:: 12/2006

Jedem Haushalt eine Wohnung!

Zur Entwicklung des Wohnungsbestandes in Baden-Württemberg

In Baden-Württemberg gab es Ende 2005 fast 4,88 Mill. Wohnungen. Dieses und weitere Fortschreibungsergebnisse basieren auf der Gebäude- und Wohnungszählung1 und den zur Fortschreibung herangezogenen Daten der Baufertigstellungs- und Abgangsstatistik. Der Wohnungsbestand hat seit den letzten Zählungsergebnissen für 1986 kontinuierlich um insgesamt rund 1,06 Mill. Wohnungen zugenommen. Das entspricht etwa 28 %. Demgegenüber steht im gleichen Zeitraum ein Bevölkerungszuwachs um rund 15 %.

Auf dem Wohnungsmarkt wirksam wird jedoch primär der Bedarf des Haushalts als Ganzes. Die Haushaltszahl stieg seit 1986 wegen der kleiner gewordenen Haushalte aber deutlich stärker als die Bevölkerungszahlen, nämlich um gut 23 %. Dennoch besagen bereits diese wenigen Eckzahlen, dass sich die durchschnittliche Versorgung der Bevölkerung und der Haushalte mit Wohnraum in den letzten rund 20 Jahren merklich verbessert hat.

Wohnungen entstanden vor allem in Mehrfamilienhäusern

In den vergangen zwei Jahrzehnten konzentrierte sich der Wohnungsbau überwiegend auf Mehrfamilienhäuser. Von den neu hinzugekommenen Wohnungen entstanden

in Mehrfamilienhäusern257 %
in Einfamilienhäusern23 %
in Zweifamilienhäusern18 %
in Nichtwohngebäuden32 %

Als Folge dieses Bauverhaltens sind leichte Strukturveränderungen im Wohngebäudebestand zugunsten von Mehrfamiliengebäuden erkennbar. Evidenter ist die Verschiebung in der Verteilung des Wohnungsbestands auf die Gebäudetypen. Nicht ganz die Hälfte der Wohnungen in Wohngebäuden befand sich 2005 in Mehrfamilienhäusern. Das sind 2,6 Prozentpunkte mehr als noch 1986. Diesem Zugewinn der Mehrfamilienhäuser stehen in etwa gleiche Anteilseinbußen bei Ein- und Zweifamilienhäusern gegenüber. Gut 23 % des Wohnungsbestands 2005 waren Wohnungen in Zweifamilienhäusern und bei 27,5 % der Wohnungen handelte es sich um Einfamilienhäuser.4

Mehr kleine und mehr besonders große Wohnungen

Die Vergrößerung des Gesamtbestands im Zeitraum von 1986 bis 2005 war einerseits durch überproportionalen Zuwachs bei eher kleineren Wohnungen und andererseits bei sehr großen Wohnungen geprägt. So haben Ein- bzw. Zweiraumwohnungen mit gut 41 % ganz besonders stark zugelegt und der Bestandszuwachs bei Wohnungen mit 6 und mehr Räumen betrug immerhin knapp 34 %. Auch Wohnungen mit 3 Räumen nahmen mit 31 % noch etwas überproportional zu. Nur die Bestandsentwicklung bei Wohnungen mit 4 bzw. 5 Räumen blieb mit 21 bzw. 24 % hinter der Gesamtentwicklung zurück. Vor allem kleinere Wohnungen entstehen vorrangig in Mehrfamilienhäusern. Angesichts der Bestandsveränderungen überrascht es daher nicht, dass, wie oben beschrieben, die Mehrfamiliengebäude gegenüber 1986 einen größeren Anteil am Gesamtbestand einnehmen.

Trotz der zum Teil nicht unbeachtlichen Veränderungsraten gehen Verschiebungen der Bestandsstrukturen nur schleichend vonstatten. Etwa die Hälfte des gesamten Wohnungsbestands machten 2005 die Wohnungen mit 4 bzw. 5 Räumen aus. Deren Anteil am Wohnungsbestand 1986 betrug etwa 2 Prozentpunkte mehr. Circa ein Viertel des Gesamtbestands – und damit um 1 Prozentpunkt mehr als 1986 – nahmen Ende letzten Jahres sowohl die Wohnungen mit bis zu 3 Räumen als auch die besonders großen Wohnungen mit 6 und mehr Räumen ein.

