase zum vorzeitigen Abbruch der Ausbildung.4 Dies wiederum erhöht das Risiko späterer Erwerbslosigkeit deutlich.

So hatten deutlich mehr Erwerbslose als Erwerbstätige im März 2004 keine Berufsausbildung. Während der Anteil der Erwerbslosen ohne beruflichen bzw. Hochschulabschluss in Baden-Württemberg bei 38 % lag, waren es nur 19 % der Erwerbstätigen, die über keinen beruflichen oder Hochschulabschluss verfügten.5

Doch Lernen und Familie gründen schließen sich nicht grundsätzlich aus. Laut einer internationalen Studie6, die den Zusammenhang zwischen der Bildungsbeteiligung von Frauen und dem Übergang zur Mutterschaft in Westeuropa vergleicht, kann es durchaus gelingen, Ausbildung und Elternschaft zu verbinden.

Berufsausbildung und Elternschaft im internationalen Vergleich

In Deutschland (West), Österreich, Frankreich und Belgien (Flandern) ist die Neigung junger Mütter die begonnene Ausbildung abzubrechen, verglichen mit kinderlosen Frauen, stärker ausgeprägt als in anderen Staaten Nord- und Südeuropas. Die Balance zwischen Ausbildung und Familie gelingt laut dieser Studie jungen Frauen in Ländern wie Norwegen, Finnland und Schweden und auch in südeuropäischen Ländern (Italien und Spanien) eher als bei uns in Deutschland. Wie ist das zu erklären?

Der internationale Vergleich zeigt, dass ein gemeinsames Merkmal der nordischen und südeuropäischen Staaten, in denen junge Mütter weniger häufig ihre Ausbildung abbrechen, die Möglichkeit einer Verlängerung der Ausbildungsdauer ist. Die Flexibilität des Bildungssystems und bedarfsgerechte Angebote zur Kinderbetreuung ermöglichen es jungen Frauen, ihre Ausbildung trotz Kind abzuschließen. Vor allem in den südeuropäischen Ländern Spanien und Italien erfahren die jungen Frauen darüber hinaus eine ausgeprägte Unterstützung durch Eltern oder sonstige Verwandte. In konservativen Wohlfahrtsstaaten7, in denen junge Mütter eher dazu tendieren eine Ausbildung nicht zu beenden, ist die Vereinbarkeit von Berufsausbildung und Mutterschaft häufig durch ein weniger flexibles Ausbildungssystem erschwert. So orientiert sich unser System der dualen Ausbildung am Vollzeitprinzip, eine Verkürzung oder Verlängerung der Ausbildungszeiten ist nur in Ausnahmefällen möglich. Die Modifizierung des Vollzeitprinzips, die Anerkennung von Qualifikationen, die durch Familientätigkeit erworben werden und eine Modularisierung der Ausbildung könnten dazu beitragen, dass sich auch in Deutschland Elternschaft und Ausbildung besser vereinbaren lassen.

Elternschaft und berufliche Qualifizierung als Herausforderung für die Zukunft

Obwohl es mittlerweile erfolgreiche Modellprojekte und Angebote zur Teilzeitausbildung gibt (vgl. i-Punkt), sind in Deutschland Ausbildung und Elternschaft immer noch schwer zu vereinbaren. Die institutionellen Rahmenbedingungen forcieren derzeit ein Phasenmodell der Lebensplanung, das eine Familiengründung erst nach Abschluss der Ausbildung oder des Studiums vorsieht. Zumindest im Westen Deutschlands ist dieses Modell auch weit verbreitet. Es stellt sich jedoch die Frage, wie tragfähig dieses Modell zukünftig noch sein wird, denn zunehmend international ausgerichtete Arbeitsmärkte bringen sich schnell ändernde Qualifikationsanforderungen mit sich. Dadurch werden individuelle Ausbildungs- und Erwerbstätigen-Biografien zukünftig stärker durch lebenslanges Lernen und berufliche Umorientierung geprägt sein. Insofern ist die Vereinbarkeit von Elternschaft mit beruflicher Qualifizierung in allen Phasen des Lebenslaufs ein Thema der Zukunft.

1 Max-Planck-Institut für demografische Forschung (Hrsg.): Zwei deutsche Ansichten über Kinder und Karriere, Demografische Forschung aus erster Hand, Jahrgang 3, Nr. 3, 2006, S. 1–2.

2 Puhlmann, Angelika: »Berufsausbildung junger Mütter – junge Mütter in der Berufsausbildung: Probleme und Lösungsansätze«, in: Informationen für die Beratungs- und Vermittlungsarbeit der Bundesanstalt für Arbeit 2, 2002, S. 79–83.

3 Hier wurden nur Lebensgemeinschaften gezählt, in denen die Auszubildenden selbst oder ihre Lebenspartner als Bezugsperson angegeben wurden.

4 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.): Elternschaft und Ausbildung – Kurzfassung eines Gutachtens des Wissenschaftlichen Beirats für Familienfragen beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Berlin 2004, S. 10.

5 Vgl. hierzu auch: Schmidt, Sabine: Bildung schützt vor Erwerbslosigkeit, in: Statistisches Monatsheft 7/2005, S. 14–17.

6 Billari, Francesco C. and Philipov, Dimiter: Education and the transition to motherhood: a comperative analysis of Western Europe, Vienna Institute of Demography, Vienna 2004 (www.oeaw.ac.at/vid/download/edrp_3_04.pdf).

7 In der Studie werden folgenden Wohlfahrtsstaatstypen unterschieden: Universalistischer Wohlfahrtsstaat (Finnland, Norwegen, Schweden), Konservativer Wohlfahrtsstaat (Österreich, Belgien (Flandern), Frankreich, Deutschland (West)), Liberaler Wohlfahrtsstaat (Schweiz), Südeuropäischer Wohlfahrtsstaat (Griechenland, Italien, Spanien).