Wohnraumgewinn für den Einzelnen

Weitreichendere Aussagen zur Entwicklung der Wohnungsversorgung lassen sich nun unter Hinzuziehung von Bevölkerungsdaten treffen. So wurden Ende 1986 je 1 000 Einwohner 409 Wohnungen gezählt; die Fortschreibungsergebnisse für Ende 2005 belegen 454 Wohnungen je 1 000 Einwohner. Die durchschnittliche Versorgung des Einzelnen hat sich demnach erhöht.

Das Verhältnis zwischen Wohnungsbestand und Bevölkerungszahl findet auch in der umgekehrten Darstellung nämlich der Einwohnerzahl je Wohnung seinen Ausdruck. Diese sogenannte Belegungsdichte sinkt kontinuierlich. Ende 2005 kamen rein rechnerisch 220 Einwohner auf 100 Wohnungen, vor zwei Jahrzehnten noch gut 240. Parallel zur sinkenden Belegungsdichte stieg die Wohnfläche je Wohnung. Gut 91 m2 hat die Durchschnittswohnung des Jahres 2005, das sind 2,5 m2 mehr als 1986. Auf den einzelnen Bewohner entfielen 2005 folglich 41,5 m2 Wohnfläche, gut 5 m2 mehr als noch vor 19 Jahren. Der Wohnflächenzugewinn schlug sich im Mittel jedoch nicht in mehr Räumen je Wohnung nieder. Wie schon 1986 umfasste die Durchschnittswohnung (einschließlich Küchen) auch im Jahr 2005 etwa 4,5 Räume. Allerdings teilen sich nun ja weniger Einwohner diese Räume.

Der Versorgungsgrad: Eine einfache Rechnung!?

Jedem Haushalt eine Wohnung, so lautet das allgemein anerkannte Ziel. Für die Beurteilung, inwieweit dieser normative Anspruch erfüllt ist, sind also neben den Wohnungsbeständen auch Haushaltsdaten erforderlich. Die Ermittlung der für die Bilanzierung tatsächlich relevanten Haushaltszahlen ist jedoch nicht ganz so einfach, wie es zunächst erscheint. Nur bei Totalerhebungen wird die Zahl der Haushalte intensiv bis auf die Gemeindeebene erfasst. Darüber hinaus sind jährlich nur die mittels Mikrozensusstichprobe hochgerechneten Haushaltszahlen verfügbar.

Aber auch die Daten zum Wohnungsbestand sind mit Fragezeichen behaftet, denn deren Genauigkeit ist in jedem Fall abhängig von der erreichten Erfassungsquote bei Bestandszu- und -abgängen. Neben diesen grundsätzlichen Erhebungsproblemen gibt es weitere Unebenheiten. So liegen zum Beispiel die aus dem Mikrozensus verfügbaren Haushaltszahlen nicht zum Jahresende vor, während der Wohnungsbestand zum Jahresende ermittelt wird.

Sieht man zunächst von diesen und auch weiteren Ungenauigkeiten ab, standen bei einfacher Gegenüberstellung der Wohnungsbestands- und Haushaltszahlen 1986 für je 100 Haushalte nur rund 96 Wohnungen zur Verfügung. Die so berechnete Versorgungssituation verschlechterte sich durch die starke Zuwanderung nach dem Zusammenbruch des Ostblocks bis auf 92 Wohnungen je 100 Haushalte in den Jahren 1991 bis 1993. Danach ging es kontinuierlich bergauf, bis man mit dieser einfachen Rechnung für das Jahr 2005 sogar zu dem gewünschten Versorgungsgrad von nahezu Eins gelangte. 100 Haushalten stünden danach 100 Wohnungen zur Verfügung. Damit sind jedoch wesentliche Aspekte der Wohnungsnachfrage noch nicht berücksichtigt.

Am Wohnungsmarkt stehen den Nachfragern nicht jederzeit alle Wohnungen als Angebot zur Verfügung. Zentral ist wenigstens die Berücksichtigung einer sogenannten Fluktuationsreserve zur Bewältigung von Umzügen und Renovierungen. Die Unerlässlichkeit einer solchen Reserve für einen gut funktionsfähigen Wohnungsmarkt ist allgemein anerkannt. Wie hoch diese anzusetzen ist, darüber gehen die Einschätzungen aber auseinander. Gemeinhin werden Werte zwischen einem und 6 % des Wohnungsbestands als angemessen erachtet. Neben der Fluktuationsreserve spielen noch weitere Gesichtspunkte für die Ermittlung des tatsächlichen Wohnungsbedarfs eine Rolle, die jedoch aufgrund der statistischen Möglichkeiten in der Regel außen vor bleiben. Beispielsweise ist Obdachlosigkeit in den Haushaltszahlen ebenso wenig berücksichtigt, wie die Daten zum Wohnungsbestand Auskunft über die Bewohnbarkeit der Wohnungen geben. Auch ist schwer zu erfassen, welcher Anteil der Haushalte keinen eigenen Wohnungsbedarf hat, wovon zum Beispiel bei einem Teil der Untermieterhaushalte ausgegangen werden muss.

Der Versorgungsgrad: Eine weniger einfache Rechnung!

Bereits bei der ersten Wohnungsbedarfsprognose für Baden-Württemberg hat das Statistische Landesamt diese Aspekte soweit möglich und methodisch sinnvoll quantifiziert und in die Berechnung des Versorgungsgrads einbezogen.5 So wird langfristig von einem mittleren Wert für den Mobilitätspuffer des Wohnungsmarktes ausgegangen, nämlich von 2,5 %. Da die Haushalte im Mikrozensus zudem nicht zum Jahresende vorliegen, wird der mittlere Bestandswert der Jahre 2004 und 2005 angesetzt. Auf dieser Basis bleiben für das Jahr 2005 rund 4,74 Mill. Wohnungen als berücksichtigungsfähiger Bestand übrig (gegenüber nicht ganz 4,88 Mill. laut Bestandsfortschreibung). Ebenso sollen bei der Bilanzierung der Wohnungsversorgung Untermieterhaushalte ohne Wohnungsbedarf sowie Haushalte in Wohnheimen nicht als Bedarfsträger betrachtet werden. Von den ursprünglich gut 4,88 Mill. Mikrozensushaushalten verbleiben so nur annähernd 4,71 Mill. Haushalte mit Wohnungsbedarf. Danach gibt es im Land Baden-Württemberg weniger Haushalte mit Wohnungsbedarf als verfügbare Wohnungen, und die rechnerische Überversorgung liegt bei 33 200 Wohnungen.

Die im vorangegangenen Abschnitt durchgeführte »einfache Rechnung« in Form eines reinen Haushalts- und Wohnungsbestandsvergleichs führte zu einem Verhältnis von knapp Eins zu Eins. Die normative Vorgabe »Jedem Haushalt eine Wohnung« erscheint so gut wie erfüllt. Die jetzt differenziertere Berechnung ergibt für das Land sogar eine leichte Übererfüllung des Solls. Danach stehen je 100 Haushalten mit Wohnungsbedarf in 2005 100,7 Wohnungen zur Verfügung, womit das Verhältnis bei gut Eins zu Eins liegt. So berechnet war auch Mitte der 80er-Jahre in Baden-Württemberg erstmals in der Nachkriegszeit das Wohnungsdefizit – zumindest rein rechnerisch – bereits behoben. Die erheblichen Zuwanderungen aus Osteuropa zu Beginn der 90er-Jahre führten zu neuerlichen Defiziten. 1992 hatte sich ein landesweites Defizit von rund 300 000 Wohnungen aufgebaut. Noch 2002 wurde für Baden-Württemberg ein – wenn auch geringes – Wohnungsdefizit von 9 100 Wohnungen konstatiert.6 Auch dieses ist, sofern man nur das Land als Ganzes im Auge hat, überwunden. Bei einer Glättung der Daten mittels gleitender Dreijahresdurchschnitte kann die Unterversorgung der 90er-Jahre sogar bereits seit Beginn dieses Jahrtausends als behoben gelten.

Regionale Ungleichgewichte bleiben bestehen

Der größte Teil der seit 1986 neu zum Bestand hinzugekommenen Wohnungen entstand in Mehrfamilienhäusern. Konform zu den kleiner gewordenen Haushalten entstanden zu einem erheblichen Anteil kleinere Wohnungen. In den betrachteten knapp 20 Jahren hat sich die Relation zwischen Wohnungen und Bevölkerungszahl deutlich verbessert. Weniger Menschen müssen sich eine Wohnung teilen und sie haben gleichzeitig mehr Wohnfläche zur Verfügung. Rein rechnerisch hat jeder Haushalt im Land eine Wohnung zur Verfügung und darüber hinaus besteht noch eine Reserve. Die Bilanz für das Land ist also auf den ersten Blick sehr positiv, die Engpässe der 90er-Jahre scheinen behoben. Wesentliche Fragen bleiben bei dieser Eckzahlenanalyse jedoch unbeantwortet.

Entsprechen die vorhandenen Wohnungen dem Bedarf der Haushalte, zum Beispiel hinsichtlich ihrer Lage und Größe? Bei regionaler Betrachtung bleiben auch im Jahr 2005 Defizite bestehen, die lediglich von den Überschüssen in anderen Landesteilen überkompensiert werden. Die Überversorgung relativiert sich damit deutlich. Insbesondere in Groß- und Universitätsstädten muss von weiter bestehenden Engpässen ausgegangen werden.

Tiefer gehende Ergebnisse wird die für Mitte nächsten Jahres geplante aktualisierte Wohnungsbedarfsprognose für Baden-Württemberg liefern. Den Untersuchungen liegt ferner ein rein quantitatives Konzept zugrunde. Qualitative Aspekte bleiben völlig außen vor. Beispielsweise fehlen Aussagen zur Wohnqualität oder der Bezahlbarkeit des Wohnraums, sodass für eine umfassende Beurteilung der Wohnraumversorgung deutlich weiter reichende Untersuchungen erforderlich wären. Mit dem Wohnungsplus in 2005 sind in jedem Fall regionale, strukturelle und wahrscheinlich auch sektorale Ungleichgewichte verbunden.

1 Die letzte Gebäude- und Wohnungszählung fand im Mai 1987 statt. Bei den Ergebnissen zum Jahresende 1986 handelt es sich um zurückgerechnete Zählungsergebnisse.

2 Wohngebäude mit 3 und mehr Wohnungen.

3 Das sind Gebäude, die nicht überwiegend Wohnzwecken dienen.

4 Diese Gesamtbilanz mag angesichts der seit Mitte der 90er-Jahre rückläufigen Fertigstellungzahlen bei Wohnungen in Mehrfamilienhäusern und den gestiegenen Fertigstellungen bei Einfamilienhäusern überraschen. Trotzdem entfiel fast im gesamten betrachteten Zeitraum jeweils der größte Anteil der jährlichen Bestandszuwächse auf Wohnungen in Mehrfamilienhäusern. Erst der Wohnungszuwachs von 2002 auf 2003 entfiel zum überwiegenden Teil auf Einfamilienhäuser.

5 Der prinzipielle methodische Ansatz ist ausführlich bechrieben in: Walla, Wolfgang; Brachat-Schwarz, Werner und Richter, Hans J.: Regionalisierte Wohnungsbedarfsprognose, in: Jahrbücher für Statistik und Landeskunde 1995/96, S. 89–129.

6 Siehe Brachat-Schwarz, Werner und Richter, Hans J.: Wohnungsbedarfsprognose für Baden-Württemberg – Ermittlung der Wohnungsversorung 2002 und des Wohnungsneu- und Wohnungsersatzbedarfs in den Teilräumen des Landes bis 2020, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 8/2003, Seite 3–11.